Sonntag, 12.07.2020

Ein Anderer werden

(Abraham Polonsky)

Von Wolf-Eckart Bühler

Musik
(Badia/Boogie Woogie Waltz Medley, auf: WEATHER REPORT 8:30)

C
EIN ANDERER WERDEN.
Ein Radiotext von Wolf-Eckart Bühler.

Splitter eines gelebten Lebens. Elemente einer fiktiven Biographie. Eine innere Wachsamkeit, die dir bekannt vorkommen sollte. Eine Tragödie eine Farce ein Lehrstück eine Utopie eine Tatsache. Wie Huckleberry Finn die Wolga hinuntersegelt der Freiheit entgegen.

Abraham Lincoln Polonsky, geboren 1910 in New York. Der Vater Apotheker und Sozialist; Exilrusse. Während des Jurastudiums lichtet Subversionsverdacht die Reihen der Lehrer: Staatsanwalt Palmer und Genossen säubern Amerika. Die Weltwirtschaftskrise treibt wider besseres Wissen in ein Anwaltsbüro. Organisierung von Gewerkschaftszellen in der Automobilindustrie. Arbeiten für den Rundfunk ermöglichen einen ersten Roman. Filmgesellschaften aus Hollywood rufen an. In einer Untergrund­einheit zieht er in den Krieg und macht Black Radio-Sendungen gegen die Nazis. Am Tag der Rückkehr nach Amerika läßt Truman die Atombombe über Hiroshima zünden. Für kurze Zeit ein faszinierendes Chaos in Hollywood. 1947 zieht das Komitee gegen un-amerikanische Umtriebe gegen die Filmindustrie zu Felde. Die Hollywood Ten werden verurteilt, Brecht und Eissler ausgewiesen, Nixon und Reagan zu aufstrebenden Politikern. Kurz darauf schreibt und inszeniert er seinen ersten Film: Force of Evil. Die Filmversion von Thomas Manns Faschismus-Parabel Mario und der Zauberer fällt dem unaufhaltsamen Aufstieg McCarthys zum Opfer. Während der Arbeiten in Europa an einem Buch über Berufsverbote und Radikalenerlasse, dem Roman A Season of Fear, werden in den USA die Rosenbergs als Atomspione zum Tode verurteilt. Gleichzeitig nimmt das Komitee seinen Krieg gegen die Filmindustrie wieder auf. Er kehrt nach Amerika zurück, wird von dem Komitee zu einem der gefährlichsten Männer Amerikas erklärt und findet sich auf der Blacklist wieder. Zwanzig Jahre lang kann er weder Filme machen noch unter seinem eigenen Namen schreiben. 1968 dreht er Tell Them Willie Boy is Here und werden Martin Luther King und Robert Kennedy ermordet. 1980 erscheint sein vorerst letzter Roman und wird Reagan neuer US-Präsident. Mario und der Zauberer ist immer noch nicht zu machen.

B – Nixon war Präsident, und Reagan ist heute Präsident. Wir steuern erneut auf einen Kalten Krieg, wenn nicht auf Schlimmeres zu. Ich kann mir nicht helfen: ich komme mir vor wie ein Barometer, das immer nur dasselbe Klima anzeigen kann.

Musik (Ende)

A – Los Angeles, 28. April 1950. Begegnung mit Thomas Mann wegen der Filmrechte an Mario und der Zauberer. Wir kamen auf Faschismus zu sprechen, und Mann riet mir, gleich ihm das Land zu verlassen: der Faschismus halte seinen Einzug nach Amerika, sei genaugenommen schon da. Ich hielt dagegen, was er hier er­lebe, sei eine Form der Reaktion und kein Faschismus, und die Tendenz zu einer konservativen, wenn nicht gar durchorganisiert reaktionären Entwicklung sei eine quasi „natürliche“ Tendenz in der Geschichte der Vereinigten Staaten seit dem Bürgerkrieg. Mann warf mir vor, denselben Fehler zu begehen wie damals die Deutschen, die gemeint hätten, der gesunde Menschenverstand werde sich schon durchsetzen und der Spuk binnen kurzem ein Ende haben. Ich bin der Meinung, daß seine Einschätzung der Lage in Amerika falsch ist. Wir sind hier schon seit langem Formen der Reaktion gewohnt, die mit Faschismus nicht gleichzusetzen sind. Obwohl: möglich ist er immer…

B – Ich war daran gescheitert, wenigstens in Europa Geld aufzutreiben für den Mario-Film: das amerikanische Finanzkapital war mir zuvorgekommen; so wie mir für diese politische Allegorie von den Anfängen des italienischen Faschismus der rechte Augenblick gekommen schien, so mußte es dem Kapital der unrechte sein. Also blieb ich in Europa und machte mich an die Arbeit zu einem neuen Buch, das A Season of Fear heißen sollte, eine Art Schlüsselroman über das damalige Klima der Berufsverbote und Loyalitätseide, der Gesinnungsschnüffelei und des Denunziantentums in Amerika. Ich habe das Buch erst Jahre später fertiggestellt, denn genau in dem Augenblick, während ich daran arbeitete, läutete das Komitee gegen un-amerikanische Umtriebe die zweite Runde in seinem Grabenkrieg gegen die angeblich subversiven Aktivitäten innerhalb der Filmindustrie ein. Es hatte die Verfassungsklage der Hollywood Ten gewonnen, meine ehemaligen Kollegen endlich hinter Gitter gebracht und fühlte sich nun bereit, die Hexenjagd fortzusetzen. Meine Freunde und Genossen in Kalifornien begannen ihre Vorladungen zu bekommen – Vorladungen, von denen jeder wußte, daß sie das Ende ihrer Karrieren beim Film bedeuten würden. Die Entscheidung fiel mir nicht leicht. Sollte ich in Europa bleiben und damit die direkte Konfrontation vermeiden (außerdem vielleicht versuchen, mich dort als Filmemacher zu etablieren) oder sollte ich nach Hause zurückkehren und das Ritual von Widerstand und Niederlage über mich ergehen lassen? Ich würde eine Vorladung erhalten – ich würde mich weigern, mit der Inquisition gemeinsame Sache zu machen – ich würde auf der Stelle aus den Reihen der Filmemacher in Hollywood ausgeschlossen sein.

Cannes, 2. März 1951. Ich weiß, daß es sicherer für mich wäre, in Europa zu bleiben, ich weiß, was mich zu Hause erwarten wird – aber ich werde trotzdem nach Amerika zurückkehren. Ich glaube, ich bin für das Exil nicht geeignet. Außerdem halte ich es nur dann für gerechtfertigt, wenn einer alles in seiner Macht Stehende unternimmt, um wieder heimkehren zu können – also auf den Sturz der Regierung hinarbeitet, die ihn daran hindern will. Ansonsten sollte man sich nämlich gleich für die Emigration entscheiden, alle Brücken hinter sich abreißen und ein Anderer werden – vorausgesetzt, sie lassen dich. Aber so weit ist es in Amerika nicht – noch nicht. Also werde ich zurückkehren. – Ohne verlorene Schlachten wird sich niemals etwas ändern.
Washington B.C., 25. April 1951, Komitee gegen un-amerikanisch Umtriebe, Kongreßabgeordneter Velde: Mr. Polonsky, Sie erwecken in uns den Eindruck, ein Staatsbürger zu sein, der für diesen Staat eine Gefahr bedeutet.

