The Hello Machine (1974 Carroll Ballard) *** Musik: Richard Rosmini, Kamera: Caleb Deschanel
Euphorie. Leicht zu erklären ist sie nie. In einer wohltemperierten Emulsion aus akustischen und elektronischen Klängen baden Bilderfolgen, die einen Abschiedsmoment zelebrieren: Das allerphantastischste Werkzeug, die menschliche Hand ist im Einsatz um Mechanik durch Elektronik zu ersetzen. Zum letzten Mal scheint das Sichtbare begreiflich, weil Finger es anfassen. Kommentarlos vollzieht sich – in den Farben eines Kindergeburtstags – diese Abschiedsfeier, die ein wunderschöner Irrtum ist. Denn der Hände Arbeit endet nicht. Nie kommen sie zur Ruhe. Arbeit zu erleichtern, Mühsaal abzuschaffen ist eine endlose Beschäftigung. Der Telefonmonopolist AT&T hat der „Informationsgesellschaft“ dieses frühe Denkmal gestiftet. Die Welt als fingerfertig geknüpfter Teppich, ein Gewebe gegenseitiger Grüße.
Operator (1969 Nell Cox) ***
Musik: The New York Rock & Roll Ensemble, Kamera: Richard Leacock
Saul Bass entwarf 1969 für AT&T / Bell System ein neues Logo und eine Uniform. Abseits dieser Modernisierungskampagne wurde im selben Jahr ein Instruktionsfilm gedreht, über die Arbeit mit Switchboard und Telefonbuch. Zum Glück hat Operator nichts gemein mit jenen tristen Filmen, die aussterbende Berufe dokumentieren wollen. Wer weiß denn schon so genau, welche Berufe wirklich aussterben. Menschen, die am Telefon ihr Geld verdienen, gibt es heute viel mehr als 1969. Es ist gleichermaßen ein Dilemma und ein Glück, wenn aus unbezahlbaren, menschlichen Qualitäten die Instrumente der Berufsausübung werden. An beides, das Dilemma und das Glück, kommt Operator ganz wunderbar nah heran.
Liza’s Pioneer Diary (1976 Nell Cox)***
Nell Cox hat fürs Fernsehen einen Siedler-Western gedreht, in dem Frauen im Mittelpunkt stehen. Das ist der Film, den ich nicht kannte, aber irgendwie erträumte, als alle so begeistert waren von Meek’s Cutoff (2010 Kelly Reichardt). Weibliches Vertrauen in männliche Führer ist hier nicht das Sujet, sondern ausgetauschte Erfahrung; es wird viel geredet, und es wird gemeinsam gesungen. So wichtig wie die Mitgift in John Fords The Quiet Man, so wichtig ist in Liza’s Pioneer Diary ein Klavier. Es geht nicht um Schonung. Das muss vom Mann verstanden werden.
In dem kurzen Kinder-und-Hunde-Kriminalfilm Something Queer at the Library widmete sich Nell Cox 1978 einer interessanten Frage, die zehn Jahre später auch mich zu einem Super-8-Film inspirierte. Die Frage: Wer schneidet Bilder aus den Büchern einer Leihbibliothek?
Storm Center (1956 Daniel Taradash) erzählt von politischer Radikalisierung. Schon der von Saul Bass gewohnt grandios gestaltete Vorspann verheißt Ungewöhnliches. Die Bibliothekarin der Public Library soll ein bestimmtes Buch aus dem Bestand entfernen. Den jovialen Stadtväternn ist die stolze Verfechterin demokratischer Grundsätze zwar argumentatorisch überlegen, doch das verhindert nicht ihre Entlassung. Der daraus folgende innere Rückzug mündet in Vereinsamung.
Die Bibliothekarin wird gespielt von Bette Davis. Im „Modern Screen Magazine“ sagte sie: “Librarians almost always have been pictured as dowdy. Movies, novels, and short stories haven’t done right by librarians, and it is time somebody did something about it.” Bette Davis tut das auf ihre eigene höchstgefährliche Art, ganz so wie später unter Robert Aldrichs Regie ist sie nicht um sympathische Wirkung bemüht, sondern erzeugt in unerklärlichen Mischungen und Mengen: Furcht und Mitleid.
Das ist aber nur der halbe Film. Storm Center erzählt auch noch von der Radikalisierung eines neunjährigen Bücherwurms. Kritiker schrieben von einander ab, es gäbe für den Wahn des von Kevin Coughlin dargestellten Kindes keine zwingende Erklärung. Dabei gibt es unübersehbar gleich drei: Das Unterlegenheitsgefühl eines ungebildeten Vaters, die Überlegenheitsgefühle unterlegener Frauen, und der gelogene gesellschaftliche Konsens, der Kämpfe überflüssig nennt. Vater, Mutter, Staat. Das Monster mit den drei feuerspeienden Köpfen, das den Kleinen bei der Lektüre von Hawthornes „Wonder Book“ in Furcht versetzt, kann dafür als Gleichnis gelten. ***
Drehbuchautor Daniel Taradash – hochgeschätzt für seine Adaptionen (From Here to Eternitity und Picnic), „a man I admire very much“ (Fritz Lang) – hat nur einen einzigen Film inszeniert. Schön, dass es IMDB-Kommentatoren gibt, die im Unterschied zu herablassenden Kritikern diesem unbekannten amerikanischen Klassiker zeitlose Aktualität bescheinigen. In Deutschland kam Storm Center nie ins Kino. 1975 strahlte der NDR ihn aus. Damals beschäftigte der Radikalenerlass das Bundesverfassungsgericht. Im Selbstvorwurf, nicht genug gekämpft zu haben, und im Schwur, „nur über meine Leiche wird noch mal ein Buch aus meiner Bücherei entfernt“, gibt Bette Davis in Taradashs Film der Demokratie ein Gesicht, das Feuer kennt.
The Wicker Man (1973 Robin Hardy) via
Öffentliche Bibliotheken gelten als „freiwillige“ Leistung. Über viele verschuldete Gemeinden sind sogenannte „Schutzschirme“ gespannt. Daher die „endgültige Maßnahme: Schließung„. Nicht erzwungen, sondern zwanghaft ist der Verzicht. Der Verzicht auf Vermögensteuer. Zudem werden Kapitaleinkünfte geringer besteuert als Arbeitseinkommen. Und so weiter.
Ich erinnere mich, es war 2007. Eine Urlaubsresidenz im Bauhaus-Stil, mit Blick auf beide Buchten von San Sebastian, trug in Schmiedeeisen den deutschen Namen „Verzicht“. Da mussten wir lachen.