Sonntag, 26.07.2020

McCarthy und die Folgen

von Abraham Polonsky

Seit Ende der 40er Jahre habe ich die Absicht, aus Thomas Manns „Mario und der Zauberer“ einen Film zu machen. Mann lebte damals in Kalifornien, und ich lernte ihn über seine Tochter Erika kennen, mit der ich seit Ende des Krieges befreundet war. Ich suchte ihn mehrere Male auf, um mit ihm mein Konzept für den Film zu besprechen und eine Option auf seine Erzählung zu bekommen. Die Filmrechte hat er mir sofort überlassen, doch an der Besprechung der Konzeption des Films schien er weniger interessiert Viel mehr dagegen an der damaligen weltpolitischen Situation. Im Verlauf unserer Zusammenkünfte kam es zu langen Diskussionen, in deren Zentrum immer wieder der Faschismus stand.

Es dauerte nicht lange, und der akute Zustand der Vereinigten Staaten kam zur Sprache. Mann erzählte mir, daß er dabei sei, die USA zu verlassen und nach England zu gehen – wenig später ging er dann in die Schweiz. Er sagte, das Amerika, in das er vor dem deutschen Faschismus geflüchtet war und dessen Staatsbürgerschaft er angenommen hatte, gäbe es nicht mehr. Der Faschismus sei auf dem Vormarsch hierher, habe praktisch schon Einzug gehalten, sei so gut wie etabliert. Und in sehr eindringlichen Worten legte er mir nahe, es ihm gleichzutun und ebenfalls die Staaten zu verlassen.

Ich hielt dem entgegen, oder besser, versuchte ihn davon zu überzeugen, daß das, was in Amerika gerade sich abspielte, also die Hexenjagden McCarthys, die diversen Ausschüsse gegen Un-Amerikanismus, die Massenhysterie der Antikommunisten usf., eine besondere Form der amerikanischen Reaktion sei, und nicht etwa mit dem Faschismus, wie er ihn in Deutschland kennengelernt hatte, zu vergleichen sei. Eher zufällige Gemeinsamkeiten, nicht so sehr zwingende Entwicklungen.

Ins Exil zu gehen hielt ich daher auch nicht für eine angemessene Antwort auf die Situation. Für Nazi-Deutschland war es sicherlich die richtige Antwort gewesen, weil Widerstand im Land selbst wohl den sicheren Tod bedeutet hat; wer etwas tun, wer extreme Positionen gegen den Faschismus aufrechterhalten wollte, der hatte kaum eine andere Wahl. Und Mann war ja noch einen Schritt weitergegangen, er war Amerikaner geworden: Für ihn war in Deutschland nichts mehr zu retten, und auch nichts mehr gutzumachen. Er hatte seine Heimat definitiv aufgegeben.

In Amerika lag die Sache anders. Da ging es nicht um Leben oder Tod – noch nicht jedenfalls. Mann erklärte mir daraufhin, daß ich denselben Fehler machen würde, den viele Leute damals in Deutschland gemacht hätten: die sich hatten täuschen lassen von der offenkundigen Borniertheit der Nationalsozialisten, was sie dazu verleitet habe, allen Bedenken zum Trotz, dem gesunden Menschenverstand des deutschen Volkes zuzutrauen, diesen ganzen Spuk bald hinter sich zu lassen.

Ich war nicht seiner Meinung, was seine Einschätzung der Situation in den USA anging, und es hat sich inzwischen herausgestellt, daß Mann sich irrte in dem, was er auf Amerika zukommen sah. Wir sind noch einmal davongekommen. Wissen, daß es so werden würde, konnte ich es natürlich nicht – aber wie die meisten Amerikaner habe ich wohl doch ein sehr tief sitzendes Vertrauen in das demokratische Erbe und die freiheitliche Tradition dieses Landes. Das Verlangen nach niemals endenden Grenzen (frontiers), diese ganze Illusion, die gleichzeitig aber auch ein Faktum ist, läßt offenbar jeden in diesem Lande in dem Glauben, daß, so schlecht die Dinge auch sein mögen, wir sie morgen besser machen werden. An­dererseits lehrt uns die Geschichte, daß dem nicht so ist. Jedenfalls glaubte ich also zu wissen, daß aus dem reaktionären Amerika kein faschistisches Amerika werden würde. Und so war es dann auch. Doch wie wird es das nächste Mal sein?

