2011
Dienstag, 06.12.2011
Montag, 05.12.2011
B
»Die Kräfte, die dem Bild zugeschrieben werden, besitzt es nicht auf Dauer. Doch selbst nach Ablauf seiner Macht wird seine Schändung noch als Frevel empfunden. Das kann am Bild selbst nicht liegen. Denn egal ob Gemälde, Skulptur, Zeichnung, fast immer besteht es aus leicht beschaffbaren, billigen Stoffen; die in es investierte Arbeit ist meist zu vernachlässigen, selbst der Schrottwert verblüffend gering.«
[aus dem ersten Kapitel von Stefan Ripplingers gerade erschienenem Buch Bildzweifel, Band 5 der Reihe Kleiner Stimmungsatlas in Einzelbänden, Hamburg: textem 2011]
Sonntag, 04.12.2011
Dispositiv
Ab und an, vielleicht zwei oder drei mal im Jahr, kommt es vor, dass jemand ins Kino kommt und wieder geht, ohne einen Film gesehen zu haben, weil niemand sonst ihn sehen wollte. Alleine im Kino zu sitzen, meinen sie dann, das bringe ja nichts. Oder so ähnlich.
Nun hängt man, wenn man in einem Kino arbeitet, ja doch eher an denen, die sich dort Filme ansehen, aber diese Leute, die einen Filmen eher nicht sehen wollen, als ohne die Gesellschaft der Fremden um sie herum auskommen zu müssen, die hab ich doch immer unmittelbar recht gern.
Letzte Hoffnung
Über die Figur des Lehrers in Jean Renoirs Film This Land is mine (1943) schreibt Helmut Färber: „Und wenn er dann, zum letzten Mal in seinem Klassenzimmer mit seinen Schülern, die zuvor ihn ausgelacht haben und jetzt mit all ihrer Aufmerksamkeit ihn anschauen und ihm zuhören, die Erklärung der Menschenrechte liest, von Bank zu Bank gehend, und so einem jeden der Schüler einen der Artikel anvertrauend, und wenn, nachdem die Deutschen ihn abgeholt haben, seine Lehrerkollegin/Maureen O’Hara den nächstfolgenden Artikel liest – dann verbindet es diesen Filmschluß mit dem Schluß, mit der Rede des kleinen Friseurs/Chaplins in The Great Dictator, daß in beiden Filmen, Filmschlüssen noch die gleiche Widerstandshoffnung, Widerstandszuversicht war.“
(In: Helmut Färber, Partie/Renoir, 2010/2011)
Roberto Dzugan verdanke ich den Hinweis, dass Hitler selbst die Gelegenheit hatte, die Schlussrede in The Great Dictator zu hören, denn in den Listen der für Hitler privat ausgeliehenen Filme taucht auch Chaplins Film auf. Es gibt aber keine Zeugen der Aufführung.
Es gab also womöglich eine ganz direkte Möglichkeit des Films zu wirken.
Freitag, 02.12.2011
Dienstag, 29.11.2011
Mail vom 28. November 2011, 22:13 Uhr
Sehr geehrter Herr Baute,
stellen Sie sich vor, Ihr Sofa ist ein Schlauchboot, Ihr Teppich ein reißender Fluss und in Ihrem Wohnzimmer tummeln sich blutdurstige Haie und gefräßige Hamster! Und Sie sind mittendrin (…)
Samstag, 26.11.2011
Nachts auf den Strassen (Regie Rudolf Jugert, BRD 1952) (31.10.2011, 20.15 – 22.00 auf ‚arte’.)
Filme mit Hans Albers haben (in der Regel) ein ganz anderes Interesse als die mit dem Wichtelmännchen Rühmann (mit seiner verrutschten Kleinbürger-Komik). In Nachts auf den Strassen ist Albers Fernfahrer, und das Zusammenspiel mit Lucie Mannheim (im Film seine Frau) hat es in sich: Lucie Mannheim war ja eine bekannte Grösse am Theater gewesen (verheiratet mit Jürgen Fehling) und hatte in deutschen Stumm- und Tonfilmen mitgespielt. Ein paar Jahre vor Jugerts Film hatte sie noch in einem BBC-Studio gestanden (sie war 1933 nach Grossbritannien emigriert) und eine Version des Lili Marleen-Liedes gesungen, das mitten im Krieg eine erbitterte Abrechnung mit Hitler war (zu sehen und zu hören in G. P. Strascheks Filmemigration aus Nazi-Deutschland): Lili Marleen steht unter der Laterne und wartet umsonst, weil ihr Geliebter in Afrika oder in Russland gefallen ist; die letzten Strophen lauten, übersetzt, so: „Der Führer ist ein Schinder, das seh'n wir hier genau, / Zu Waisen macht er Kinder, zur Witwe jede Frau. / Und wer an allem schuld ist, den – will ich an der Laterne seh'n. / Hängt ihn an die Laterne! Deine Lili Marleen.“
In Nachts auf den Strassen gerät Albers auf Abwege, er lässt sich mit einer Anhalterin (Hildegard Knef) ein, die er mitten im Regen mitnimmt – und die wiederum ist mit Kriminellen verbandelt, die den Fernfahrer erpressen. Albers kommt mit einem blauen Auge davon, flüchtet sich wieder ins traute Heim – und will der Gattin alles gestehen. Die jedoch lenkt ihn geschickt ab – sie scheint zu wissen, dass dieses ‚Geständnis’ das Ende ihrer Ehe bedeuten würde. (Sie lässt den Alten auf der Couch lieber mal eindösen.) In ihrer Haltung schwingt ein Darüberhinaus mit: wenn das, was da noch zu gestehen wäre in Deutschland, gestanden wird – was dann?!
(Erich Pommer war bei diesem Film Produzent; Vorlage und Drehbuch, neben Käutner, von Fritz Rotter, ebenfalls exiliert; der zurecht so genannte schweizer Volksschauspieler Heinrich Gretler, der vor ’33 schon bei Fritz Lang dabei war, spielt hier den Spediteur Falk.)
Freitag, 25.11.2011
Mittwoch, 23.11.2011
Gespenster
„Im Kino ist der Berliner auch nicht so kritisch, beziehungsweise so abhängig von der Kritik seines Journals wie im Theater.“ Das weiß Franz Hessel zu berichten, der sich nicht nur durch den Stadtraum des Sehenswerten, sondern auch sozial quer durch Berlin bewegt. In den kleinen ‚Kientöppen’ erlebt er den ‚Kollektivgenuß’, dem er sich mit eigenen Tränen anschließt. Die schöne Neuausgabe von Franz Hessels „Spazierengehen in Berlin“ (1929) erlaubt es, diesen Autor und die Zwischenkriegsstadt wehmütig wieder zu entdecken.
Einmal nimmt ihn ein Freund zu Dreharbeiten nach Mariendorf mit: „Und nun fangen dort an der Bar die Grellbestrahlten an, sich zu bewegen…Einsam inmitten der Tobenden sitzt einer bei seinem Glase, den Ellenbogen auf den Bartisch gestützt, starrblickend, fern. Man flüstert uns einen berühmten Namen zu. Jetzt hebt er den Kopf und sieht zu uns herüber. ‚Er sieht uns an, als wären wir seine Gespenster’, sage ich Ahnungsloser. ‚Nein’, belehrt man mich, ‚er sieht nichts als blendendes Licht!’“
Spazieren in Berlin, Mit einem Geleitwort von Stéphane Hessel, Verlag für Berlin-Brandenburg, Berlin, 2011, 240 Seiten, 19,90 €