Dienstag, 20.07.2010

DOURO, FAINA FLUVIAL (dt: Harte Arbeit am Fluss Douro), stumm, 1931, von Manoel de Oliveira

Ein Film über einen Fluss, der nicht an der Quelle beginnt, sondern dort wo er endet, im Meer. Ein blinkendes Leuchtturmlicht, die Brandung, die Mole. Den Schiffen folgend, die stromauf gleiten. Jedoch nur bis in den Hafen, die alte Stadt Porto, wo die hohe Ponte Dom Luis I den Fluss überspannt. Eine imposante Stahlkonstruktion für Bahn und Fußgänger, 1886 eingeweiht, erbaut von einem Partner Gustave Eiffels. Der Film zelebriert die Industrialisierung in einer sowjetisch-ekstatischen Montagesequenz über diese Brücke, fast wie in einem Zitat, unter ihrem hohen Bogen breitet sich im Folgenden jedoch der fast mittelalterlich anmutende Alltag einer Hafenstadt aus. Schiffe manövrieren, legen an, entladen ihren Fang, Möwen, Lastenträger, Karren, Marktfrauen. Vor der Kulisse der Stadt, die die steilen Berghänge hinaufgewachsen ist, ihre Straßen führen zurück in den Fluss.

Portugal 1930. Von heute aus: welche Armut, das Volk in Lumpen. Die Fischhändlerin wedelt lüstern einen Fisch in der Luft, beäugt von einem hungrigen Tagelöhner, er kratzt zwei Münzen aus der zerfetzten Tasche, knallt sie auf den Stand zwischen all die andern Fische wie eine Anklage: wovon soll ich leben?!

Die kleinen Geschichten weben sich unmerklich in den strukturell orientierten Bilderstrom. Eine Frau hat einem jungen Arbeiter das Essen gebracht. Sie hocken nebeneinander, sein Blick fällt auf ihre zur Seite geknickten bloßen Beine. Zwischenschnitt auf einen Poller. Der Mann berührt die stramme Wade. Die Frau packt das Essgeschirr zusammen.

Eine dramatische Szene fast am Ende des Films. Im Hafenchaos geht ein Ochsenkarren durch, ein Mann (der Kutscher?) will die schweren Tiere mit einem Knüppel aufhalten, wird aber überrollt. Die Menge läuft zusammen, selbst die Kohlenschipper im Bauch des Lastkahns unterbrechen die Arbeit. Der bewußtlos auf dem Pflaster liegende Mann wird aufgerichtet, scheint nicht schwer verletzt, Schnitt auf den etwas entfernt liegenden Knüppel. Der Mann reißt sich los, greift nach dem Knüppel, will wütend auf die Tiere los, er wird von anderen Männern gehindert. Alles geht furchtbar schnell. Kurz darauf kitzelt jemand – ist es der Kutscher? – die Nase eines Ochsen, bis die Zunge seine Wange leckt.

Diese Miniaturen lassen sich erzählen, während der Film eigentlich unablässig weiterrollt, in schönstem natürlichen Licht, in überbordender Montage. Der Regisseur war inspiriert von Ruttmanns Berlin-Sinfonie.

– Dagmar Kamlah –

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