Die Tendenz zu einer konservativen, wenn nicht sogar ganz und gar durchorganisierten re­aktionären Entwicklung steckt in diesem Land seit dem Bürgerkrieg. Es hat diverse Zwischenspiele von Populismus gegeben, oder die Volksfront unter Präsident Roosevelt, doch generell gesehen ist es die kontinuierliche Tendenz unse­rer Regierungen, von Mal zu Mal konservativer und reaktionärer zu werden. Und das Auftauchen von Nixon, und jetzt von Reagan, und all den alten Namen von damals, ist nichts weiter als Teil einer quasi „natürlichen” Tendenz dieser Gesellschaft. Beide waren sie Hauptbeteiligte an den Verleumdungskampagnen und Verfolgungsjag­den der McCarthy-Zeit, und beide sind sie an der Angst gewachsen, die sie erst mitgeholfen haben, in die Welt zu setzen. Sie haben eine Karriere daraus gemacht, und es bis zum Präsidenten gebracht. Sie haben ihre Werbe-Agenturen gewech­selt aber nicht ihre Ansichten. Und das ist schon alles. Es ist überdeutlich. Wir haben immer wieder versucht Widerstand zu leisten, und wir werden, so kann ich nur hoffen, es auch diesmal schaffen, eine so breit wie möglich angelegte demokratische Front gegen die Reaktion aufzubauen.

Ich habe Mario und der Zauberer erstmals 1950 machen wollen, als der Höhenflug des McCarthyismus gerade begann. Wie man sich denken kann, gab es in Hollywood für so einen Film keine Finanzierung: Faschismus, das war für die amerikanischen Produzenten ein alter Hut. Also ging ich nach Europa, um dort vielleicht Gelder aufzutreiben. Doch das amerikanische Kapital war längst vor mir da, und ebenso die dazugehörige Gesinnung. Sie ließen mich also nicht. Und selbst wenn der Film gemacht worden wäre, hätten sie nichterlaubt, daß Polonsky ihn macht. Als ich keine Möglichkeit mehr sah, das Projekt zu realisieren, gab ich die Option an Thomas Mann zurück.

Die folgenden zwei Jahrzehnte hatte ich keine Möglichkeit, überhaupt irgendein Projekt zu realisieren. Absolutes Berufsverbot. 1969, während der Arbeiten an Tell Them Willie Boy Is Here konnte ich die Universal überreden, mir Geld zu geben, um die Rechte von neuem zu erwerben. Ich meldete mich zum zweiten Mal bei Erika Mann, und sie hat mir die Erzählung zum zweiten Mal überlassen. Dann war aber nicht mehr genug Geld da, den Film in Produktion zu geben.

Genau das ist das Kernproblem heute. Und nicht nur bei diesem Film. Wie das Geld auftreiben, daß man den Film so machen kann, wie man überzeugt ist, daß er gemacht werden muß? Das hat mit dem Inhalt des jeweiligen Films überhaupt nichts zu tun. Auf der Ebene des Stoffs, aus dem ein Film gemacht werden soll, gibt es den Gegensatz von Politik und Unterhaltung nicht; hat es ihn nie gegeben. Du kannst die extremsten, radikalsten, kritischsten Stoffe verfilmen, wenn du es nur auf unterhaltsame Art und Weise tust – oder jedenfalls auf eine Weise, die deine Geldgeber für unterhaltsam, d. h. marktgerecht halten. Die meisten Filme heute entstehen auf diese Art. Das gilt auch, und gerade, für die wenigen wirklichen Talente. Am Anfang scheitern sie ein paar Mal, und dann setzt die Schere im Kopf sich durch. Die Stoffe, die sie verfilmen, mögen etwas Besonderes sein, aber die Filme, die sie daraus machen, sind es nicht mehr. Es läuft darauf hinaus, daß sie sich irgendwann vor die Wahl gestellt sehen, entweder auf ihr Projekt zu verzichten, oder aber es so zu machen, wie es der vorgebliche oder auch tatsächliche Markt verlangt. Und dann machen sie ihren Film; sie verzichten nicht auf das Projekt, aber auf dessen filmische Qualität. Ich glaube, daß man im Prinzip heute alles machen kann: die Voraussetzungen dafür sind da, und das Bewußtsein dafür ist da. Woran es scheitert, ist mehr denn je das Geld. Die Leute, und die Firmen, die die Produktionsmittel kontrollieren, sind heute noch weniger als früher bereit, Risiken einzugehen. Sieverlangen von Filmen, ein sicheres Geschäft zu sein. Probebohrungen und Versuchsanordnungen wie im Ölgeschäft oder im Wissenschaftsbetrieb, oder wie im alten Hollywood zumindest hin und wieder mal, sind nicht drin. Das soll keineswegs heißen, daß die Leute im Filmgeschäft verdreht sind. Ganz im Gegenteil. Sie sind extrem klar im Kopf. Sie kennen sich in ihrem Geschäft aus. Sie können es nicht erklären, aber sie wissen, wie sie vorzugehen haben. Sie haben die Tendenz, ihr Geld auf die Art zu verdienen, an die sie gewöhnt sind, das heißt das zu wiederholen, was bereits erfolgreich war. Das Remake eines Remakes, das ursprünglich mal ein Film war. Und schlimmer als das. Es kommt ihnen darauf an, immerzu auf gleicher Höhe zu sein mit dem, was gerade eben außer Mode gekommen ist.