B – Es wäre spekulativer Unsinn, sich zu fragen, was gewesen wäre wenn. Was war, das war die Blacklist. Was war, das war die Tatsache, daß ich zwanzig Jahre lang aus dem Verkehr gezogen war. Die Blacklist ist das stillschweigende Übereinkommen, die Existenz eines anderen zu ignorieren und zu negieren – aber wir haben unsere eigene Existenz, und ich lebte weiter. Ich schrieb, nur war ich kein Schriftsteller mehr, der in Hollywood arbeitete. Ich schrieb, nur war ich niemand mehr, den irgendjemand publizieren wollte. Ich demonstrierte öffentlich gegen das Komitee, gegen den Koreakrieg, gegen alles mögliche, nur wagte kaum noch einer, mir zuzuhören. Ein ganzes Leben ging weiter, und in eben diesem Sinne machte ich einfach bloß keine Filme mehr, sondern ich lebte sie.

A – Los Angeles, 3. Mai 1951. Die Nachricht hat sich mit Lichtgeschwindigkeit verbreitet. „Hey Polonsky, was geht da vor sich?“ Sol Siegel, mein Producer. B. hat mir erzählt, daß er von F. wisse, daß alle, die mich vor dem Komitee denunziert haben, ein Telegramm von unserem Freund Ronald Reagan erhalten hät­ ten: „Wir sind so stolz auf dich! Nur weiter so!“ Gestern abend hat Darryl Zanuck mich zu sich gerufen (und fast so ausgesehen, als meine er, was er da sagte): „Ich würde dich gerne behalten, und ich werde es versuchen – aber wenn der Druck zu groß wird, werde ich Sie fallenlassen müssen.“ Ob er heute morgen schon die Schlagzeile des Hollywood Reporter gelesen hat? „Was macht eigentlich Polonsky – arbeitet er immer noch bei Twentieth Century-Fox?“

B – Die Blacklist war unvermeidlich, nachdem es dem Komitee erst einmal gelungen war, jede Art Gegner seiner Existenz oder auch nur seiner Methoden als das hinzustellen, wovon es genau wußte (weil es selbst dafür gesorgt hatte), daß eine Mehrheit der Bürger dieses Landes davor Angst und Panik empfand, nämlich als kommunistisch oder zumindest kommunistisch verseucht. „Der Kommunismus ist der Anti-Christ; es gibt nur eine einzige Methode, ihn loszuwerden (im Namen des Kreuzes oder der Demokratie); wer nicht für uns ist, ist gegen uns, also Kommunist.“
Die Begriffe, wie wir wissen, sind austauschbar. Und wenn die einzigen, die der Blacklist sich widersetzen, diejenigen sind, die bereits auf ihr stehen, bzw. diejenigen, die man auf die eine oder andere Weise mit ihnen oder ihren Ideen in Verbindung bringen kann – dann gerät notgedrungen jedermann, der sich in der Folge gegen sie ausspricht, ebenfalls auf die Blacklist. Und ihr wahres Geheimnis ist, daß sie kein Ende hat. Es hat Leute gegeben, die plötzlich keine Arbeit mehr fanden und Jahre gebraucht haben, um schließlich herauszufinden, daß es deswegen war, weil sie sich durch irgendetwas, das sie selbst schon lange vergessen hatten, jetzt auf einmal politisch unliebsam gemacht hatten – und nur um dann vielleicht zwanzig oder dreißig Jahre später mitansehen zu müssen, wie eines ihrer Kinder ebenfalls keine Arbeit finden kann, ebenfalls jahrelang versucht herauszufinden, weshalb nicht, und endlich mit den vermeintlichen Sünden seines Vaters konfrontiert wird. Und damals, wohlgemerkt, hat es die Form von Datenspeicherung, die wir heute kennen, noch gar nicht gegeben – damals, genauso wie übrigens das Fernsehen, hat das alles erst seinen Anfang genommen. Heute wird erst recht nichts mehr vergessen. Man braucht auch nichts mehr vergessen. Es ist ja alles präsent. Es genügt ein Knopfdruck, und ich weiß innerhalb von Sekunden, dein Vater ist in seiner Jugend Sozialist gewesen, deine Mut­ter Frauenrechtlerin und gegen die Atombombe – und was immer sie danach geworden sind oder nicht, es wird von dir geradezu erwartet, daß du ihnen nachfolgst – also bist du abgestempelt. Zumindest unter Beobachtung. Und dann photographieren sie dich bei einer Demonstration gegen den Vietnamkrieg, oder gegen die Rüstungsexplosion, gegen was immer, und schon trauen sie dir in Zukunft alles zu. Sie trauen dir alles zu, sobald du einmal erfaßt bist. Und erfaßt bist du, sobald du einmal aus der Reihe getanzt bist, wann auch immer und weshalb auch immer. Man braucht es bloß abzulesen, es ist dafür kein Gedächtnis mehr nötig, und weil es kein Gedächtnis mehr gibt, gibt es auch keine Umstände mehr, ob mildernd oder nicht – es gibt nur noch das Faktum. Ob du einmal aufbegehrt hast gegen zuviel oder gegen, zuwenig Regierungsautorität, und um welche Art von Autorität es sich damals gehandelt hat – was interessiert das den, der zehn oder zwanzig oder fünfzig Jahre später
seine Computertasten drückt? Den interessiert lediglich das bloße Faktum (und für alles andere wäre er sowieso überfordert), daß du aufbegehrt hast – daß du deinen Widerstand, wogegen auch immer, artikuliert hast. Denn einmal ein Störenfried, immer ein Störenfried (und das Wörtchen „potentiell“ nur in Klammern); einmal eine Gefahr für einen Staat, dann eine Gefahr für jeden Staat. Das ist die Blacklist. Übertragen vom Vater auf den Sohn auf die Enkel. Erbschuld. Sicherheits­ risiko usque ad finem. Gegenwärtig funktioniert das System so, daß es ständig neue Gesetze erläßt, die dich schützen sollen vor dem möglichen Mißbrauch der Tatsache, daß deine gesamte Geschichte allüberall gespeichert ist. Was mich aber schützt, das sind nicht die Gesetze, was mich schützt ist der tatsächliche Zustand der Dinge. Und wenn meine Daten erst einmal gespeichert sind, dann stehen sie den Herrschenden auch jeder­ zeit zur Verfügung.

