Dienstag, 29.10.2019

Filme der Fünfziger LIII: Heute heiratet mein Mann (1956; R: Kurt Hoffmann)

Die österreichische Journalistin und Schriftstellerin Annemarie Selinko emigrierte nach ihrer Heirat mit einem Diplomaten 1938 nach Dänemark. Ihre 1937 und 1938 noch in Wien veröffentlichten Romane „Ich war ein hässliches Mädchen“ und „Morgen ist alles besser“ waren in der Bundesrepublik bereits 1955 und 1948 verfilmt worden. „Heute heiratet mein Mann“ erschien erstmals 1940 im Exilverlag Allert de Lange, Amsterdam. Der Roman thematisiert bereits die Besetzung Dänemarks durch deutsche Truppen und die entstehende Widerstandsbewegung. Für die Verfilmung durch Kurt Hoffmann wurden, so das Presseheft, „die politischen Ressentiments des Romas völlig weggelassen“, was nichts anderes heißt als dass sämtliche zeitpolitischen Bezüge eliminiert wurden. Das harmlose erotische Spiel sollte nicht von grässlicher Politik getrübt werden.
Theresa Petersen (Liselotte Pulver), Thesi genannt, ist eine junge geschiedene Frau; sie wohnt in einer kleinen Dachwohnung in Hamburg, arbeitet als Modezeichnerin und ist dauernd auf Trab. Das Bettzeug kommt in eine große Kiste, der Kleiderschrank wird zugeschlagen (ein Kleiderzipfel hängt noch raus), die Wohnungstür knallt, Bücher fallen um – jetzt schnell zum Zahnarzt. Dr. Agartz (Werner Finck) ist ein Schwätzer, erzählt von dem tollen Architekten Robert Petersen (Johannes Heesters), der sich demnächst verlobt. Ja, er hat sich scheiden lassen, das kann nur die Schuld der Frau gewesen sein. Bis nächsten Mittwoch, wie war noch mal der Name? „Petersen“, sagt Thesi spitz und zieht dabei streng die Jacke gerade. Als der Direktor (Ernst Waldow) des Textilhauses – „Ich heiße Wilhelm, meine Freunde nennen mich Billie.“ – hört, dass sie geschieden ist, kauft er ihr alle Modezeichnungen ab, nennt sie „Kleine Frau“ und lädt sie zum Essen ein. Im Restaurant trifft sie auf ihren geschiedenen Mann, seine neue Freundin und deren spießige Familie. Vergiftete Höflichkeiten werden ausgetauscht, Robert Petersen lädt Thesi ein, sein neues Haus zu besichtigen. Wie ist es denn zu der Scheidung gekommen?
Thesi ist etwas unordentlich, Robert hat den Hochzeitstag vergessen. Thesi hat ihre eigene Definition von Ehe. „Den ganzen Tag wartet man auf den Mann und wenn er endlich kommt, ist er schlechter Laune“. Robert: „Ich hasse Unordnung.“ Ein Wort gibt das andere, Türen knallen. Und Thesi zieht aus.

Das unanständige Kleid (Charles Regnier, Liselotte Pulver, Paul Hubschmid)

Im Cafe Elbterrassen lernt Thesi Georg (Paul Hubschmid) und Niki (Charles Regnier) kennen. Georg ist Konsul in Mexico, Niki ein bekannter Schriftsteller. Thesi hat sich ein „herrlich unanständiges Kleid“ besorgt und will damit bei der Verlobung ihres Ex-Mannes auftauchen. Georg und Niki sollen als ihre Liebhaber mitkommen. „Das wird ein Spass!“
Georg verliebt sich in Thesi und will sie mit nach Mexico nehmen, Thesi gibt eine Abschiedsparty und bekommt Scharlach. Aus ist es mit Mexico und Georg, stattdessen Isolierstation im Krankenhaus. Roberts Verlobte sagt die Hochzeit ab – er hat ja nie Zeit für sie. Als Thesi aus dem Krankenhaus in ihre Wohnung kommt, sind alle Möbel fort. Robert hat sie abgeholt und zu sich nach Hause gebracht. „Ohne mich zu fragen!“ Herrlich.

