August 2019

Freitag, 30.08.2019

Jean Seberg, † 30./31. August 1979

Notiz Jean Seberg

Neulich / Auf der Straße / habe ich plötzlich / große Angst bekommen / UM MEINE AUGEN / NICHTS ZU TUN / Mit den Grauen, die ich durchlebe / Lediglich der Schrecken / um diesen intimen Teil / EINGESCHLOSSEN UND ÜBERWÄLTIGEND / JENER TRAURIGKEIT UND DREAM / MEINE AUGEN

[Notiz von Jean Seberg, abgedruckt in: Thomas Lescure / Philippe Garrel: Une caméra à la place du coeur, Aix en Provence: Admiranda/Institut de l’Image 1992, S. 107.]

[siehe auch hier]

Dienstag, 27.08.2019

Langtexthinweis

* Den Rest des Jahres schenkte man der Zeitschrift.

Ein Gespräch mit Wilhelm Roth über die Filmkritik

Donnerstag, 22.08.2019

Und dann …

Die Suche nach einem Film, mit dem ein anderer Film kritisiert werden kann, führte zur Wahl der LINKSHÄNDIGEN FRAU. Im Milieu der Kulturbourgeoisie. In einem Vorort von Paris. In einem großen Haus, fast möchte man sagen einer Villa. Wer das Haus putzt, wer es instand hält, bleibt offen. Die Frau trennt sich von ihrem Mann. Geh weg! Und lebt fortan allein. Mit ihrem Sohn. In dem Haus. Sie nimmt ihre Arbeit wieder auf. Übersetzungen Französisch-Deutsch.
An der Wand des Arbeitszimmers eine Reverenz an Ozu: Ein großes Plakat mit seinem Konterfei. Der Bruch der Kontinuität wirft Fragen auf. Nicht nur beim verstörten Ehemann.

    In den nähergelegenen
    Bibliotheken war der Film
    seltsamerweise entliehen.
    Deshalb mit dem Fahrrad von
    Schöneberg nach Prenzlauer
    Berg um 18:00 Uhr im
    Feierabendverkehr. Um 19:00
    Uhr machen sie zu.

Und dann …

… die Schauspieler Edith Clever, Bruno Ganz aber auch Angela Winkler spielen ihre Rollen nicht psychologisch. Sie scheinen sie zu erklären. Wie Darsteller im Kindertheater zuweilen mit Bedacht sprechen, wenn ein komplizierter Gegenstand verhandelt wird. Bernhard Minetti, dessen ungeachtet, lässt seine Sätze bruchlos entströmen, als seien sie ihm just in diesem Moment eingefallen und entsprächen seinem Wesen. Die Rolle des Sympathieknochens. Als Vater kommt er aus Deutschland angereist. Er verortet. Schon auf dem Bahnsteig macht er klar: Ich bin Antifaschist. Das Motto des Films vor dem Abspann

    ... Ja, habt ihr nicht bemerkt,daß
    eigentlich nur Platz ist für den,
    der selbst den Platz mitbringt...
    Vlado Kristl

scheint er sich angeeignet zu haben. Ein gutes Party-Motto.

Bleib doch nicht immer stehen, wenn Dir was einfällt, Vater. Das ist mir schon als Kind auf die Nerven gegangen. So die Frau.
Das Gehen auf dem Kies ist so tröstlich, darauf er.

Und dann …

… die Umgebung des Hauses, die Vorstadt, ist keineswegs vornehm. Grau verputzte Fassaden, Ödnis, Ausfallstraßen und Bahngleise. Ein Ort der Passage. Er wird durchquert, um in die Stadt zu kommen. Verweilen tut man nicht. Raum aber für ausgedehnte Spaziergänge der Frau. Das Außen, die Natur, ist immer schon gebrauchter Naturstoff und sozialer Raum. Immer.

Die Kameraarbeit gediegen. Der Ausnahme-Kameramann Robby Müller. So Wim Wenders. Viele statische Einstellungen.
Bleib doch nicht immer stehen, wenn Dir was einfällt …
Eine schäbig digitalisierte Videokopie. Ständige Lichtschwankungen. Das Ausnahmelicht ist auf der DVD nur zu erahnen. Die Beschreibung – schöne Bilder – ist für einen Film vernichtend. Auch und gerade im Film, Medium der Moderne, ist Schönheit vielleicht nur als je schon Gewesenes, als Flüchtiges, zu denken. Was vorbei ist, ist vorbei. Wie war das noch?

