Februar 2019

Montag, 11.02.2019

Filme der Fünfziger XLVIII: Vater unser bestes Stück (1957)

„Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ – so hatte es das Grundgesetz 1949 festgelegt. Bis zum 31. März 1953 sollten die entsprechenden Ausführungsgesetze verabschiedet werden. Doch erst im Mai 1957 diskutierten die Abgeordneten im Bundestag einen neuen Gesetzentwurf; dabei ging es unter anderem um die Frage, ob der Ehemann bei abweichender Meinung seiner Frau für die Familie eine abschließende Entscheidung treffen dürfe wie es der Paragraf 1354 festlegte. Mit 186 zu 172 Stimmen entschied der Bundestag gegen den sogenannten „Stichentscheid“. Die Legende erzählt, dass die CDU-Abgeordnete Ingeborg Geisendörfer ihren Mann fragte, wie sie sich entscheiden solle. Dieser habe sich energisch gegen den § 1354 gewandt. Daraufhin habe Frau Geisendörfer ihr Votum gegenüber ihren Kollegen so begründet: „Ich beuge mich dem Stichentscheid meines Mannes und stimme gegen den Stichentscheid.“ Wieviel Zweifel und Probleme mögen die arme Frau gequält haben? In dieser gesellschaftspolitischen Stimmung produzierte die Bavaria den Film „Vater unser bestes Stück“ nach einem Roman von Hans Nicklisch, der mit einer Auflage von 730.000 Exemplaren ein echter Bestseller war.

Ewald Balser begrüßt die Kinder zur Nacht

Kein Zweifel plagt Professor Wilhelm Keller (Ewald Balser), der mit seiner Frau Friedel (Adelheid Seeck) und vier Kindern in einer Etagenwohnung lebt. Der Professor hat ein Buch geschrieben („Dein Kind ist klüger als Du denkst“), von dessen Publikation er sich eine erhebliche Verbesserung seiner finanziellen Situation erwartet. Seine Frau bekommt Wirtschaftsgeld, aber die Budgetplanung für die Familie hat Wilhelm fest in der Hand; denn „Wissenschaftler werden nun mal schlecht bezahlt“. Wilhelm geht die Erziehung der Kinder ganz leicht von der Hand; gibt es ein Problem, eine Frage, dann reibt er sich vergnügt die Hände und schüttelt die Antwort nur so aus dem Ärmel. Ist er nicht wunderbar? „Wilhelm“, lächelt Friedel, „Du bist ein wunderbarer Erzieher.“ Abends, Friedel liegt schon im Bett, geht Ewald von Kinderzimmer zu Kinderzimmer, hat für jeden ein gutes Wort oder eine kleine Ermahnung parat. Ein Werbegrafiker (Peter Weck) zieht in die Mansarde des Hauses, ein frecher Kerl, der gleich mit Bixie (Heidi Brühl), der siebzehnjährigen Tochter, aneinander gerät. Der kleine Thomas (Roland Kaiser), der Lauser, wirft Wasserbomben vom Balkon und hätte fast seinen Vater getroffen. Im Vater erwacht das Kind im Mann; er wirft auch eine Wasserbombe, trifft den Grafiker, Bixie kommt zufällig vorbei und bietet ihm an, seine ramponierte Krawatte zu bügeln. So kommen Bixie und der freche Kerl zusammen.

Zwei Cognacs mit Henriette (Doris Kirchner)

Andreas (Piet Clausen), der älteste, ist Medizinstudent und will etwas Geld dazu verdienen. Er arbeitet im Geschäft der flotten jungen Henriette (Doris Kirchner), die ihn gleich vernascht. Andreas zieht aus der elterlichen Wohnung aus und Vater spricht vernünftig und bei zwei Cognacs mit der Liebschaft. Das Verhältnis löst sich ganz schnell auf, die Dame hat eine ganze Reihe Männer an der Hand, denn „Was ist denn eine Frau ohne Männer“? Wie Andreas das wegsteckt! Der jüngere Bruder Friedrich (Christian Doermer) ist schwer beeindruckt.
Zum Urlaub geht es nach Italien. Die Familie wird im Dorf mit Musik und großem Hallo begrüßt; Bixie hat gleich einen Verehrer, Vater spielt Boccia und schlägt einen finsteren Burschen k.o,, auch Friedel wird von einem liebestollen Italiener verfolgt und Friedrich fährt ein Motorrad zu Schrott. Das muss der Vater bezahlen; um seine Schulden abzustottern, gibt er zu Hause in der Volkshochschule nebenbei Unterricht und berät eine junge Frau im Cafe bei ihren Liebesproblemen. Friedrich beobachtet die beiden und schließt messerscharf: Vati hat eine Geliebte. Dafür setzt es eine Ohrfeige, aber nicht von Vater zu Sohn, sondern „von Mann zu Mann“. Weil wir uns in der Zeit der Halbstarken befinden, sagt Friedrich schon mal: „Vater, Du hast keine Ahnung, was in der Welt vor sich geht“ oder „Du verstehst uns nicht.“ Aber Bixie und Andreas halten dagegen: „Mit Vater kann man über alles reden.“ Es gibt auch eine Kneipe mit Dixieland-Musik, Rock’n Roll Tanz und einem Tanzwettbewerb. Den gewinnt das Professorenehepaar mit einem Walzer – was für ein feiner, köstlicher Humor. Darauf könnte man glatt einen Lufthansa-Cocktail trinken.

