Freitag, 27.11.2015

Ein Toast auf Aimé !

Zum neuen Film von Jean-Marie Straub – L’AQUARIUM ET LA NATION

Ozu at the Bar

Mariko Okada, Yasujiro Ozu, Yoko Tsukasa am Set von AKIBIYORI | SPÄTHERBST (1960) (*)

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Hiroshima, 22. November 2015

Nous avons le plaisir d’annoncer que Monsieur Aimé Agnel, l’acteur principal du film L’AQUARIUM ET LA NATION, a été sélectionné pour le Prix spécial Mariko Okada dans le cadre de la compétition officielle du Festival International des films d’Hiroshima.
Le Prix spécial Mariko Okada du Festival International des films d’Hiroshima est destiné à récompenser un acteur choisi ou une actrice choisie pour les qualités novatrices ou renouvelés de ses interpretations.

Es ist uns eine Freude, verkünden zu können, dass Monsieur Aimé Agnel, Hauptdarsteller des Films L’AQUARIUM ET LA NATION, für den Spezialpreis Mariko Okada im Rahmen des offiziellen Wettbewerbs des Internationalen Filmfestivals Hiroshima ausgewählt worden ist.
Der Spezialpreis Mariko Okada des Internationalen Filmfestivals Hiroshima zeichnet einen Schauspieler oder eine Schauspielerin für die innovativen oder erneuernden Qualitäten seiner / ihrer Darstellung aus.

Paris, 22. November 2015

Je remercie très vivement Mme Mariko Okada, que j’admire depuis longtemps pour la modernité, la jeunesse et la révolte qu’elle a su si bien nous communiquer dans les films de Naruse et Ozu.
Un grand merci aussi aux organisateurs courageux du Festival international du film de Hiroshima.
Et, bien sûr, un merci chaleureux à Jean-Marie Straub qui ma appris à dire le texte d’André Malraux en tenant compte essentiellement du corps et de la respiration, comme s’il s’agissait d’une interprétation musicale.
Merci, enfin, à la productrice Barbara Ulrich dont l’amitié m’a accompagné tout au long de la préparation et du tournage de ce film.
Merci à tous !
Aimé Agnel

Ich richte einen lebhaften Dank an Mme Mariko Okada, die ich seit langem dafür bewundere, wie gut sie uns die Modernität, die Jugend und die Revolte in den Filmen von Naruse und Ozu zu vermitteln gewusst hat.
Einen grossen Dank auch den mutigen Organisatoren des Internationalen Filmfestivals Hiroshima.
Und, natürlich, einen herzlichen Dank an Jean-Marie Straub, der mich den Text von André Malraux sprechen gelehrt hat – den Körper und den Atem wesentlich in Betracht ziehend, wie wenn es sich um eine musikalische Interpretation gehandelt hätte.
Dank nicht zuletzt an die Produzentin Barbara Ulrich, deren Freundschaft mich während der ganzen Vorbereitungs- und Drehzeit begleitet hat.
Dank an alle !
Aimé Agnel

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LAELAN feuilles

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L’AQUARIUM ET LA NATION
Film von Jean-Marie Straub
Schweiz / Frankreich 2015
34 Minuten
Text aus dem Roman „Les Noyers de l’Altenburg“ von André Malraux | © Gallimard
Darsteller: Aimé Agnel und Christiane Veschambre
Kamera und Schnitt: Christophe Clavert
Musik: „Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze“ von Joseph Haydn
Ton: Dimitri Haulet
Mischung: Jean-Pierre Laforce, Gaël Blondet; La Fémis
Postproduktion: Olivier Boischot, Studio Orlando; La Ruche Studio
Produktion: Barbara Ulrich, Belva Film; Arnaud Dommerc, Andolfi
Dank an Florence Malraux
Ausschnitt aus „La Marseillaise“ von Jean Renoir | © Studio Canal

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Handle es sich um Gott in den religiösen Zivilisationen oder um das Band mit dem Kosmos in den früheren Zivilisationen, jede mentale Struktur hält für absolut, unangreifbar

eine besondere Evidenz,

die das Leben ordnet und ohne die der Mensch weder denken noch handeln könnte.

(Eine Evidenz, die dem Menschen nicht notwendigerweise ein besseres Leben sichert, die sehr wohl zu seiner Vernichtung beitragen kann!)

