Samstag, 17.12.2016

Buchhinweis

Straub/Huillet in Marktheidenfeld

Heimo Bachstein, geboren 1937, war Sparkassenangestellter. Er lebte bis zu seinem Tod 2011 in Marktheidenfeld bei Würzburg. Irgendwann in den 1960er Jahren begann er, sich für das Kino zu interessieren, für Käutner und Domnick, für Trickfilm und Warhol, für Eisenstein und Straub/Huillet, für Kubanische Plakate und Jack Smith.

Um seinen Kinohunger zu stillen, hat Bachstein unzählige Schreiben an zentrale Akteure der internationalen Filmkultur auf den Weg gebracht und um Materialien für seine stetig wachsende Sammlung gebeten. Als Aktivist der Jugendfilmclub-Bewegung, später dann als Leiter des Filmforums der Volkshochschule Marktheidenfeld, hat er dafür gesorgt, Filme, oft in Begleitung der Regisseure, in das örtliche Kino zu holen. 1968 zeigte er in Marktheidenfeld eine vollständige Straub/Huillet Retrospektive.

Das oben abgebildete Plakat ist ein Dokument von vielen. Gemeinsam mit 1.600 Büchern, 220 Zeitschriftentiteln, 22.000 Fotografien, 7.900 Dias, über 1.200 Filmstreifen, 280 Mappen mit 2.800 Texten, 3.500 Plakaten 2.000 Verleihbildern, 3.000 Presseinformationen, 1.800 Zeitungsausschnitte, 2.300 Broschüren und 850 Korrespondenzen kam es 2010 ins Magazin der Universitätsbibliothek der Bauhaus Universität Weimar, statt – wie geplant – im bereits bestellten Container entsorgt zu werden.

In zwei Seminaren hatte ich Gelegenheit, gemeinsam mit Bachelorstudierenden in den 65 Regalmetern zu stöbern. Im ersten Semester nahmen wir uns vor, eine Ausstellung zu machen; im zweiten, in dem nur zwei Studentinnen dabei waren, planten wir eine Broschüre.

Aus der Broschüre wurde ein Buch, das nun erschienen ist. Durch die Mitarbeit der Gestalterin Ricarda Löser ist es sehr schön geworden, durch den Einsatz Katrin Richters, der stellvertretenden Leiterin der Bibliothek, war es überhaupt möglich, die Seminare und das Buch zu machen.

Im Buch sind drei Schwerpunkte von Bachsteins Sammlung etwas genauer dargestellt; das New American Cinema (Paulina Kutschka), der deutsche Experimentalfilm um 1968, vor allem in Hamburg und Köln (Franziska Schade), Straub/Huillet, mit denen Bachstein 40 Jahre lang korrespondierte.

Außerdem gibt es Beiträge von Filmkritik-Studierenden sowie den Gästen, die für drei Kinoabende letzten Winter in Weimar waren: Helmut Färber, Heide Schlüpmann und Karola Gramann sowie Maja Naef.

Man kann das Buch hier bestellen, beim Lucia-Verlag, der von Weimarer Studierenden gegründet wurde. Hier auch eine Leseprobe. Der Erlös kommt anderen studentischen Publikationsprojekten zugute.

Kino-Enthusiasmus. Die Schenkung Heimo Bachstein
hg. von Volker Pantenburg und Katrin Richter
unter Mitwirkung von Paulina Kutschka, Franziska Schade und Sophie Spallinger, gestaltet von Ricarda Löser

144 Seiten | 18,3 x 27,6 cm | Offsetdruck | Schweizer Broschur | 30.00 €

2 Kommentare zu “Buchhinweis”

  1. Rolf Aurich schreibt:

    Schaut nach einem sehr interessanten Buch aus! Es gibt einen Film von Achim Rüger über Heimo Bachstein (2004), ein angenehmer, amateurhafter Film, der von Begeisterung spricht: Rügers für Bachstein, Bachsteins für Film und die Menschen des Films. Bachstein hat in Filmen mitgewirkt und über Filme geschrieben, Literatur gesammelt, Apparate auch. Er hat Filme gemacht, war Eisensteinfan. Filme wie jener von Rüger sind mitunter das Salz in der Suppe. Bachsteins Sammlung zu Eisenstein hat wohl das Filmmuseum in Frankfurt erworben, siehe Filmblatt, Nr. 10, Sommer 1999. Bachstein war Mitarbeiter bei „Retro“ (Wien), dort findet sich in Nr. 23, Februar 1984 der Artikel „Eine Linie als Bewegung. Betrachtungen zur Eisenstein-Ausstellung ‚Beispiel Eisenstein: Zeichnung, Theater, Film’ der Düsseldorfer Kunsthalle“.

  2. Volker Pantenburg schreibt:

    Ja, der Film von Achim Rüger ist mir bekannt; ich zitiere hier der Einfachheit halber die Fußnote 1 meines kurzen Einführungstexts im Buch: »Mehr über Bachstein erfährt man in Achim Rügers Porträtfilm Heimo Bachstein. Ein Leben für den Film (2004), der – fast versteht es sich von selbst – als VHS-Kassette ebenfalls Teil von Bachsteins Sammlung ist.«

    Dass die Eisenstein-Dinge an das Filmmuseum Frankfurt ging, ist mir neu, vielen Dank für den Hinweis! Zum Verbleib der Sammlung an unterschiedlichen Orten stehen in KINO-ENTHUSIASMUS die folgenden Zeilen: »Heute ist Bachsteins Sammlung verstreut auf verschiedene Institutionen. Durch die Vermittlung Karola Gramanns und Heide Schlüpmanns kam die 2.583 Bände umfassende Filmbibliothek 2002 an das Institut für Filmwissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt, 2008 schenkte Bachstein technische Geräte und 400 Plakate aus seiner Sammlung dem Film-, Photo-, Tonverein Gemünden, 2010 ergab sich der Kontakt zur Bauhaus-Universität Weimar, der zu der großzügigen Schenkung von mehr als 1.500 Büchern und Zeitschriften sowie einer beinahe unüberschaubaren Fülle an Kino-Materialien führte.«

    Ein gewisser Rolf Aurich wird auch verschiedentlich zitiert – einerseits das Buch über die „vorakademische Filmwissenschaft“, in deren Landkarte jemand wie Bachstein gut eingezeichnet werden könnte, andererseits die sehr schöne »Zeittafel« im Linder-Buch, auf die in einem Eintrag zur zweisprachigen OTHON-Ausgabe in Linders Verlag verwiesen wird.

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