Mutter (Adelheid Seeck) und Vater (Ewald Balser) schlagen fast über die Stränge

Und was macht Friedel, die Mutter und Ehefrau? Sie staunt und bewundert ihren Mann, bekommt Kleider geschenkt, verliert auch schon mal die Nerven bei den ganzen Erziehungsproblemen und ist perplex, wie Wilhelm alles mit leichter Hand löst. „Das hast Du aber fein gedreht.“
Günther Lüders führte Regie, Ulrich Sommerlatte komponierte die angemessen penetrant frohsinnige Musik. Der Film hatte tatsächlich Erfolg, so dass 2 Jahre später noch die etwas angemüdete Fortsetzung „Ohne Mutter geht es nicht“ (Regie: Erik Ode) folgte. Die Werbefotos zeigen Ewald Balser mit Schürze, wie er in einer unaufgeräumten Küche beim Zubereiten von Spiegeleiern scheitert; Mutter schlägt entgeistert die Hände ins Gesicht.
Noch ein Schnäppsken gefällig, der Herr?

Keine DVD, aber auf https://www.youtube.com/watch?v=EWxRoFZMvAM

Ergänzungen und Präzisierungen zu filmportal:
Mit Hans Jürgen Dietrich (Fritzchen Müller von der Studentenvermittlung); Pressefotos: Karlheinz Vogelmann; Drehbeginn: 8. April 1957, Bavaria Studios München; Aussenaufnahmen im Mai am Gardasee

Montag, 04.02.2019

Alexander J. Seiler (6.8.1928 – 22.11.2018)

Mit seinem Film Siamo Italiani (1964) stand Alexander J. Seiler ganz am Beginn der schweizerischen Dokumentarfilmbewegung, die nach 1968 einsetzte und ein gutes Durchhaltevermögen aufwies. (Auch über Gründungen wie das ‚Filmkollektiv Zürich’, das von 1975 bis 2018 bestand, oder die ‚Nemo Film AG’, der Seiler sich 1971 anschloss, später etwa mit ‚Dschoint Ventschr’, Zürich.) Seiler hatte, was die frühen Filme angeht, Wert darauf gelegt, auch seine Mitstreiter – seine Frau June Kovach oder den Kameramann Rob Gnant – als gleichberechtigte Mitarbeiter zu nennen.

Ich habe ihn kennengelernt, nachdem ich 1979 Ludwig Hohl in Genf besucht hatte (Anlass war eine Sendung beim SDR, ein zweiteiliger Radio-Essay, Redaktion Helmut Heißenbüttel) – er hatte ja gerade die Dreharbeiten zu Ludwig Hohl – Ein Film in Fragmenten abgeschlossen. Ab 1987 ergab sich eine Mitarbeit bei ‚einspruch. Zeitschrift der Autoren’, die Seiler zusammen mit Bruno Schärer sechs Mal jährlich bis 1991 herausgab. Besonders anerkennenswert fand ich, dass darin auch drei Texte aus dem Nachlass des Schweizer Philosophen Hans Rütter (1915 – 1987), Schriftstellername Hans F. Geyer, aufgenommen worden sind.

Seiler ist fast sein ganzes Leben lang publizistisch und politisch / filmpolitisch tätig gewesen. Der Sammelband „Daneben geschrieben. 1958 – 2007“, erschienen 2008, vermittelt einen Eindruck dieser umfänglichen Schreibtätigkeit neben der Filmarbeit.

Für eine ausführlichere Würdigung siehe etwa die Wochenzeitung WOZ Nr. 48 vom 29.11.2018.


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