Oktober 2010

Samstag, 02.10.2010

Der Sekretär aus Karatschi

Vier Stewardessen sprechen von ihrem besonderen Leben. Davon daß sie, weil sie überall hin konnten – mit der Interflug, der DDR-Fluggesellschaft – als Privilegierte galten. Allein schon wegen der Mitbringsel: aus Amsterdam der Kaffee und aus Kopenhagen der Selastikschlüpfer. Aus Karatschi ein ganz spezielles Möbelstück, der Sekretär, praktischerweise zerlegbar, konnte beim Zoll als „Holz“ deklariert werden. „Ich denke es gibt keine Flugbegleiterin, die nicht so einen Sekretär hat“, sagt Sonja Kahle, die ein tolles Lächeln hat und eine spektakuläre Haarpracht. Wenn sie in ihrer schmucken Wohnung steht und schmunzelnd auf das Profane im Exotischen hinweist, hat der Film schon gleich zu Beginn seinen Ton gefunden, eine Mischung aus Humor und Stolz, Reflexion und Traum.

Karin Röseler erzählt: „Wenn die vielfältigen Reiseeindrücke zuhause aus einem heraussprudelten, schaute man in verständnislose – und traurige – Gesichter. Und irgendwie habe ich aufgehört zu erzählen, um sie nicht traurig zu machen. Fuhr man mit der Familie oder Freunden nach Bulgarien, sagten die: Das ist ja jetzt nichts für dich – Bulgarien. Was ist schon Bulgarien, du warst ja schon in Bangkok. Ich konnte ihnen nicht sagen: Bulgarien war für mich viel wertvoller, weil wir darüber reden konnten, weil wir gemeinsame Erlebnisse hatten, weil wir gemeinsam dahin durften.“

Röseler erzählt auch, daß sie später im Westen gelernt habe, Verbesserungsvorschläge stets als „neue Ideen“ auszugeben, auch wenn es sich um längst Erprobtes aus der Zeit bei Interflug handelte. Anders hätte man ihr manche Verbesserung bei Lufthansa oder Condor nie abgekauft. In vielerlei Hinsicht ist FREIFLIEGEN ein ganz famoser Film über die DDR und das „vereinigte Deutschland“, aber noch viel mehr als das. Vom Widerstand gegen Systeme sind symbolische Bilder allseits im Umlauf, seltener sichtbar ist das Naheliegende: das wache Widerstreben, ein vorgezeichnetes Leben zu leben.

FREIFLIEGEN von Undine Siepker, heute 23.40 Uhr, im Bayerischen Fernsehen


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