Alle sind reich und angekommen in der Gesellschaft, nur Thesi nicht. Im Off kommentiert und resümiert sie ihre Geschichte. Wer außer ihr zählt die knappen Einkünfte und rechnet sie gegen die Schulden? Thesi ist auf der Suche nach ihrem Platz in der Gesellschaft; sie hat keine Eltern, keine Freunde, nur Bekannte. Und eben ihren geschiedenen Mann Robert. Ihre Erinnerung an die Heirat ist ein Traumbild, die Verlobung von Robert erfährt sie nicht umsonst beim Zahnarzt. In der Gesellschaft ihrer beiden Kumpane Niki und Georg, die sie flott zu ihren Geliebten ernennt, befindet sich auch Betsy (Eva Maria Meineke), die Niki schon mal „Mütterchen“ nennt. Sie ist eine Übriggebliebene, die Thesi nicht werden will. Eine andere Bekannte ist das Mannequin Ulla Radtke (Ingrid von Bergen), bei der sie auch das unanständige Kleid findet. Ulla ist die Geliebte von Karl Nielsen (Gustav Knuth), dem Vater von Roberts neuer Braut; das ist etwas unseriös und nichts Festes. Thesi spielt alle diese Frauenrollen durch und setzt noch einen drauf; als sie in dem „herrlich unanständigen Abendkleid“ bei Robert erscheint, weicht dieser beim Anblick des Kleides zurück wie Mephisto vor dem Weihwasser. Die Verlobte (Eva Maria Meineke) grämt sich: „Und ich in meinem geblümten Kleid!“ Zur Abschiedsparty von Thesi kommen alle ihre Männer und drängen sich in dem engen Flur. Statt der Party wird aber nur die Küche gezeigt, in der Thesi weitgehend allein hantiert und  von ihrem geschiedenen Robert Abschied nimmt, bevor sie mit

Robert Johannes Heesters) hinter Glas

Scharlach endgültig von allen isoliert wird. Vor dem Fenster der Isolierstation erscheinen Robert und Georg, Thesi ist nun endgültig allein und entscheidet sich gegen die Heirat mit Georg. Robert wird zu ihrem Retter, sein Dienstmädchen begrüßt sie freudig mit „Die gnädige Frau!“. Aber als Robert sie stürmisch bedrängt, erinnert sie ihn: „Der Arzt hat gesagt, ich soll mich noch schonen.“ Die Zeit der Abenteuer ist vorbei.

Bei seiner Inszenierung jongliert Hoffmann geschickt mit den Bild- und Tonebenen. Easy Listening Musik mit Mantovani-Anklängen begleitet Thesi und ihre Tagträumereien, lateinamerikanische Rhythmen (Paul Hubschmid singt und spielt sogar ein mexikanisches Volksstück) werden in einem Tanzlokal gespielt (Musik: Hans-Martin Majewski). Für Mambo, entscheiden Robert und Thesi, sind wir schon zu alt. Als Georg im Radio einen Sender sucht, klagt Thesi:“ Leg doch eine Platte auf.“ So wird die Welt ausgeschlossen und der Radio-Plattenspieler spielt dieselbe Platte, immer wieder.

Im Buch zieht Thesi zwar auch zu Robert, aber sie entscheidet sich erst in dem Moment endgültig für ihn, als sie erkennt, dass er für die dänische Widerstandsbewegung arbeitet. Das gehört zu den „politischen Ressentiments“, die das Drehbuch entfernt hat. Der Film rangiert auf Platz zehn der erfolgreichsten Filme der Saison 1956/57. Nur die Filmbewertungsstelle fand die Inszenierung plump und die Darstellung uninspiriert. Die Begründung der FBW und Kurt Hoffmanns Antwort hier.

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