März 2017

Samstag, 18.03.2017

Filme der Fünfziger XXXI: Die Mücke (1958)

Thomas Brandlmeier, der mit Ulrich Kurowski vor allen anderen das Kino der 50er Jahre wiederentdeckt hat, zählt in seinem Beitrag „Aus der Ferne so nah“ im Walter Reisch Buch des filmarchiv austria Die Mücke und Der Cornet zu den wichtigsten bundesdeutschen Filmen der 50er Jahre. Beide entstanden unter der Regie des Remigranten Walter Reisch, der in den USA als Drehbuchautor u.a. für Ernst Lubitsch (Ninotschka 1939) arbeitete und für das Drehbuch zu „Titanic“ (1953; Regie: Jean Negulesco) den Oscar erhalten hatte. Produziert hatte „Die Mücke“ und „Der Cornet“ F. A. Mainz, der mit Reisch wahrscheinlich über den gemeinsamen Bekannten Emile Lustig in Kontakt kam. Mit Lustig, damals noch Emil, hatte Mainz 1932 den Verleih Europa-Film gegründet. 1936 war Lustig Produzent in Prag; zu seinen Filmen zählt er „Port Arthur“. Auftraggeber war die Tobis, Direktor der Tobis war Mainz. Über Frankreich und Portugal emigrierte Lustig 1941 nach New York und kam für die beiden Filme von Walter Reisch nach Deutschland zurück. Ein dritter Film „Mitternachtssonne“ nach einem Drehbuch von Walter Reisch kam nicht mehr zustande.

Die Zeit ist nicht freundlich zur Spionin Vilma Korinth (Hilde Krahl), genannt die „Mücke“. Sie kämpft um ihre Existenz und hält gerade noch die Fassade der „Grande Dame“ aufrecht. Sie kämpft auch um ihre Integrität und gegen die, die sie mit den Worten „Eine Frau wie Sie …“ zuordnen wollen. Dazu gehören eine ominöse „Excellenz“ aus dem Hotel „Vier Jahreszeiten“, der Waffenhändler Karrari (Gustav Knuth), der Vilma engagiert, um seine Frau zu überwachen („Das Spionieren liegt Dir im Blut“), der Kommissar Hugo Voss (Bernhard Wicki), der sie von einem Steckbrief kennt und mit Liebe erpresst, und schließlich sogar Karraris Frau Jeanette (Margot Hielscher). Jeder in diesem Spiel könnte auch eine andere Identität haben als die, die er gerade zeigt; daher rührt ein Teil der Spannung und auch ein Teil der Empörung Vilmas über die Worte: “Eine Frau wie Sie…“.
Jeanette hält Vilma zu recht für eine von ihrem Mann beauftragte Aufpasserin und lässt sich trotzdem täuschen. Hugo könnte ein Liebhaber Jeanettes sein, hat es aber auf Vilma abgesehen; Vilma gibt sich unbeeindruckt und verliebt sich doch in Hugo, der in Wirklichkeit ein Kommissar ist und jetzt in ihrem ehemaligen Hotel wohnt, in ihrem Bett schläft, umgeben von ihrem Geruch. Das Hotel heißt „Kompass“, aber die Nadel springt wie verrückt zwischen den Himmelsrichtungen hin und her.
Das „Kompass“ liegt in einem ärmeren Bereich von Hamburg; eine Schmalspurbahn fährt aus einem Hauseingang und versperrt Karraris Packard den Weg, Anwohner stehen auf der Straße und blicken interessiert in die Kamera. Eine Art Wendeltreppe führt bis unters Dach des Hauses, in dem Vilma wohnt und ein Matrose mit einer Nutte ein anderes Zimmer verlässt. Das „Kompass“ ist eine Absteige.
Im Hotel „Vier Jahreszeiten“ beginnt der Film mit zwei Kamerafahrten. Der Diener der nie erscheinenden „Excellenz“ geht die Hoteltreppe herunter, um Vilma in der Lobby eine Absage zu erteilen. Kurz darauf eilt Karrari die Treppen herunter, um Vilma abzufangen. Ausgangspunkt der Fahrten ist eine Einstellung wie aus einem englischen Horrorfilm. Das „Vier Jahreszeiten“ ist das Hotel der schlechten Träume, des falschen Prunks und der bösen Geschäfte. Es ist auch wie ein drittes Auge, es blickt auf die Strassen hinab und in die Verhältnisse hinein. Man schreitet in ihm lange Flure entlang, geht auf Balkone hinaus, steht im Schatten der Hintertüren und diniert mit Vokalmusik. „Das ist Brahms, nicht?“, fragt Vilma und Jeanette antwortet „Ja, er ist doch in Hamburg geboren. Sie spielen es jeden Abend.“ Wieder eine Täuschung; das Lied „Es war nur eine Liebelei“ ist natürlich nicht von Brahms, sondern von Peter Kreuder und Walter Reisch. Der Sänger Axel Monje singt auch nicht selbst, sondern soll nur gute Figur machen und öffnet den Mund zum Gesang von Wolfgang Sauer. Der Sänger geht auf Hugo zu, der mit einer nicht angezündeten Zigarette an der Bar sitzt, und will ihm Feuer geben. Danke, nicht nötig; Hugo ist Nichtraucher, er tut nur so als ob.