Sie ist dem Menschen, was das Aquarium für den Fisch ist, der in ihm schwimmt. Sie kommt nicht aus dem Geist. Sie hat nichts zu tun mit der Suche nach Wahrheit.

Sie ist es, die den Menschen ergreift und besitzt; er, er besitzt sie nie ganz und gar.

Die Menschen sind am tiefsten definiert, und getrennt, durch die Form ihres Schicksals.

– Welches ist die unsere?

Es ist nicht leicht für einen Fisch, sein eigenes Aquarium zu sehen …

Die Nation zuerst, nicht?

(Deutsch von Johannes Beringer und Jean-Marie Straub)

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Mit und ohne Berger
Einige informations malruciennes zu Jean-Marie Straubs L’AQUARIUM ET LA NATION

Jean-Marie Straubs L’AQUARIUM ET LA NATION ist ein dialektisches Meisterstück. Was Kultur und Nation sind, entwickelt der Film nicht mithilfe einer Spielhandlung, sondern als argumentum e contrario mit den Mitteln der Montage.
Ausgangspunkt ist ein Monolog aus André Malraux’ metaphysischem Roman „Les Noyers de l’Altenburg“ (Die Nussbäume der Altenburg, 1943). Auf der (fiktiven) Altenburg, unweit des Odilienbergs (man erinnere sich an Straubs UN HÉRITIER, 2011), streiten kurz vor dem Ersten Weltkrieg einige Gelehrte über kulturphilosophische Fragen. Auf der einen Seite stehen Vincent Berger und sein Onkel Walter, zwei Elsässer, auf der anderen ein gewisser Möllberg, ein deutscher Ethnologe, der manche Kommentatoren an Leo Frobenius und an Oswald Spengler erinnert hat. An C.G. Jung erinnert er natürlich auch (Aimé Agnel ist Jungianer). Für Möllberg schwimmt der Mensch im Aquarium seiner Kultur, denn schwömme er nicht darin, befände er sich im ewigen Nichts, auf dem Trockenen. Am Vorabend des Weltkriegs kann diese Kultur nur die Nation sein.
Möllbergs fatalistischer Weltsicht setzen Vincent Berger eine Philosophie der Tat („L’homme est ce qu’il fait“) und Walter Berger die Geschichte entgegen. Straub bringt ausschließlich die Stellungnahme Möllbergs, lässt also die Erwiderungen der beiden Berger weg, abgesehen von einer Nachfrage Vincents, die im Film von Christiane Veschambre eingesprochen wird. Und doch kommt Straub dem Standpunkt der beiden Berger zumindest sehr nahe, indem er Möllbergs Thesen zwei Szenen aus Jean Renoirs LA MARSEILLAISE (1938) entgegenstellt – „la nation“ als Tat und Geschichte. Nation, begriffen auch als brüderliche Vereinigung und Widerstand.
Malraux kämpfte kurz nach der Veröffentlichung des Romans unter dem nom de guerre Berger in der elsässischen Résistance, als ob sie die Verlängerung eines literarischen Projekts wäre. In seinen „Antimémoires“ (1967) greift er entsprechend nicht auf sein Leben im Widerstand, sondern auf seine Literatur zurück und wiederholt u.a., allerdings stark möllbergisiert, die zentrale Passage aus den „Noyers“. Der Elsässer Berger (also der Hüter, aber auch, französisch ausgesprochen, der Hirte) taucht noch einige Male in seinem Werk auf, unter anderem in den Fragmenten seines Résistanceromans „Non“. (Ausführlich schreibe ich über diese Zusammenhänge in der nächsten Ausgabe der Saarbrücker Hefte.)
In allen Schriften von Malraux zum Thema Kultur, Krieg, Résistance spielen Ethnologen eine entscheidende Rolle. Und nimmt die Anfangssequenz von Straubs Film – Fische im Aquarium – nicht, wenn auch ironisch, den Blickwinkel eines Ethnologen ein?
Stefan Ripplinger

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Film-Publikationen von Aimé Agnel –

Das Ford-Buch

Das Hitchcock-Buch

Downloadbare Texte
in den Cahiers Jungiens de Psychanalyse

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Ein Dossier CinéMalraux von François Albera in
1895. Revue d’histoire du cinéma – N°76 – Été 2015 –

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Der Film wird am 18. Dezember im Filmmuseum München in deutscher Erstaufführung gezeigt (zusammen mit anderen alten und neuen Straubfilmen).

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Dank an Jean-Marie Straub und Barbara Ulrich.

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