A – Los Angeles, 10. Mai 1951. Gesagt hat es mir keiner, ich hab nur auf einmal keine Arbeit mehr. Zanuck läßt sich nicht blicken, Sol Siegel ist zu beschäftigt, mich überhaupt wahrzunehmen, die Sekretärin weiß von nichts. Auch mein Hauswirt hat es schon lange vor mir gewußt. Zwei unauffällige Herren im Trenchcoat parkten solange vor dem Haus, bis sie dem Pförtner auffielen. Der Hauswirt hat sich gedacht: „Wenn dieser Mensch vielleicht ein Verbrecher ist oder sowas, wäre es wohl besser, ihn aus meinem Haus zu haben.“ Die Herren im Trenchcoat haben ihm versichert: „Aber nein, er ist kein Verbrecher, wir wollten nur sichergehen, ob er noch hier wohnt.“ Jetzt weiß natürlich erst recht jedermann, daß mit mir etwas nicht stimmt – das FBI hat schließlich andere Methoden, herauszufinden, ob eine Adresse noch stimmt oder nicht. – Immer schwieriger wird es auch mit den Kindern. Was sagen wir? Vorläufig vermeiden wir es jedenfalls noch (was alles andere als leichtfällt), ihnen auseinanderzusetzen, was wir für richtig halten und was für falsch. Denn das ist vielleicht das Verhängnisvollste an dieser Situation: zu glauben, daß, man im Recht ist und daraus einen Fall machen kann. Einen Fall aus sich zu machen – und mit diesem Fall identisch zu bleiben bis ans Ende aller Tage. Die Regime werden wechseln, die Erde dreht sich weiter, nur ich würde noch die Konsequenz eines Falles sein, den außer mir alle anderen schon längst vergessen hätten, und mit Recht. Welch ein Glück, daß mir die Rolle des Märtyrers nicht liegt.

B – Blacklisting ist zunächst einmal eine ganz und gar normale gesellschaftliche Beziehung – die Diskriminierung der Erwartungen, Bedürfnisse und Ziele all jener, die mit einem selber nicht übereinstimmen. So daß Blacklisting, in milder Form, nichts weiter besagen muß als: wir gehören zusammen – und du gehörst nicht zu uns. Es kann jedoch, wie wir wissen, auch ganz andere Formen annehmen, es kann zum Instrument der physischen Vernichtung all derer werden, die mit einem nicht übereinstimmen, oder die anders sind als man selbst. Blacklisting ist daher alles andere als ein historisches Phänomen – es ist ein gebräuchliches und alltägliches Instrument jedes Staates. Diejenigen, die einen Staat führen, die mit ihm einverstanden sind, sich in ihm wohlfühlen, von ihm profitieren, verteidigen sich selbst, verteidigen ihre Positionen, indem sie allen anderen, die nicht mit ihm einverstanden sind, Positionen vorenthalten. Man hält die Freunde zusammen und die Feinde draußen.

A – Los Angeles, 12. Mai 1951. Heimkehrende Soldaten küßt man nur aus wirklichen Kriegen. In dieser Art von Krieg, der in vieler Beziehung entscheidender ist als jeder wirkliche Krieg, tut man das nicht. Es gibt keinen Trost und keine Zuflucht. Du bist allein, und du möchtest allein bleiben. Du sagst: es hat keinen Zweck, zu erklären, wie alles zustande gekommen ist, denn alles, was du davon hast, sind bloß Erklärungen – das Schlimme aber ist, daß diese Dinge geschehen! Geschichtliche Erklärungen, und moralische Erklärungen, oder Erklärungen für das, was Liebe, was Zärtlichkeit ist, oder alle solche Erklärungen sind irrelevant angesichts der Tatsache und wie du sie betrachtest. Also finde heraus, was die Tatsache ist, und blick ihr ins Auge. Blick ihr ins Auge!…

B – Wir sind mehr oder minder daran gewöhnt, selbst wenn wir uns damit nicht abfinden wollen, aus gesellschaftlichen Gründen zu diskriminieren oder diskriminiert zu werden – weil einer häßlich ist, weil einer nicht die richtige Hautfarbe oder die richtige Religion hat, weil einer eich irgendwie danebenbenom­men hat: hier jedoch ist es die Regierung deines Landes ganz unmittelbar, die dich davon in Kenntnis setzt, daß du in Zukunft ausgeschlossen sein wirst von allen Vorrechten und Errungenschaften deiner Gesellschaft. Das bedeutet etwas anderes du bist plötzlich ein Fremder in deinem eigenen Land! Du weißt nicht mehr, wohin du gehörst. Das ist eine ganz neue Erfahrung Dir wird gesagt, daß du nicht länger mehr arbeiten darfst, in deinem Beruf, daß du dein Land nicht mehr verlassen darfst, wann immer du willst, daß du diese oder jene Rechte verwirkt hast, dieses und jenes nicht mehr tun darfst. Und gleichzeitig weißt du, daß du die ganze Zeit über von den Sicherheitsorganen deines Landes observiert wirst. Du findest dich auf einmal in einer höchst merkwürdigen und nie gekannten Lage wieder. Gestern noch schien es nicht unnormal zu sein, diese oder jene Gedanken zu denken oder zu äußern, heute ist es plötzlich nicht nur unnormal, es ist ein Verbrechen geworden. Dieser einsame Wanderer hat jetzt nur noch eine Gemeinschaft, der er sich zugehörig fühlen kann – die aller anderen, die auf der Blacklist stehen. Denn jeder, der nicht auf der Blacklist steht, hat inzwischen längst angefangen sich zu sorgen, ob er nicht eines Tages auf ihr stehen könnte. Und sei es nur deswegen, weil er dich gekannt hat oder immer noch mit dir gesehen wird. Also sieht er dich nicht mehr. Hat dich vielleicht nie gekannt.

A – Los Angeles, 14. Mai 1951. Es ist, wie wenn man in ein Hospital geht und darauf wartet, zu sterben. Ich bin isoliert von der Außenwelt, ein Aussätziger. Die Blacklist ist das perfekte Instrument des Totalitarismus. Das einzig noch wirksamere Mittel wäre die Exekution. (Obschon: die Ignorierung der Existenz ist manchmal wirksamer als deren Vernichtung: der Tod schafft posthume Helden.)

B – An diesem Punkt fängt ein psychologischer Prozeß an zu wirken: man beginnt sich zu fragen. Liegt es vielleicht an mir selber, ist irgendetwas faul mit mir, daß ich jetzt aus der Gemeinschaft ausgeschlossen bin? Habe ich etwas falsch gemacht? Bin ich schuldig? Du beginnst zu zweifeln. – Zeit vergeht. Die Gründe und Motive der anderen kommen dir immer plausibler und akzeptabler vor. Sogar diejenigen, die du einmal am meisten gehaßt und verachtet hast. Du gewöhnst dich an sie. Du fängst an zu vergessen, weswegen du auf der Blacklist stehst. Du wirst wie jemand, der eine geheimnisvolle Krankheit hat. Eine Seuche. Und bald glaubst du selber daran, du fängst an, dir selbst die Schuld an allem zu geben. Auf der anderen Seite tust du genau das Gegenteil davon. Du fängst an, die ganze Welt zu hassen und zu verdächtigen, und dann wirst du ein Mann, der alles und jeden nur noch als feindlich gesinnt, dich bespitzelnd, dir Gewalt antuend ansehen kann – und das, wie du weißt, hat einen nicht minder schlechten Einfluß auf deinen Charakter. Es ist also sehr, sehr schwer, auf der Blacklist zu sein, und einerseits überleben zu wollen, andererseits eben jenen Überzeugungen und Prinzipien treu zu bleiben, um derentwillen man überhaupt auf dieser Liste ist – sie nie aus den Augen zu verlieren, überleben zu wollen und über all dem noch ein Mensch zu bleiben. Der, der man vorher war, sowieso nicht mehr – aber ein Mensch zu bleiben, der dem, der man vorher war, noch unter die Augen treten könnte. Grundsätzlich also gilt: offizielles, von deiner Regierung ausgehendes Blacklisting, selbst wenn es nicht bis zum Äußersten geht, dich zum Beispiel in Gefängnisse oder Konzentrationslager steckt oder vor Exeku­tionskommandos stellt, entfremdet dich total von der Gesellschaft, in der du bislang gelebt hast und in der Entfremdung ohnehin schon eine stete Quelle der Angst und sorge gewesen war. Erst diese Entfremdung macht die Blacklist effektiv und den, der auf ihr steht, absolut ineffektiv.

