Arbeitsnachweise
Ich möchte dem Beitrag von Michael Girke zustimmen – mit dem Hinweis auf Siegfried Kracauers Buch Straßen in Berlin und anderswo (2009 in der Bibliothek Suhrkamp wiederaufgelegt). Keine klassische Flaneursperspektive, sondern schauen, entziffern, erschrecken, mitleiden und schildern, was unbegreiflich oder anstößig bleibt, Wie in einem Zerrspiegel kann man etwa in einem Text von 1930 unsere heutigen Jobcenter erblicken. Die „Arbeitsnachweise“ genannten Ämter schildert Kracauer als „eine Passage, durch die der Arbeitslose wieder ins erwerbstätige Dasein gelangen soll. Leider ist die Passage heut stark verstopft.“ Und auch das ist noch aktuell: “Mir ist nicht eine Örtlichkeit bekannt, in der das Warten so demoralisierend wäre.“ Kracauer schreibt: „Ich habe mehrere Berliner Arbeitsnachweise besucht. Nicht um der Lust des Reporters zu frönen, der gemeinhin mit durchlöchertem Eimer aus dem Leben schöpft, sondern um zu ermessen, welche Stellung die Arbeitslosen faktisch in dem System unserer Gesellschaft einnehmen. Weder die verschiedenen Kommentare zur Erwerbslosenstatistik noch die einschlägigen Parlamentsdebatten geben darüber Auskunft. Sie sind ideologisch gefärbt und rücken die Wirklichkeit nach dem einen oder anderen Sinne zurecht; während der Raum der Arbeitsnachweise von der Wirklichkeit selber gestellt ist.“