Vilma war im Spanischen Bürgerkrieg als Spionin zum Tode verurteilt und von Karrari freigelassen worden. Jetzt ist die Polizei Karrari auf den Fersen und Vilma warnt ihn mit seinen Worten von früher: „Renn, sag ich Dir, renn und nimm nichts mit.“ Diesen letzten Rollenwechsel macht Karrari nicht mit. In der Gesellschaft der Täuschungen und Finten will er seine persönliche Rache. Das wird scheitern.
Gustav Knuth verlässt seine Standardrolle als großherziger Gemütsmensch; mit Meckifrisur in einem Anzug vom Format eines Clownskostüms ist er ein von Eifersucht und Misstrauen geplagter Tatmensch. Alles soll käuflich sein und was nicht käuflich ist, das kann nur Betrug sein. Wicki spielt mit falschen Liebesschwüren und Dackelblick den schmierigen Romeo, eine Figur, so Vilma, wie aus einem billigen Fortsetzungsroman. Margot Hielscher ist die dauerenttäuschte Ehefrau in großer Garderobe und spricht den moralischen Nekrolog auf ihren Mann: „In seiner Liebe zu mir war er ehrlich; in dieser Hinsicht können wir alle von ihm lernen.“ Und Hilde Krahl ist schön, intelligent, diszipliniert, immer überlegen und auch müde vom Überlegen-Sein. Sie singt, tanzt sogar Boogie Woogie und ist eine bewunderungswürdige Intrigantin. Walter Reisch inszeniert sie mit der Kamera aus der Obersicht, der Untersicht, gehend, liegend, frustriert und gelöst. Sie hätte, im schwarz glänzenden Abendkleid als Frau zwischen den Männern, „Gilda“ sein können, wäre jemand anders, jemand böseres als Bernhard Wicki ihr Partner gewesen und hätte es andere Nachfolgefilme gegeben als „Ewiger Walzer“.
Am Ende will Wicki sie besuchen und wird nicht vorgelassen. Krahl verhandelt über einen neuen Auftrag der „Excellenz“, sie soll sofort verreisen. Der Diener wird Wicki erklären, dass die Mücke bei der Wahl zwischen Liebe und Beruf den Beruf gewählt hat. „Das ist nicht wahr“, protestiert Krahl. „Es ist besser als wahr, es ist zweckmäßig“, repliziert der Diener. Abgeklärter ist die Gesellschaft im deutschen Film selten beschrieben worden.

Zur selben Zeit wie „Die Mücke“ dreht Pabst „Das Bekenntnis der Ina Kahr“, John Brahm „Die goldene Pest“, Roberto Rossellini „Angst“, Gabor von Radvany „Ingrid“, Helmut Käutner „Ludwig II“, Hans Braun „Der letzte Sommer“ und Julien Duvivier den sehr eigenen Film „Marianne“. Das war alles in allem eine bemerkenswerte und mutige Phase.