In den 30er und 40er Jahren, als Hollywood die vielleicht größte Anzahl von politisch Interessierten und Aktiven, wo nicht gar Radikalen dieses Landes konzentriert hatte, war das alte Producer/Supervisor-System mit seiner extremen Arbeitsteilung Garant dafür, daß keine radikalen Ideen den Weg zu Kamera und Licht fanden. Und im wesentlichen galt die systemkritische oder sozialistische Einstellung der Leute auch nur für ihre Politik. Ihre Filme waren davon wenig betroffen. Zwar versuchten sie, andere Stoffe auf die Leinwand zu bringen, nicht aber, aus diesen Stoffen andere Filme zu machen. Allen gutgemeinten Bemühungen zum Trotz bewegte sich doch alles im Rahmen der Konventionen Hollywoods, und die, wie wir wissen, sind sehr beschränkt.

Und so lag es denn auch nicht nur an der Absurdität des „Komitees gegen un-amerikanische Umtriebe” selbst, als es den Einfluß der Kommunistischen Partei und ihrer Mitglieder innerhalb der Filmkolonie auf die eigentliche Produktivität Hollywoods zu untersuchen begann, daß es mit ausnahmslos absurden Resultaten aufwartete – im Sinne von „Lionel Stander pfeift in dem Film XYZ, während er auf den Lift wartet, die ersten fünf Takte der Internationale“ und so fort. Denn wahrscheinlich sind es wirklich die eher konservativen Regisseure, wie Frank Capra, gewesen, die in Hollywood auch nur einigermaßen wirksame soziale oder politische Sujets zu entwickeln vermochten – schon deshalb, weil die sich nicht darüber im klaren waren, wie unwirksam im Grunde solche Filme waren.

Wie vergebens ist diese sentimentale Haltung gegenüber dem Guten im Menschen; daß wir alle zusammenhalten müssen und zusammen etwas dafür tun, daß sich alles zum Besseren wenden wird. So sehr verallgemeinert, und so sehr „humanisiert”, daß man genausogut über das Einatmen und Ausatmen reden könnte. Eben undefinierbar, schwerelos. So daß ein Film wie John Fords The Grapes of Wrath wahrscheinlich sogar mit Recht als der „politischste” Film gilt, der je aus Hollywood kam. Was aber, wie gesagt, auch ein Problem, oder eine Schuld, der Linken selbst ist: denn sie hat sich immer nur angepaßt an das, was schon da war.

Für den Sozialismus hat man lediglich mit Dialogen, nie aber mit Strukturen und Formen, das heißt mit wirklichen Filmen argumentiert. Was es wiederum den Produzenten leichtgemacht hat, im Einzelfall zu sagen: „Das geht wohl doch ein bißchen zu weit; ändern wir diesen Dialog um, schneiden wir jene Szene raus” – kein Problem. Wollte man hingegen anfangen, nicht nur andere Filme, sondern Filme anders zu machen, also auf andere Weise zu filmen, hätten sie genau gewußt, daß es nichts mehr zu andern und umzuschneiden geben würde – es sei denn, sie hätten den gesamten Film aufgeben müssen. Soweit aber lie­ßen sie es selten kommen. Und so jemanden würden sie umgehend gefeuert und aus der Stadt geworfen haben – mit der einleuchtenden Begründung: berufliche Inkompetenz –, was auf Dauer gesehen ein sehr viel wirksameres Argument ist als jede mögliche politische Unzuverlässigkeit, die sie jemandem vorwerfen könnten. Ein fünfminütiges Zitat aus dem „Kapital” von Marx – warum nicht, denn das kann man schneiden, aber ein Neunzig-Minuten-Film, der das „Kapital” ernst nimmt, und in seinem Geist gedreht ist, auch wenn nicht ein einziges „subversives” Wort darin vorkommt – so weit darf es nicht kommen.