A – Los Angeles, 3. Juni 1951. Wir haben uns endgültig entschlossen. Es gibt hier weder eine Arbeit mehr für mich noch eine politische Existenz. Wir werden nach New York zurückgehen. Ist man bereit, auf die sogenannten Wohltaten des bürgerlichen Lebens von New York zu verzichten, gibt es in dieser Stadt Platz genug für fast jedermann – also warum nicht für uns? Der Abschied von den ewigen Palmen fällt uns ohnehin nicht schwer.

B – Wenn du eine Blacklist hast, dann hast du auch eine Whitelist: das sind, abgesehen von denen, die an der Verbreitung der Blacklist aktiv teilnehmen, all diejenigen, die sie öffentlich billigen und unterstützen. Die, bei denen man es nicht so genau weiß: das ist die Greylist. Nun kommt es häufig vor, daß Leute von der Greylist überhaupt nicht auf der Greylist sind (sie sind auf der Whitelist), aber sie sind sich dessen nicht sicher, und sie sind sich ihrer selbst nicht sicher. So daß, wenn sie einmal eine Zeitlang keine Jobs mehr bekommen oder auch bloß Jobs, von denen sie meinen, daß sie ihren Fähigkeiten nicht angemessen seien (und wie leicht kann das passieren) sie dann anfangen, sich Gedanken zu machen, ob sie nicht vielleicht auf irgendeiner Liste stehen. Man zweifelt, wenn es sich vermeiden läßt, nicht an seinem Talent, man führt die Tatsache, daß man keine Jobs mehr bekommt, oder nicht die richtigen, auf alle möglichen Gründe zurück, die außerhalb einem selbst liegen. Daraus wurde ein höchst lukrativer Geschäftszweig: das Kaufen und Verkaufen von Namen. Wo immer etwas stattfand, eine Veranstaltung, eine Versammlung, stets war einer da, der sich die Teilnehmer notierte. Ganze Horden von selbsternannten Polit-Detektiven fertigten Namenslisten an. Die linken und liberalen Zeitungen der letzten Jahrzehnte wurden durchforstet. Im Jahre 38 eine Spende für eine antifaschistische Organisation, an der auch zwei Kommunisten beteiligt waren? (Selbst wenn es nur Spitzel des FBI waren). Schon wurdest du angeschrieben. „Wollen Sie reingewaschen werden?“ Dafür würden sie dann eine Gebühr erheben, und daraus wurde ein Riesengeschäft. Die Opfer saßen überall, in den Gewerkschaften, in den Schulen, in der Unterhaltungsindustrie, in allen Verwaltungen usf., und so gab es neben der offiziellen Blacklist bald auch inoffizielle.

B – Früher haben die Leute mich oft gefragt: warum bist du kein Verräter geworden? Du hättest die Blacklist vermeiden können. Du hättest bloß zu sagen brauchen: der und der ist Mitglied der Kommunistischen Partei oder was immer, und schon hättest du deinen Job behalten und in Hollywood bleiben können. Ich habe darauf meist geantwortet: Ich bin ganz einfach nicht der Typ Mensch, der sich so eine Frage stellt. Wie könnte ich das? Dann wäre ich ein Anderer als ich bin. Selbstverständlich hätten sie mich zwingen können, die Namen anderer preiszugeben, ich weiß, daß man Menschen zwingen kann, etwas zu tun, was sie gar nicht tun wollen. Sie hätten auch mich zwingen können. Aber so weit sind sie nicht gegangen. Alles, was sie gemacht haben, war, mir meine Arbeit wegzunehmen. Das würde ich nicht „zwingen“ nennen.

A – New York, 12. März 1952. Jeder Einzelne kann jederzeit aufhören. Aufhören und sich besinnen. Aufhören und einen anderen Weg suchen. Ich weiß nicht, ob Tausende das können, aber ich weiß, daß jeder Einzelne das kann. Und manchmal, wenn du selber aufhörst, bewirkst du damit, daß auch andere aufhören. Wenn du daran nicht mehr glauben kannst, ist es zu Ende mit dir. Du bist das Establishment geworden. Die Organisation. Das Syndikat.

B – Meinen Lebensunterhalt all die Jahre hindurch habe ich hauptsächlich damit bestritten, daß ich unter ständig wechselnden Pseudonymen für das Fernsehen schrieb. Auf eine der Shows bin ich noch heute stolz. Die ursprüngliche Idee des Programms war, berühmte historische Ereignisse in der Form von Nachrichtensendungen und Augenzeugenberichten nachzustellen – aber natürlich pickten wir uns all die „verbotenen“ Themen heraus: die Spanische Inquisition, Galileis Konflikt mit dem Vatikan, die Verurteilung des Sokrates, die Bücherverbrennungen des Savonarola usf. Jede Show war der lediglich vordergründig verdeckte Angriff gegen die damalige politische Situation, und es war wahrscheinlich der einzige Ort in einem öffentlichen Medium in den USA, an dem gegen McCarthy ein Guerillakrieg geführt wurde. Die Serie war ein Riesenerfolg und wurde sogar an Schulen und Universitäten vertrieben; Sponsor war eine der größten Versicherungsgesellschaften der USA. Und wer hat sie geschrieben? Drei Leute, denen man von Staats wegen verboten hatte, zu schreiben! – Aber dies war eine Ausnahme. Ansonsten konnten wir froh sein, überhaupt etwas verdienen zu können.

A – New York, 17. Februar 1953. Eine Arbeit schreitet fort und entwickelt sich, die Arbeit eines Lebens, so wie man selber sich entwickelt, fortschreitet – und wenn diese Entwicklung, diese Kontinuität abrupt unterbrochen wird: selbst wenn das Leben dann nicht beendet ist, so ist es doch die Arbeit. Die Opfer eines Krieges sind nicht nur Soldaten. Ich schreibe weiter, aber ich weiß nicht mehr warum. Ich schreibe weiter, aber ich weiß nicht mehr für wen. Und manchmal weiß ich nicht einmal mehr worüber. Was nützt es mir, herausgefunden zu haben, daß die Blacklist nur die bezahlte, nicht die unbezahlte Arbeit betrifft?

B – In der Anfangsphase frage man Freunde und Bekannte, ob sie von Leuten wüßten, die unter der Hand Autoren der Blacklist für sich arbeiten ließen, oder man ging selber zu Leuten hin, die man vielleicht überreden könnte, die Bedenken zu überwinden und dir zu Arbeit zu geben. Später dann kamen die Produzenten selbst zu dir. In weiten Umhängen und die Hüte tief in die Stirn gedrückt, reisten sie aus Hollywood an und tauchten an den obskursten Ecken weitentfernter Städte auf, um uns Jobs zu geben. Binnen kurzem verdienten wir wieder genauso viel wie vorher. Manche sogar mehr als zuvor. Aber unter unvergleichlich schlechteren Bedingungen. Weshalb auch unsere Arbeit unvergleichlich schlechter war.