Und dann …

… nach mehrmonatiger Ignoranz Suche auf den new-filmkritik-Seiten. Der gemeinte Film wird
hier – wie eigentlich auch erwartet – nicht besprochen. Dafür aber: Volker Pantenburg schreibt über Gerhard Friedls Filme. Was für ein wunderbarer, uneitler Text.

    Die Filme sind in der Amerika-
    Gedenk-Bibliothek sofort zu
    haben. Es ist um Mittag
    herum, die Sonne scheint.
    Auf dem Fahrrad mit der DVD
    in der Tasche. Was für ein
    antiquiertes Verhalten! Gibt es
    bestimmt auf youtube. Genau,
    aber die Qualität ist viel
    schlechter. Eine CD von Bill
    Callahan kommt auch mit ins
    Gepäck. Tut aber nichts zur
    Sache.

Und dann …

… über Jahre verhindert die Verwechslung der Namen von Amerongen und von Bohlen und Halbach die Sichtung des Friedl-Films. Schon bekannt. Denkste! Unbekannt. Noch nie gesehen. Die Schwäche für Klugesche Lakonie-Einflüsterungen findet ihre Fortsetzung in der gesteigerten Nüchternheit von Friedls Kommentaren. Und was sagt das Bild? Bleib doch nicht immer stehen, wenn Dir was einfällt.

Und dann …

… die Steuererklärung wird ein weiteres Mal verschoben. Der ursprünglich zu besprechende Film ist nicht mehr so wichtig.
Was bleibt?
Überformungswut?

Samstag, 17.08.2019

Filme der Fünziger LII: Die Barrings (1955; R: Rolf Thiele)

Die über Generationen reichende Familiengeschichte, heute pompös zur „Saga“ erhoben, konzipiert der  Film der fünfziger Jahre als eine in die Vergangenheit gerichtete Verlustgeschichte. Die großen Landsitze, die „Stammgüter“ der alten Familien, sind verloren; Schuldige sind die Zeit, die sich wandelnden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umstände und – fast möchte man sagen natürlich – eine fehlgeleitete erotische Leidenschaft. Schicksal eben.
Die Barrings spielt in der Zeit von 1880 -1900, zur Zeit von Bismarcks Entlassung und dem Beginn des Wilheminismus, aber, so Rolf Thiele, Regisseur und Co-Drehbuchautor: “Der politische Hintergrund tritt zurück, und nur ein grundlegendes Thema beherrscht den Film, ein zeitloses Problem: das Geschick einer Familie und die verhängnisvollen Folgen, die aus falscher Partnerwahl entstehen können.“ Der Film entstand nach dem Buch von William von Simpson, einem Wälzer von 787 Seiten, der 1937 erschien und mit 1,7 Millionen Auflage in jedem gutbürgerlichen Haushalt stand. Eine Eheberatungs-Studie zur richtigen Partnerwahl wurde daraus auch im Film nicht, Die Filmwerbung trifft es schon richtiger: „Ein Großfilm von deutschen Menschen, in deutscher Heimat – Ein altes deutsches Geschlecht zerbricht an dem Leichtsinn einer lebenslustigen jungen Frau.“ Und so weiter.

Ein geselliger Abend im Hause des Baron von Eyff (Heinz Hilpert). Gerda von Eyff tanzt und flirtet mit Graf Wilda (Jan Hendriks).  Baron von Eyff will Gerda mit Fried von Barring (Dieter Borsche) verheiraten. „Ich habe alles auf eine Karte gesetzt,; wenn Du Barring heiratest, sind wir aus dem Schneider; wenn nicht, sind wir pleite.“ Aber die Barrings kommen nicht, denn der Vater Archibald (Paul Hartmann) weiß genau, dass es nur um Geld geht. Und „Gerda passt nicht nach Wiesenburg“. Zuvor haben wir schon Gerda gehört, schneidend und entschlossen: „Ich werde Fried heiraten, ob er heute kommt oder nicht.“ Als Fried doch noch zum Fest kommt, ist er nur noch Staffage.