Damals nicht und heute erst recht nicht Als ich 1969 von der Universal das Geld für die Rechte bekam und fragte, ob sie bereit seien, Mario zu produzieren, bekam ich als Antwort eine Gegenfrage: „Ist er gegen Faschismus? Ist er gegen das Establishment?” Ich mußte beide Male „Ja” sagen. „In dem Fall”, erwiderten sie, „müßte damit eigentlich was zu verdienen sein. Fangen Sie an.” Aber natürlich beruhte das Ganze auf einem Irrtum ihrerseits: sie hatten das Drehbuch noch gar nicht richtig gelesen und merkten erst nach einer genaueren Lektüre, daß es sich nicht bloß um einen Film über Politik handeln würde.

Das Geldproblem ist auch heute wieder da. Wie kann ich den Film finanziert bekommen, ohne zu erzählen, was ich wirklich vorhabe? Das ist äußerst schwierig. Denn wenn ich es erzähle, kriege ich nicht einen Pfennig. Es ist nicht nur kein Film über Politik, es ist auch keine Literaturverfilmung. Die Tatsache, daß es sich bei Thomas Mann um einen Klassiker handelt, ist normalerweise so etwas wie eine eingebaute Garantie da­ für, daß jemand Geld locker macht. Aber natürlich erst, wenn er sich abgesichert hat, und das bedeutet: Erzähl-Film, Literatur-Imitation.

„Mario” ist eine Geschichte, die an Aktualität seither nichts eingebüßt hat. Vielleicht ist sie heute sogar notwendiger als damals. Denn eins hat sich nicht geändert: schlechte Nachrichten. Und Mario wäre dieser Film über schlechte Nachrichten. Selbstverständlich würde er heute völlig anders aussehen, als ich ihn damals vorhatte. 1950 wollte ich der amerikanischen Regierung einen Film über den McCarthyismus vor die Nase setzen. Das ist heute irrelevant, betrifft aber lediglich Veränderungen an der Oberfläche des Projekts. 1929 hat Thomas Mann über da faschistische Italien Mussolinis geschrieben, das ist die Konsequenz seiner Erzählung. Sein eigentliches Thema aber ist noch etwas anderes. Es geht darum, daß Leute ihren Willen aufgeben. Daß sie verführt werden, ihren Willen aufzugeben. Daß sie im Austausch dafür eine sonderbare Art von Freiheit erhalten, die sehr destruktiv ist. Das ist das wirkliche Thema der Erzählung. Und es ist das Thema des Films, nur in einer anderen Version. Es kommt nicht darauf an, ob es 1929 passiert, oder ob es um den McCarthyismus geht, oder ob es um Watergate geht. Die Geschichte spielt zwar im italienischen Faschismus, ist aber so aktuell und zeitgemäß wie es politische Morde sind oder Terror-Regime.

Ich glaube nicht, daß der Film im heutigen Hollywood zu machen ist. Hollywood heute, das ist ein Wahnsinn. Oder besser gesagt: ein Schwachsinn. Wahnsinn, das war das Hollywood von früher, das Hollywood der großen Studios; ein gigan­tischer, nach den Sternen greifender Wahnsinn. Eine solche Ansammlung von verrückten und wirren zusammen mit völlig klaren Köpfen, auf einem Fleck, und im selben Atemzug, und voneinander oft kaum zu unterscheiden, das hat es selten in der Geschichte gegeben. Heutzutage ist al­les eher Schwachsinn als Wahnsinn, und nach den Sternen greift heute niemand mehr, nur noch nach den Talern. Früher, da gab es die kleinen Cäsaren, und auch die Caligulas, aber auch die Marc Aurels. Heute sind die, die über die Filme bestimmen, dieselben wie die, die über die Zinssätze der Banken und die Renditen der Fernsehanstalten bestimmen.