A – New York, 15. November 1955. Wir kommen zusammen, uns über ein plötzliches Überangebot an Jobs zu beraten. Mit welcher Bereitwilligkeit und Freude wir, die wir das Geld so nötig brauchen, uns in die unmöglichsten Arbeiten stürzen. Uns verausgaben unter den unmöglichsten Lasten. Während wir nur darauf warten, daß wir uns wieder selbst ausdrücken können. Ständig in den Wehen liegend, aber niemals gebärend. Vielleicht sind wir sogar schon unfähig geworden, Laute in unserer eigenen Sprache von uns zu geben? Nachdem so lange schon wir nur noch in ihrer Sprache sprechen. In ihrer Sprache träumen. Und nicht allein mit ihren Worten, sondern, äußerster Schrecken, sogar schon in ihren Bildern?…

A – New York, 18. November 1955. Freitag bei Bob. Ich gebe alle meine Geschichten und Anekdoten über Rimbaud zum besten und leiste mir einige Verrücktheiten. Früher haben wir auch über Politik gesprochen. Vor allem über Politik. Und nicht nur das: wir haben Politik gemacht. Heute wagt sich keiner mehr damit zu beschäftigen. Aus Angst vor Tränen, glaube ich. Aus Angst vor Tränen.

A – New York, 23. November 1955. Party bei S. Die Schauspielerin K. betrachtet mich lange und überlegt, wer ich wohl sein könnte. Aber ich bin niemand.

A – New York, 20. Dezember 1955. Warum bin ich ein toter Schriftsteller? Erstarrt und vielleicht sogar noch abgestorbener als ich mir einzugestehen wage? Und bis hin zu einem Punkt, wo weder das Kino noch meine täglichen versuche, mit dem Roman von der Stelle zu kommen, genügend Kraft besitzen? Das Ausmaß dieser lebensfeindlichen Kraft ist erschreckend. Ich weiß nicht, ob das schon der Tod ist. Vielleicht ist es nur Winterschlaf.
Ich bin häufig gefragt worden: haben die Autoren der Blacklist nicht Arbeit weit unter ihrer Würde abliefern müssen, wenn sie unter Pseudonymen arbeiteten? Schnellen Schund? Und sind solch Arbeitsbedingungen nicht zerstörerisch, sowohl für die Arbeitskraft wie für das Selbstbewußtsein? Die Antwort ist: natürlich Denn weshalb wohl hat uns jemand Arbeit gegeben? In den seltensten Fällen, weil er Qualität wollte. In der Regel: weil wir vogelfrei und damit erpreßbar waren. Wir mußten all das tun (und unter Konditionen und zu Preisen), wofür kein anderer sich hergeben wollte. Und da wir von irgendwas ja leben mußten ließen wir uns erpressen und ausbeuten. Was wir tins selber übelnahmen, und was uns wiederum noch unfähiger werden ließ, die Arbeiten weiterzutreiben, die uns wirklich am Herzen lagen (abgesehen davon, daß wir ohnehin keine Zuhörer oder Leser mehr hatten).

A – New York, 22. Dezember 1955. Ich weiß nicht, bis zu welchem Punkt ich schon gegangen bin, das EnDe meiner Kräfte zu erreichen – aber ich bin dazu, obschon es sicherlich nicht in meiner Natur liegt das zu tun, jetzt bereit. Doch was heißt das, bereit zu sein zu einer solchen Tortur? Ich weiß es nicht. Ich frage mich. Was haben die gelernt, frage ich mich, die die wahre Todesangst erlitten haben? Die überlebt haben in den Lagern in Deutschland?

B – Die Autoren, deren Namen man benutzte, wenn man keine Pseudo­nyme verwenden konnte (zum Beispiel weil Producer, Regisseur oder Sponsor darauf bestanden, selber mit dem Autor zu verhandeln), taten das gewöhnlich aus Freundlichkeit und Gefälligkeit – und außerdem konnten sie ja nicht wissen, wie es eines Tages ihnen selbst ergehen würde. Die Arbeit, die unter ihrem Namen erschien, war zumindest nicht die ihrige, und ganz egal wie sie war, ob besonders gut oder besonders schlecht oder vollkommen belanglos, sie lief unter ihrem Namen und schuf daher ein psychologisches Problem für sie. Viel besser war es daher, ein richtiges Pseudonym verwenden zu können. Aber letztlich nahmen wir, was wir kriegen konnten. Wählerisch sein ging nicht. Und es war auch nicht alles Schund. Nur das meiste. Man sagt, ich hätte die Drehbücher von einem guten Dutzend Spielfilmen unter Pseudonym geschrieben, und daß einer oder mehrere dieser Filme Oscars gewonnen hätten. Ich will das weder bestätigen noch abstreiten. Uns stattdessen uns Schriftsteller unsere üblichen Ansprüche geltend machen lassen, nämlich daß wir alle guten und die anderen all die schlechten Sachen geschrieben haben. Damals kam es sogar so weit, daß Autoren, die ihre Arbeiten nicht loswerden konnten, uns gebeten haben, sie für sie zu verkaufen. Ich glaube nicht, daß dieser ganze Dschungel dadurch gelichtet werden kann, daß man die bloßen Fakten auf den Tisch legt. Die Leute glauben, daß die Geschichte Ansprüche an sie stellt, aber es ist genau umgekehrt. Vielleicht hat der Mensch Ansprüche an die Geschichte – sie zu unterdrücken, sie zu verändern, die Vergangenheit loszuwerden. Im übrigen waren wir die anständigsten Bürger, die man sich nur vorstellen kann. Niemals haben wir unsere Steuererklärungen gefälscht, Abschreibungstricks versucht oder zu spät bezahlt. Die Regierung hat also von alledem natürlich gewußt. Daß wir, die wir Schreibverbot hatten, weiterschrieben. Doch ist dieser Zweig der Regierung nicht daran interessiert, womit du dein Geld verdienst, nur daran, daß du bezahlst. In dieser Hinsicht hatten wir viel mit den Gangstern gemein.

A – New York, 12. Februar 1956. schon seit langem weiß ich, daß ich wieder ganz von vorne beginnen muß – so als hätte ich noch überhaupt nicht gemacht. Denn alles hat nur in eine Sackgasse geführt. Ich weiß nicht, wann oder ob überhaupt ich jemals wieder einen Film werde machen können – aber einen Film schreiben, in der sicheren Gewißheit, ihn nicht selbst realisieren zu können, ist nichts anderes als Fronarbeit. Man ist wie das Pferd des Milchkutschers: ich weiß, wo ich anzuhalten habe, damit der Regisseur seine Milch abliefern kann, aber etwas anderes, als daß ich den Karren ziehe, tue ich wirklich nicht. Alle meine Sätze machen mich nur ärgerlich, und ob sie gut sind oder schlecht bedeutet mir wenig.