Nicht auf DVD

Ergänzungen und Präzisierungen zum Eintrag bei filmportal:
Mit Ida Perry. Gesang: Wolfgang Sauer; Kameraassistenz: Henry Rupé; Tonassistenz: Curt Dau, Walter Rüdiger; Schnitt: Charlotte Hüske; Kostüme: Salon Bibernell; Maskenbildner: Herbert Grieser, Charlotte Schmidt-Kersten; Standfotos: Karl Lindner, Gabriele du Vinage. Dreharbeiten in Hamburg, in den Ateliers Hamburg-Wandsbek, Berlin-Pichelsberg und Berlin-Tempelhof. Begonnen Anfang August 1958

Filme der Fünfziger XXX: Die Landärztin (1958)

„Die Landärztin“ lebt unter blauem Himmel, weißen Wolken und bei den grünen Wäldern; der Film spielt in der gleichen Ideenwelt, in der – so las ich vor kurzem auf einer Verpackung von Bio-Eiern – die glückliche, mobile Henne lebt. Man macht sich gern lustig über das rückständige Publikum der Heimatfilme, ist selbst natürlich aufgeklärt und ernährt sich hautsächlich von Bio-Produkten. Im Unterschied zu den fünfziger Jahren sieht der moderne Mensch selbstverständlich keine Heimatfilme, er ist sie jetzt einfach zum Frühstück.

Dr. Petra Jensen (Marianne Koch) ist eine junge Ärztin, die eine Stelle als Landärztin antreten will. Sie fährt mit einem Motorroller NSU Prima in Kürzlingen ein und muß gleich eine, durch ein frisch erworbenes VW-Cabrio unterstützte Werbung ihres Klinik-Kollegen Dr. Friebe abwehren. Die Hebamme Margarete Haagen wechselt das alte Arztschild aus und unterhält sich angeregt mit dem Bürgermeister Michl Lang. Die Kamera fährt weit, weit zurück und trotzdem hören wir weiterhin schön deutlich das Gespräch der beiden Figuren. Der Bürgermeister und das halbe Dorf hatte einen Mann erwartet, nicht eine Frau Doktor. „Fräulein, bitte“ korrigiert Marianne Koch. Die Männer wollen nicht zum Damendoktor, die Frauen sagen erst mal nichts. „Was halten Sie denn von der Gleichberechtigung?“, fragt die Ärztin den Bürgermeister. „Schon, aber doch nicht gleich so.“ Nun betritt Rudolf Prack die Szene und stellt klar: „Nix Kollege. Ich bin von einer anderen Fakultät.“ Prack ist der Tierarzt Dr. Rinner und nennt Koch „akademische Krankenschwester“. Rudolf Vogel und Willy Millowitsch streiten über die Affäre. Millowitsch findet die Veränderung gut, Vogel graust es auf seine komische Art. Das Fräulein Doktor aber – Respekt, Respekt – kuriert ihn von seinem Ischias. Friedrich Domin, wieder eine andere Fakultät, kommt als Pfarrer um die Ecke; natürlich verbündet er sich mit Marianne Koch und ihrem Motorroller. Darf er mitfahren? Freilich; und er hält den Hut fest wie man es sonst nur bei alten Damen sieht.
Domin, Vogel, Millowitsch und Prack stehen Marianne Koch zur Seite und bald ist Dr. Petra – Fräulein bitte – Jensen vom Dorf akzeptiert. Auch Rudolf Prack hat ein VW Cabrio und wohnt ganz allein in einem Haus, ach was sag ich, einem Zoo mit Pferd und Esel, Welpen und Katzenkindern; als Gastgeber ist er herrlich unbeholfen, aber als Mann und Tierarzt todschick mit Seidenschal im offenen Hemd, Blazer und Pfeife. Ganz so wie in der Werbung einer Illustrierten. Koch dagegen trägt ein eher unförmiges, durch Schulterriemen gehaltenes Lätzchen-Oberteil. Die Taille ist durch ein Riemchen modisch fest geschnürt. Koch hat ein neues Angebot aus der Stadt, hat sich aber im Dorf durchgesetzt. Was rät ihr Tierarzt und Zoodirektor Rudolf Prack? Soll sie bleiben, soll sie gehen? Er nimmt sie in die Arme und sie flüstert: “Vielleicht habe ich nur darauf gewartet.“ Ja, ahnten wir es nicht schon die ganze Zeit?
Die grausliche Frau Bürgermeister hat ihre schwangere Tochter Afra (Maria Perschy) so heftig geschlagen, dass sie sofort und mit Problemen niederkommen muß. Es ist die Stunde der Bewährung für Frl. Jensen, draußen tobt heftig ein Sturm; wie gut, dass Rudolf Prack und Margarete Haagen helfen und Afras Freund, der Hallodri-Sohn des Tischlers Zipfhauser (Rudolf Vogel), eine Sauerstoffflasche herbeizaubert und damit seinem neugeborenen Kind das Leben rettet. Margarete Haagen zeigt, wie man den Sauerstoff einsetzt. Man hält einfach den Schlauch der Flasche an das Neugeborene, das dann schreit und ergo lebt. Bald wird im Wirtshaus Hochzeit gefeiert; der Bürgermeister hält seine Rede nicht auf das Brautpaar, sondern auf Petra Jensen, die auf einmal ganz verlegen wird und gesteht, dass sie nach Kürzlingen gehört, ja ihren Platz gefunden hat im Kreis der großen Heimatfilmschauspielerfamilie und als Beifahrerin im Cabrio von Rudolf Prack, dem studierten Pfeifen-Casanova.
Paul May hat den Film wie nach Ilse Kubaschewskis Rezeptbuch inszeniert: keine unsympathischen Hauptfiguren, keine Rückblenden, immer ein Happy End; Tiere, Kinder und Landschaft fürs Gemüt; viel Musik und immer was zum Lachen.