Man will einen Film für eine halbe Million drehen oder für eine Million und findet heraus, er kostet plötzlich fünf Millionen. Das wiederum läßt einen herausfinden, daß es beim Filmemachen um den Film selber schon lange nicht mehr geht. Es geht nicht mehr darum, zu zeigen, was man zeigen will, oder zu erzählen, was man erzählen will. Was das Fernsehen nur verspricht, weil es wegen der Werbung und für die Werbung da ist, das soll der Film halten, und darum wird er immer teurer – denn er ist die Werbung selbst. Er besteht daraus, er geht ohne Rest darin auf. Entweder sie stecken von vorneherein das zehnfache der Produktionskosten in die Werbung für die Produktion oder sie machen den Film zehnmal teurer, als er sein müßte, dann haben sie den Großteil der Werbung umsonst. Da aber die Kon­kurrenzfirma, wenn sie davon Wind bekommt, ihren Film fünfzehnmal so teuer macht, muß die erste Firma, um noch Gratiswerbung zu haben, ihren Film zwanzigmal so teuer machen – und immer so weiter.

Wenn ich also irgendwohin gehe und sage: „Ich kann Mario und der Zauberer für drei Millionen Dollar machen, dann sehe ich, wie die Leute zu rechnen anfangen und sich überlegen, wieviel Profit aus so einem Film günstigstenfalls zu schlagen ist. Wenn sie mit dem Überlegen fertig sind, fragen sie: „Warum machen Sie den Film nicht für 20 Millionen?” Ich weiß aber beim besten Willen nicht, warum ich das machen soll – zumal ich weiß, was ich mir damit einhandeln würde. Denn das viele Geld, das zuviel drinsteckt in dem Film, muß ja schließlich irgendwo sichtbar werden. Was heißt, mein Film würde anders aussehen; es wären Dinge darin, die dort nichts zu suchen haben, die nur drin wären, weil sich das Geld materialisieren muß. Was wiederum heißt: ich habe keine Lust, den Film zu machen. Nicht unter diesen Umständen. Ich bin da altmodisch und bestehe darauf, es zu sein. Wie die Dinge jetzt liegen, wo man in Hollywood lieber fünf Filme à 10 Millionen anstatt hundert Filme für je zwei Millionen macht, sehe ich für meine Projekte, zumindest in diesem Land, schwarz.

Begehrt ist meine altmodische Art hingegen, wenn es um Drehbücher geht – auch wenn es hin und wieder einen Produzenten gibt, der mir die Regie eines Films anträgt. Dann aber selbstverständlich nicht nach einem eigenen Drehbuch. Ich habe also die Wahl: entweder Regisseur zu sein nach den Drehbüchern von anderen oder Autor der Filme von anderen zu sein. In dieser Situation wähle ich jederzeit das Schreiben. Allein schon, weil es leichter ist, und weniger anstrengend.

Den Mario-Film gegen einen solchem Dschungel durchzusetzen ist kaum möglich. Ich will diesen Film seit nunmehr 30 Jahren machen und vielleicht mache ich ihn noch, vielleicht auch nicht. Erst vor kurzem hat sich ein englischer Produzent bei mir gemeldet, der sagt, er habe dreieinhalb Millionen Dollar dafür aufgetrieben. Im Herbst oder Winter könnten wir drehen. Aber so etwas ist mir schon mehrmals passiert und ich warte einfach ab. Wenn er den Film machen will – ich bin bereit. Der Mario ist jedenfalls eines der ganz wenigen Projekte, für die ich noch bereit und willens bin, die Strapazen auf mich zu nehmen, die es bedeutet, einen Film zu machen. Die lebensverkürzenden Strapazen. Für Filme, die mir fremd sind, und unter Bedingungen, die mich am Arbeiten hindern, will ich diesen mühseligen, wenn auch wunderschönen Beruf eines Filmre­gisseurs nicht noch einmal ausüben.

(März 1981, im Gespräch mit Wolf-Eckart Bühler; übersetzt von Felix Hofmann)

Süddeutsche Zeitung, Freitag/Samstag/Sonntag 14./15./16. August 1981.

[Teil 8 der Serie „Abraham Polonsky: Widerstand in Hollywood“ mit Texten von Wolf-Eckart Bühler]

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