B – Ich habe mich niemals hingesetzt und Kompromisse erwogen. Wenn du anfängst, über so etwas nachzudenken, bist du bereits in Schwierigkeiten. Wenn du anfängst, über die Frage des Verrats nachzudenken, bist du bereits mittendrin, ihn zu verüben. Das ist keine Entscheidung, die man trifft, das ist die Konsequenz eines Lebens, das man führt. Du lebst entweder so, daß die Frage sich für dich erst gar nicht stellt, oder aber du verrätst und betrügst schon lange bevor irgendjemand spitzkriegt, daß da etwas vor sich geht – eingeschlossen du selbst. Du gehst deinen Weg, manchmal paßt du nicht recht auf, es kommt ab und zu mal zu kleinen persönlichen Dramen, aber insgesamt sieht nichts sehr ernst aus, nicht sehr bedrohlich, alles geht seinen Gang (aber schon bist du es nicht mehr, der geht, es geht) – und plötzlich steht jemand vor dir und sagt: „Entweder du tust das und das, oder…“ Also hältst du dich an das „oder“. Und handelst demgemäß. Du mußt das nicht zwangsläufig tun, und vielleicht tust du es auch nicht, aber dann hast du ein anderes Problem. Dann hast du das Problem, hinfort an Selbstmitleid und an Selbstzweifeln zu ersticken. Und das, so scheint mir, ist vielleicht die ärgste Form von Strafe, die der Feind dir hat zufügen können. Daß du ständig denken mußt: „Mein Gott, wie gut hätte alles werden können wenn… wenn ich nur kolla­boriert hätte. Nur ein paar Worte. Nur ein paar Namen. Nur ein paar winzige Augenblicke der Selbstverleugnung…“ Das muß eine nichtendenwollende und lebenslange Strafe sein.

A – New York, 15. Februar 1956. You Are There: Die Prüfung des Galilei. Großinquisitor Firenzuloa: Sie geben also Ihren Irrtum zu? Galilei: Mein Irrtum, und ihn gebe ich zu, ist wahnhafter, ruhmsüchtiger Ehrgeiz gewesen (er verschluckt an seinen eigenen Worten), und pure Ignoranz, und Fahrlässigkeit.

B – Man hat gesagt, die Figuren meiner Romane und Filme hätten sich anpassen und auf diese Weise überleben können. Aber das können wir, mit ein bißchen Opportunismus, allesamt. Auch auf die Blacklist trifft das zu. Kompromisse sind jedem angeboten worden, selbst John Howard Lawson, dem Sprecher der Hollywood Ten, und selbstverständlich auch mir. Sie fragten mich, ob ich ihnen die Namen geben würde von Leuten, von denen ich aus eigener Anschauung wüßte, daß sie in linke Aktivitäten verstrickt seien oder gewesen seien; und wenn ich ihnen diese Namen geben würde – sie wollten gar nicht viele, nur ein paar, nur um das Faktum zu begründen, daß ich kooperativ bin – dann würde ich so weitermachen können wie zuvor. Ich hätte weiterhin Filme machen können. Sie haben sie mir sogar garantiert. Ich hätte eine ganze Reihe von Elia Kazan-Filmen machen können – denn der hat sich bekanntlich anders entschieden. Aber mir ist der Kompromiß niemals als eine mögliche Reaktion erschienen. Er war mir angeboten worden, ich hatte ihn mit Schrecken um mich herum wirken sehen, sogar unter denen, die ich für meine Freunde gehalten hatte, aber mir selbst ist er genauso wenig eingefallen wie es mir einfallen würde, dir eins über den Schädel zu geben und dir deine Brieftasche zu klauen. Das ist eine scheinbar allzu simple Antwort, vielleicht, aber ich habe keine andere. Nun könnte man mich natürlich fragen; und was hättest du getan, wenn du am Verhungern gewesen wärest? Aber das war nicht der Fall damals, und so war die Situation einfach nicht, und für niemanden, erst recht nicht für Kazan. Das Leben kann ausgesprochen grausam sein, und es gibt immer wieder Zeiten, in denen die Menschen unter allen nur erdenklichen Umständen zu überleben versuchen. Es mag es nicht wert sein, zu überleben, auf diese Weise zu überleben, aber das ist eine Art post facto-Entscheidung, die die Leute treffen, mehr nicht. Damals jedenfalls ging es nicht ums Überleben. Auch bevor sie mir meinen Paß entzogen haben, habe nicht eine einzige Sekunde daran gedacht, mich aus diesem Land hinauszustehlen – denn ich hatte keine Angst, daß mir persönlich etwas zustoßen könnte, Daß mir etwas passieren könnte, so wie es in Nazi-Deutschland passiert ist. Oder in der Kriegsgefangenschaft, in jedem Land. Das McCarthy-Amerika war weder ein Hitler-Deutschland noch ein Stalin-Rußland. Und es hat keine Notwendigkeit gegeben, so zu tun als ob. Für niemanden.

A – New York, 15. Februar 1956. You Are There: Die Prüfung des Galilei. Reporter Harry Marble: Möchten Sie etwas zu den Anschuldigungen sagen, die man gegen Sie vorbringt? Galilei: Nein. Das wäre ein noch schlimmeres Verbrechen als die Anschuldigungen wirklich zu verdienen!

B – Anpassung und Verrat sind in jedermanns Natur, und wenn ich gesagt habe, das läge nicht in meiner Natur, dann habe ich da­ mit lediglich die konkrete Situation gemeint. Denn die Drohung (selbst wenn man weiß, daß sie wahrgemacht werden wird), seinen Job zu verlieren, in seinem Beruf vielleicht überhaupt nicht mehr arbeiten zu können, nicht mehr das Land verlassen zu dürfen usf., ist ja wohl nicht als ein brutaler Anschlag auf dein Leben mißzuverstehen. Sicherlich, ich habe darunter gelitten; ich habe zwanzig Jahre lang keine Filme machen können, ich habe viele andere Dinge nicht tun können bzw. ich habe Dinge getan, die ich mit Sicherheit sonst nicht getan hätte; ich habe gelitten wie ein Hund und in mancher Hinsicht leide ich noch heute darunter – aber all das hat mich ja schließlich nicht unter die Erde gebracht. Ich hatte immer noch mein Leben. Für viele andere allerdings hat die Aussicht, nicht mehr arbeiten zu dürfen, nicht mehr soviel Geld machen zu können, auf den gewohnten Lebensstandard verzichten zu müssen, gesellschaftliche wie menschliche wie künstlerische Anerkennung zu entbehren, und was weiß ich noch, eine derartige Bedrohung bedeutet, daß sie nachgegeben haben. Daß sie verraten und bespitzelt und denunziert und gelogen haben. Das ist alles, was ich damit gemeint habe. Sterling Hayden zum Beispiel war damals einer meiner besten Freunde, aber er hat mich denunziert – und nicht nur das, er hat Dinge gesagt, von denen er gewußt hat, daß sie falsch waren, die aber dem Komitee nützlich waren für das Bild das es der amerikanischen Öffentlichkeit von der Natur der Kommunistischen Partei oder der Linken überhaupt vermitteln wollte. Ich erwähne seinen Namen deshalb, weil er meines Wissens der Einzige ist (was genauso für ihn wie gegen alle anderen spricht), der seine Handlungsweise später nicht nur betreut, sondern daraus auch die Konsequenz gezogen hat, sein Leben zu ändern. Andererseits wüßte ich nicht, was ich tun würde würde mir jemand die Pistole an die Schläfe halten und verlangen, ich solle ihm Sterling Haydens Namen verraten – ich nehme fast an, daß ich es tun würde (und gleichzeitig darauf hoffen, daß der andere meinen Namen zuerst nennt). Aber das ist alles hypothetisch. Ich halte nichts davon, diese Präge theoretisch zu erörtern. Man sollte sie vielmehr als eine rein praktische Angelegenheit behandeln. Unter welchen Bedingungen vergeben wir den Verrätern? Wir vergeben ihnen am Ende sowieso, was auch immer sie getan haben mögen, in dem Sinne, daß wir alle nur allzu menschlich sind – was aber nicht heißen kann, daß wir alle miteinander Opfer sind! Eine so relativ simple und harmlose Sache jedenfalls wie die, einen Job zu haben oder nicht (selbst wenn die Auswirkungen sich als sehr viel weniger simpel und harmlos herausstellen, als man gedacht hatte), ist doch wohl nicht zu vergleichen mit dem, daß man dich in ein Lager steckt und vor die Wahl stellt: „Entweder rede oder stirb!“ Und selbst unter diesen Bedingungen wissen wir von Menschen, die es vorgezogen haben, lieber zu sterben. Aber ich glaube nicht daran, sich solch heroischen Gedanken hinzugeben, bevor die Notwendigkeit dazu gegeben ist. Sich selber für so heroisch zu halten, bevor die Notwendigkeit es von einem verlangt, ist nur eine weitere Illusion mehr unseres falschen Selbstverständnisses.