Keine DVD
Christine Neubauer spielte die Landärztin in der gleichnamigen TV-Serie (2005 – 2013)

Ergänzungen und Präzisierungen zum Eintrag bei filmportal:
Mit Elinor Wallenstein, Otto Schmöle, Minna Fröhlich, Friedrich Neubauer. Maske: Sophie Obermeier; Requisiten: Waldemar Hinrichs, Michael Eder; Garderobe: Else Heckmann, Anni Hannoszek, Herbert Lindenberg. Regieassistenz: Bertl Möller; Kameraassistenz: Ernst Wild; Schnitt-Assistenz: Eva Tittes. Dreharbeiten 29. Juli bis Mitte September 1958; Aussenaufnahmen in Neubeuern, Landkreis Rosenheim; Innenaufnahmen im Divina-Atelier in Baldham

Mittwoch, 08.03.2017

Die Pausenzeichen des Westdeutschen Rundfunks (2)


[Aus Köln in die Welt. Beiträge zur Rundfunkgeschichte, hg. von Walter Först, Köln: Grote 1974; = Annalen des Westdeutschen Rundfunks, Band 2, Innenseite des vorderen Buchdeckels]

Freitag, 03.03.2017

Die Pausenzeichen des Westdeutschen Rundfunks (1)

[Aus Köln in die Welt. Beiträge zur Rundfunkgeschichte, hg. von Walter Först, Köln: Grote 1974; = Annalen des Westdeutschen Rundfunks, Band 2, Innenseite des vorderen Buchdeckels]

Mittwoch, 01.03.2017

Filme der Fünfziger (XXIX): Rosen für Bettina (1956)

Elisabeth Müller schwebt durch diesen Film als zentrale Figur, an der sich weniger eine Geschichte entwickelt, als dass Konstellationen und Verhältnisse verschoben werden. Das Schicksal schlägt die erfolgreiche Primaballerina Bettina Sanden (Elisabeth Müller) mit einer schweren Krankheit. Gerade noch hat sie ein Engagement an den Broadway abgelehnt, weil Lebensgefährte und Choreograf Kostja (Ivan Desny) nicht mit engagiert wird, da bekommt sie Kinderlähmung. Wird Kostja in dieser Krise zu ihr stehen? Er versucht es ja, aber auch ihn trifft das Schicksal in Gestalt seiner Karriere und einer neuen Primaballerina; das Fleisch ist schwach und das Leben muss weitergehen. Bettina nun liegt im Bett mit dieser zur Zeit der Filmproduktion noch unheilbaren und heimtückischen Krankheit.

Nachdem Dr. Brinkmann (Carl Wery, der kernig-knorrige Hausarzt des deutschen Films) sie untersucht hat, lässt Professor Förster (Willy Birgel) Bettina in sein Privatsanatorium nach Hohentann überstellen. Der Professor ist, das wissen wir aus einer Balletteinlage zu Beginn des Films, ein großer Verehrer von Bettinas Kunst. Die Klinik von Dr. Brinkmann hat den Charme einer Behörde der fünfziger Jahre; helle, durch Glastüren von einander abgesetzte Gänge sieht man aus einem Wartebereich mit Gummibäumen. Durch diese, in milchig-wässriges Laborweiss getönte Endlosigkeit bewegen sich wie Geistererscheinungen konfessionelle Krankenschwestern mit ausladenden Flügelhauben.

