Filme der Fünfziger LV: Schule für Eheglück (1954)
„Die Mehrheit der Filme [bringen] heute in unwürdiger Weise Ehebruch und sittliche Verfehlungen auf die Leinwand“, erklärte 1954 Familienminister Wuermeling. Im deutschen Film beobachtete er Erotik, Frauenhelden und eine auf vornehm frisierte Prostitution. Tatsächlich gab es 1953 vermehrt Filme über Eheprobleme wie Ich und Du von Alfred Weidenmann, Muss man sich gleich scheiden lassen von Hans Schweikart oder Hochzeit auf Reisen von Paul Verhoeven. In der Regel fanden die zerstrittenen Paare in diesen Filmen wieder zusammen. Und alle hätten auch „Schule für Eheglück“ heißen können, aber es brauchte vielleicht doch einen Film mit genau diesem Titel, um die Sittlichkeit der westdeutschen Filmindustrie unter Beweis zu stellen. Die Scheidungsrate war übrigens in der Bundesrepublik seit 1950 kontinuierlich rückläufig; das ließ sich dem Film schlecht anlasten. Und wie stand es mit dem Verfall von Sitte und Anstand? Den konnte man statistisch nicht erfassen, aber gefühlt wurde es natürlich immer schlimmer.
Der Film entstand nach einem Buch von Andre Maurois; Franz Geiger schrieb das Drehbuch (sein zweites von mehr als sechzig). Ein interessantes Interview mit Geiger führte Dr. Wolfgang Habermeyer für den Bayerischen Rundfunk. www.br.de › alpha-forum › franz-geiger-gespraech100~attachment.
Rainer Geis, ehedem Regieassistent bei Tourjanski, Karl Anton und Harald Braun führte Regie, aber der Produzent Toni Schelkopf erklärte sich selbst, reichlich ungewöhnlich, auch zum Regisseur.
Die Schule für Eheglück, mit Liselotte Pulver und Paul Hubschmid als Ehepaar, vermittelt unter anderem diese Lektionen:
1. Männer müssen ertragen, dass Frauen immer zu spät sind. Deswegen hat Ehemann in spe Justus Schneemann (Paul Hubschmid) auch Zeit, dem Publikum seine Geschichte erzählen. Später im Film wird Liselotte Pulver ihrem Justus die Lektion nochmals erteilen.
2. Es gibt ein Recht des Mannes, sich Frauen wie auf einer Viehauktion anzusehen. „Die Beine sind tadellos“, lobt Tobby, Chefredakteur der Frauenzeitschrift Kristine (Wolf Albach-Retty). Als würden sie wie Jugendliche durch die Bretterwand eines Schwimmbades linsen, sehen die Männer durch die Vorhänge eines Schaufensters nach der Dame, die zu den Beinen gehört. Zur Belohnung fällt sie Justus beim Betreten des Geschäftes in die Arme.
3. Frauen sind eher praktisch, Männer sinnlich orientiert. Beim ersten Rendezvous in einem Tanzcafe (Gisela Griffel singt „Diesmal muss es Liebe sein“) holt Justus einen Wohnungsplan heraus und richtet als erstes das Schlafzimmer mit kleinen Klötzchen ein. Marianne fragt: „Und wo ist die Küche“?
Marianne hat übrigens die Meisterschule abgeschlossen, möchte gern eigene Entwürfe machen und unabhängig sein. Sie hat keine Eltern, keine Geschwister, nur eine Freundin. Justus dagegen hat eine Sekretärin, einen Arbeitsplatz, einen Freund/Chef, alte Freundinnen und vor allem Ambitionen. Er will nicht länger Kristine sein, die Kummertante der Frauenzeitschrift, sondern ein ernsthafter Schriftsteller werden. Zunächst aber schreibt er den Bestseller „Die praktische Hausfrau“, kauft sich vom Vorschuss ein Opel-Kabrio, hält Vorträge zum Eheglück und plant auch gleich ein Buch zum Thema. Dann aber begegnet er Regina (Cornell Borchers), lässt Frau und Kind und auch die Anstellung bei der Illustrierten sausen und arbeitet nur an seinem Roman. Doch
4. Als Sachbuchautor und Illustrierten-Heini kann man schnell und ohne Mühe viel Geld verdienen. Kunst dagegen ist mühsam und bringt wenig ein.
Justus trennt sich auch von Regina, gibt das Romanprojekt auf und wird wieder zur Kummertante Kristine. Aber so ganz allein verschlampen Justus und seine Wohnung. Jetzt nimmt Marianne die Sache in die Hand, kehrt zu Justus zurück und räumt als erstes die Wohnung auf. Alles wird wieder gut.
Der Film hat das Problem, dass die Figuren in diesem Spiel nur vorgefasste Thesen illustrieren und die Schauspieler wie in einem Lehrfilm mit Spielhandlung agieren. Die Liebesgeschichte von Marianne und Justus wird als Tanzeinlage mit gezeichneten Kulissen dargestellt, aber die Choreographie ist bieder und wenig elegant und Paul Hubschmid ist nun mal kein Gene Kelly noch ein Fred Astaire. Er gibt sich, man sieht es deutlich, redlich Mühe; am besten gelingt ihm ein Schuhplattler oder ein Tanz, der in Hubschmids Interpretation wie ein Schuhplattler aussieht.
Wollte man, selbst in den 50er Jahren, im Kino die Alltags-Probleme einer Ehe sehen? So vom Katheder doziert sicher nicht; sittliche Verfehlungen waren doch wirklich attraktiver.
Keine DVD, aber bei youtube unter https://www.youtube.com/watch?v=LkfQF3WhXJ4
Präzisierungen und Ergänzungen zu filmportal:
Drehrbeiten: Begonnen Mitte Februar 1954 in Geiselgasteig, Halle 2; Regieassistent: Adolf Schlyßleder, Kostüme: Ursula Maes; Ton: F.W. Dustmann; Standfotos: Ferdinand Rotzinger