A – Red Hook, New York, 18. Juni 1957. Blind wie ein Pferd ein Esel ein Hund. Geschlagen getreten und keuchend. Sklave Diener Jude in Buchenwald. Und dennoch ließ ich – Wahnsinniger und Verrückter – das letzte zitternde Licht des Lehens nicht verlöschen. Ich habe das Recht auf einen Schrei.

A – Red Hook, New York, 20. Juni 1957. Die Besiegten sind nicht immer die wirklichen Verlierer. Denkt an sie nicht im Augenblick der Niederlage, an ihre abgestumpften grauen Gesichter inmitten der Trümmerhaufen, unter dem bestürzenden Licht der Wahrheit, das auf sie fällt. Stellt euch stattdessen ihre Auferstehung vor, die von diesem Augenblick an sich vorbereitet. Endlich haben sie die Grenzen erreicht. Die Erniedrigung ist vollkommen. Die Angst hat alle Masken schmelzen lassen. Sie haben nicht mehr die moralische Verpflichtung, immer Recht zu haben. Sie haben es nicht mehr nötig, all ihre kleinen und alltäglichen Siege vor dem eigenen Gewissen zu rechtfertigen. Sie sind bereit, getötet zu werden oder gerettet. Vorausgesetzt, es gibt eine Instanz der Zivilisation, die ihnen erlaubt, einen Augenblick lang innezuhalten und Atem zu schöpfen, geht jetzt der Dialog mit sich selbst erst richtig an. Unbekümmertheit, Lebensgefahr, Kompromisse ohne Anlaß und Gegenstand so­ wie ganz gemeine Gleichgültigkeit kommen zu Hilfe und bringen das Leben zurück.

B – Ob ich je in Versuchung war, den Märtyrer zu spielen? Ich glaube, das wäre eine viel zu diffizile Rolle für mich. Und ich wäre mit Sicherheit in ihr unausstehlich gewesen, für jeder­mann, eingeschlossen mich selbst. Jedenfalls widerspricht es meiner Natur. Genauso wie es meiner Natur zuwiderläuft, das passive Opfer zu spielen. Selbstverständlich kann ich zum Opfer gemacht werden – aber das hieße nicht, daß ich das für mich akzeptieren würde und daß ich dann nichts weiter wäre als eben das. Die Idee, daß man Opfer bringt, daß man sich aufopfert für andere, das verstehe ich – aber dies hier ist etwas anderes. Sich darin zu suhlen, die Aufopferung deines eigenen Lebens zu genießen – das ist der unterste Kreis der Hölle. Abe als Karriere mag es ganz angenehm sein. Man kann es zu Hause im privaten Bereich spielen, und man kann es genauso gut im gesellschaftlichen und im politischen Leben spielen – die Versuchungen sind die gleichen. Sich darin zu gefallen, daß ander dir sentimentale Gefühle entgegenbringen, eine gewisse Sympathie, ein Mitleiden, die Bereitschaft zu helfen und die Last mitzutragen – ich finde das schaurig. Und ich sehe nicht einmal einen Sinn darin, denn die Belohnung ist doch wirklich nur minimal – bloß eine Illusion. – Aber es spielt noch etwas anderes mit. Einer, den man zum Opfer gemacht hat, kann dieses Gefühl von Selbstmitleid dazu benutzen, sich gegen das totale Scheitern zu wappnen. Es gibt ihm eine Rolle, mit der er sich identifizieren kann, und in diesem Sinne arbeitet das vielleicht zu seinen Gunsten. Aber da reden wir nur von der Linderung neurotischer Symptome, nicht von möglichen politischen Gewinnen.

A – New York, 12. März 1958. Es gibt keinen bestimmten, genau de­ finierbaren Punkt oder Augenblick, von dem aus man anfängt, sich korrumpieren zu lassen. Wenn du es merkst, bist du es bereits. Das Leben ist eine Form der Korruption so wie das Leben eine Form des Sterbens ist. Du erhältst Botschaften von außerhalb, du erhältst Befehle, du gibst Befehle weiter, und irgendwann einmal fängst du an zu begreifen, daß du mittendrin steckst. Du willst davon nichts wissen, weil du glaubst, weil du dir einredest, daß du damit fertigwerden wirst – und genau das ist das erste und untrügliche Anzeichen von Korrumpiertheit! Es ist dieses Gefühl deiner Macht, deiner Kontrolle über dich selbst, die du in Wirklichkeit gar nicht besitzt, das zu deiner Tragödie führt.

A – Paris, 15. April 1959. Ich erinnerte mich heute morgen an Thomas Manns Zauberberg, da, wo er über die Jugend Hans Castorps schreibt. Hans ist in der Schule, und er fällt durch – und was für eine Erleichterung das ist! Wenn du durchgefallen bist, dann mußt du auch nichts mehr erreichen. Eine Art von Befreiung liegt im Scheitern. Oder anders gesagt: es gibt kein Identitätsproblem mehr, wenn dir keine Identität geblieben ist. Also ist der nächste Schritt, daß du wieder jemand werden mußt.

B – Die Blacklist hatte auf mich fast die gleiche Auswirkung wie ein totales Scheitern, ein absoluter Mißerfolg – so, als ob man etwas sehr Großes, sehr Wichtiges versucht hätte zu unternehmen und daran gescheitert wäre. Nun würde ich Scheitern, oder Verzweiflung, nicht gerade als eine gesunde Methode empfehlen wollen, sich selbst zu verändern (ebensowenig ich einer politischen Partei eine Niederlage verordnen würde, um sich neu zu besinnen) – aber wenn wir das Scheitern nicht gewählt haben, wenn es nicht eingetreten ist aufgrund einer Schwäche von uns, oder aufgrund falscher Gedanken und Ideen, oder unserer falschen Vorstellungen von uns selbst, wenn es uns aufgezwungen worden ist – dann kann es eine reelle Möglichkeit für dich sein, eine neue Basis, wieder ganz von vorne anzufangen. Denn du beginnst dann die Gesamtheit deiner Ansichten und Überzeugungen in Frage zu stellen, sowohl in Bezug auf dich selbst wie in Bezug auf das System, in dem du lebst – du beginnst die Formen und Formeln zu zerstören, mithilfe derer du dein Leben gelebt hast bis zu diesem Punkt – und aus dem Chaos, das daraus resultiert, entsteht etwas Neues, entsteht etwas, das vielleicht näher der Realität deiner selbst, und – der Realität des Augenblicks, und der Realität deiner Hoffnungen liegt als das, was vorher da war. Mit anderen Worten: die Blacklist war ein Desaster für mich – aber ein heilsames Desaster. Nicht ich habe diesen Krieg gewählt – dieser Krieg hat mich erwählt. Und also habe ich ihn gekämpft. Auf politischer Ebene (gegen das Komitee, gegen McCarthy, gegen die Politik der Angst) wie auf privater Ebene (gegen Selbstmitleid, gegen Haß- und Rachegefühle, gegen Selbstaufgabe und Sinnlosigkeit)