Professor Försters Klinik dagegen besteht im Wesentlichen aus einer großen Terrasse, auf der die Kranken in Liegestühlen einen gemalten Alpenprospekt genießen oder mit Gehstock, Sonnenbrille und Bademantel hinter Glastüren ihre Wege ziehen. Der ehemalige Feinmechaniker Herr Kalborn (Hermann Speelmanns) mit der im Krieg gewachsenen lederbezogenen Handprothese hat als Mädchen für alles und guter Geist in Försters Klinik wieder Lebenssinn gefunden. Ein Kind wird gesund und freut sich über eine Puppe zur Belohnung. Im Krankenbett halb hängend, halb sitzend, sieht Bettina im Fernsehen die Premiere „ihrer“ Ballettaufführung von „Bolero“ und bricht zusammen. Gut, dass Professor Förster gleich zur Stelle ist und als erstes den Fernseher mit der schrecklichen Trommelei, der Extra-Qual von Art Blakey ausstellt.
Bettina gratuliert Kostja zu der Inszenierung; „Du hast sie doch gar nicht gesehen“, meint Kostja. „Ich habe die Kritiken gelesen“ antwortet Bettina. Im Kino darf das Fernsehen als öffentliches Medium noch keine Rolle spielen; die Übertragung war eine Privatvorstellung.
Kostja fährt mit der neuen Primaballerina Irene (Eva Kerbler) auf Tournee nach Spanien und trinkt jetzt auch in Deutschland nur noch Sherry statt Wodka. Irene hatte sich schon in Professor Brinkmanns Klinik mit Bettina verständigt und dann mit den gegenüber einer Gelähmten klug gewählten Worten “Ich will sie nicht länger aufhalten“ schnell das Zimmer verlassen.
Fast alles geschieht in öffentlichen Räumen, im Theater, den Krankenhäusern und einem riesigen Restaurant mit einer Empore. Dort residiert der Opernintendant; der Aufgang zur Empore ähnelt einem Boxring. „Machen Sie doch mal die Türen zu“, rufen der Intendant und seine Sekretärin im Theater; die Türen bleiben offen. Es gibt keinen Raum für Wahrheit oder für Intimität, nur Vorgelebtes und Nachgemachtes, Illustrationen, Formeln, Konventionen. In allen Falschaussagen – selbst der Titel „Rosen für Bettina“ ist verfehlt, sie bekommt nur Nelken – scheinen die Defizite, die vergebliche Suche nach einem Sinn durch. Bettina lässt sich von Dr. Förster ein letztes Mal zum Künstlereingang des Theaters fahren, geht auf die Bühne, hört imaginäre Musik und Applaus – aber sie wird nicht hysterisch oder melodramatisch. Es gibt keinen Gefühlsausbruch, sondern nur den Weg zurück, zum Mercedes von Professor Brinkmann, dem väterlichen Arzt und Liebhaber. Bettina lehnt den Kopf an seine Schulter, sagt müde: „Nach Hause“ und zufrieden lächelnd fährt Willy Birgel Elisabeth Müller in das Sanatorium der Liebe.

Drei Dinge sollte ich noch hinzufügen: Elisabeth Müller rollt das „R“  in altfränkischer Theatermanier, vielleicht auch als Relikt ihres schweizer Akzents. In diesen seltenen Momenten bricht die Illusionsmaschine komplett zusammen – so als würde ein Mikrofongalgen in voller Pracht ins Bild ragen. – Henry Koster engagierte Elisabeth Müllers auf Grund von „Bettina“ nach Hollywood für seinen Film „The power and the price“ (1956). Das geplante Engagement für Pabst’ letzten Film „Durch die Wälder, durch die Auen“ (1956) kam deshalb nicht zustande. – Und in der „Film und Frau“ gab es in der Nr. 3, 1956 tatsächlich einen Lifestyle-Artikel „Das Haus ohne Stufen“ über die Wohnung einer Gelähmten.

Nicht als DVD


atasehir escort atasehir escort kadikoy escort kartal escort bostanci escort