Nadja Tiller

Verlobungsfeier bei den Barrings. Der Vater hält eine Rede, eine Hymne auf seine Frau (Lil Dagover), eine Mahnung an seine Schwiegertochter, sich ebenso einzufügen Die Kamera fasst die Szenerie in einem Top-Shot ins Bild. Und ebenfalls aus der Obersicht sehen wir Fried und seinen Vater an einer Kutsche auf Gerda warten. Als Gerda endlich kommt, ist der Vater schon gegangen. 35 Minuten ist Gerda zu spät! „In seinem ganzen Leben hat mein Vater noch nicht eine Minute auf seine Frau warten müssen.“

Lil Dagover, Paul Hartmann an den Geweihen und Lil Dagovers Bild zwischen den Pferden

Die wartet, das sehen wir später, bis spät in die Nacht mit dem Abendbrot auf ihren Mann. So war sie, die gute, alte Zeit.
Gerda ist anders, Gerda will das Leben geniessen. Und sie baut ihr Gutshaus um, mit Marmortreppe, Springbrunnen und Terrasse, kauft teure Kleider und gibt Gesellschaften, auch wenn ihr Mann
nicht zu Hause ist. „Sie ist wie ein wildes Pferd, die kannst du nur auf Kandarre reiten und mit Peitsche“, sagt der alte Barring zu seiner Frau, die zur Geduld mahnt. Die Kamera fährt langsam zurück und verwandelt das Gespräch in einen Beschluss.
Fried ist dafür zu schwach; Gerda bekommt ein Kind und alles scheint wieder im Lot. Aber die Schulden bleiben und Gerda gibt weiterhin das Geld mit vollen Händen aus. Frieds Liebe verwandelt sich in Hass. „Die Hexe!“ Gerda wendet sich an den Vater. Sie wolle doch nur glücklich sein mit Fried. Da kommt sie aber an den Falschen. „Heutzutage wollen die jungen Leute auch noch glücklich werden im Leben – davon hat der liebe Gott nichts gesagt.“

Nadja Tiller, Erik von Loewis, Eugen Bergen und Dieter Borsche

Der Vater stirbt; Fried hat einen schweren Unfall, er ist jetzt gelähmt, war ja sowieso kein Mann mehr „Vom Schreibtisch aus kann man ein Gut nicht leiten“, erklärt Gerda mit hartem Ton und will das Gut verkaufen. „Nein!“ ruft Fried, muss aber den Kaufvertrag unterschreiben und bricht im selben Augenblick tot zusammen. Und so verlässt Gerda mit ihrem Sohn das Gut; der blickt nochmal zurück, aber Gerda wendet seinen Kopf nach vorn.

Es ist, in historische Kostüme gekleidet, das alte Nachkriegs-Lügenmärchen, dass die junge Generation verspielt, was die Väter aufgebaut haben. In Nadja Tillers Blick liegt dafür nur Verachtung. Sie kennt ihre Macht und ist entschlossen, sie zu gebrauchen. Tiller spielt das so perfekt perfide, dass die penetrant beschworene Weiblichkeitsrolle der Dulderin dagegen keine wirkliche Chance hat. Günter Anders Kamera fasst die altbackene Geschichte in tief gestaffelte Bilder, in denen sich die Personen in ihren jeweils eigenen Charakterräumen bewegen. Es ist, als lasse Anders seine Kamera gegen die Ideologie des Stoffes sprechen, als argumentierte er mit seinen Bildern dafür, dass das Leben komplizierter und reicher ist als es uns die Erzählung glauben machen will.

DVD bei Filmjuwelen
Präzisierungen zu filmportal:
Geschäftsführung: Günther Klein; Kasse: Hans Mühlberg; Produktionssekretärin: Sigrid Ruttke; Presse: Erwin Peter Close; Atelier-Sekretärin: Anneliese Gubitz; Garderoberiere: Annie Loretto; Aussenrequisite: Kurt Squarra; Innenrequisite: Paul Prätel, Waldemar Hinrichs
Dreharbeiten: 20. Juli 1955 – 16. August 1955 im Atelier Göttingen; Aussenaufnahmen: 16. – 30. August 1955 in und um Göttingen; vom 31. August bis 2. September 1955 in Verden an der Aller.

Donnerstag, 15.08.2019

Auge und Umkreis (V)


Reign of Terror (1949 Anthony Mann)

Ins dunkle Zimmer (Kamera: John Alton), wo gerade ein Mord geschah, tritt eine Frau (Arlene Dahl), die, als der Spiegel wieder vertikal zurechtgerückt ist, ihren Schleier hebt.

Der Film ist so voll von Drehungen und Enthüllungen, dass er die Arbeit des Traumes ebenso gut wiedergibt wie das Getriebe staatlichen Terrors.

Läuft morgen, am Freitag, den 16. August, um 18:00 im Frankfurter Filmmuseum


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