B – Zum Beispiel hat die Blacklist mich von einer Form der Eitelkeit, der sehr schwer zu begegnen ist, fast völlig geheilt: von dem Drang, berühmt zu sein. Ich mußte nicht mehr berühmt sein, um mir selbst gefallen zu können. Und davon wird man ja immer getrieben… von dem Wunsch, von dem Drang, anerkannt zu sein. Jeder Künstler will anders sein, anders als die anderen – aber du begreifst, wenn du geächtet bist, wenn du nicht mehr arbeiten darfst, wenn du kein Publikum mehr hast, daß das gar nicht das ist, was du wirklich willst. Du willst nicht.anders sein – du willst wahr sein. Du willst wahrhaftig sein, und du willst etwas finden, das einen Sinn ergibt, und ich merkte, daß, obwohl ich die Gesellschaft brauchte, ich doch notfalls ohne sie auskommen konnte – zumindest in dem Sinn, daß ich in ihrer Gegenwart existieren konnte auch ohne ihre permanente Billigung und Wertschätzung. Daß ich sie nicht brauchte, um mit mir selber zufrieden sein zu können, mich etwas wert zu fühlen.

A – Red Hook, New York, 21. Juli 1959. Zusehends mehr Menschen scheinen zu glauben, daß man zunächst sich selber ändern muß, ehe man daran gehen kann, die Welt zu verändern. Andererseits sollten wir aus der Geschichte gelernt haben, daß eben dies
der große Irrtum ist und das beste Mittel, die wahren Probleme der Welt endgültig zu verschleiern. Um wieviel leichter ist es, zu versuchen, sich selbst zu ändern als die Welt zu ändern. Ich glaube nicht daran, daß wir die Welt ändern können, indem wir uns zu besseren oder schlechteren Menschen machen als wir sind – sondern nur, indem wir die Welt besser oder schlechter machen.

B – Natürlich war ich in Versuchung. Aber ich war nie versucht gewesen durch die gängige Versuchung, ich war nie versucht, nicht auf die Blacklist zu kommen, und das zu tun, was notwendig war, nicht auf die Blacklist zu kommen. Aber es gibt schlimmere Versuchungen als die, sich zu verkaufen. Die Versuchung zum Beispiel, sich aufzugeben. Zu sagen, daß alles keinen Sinn mehr hat, daß alles wertlos ist. Ich ziehe es vor, daß einer sich verkauft als daß er sagt, alles ist sinnlos und sich aufgibt.

B – Für die Mehrzahl derer, die mit dem Komitee kooperiert haben, war es alles andere als eine moralische, ethische oder auch nur politische Frage – es war einzig und allein eine praktische Frage. Aber natürlich haben die Leute es nicht gern, wenn man so darüber denkt – es könnte einigen Zweifel werfen auf ihren Charakter. In den allermeisten Fällen jedenfalls wählten die Denunzianten ganz einfach den Weg, der ihrer Meinung nach die einfachste Lösung für das äußerst komplizierte Problem darstellte. Mit anderen Worten: mit ihren Freunden, gegen die sie Zeugnis ablegten, konnten sie anders umspringen und verfahren als mit der amerikanischen Regierung, die genügend Macht hatte, sie zu drangsalieren und zu nötigen. Ein Mann wie Kazan zum Beispiel muß erklären, weshalb er ein Denunziant geworden ist, als sie ihn unter Druck setzten, und weshalb er kein Denunziant geworden ist, bevor sie ihn unter Druck setzten. Der Grund ist: bevor das passierte, hat er für unanständig gehalten, das zu tun; und was den Wandel in ihm hervor­ brachte, war die praktische Situation. Die Nazis hielten ihm eine Pistole an die Schläfe und sagten: „Gib uns ein paar Namen!“ Und er sagte: „Ja, ok, ich kann diese Leute sowieso nicht ausstehen.“ Und sie sagten: „Das wissen wir, darum sind wir hier. Also gib uns die Namen.“ Die Frage ist: warum erst dann, und warum nicht eine Woche davor? Wenn du wartest, bis sie dir eine Pistole an die Schläfe halten, ist es zu spät dafür, zu behaupten, du habest es aus moralischen Gründen getan, oder aus politischen. Zu viel Zeit ist vergangen.

A – Washington, D.C., 25. April 1951. Mr. Polonsky, sie erwecken in uns den Eindruck, ein Staatsbürger zu sein, der für diesen Staat eine Gefahr bedeutet.

B – Man hat mich später gefragt, was sie damit gemeint haben, und ich habe geantwortet, eine Gefahr hätte ich nur für mich selbst‘ bedeutet. Jetzt fragst du mich, was ich damit gemeint habe. Genau weiß ich das auch nicht – doch muß man eines klar und deutlich sehen: daß wir, die wir in unserer Einbildung die einzigen Bewohner dieser Erde sind, eine Gefahr immer nur für uns selbst darstellen. Andere können uns töten – sie können uns traurig machen oder glücklich – doch zerstören, unser Innerstes zerstören können wir uns nur selbst!

A – New York, 1. Mai 1960. Diese Welt ist sehr ungerecht. Aber sie ist die einzige, die wir nun mal haben. Also laßt uns uns um sie kümmern!

B – Natürlich hab ich all die Filme verpaßt, die ich hätte machen können und manche Bücher, die ich nicht geschrieben habe, und viele Erfahrungen, die ich hätte hinter mich bringen können. Außerdem habe ich meinen Glauben an sehr, sehr viele Menschen verloren. All das hat mich sehr beeinflußt, in dem Sinne, daß ich zwar vielleicht immer noch vertrauenswürdig bin, aber heute sage: Ich habe stets die Hoffnung, aber ich erwarte nicht zu viel. Letzten Endes war die Entscheidung, die mir und allen anderen damals abverlangt wurde die, die eigene Geschichte zu widerrufen, ihr abzuschwören, und an die Stelle der eigenen Geschichte die eines anderen zu setzen. Eines anderen, der man vielleicht schon ist, dann aber erst recht wird. Im Grunde, im Kern also eine alltägliche Geschichte. So wie wahre Politik Alltag ist. Du brauchst nicht zu warten, bis dich jemand zwingt.

Sender Freies Berlin, Redaktion: Hanspeter Krüger, Kultur und Gesellschaft II, Spätlese, Sendung, 12. März 1982.

[Teil 6 der Serie „Abraham Polonsky: Widerstand in Hollywood“ mit Texten von Wolf-Eckart Bühler]

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