Drei Videoinstallationen und eine Diaserie in einem Raum. Davis Museum, Wellesley, Massachusetts.
“Looking Up” – Eine Aufsicht auf einen Platz mit quadratischen Platten, Passanten gehen durchs Bild, ein Mann bleibt in der Mitte stehen und schaut nach oben, als würde er etwas Bestimmtes beobachten. Passanten kreuzen in alle Richtungen. Irgendwann bleiben mehrere Leute beiläufig stehen, Paare reden miteinander, ein Mann schützt die Augen mit den Händen gegen die Sonne, um auch etwas zu erkennen. Eine Frau führt ihren Hund um die Grüppchen herum, bleibt auch stehen und guckt hoch. Der Mann ist auf einmal umringt von etwa zehn Personen, die seinem Blick folgen. In diesem Moment verläßt er das Bild. Nach und nach gehen auch die anderen wieder ihrer Wege und der Ort bleibt leer zurück.
Im Schatten einer Kolonnade, mit dem Rücken am Podest einer Säule, schläft ein Hund mit ausgestreckten Läufen. Im Hintergrund eine eher ruhige Straße, neben ihm Hosenbeine in schwarz mit Metallknöpfen an der Seite, herumstehend, ab und zu die Position wechselnd, einmal gehen zwei ebensolche Beine in weiß nach links durchs Bild und später auch wieder zurück. Der Hund schläft. Dann träumt er und die Pfoten scheinen laufen zu wollen, beruhigen sich wieder. Dann zucken aufgeregt die Hinterpfoten. So geht das ein paar Male, die Männerbeine treten auf der Stelle, der Hund trippelt im Schlaf… Einer der Männer verschwindet nach hinten auf die Straße, ganz in schwarzer Tracht mit einer Gitarre auf dem Rücken. Irgendwann wacht der Hund auf, hebt etwas den Kopf und schaut träge in die Welt.
Auf die Wand zwischen diesen beiden kompakten Sequenzeinstellungen wird ein geschnittener Film mit Ton und einer simplen Handlung projiziert: Ein Mann (der Künstler selbst, wie der initierende Passant im ersten Video) schiebt einen Eisblock durch die belebten Straßen von Mexico City. Alle möglichen Einstellungen, Verkehr und Passanten, an Läden vorbei, über Plätze, Kreuzungen, eine Treppe. Der Eisblock wird kleiner, seiner Natur gemäß. Als das Eis nur noch Ballgröße hat, tritt er es vorwärts, dann wird es zu einem Pingpong und am Schluß bleibt ein kleines Scheibchen auf der Straße zurück. Schnitt, eine kleine Pfütze, ein paar Jungs hocken drumherum, die Kamera schwenkt hoch zu ihren lachenden Gesichtern. Insert: Sometimes doing something leads to nothing.
Die Diaserie versammelt eine Vielzahl unterschiedlichster Ein-Mann-Transporte in den bunten Straßen der gleichen Stadt. Meist Straßenhändler, die auf dem Kopf oder den Schultern, mit Karren, Rädern, Dreirädern, all die Dinge mit sich schleppen, schieben, ziehen, die, eher bizarr, denn überzeugend wirkend, einen materiellen Wert für sie besitzen.
Die Projektionen sind in der Höhe gestaffelt, die Diaserie und der Hund sozusagen in Bordsteinhöhe, die Aufsicht auf den Platz halbhoch, das Eisschieben in typischer Leinwandhöhe.
Dieser Künstler geht auf die Straße, mit einfachen Ideen, die aus dem Alltag entspringen und sich dorthin zurück begeben. Worin besteht die Arbeit eines Künstlers? Er handelt mit etwas, nicht anders als ein Straßenhändler. So leichtfüßig kommen Alÿs’ Aktionen daher, da muß man nicht schwer nachdenken. Das Zeigen/Betrachten eines schlafenden Hundes in Parallelität zu seiner menschlichen Umgebung, der am Ende aufwachend zurückschaut, fast in die Kamera, vielleicht seinen Beobachter bemerkend. Der Kunstbetrachter schläft mit und bemerkt sich selbst wie im Traum. Ein einzelner Mensch, der einfach herumsteht und nach oben schaut, animiert anonyme Passanten, es ihm nachzutun. Ohne dass sich jemand dessen bewußt zu werden scheint. Ein ganz simples Geschehen, Menschen reagieren auf das Verhalten anderer, ein Alltagsexperiment über die Basis unseres Zusammenlebens. Und eine Kunst, die das überstrapazierte Wort Interaktion herrlich arbiträr auf die Straße holt.
Der Titel der Ausstellung stammt von zwei Fotos, in denen der Künstler auf einen Kaugummi tritt und einen klebrige Spur nach sich zieht. Man kann zwei der Installationsvideos auf der website des Künstlers anschauen, den Hund leider nicht, aber einen Fuchs im Museum und einiges mehr (www.francisalys.com).