Einträge von Bettina Klix

Mittwoch, 25.05.2011

Bildervehikel

Eine unerwartete Entdeckung in der Darmstädter Ausstellung „Serious Games – Krieg – Medien – Kunst“ waren für mich die anonymen afghanischen Kriegsteppiche, die gezeigt werden. Hier entpuppt sich ein Genre der Volkskunst, das zur Zeit der sowjetischen Besatzung entstand, als eine neue Art von „Medienkunst“. In dem besonderen Kontext dieser Ausstellung können sie Botschaften überbringen, die auf anderen Kanälen nicht ankommen. Aby Warburg nannte den Bildteppich ein „bewegliches Bildervehikel“ – lange bevor andere Medien diesen Dienst anbieten konnten.

Ein ausgestellter Teppich zeigt den Anschlag auf das World Trade Center 2001. Die beiden Flugzeuge fliegen wie riesige Insekten heran, am schwierigsten zu knüpfen waren die Einschlagswolken. Aber alles ist gut erkennbar auf dem textilen Bildschirm. Die Bilder, die wir vom Fernseher kennen, wurden mühevoll angeeignet und still gestellt in der Handarbeit.

„Serious Games – Krieg – Medien – Kunst“, Darmstadt, Mathildenhöhe, noch bis 24.Juli

Sonntag, 15.05.2011

Liebe 47

In den Berliner Eva-Lichtspielen kann man am Montag, den 16. Mai, einen weiteren klassischen Trümmerfilm sehen, „Liebe 47“ (1948/49) von Wolfgang Liebeneiner. Er basiert auf dem wohl berühmtesten Stück Trümmerliteratur „Draußen vor der Tür“ von Wolfgang Borchert. Borchert hatte die Bühnenpremiere seines Theaterstücks nicht mehr erlebt, das 1947 uraufgeführt wurde. Wer das Werk in der Schule kennen lernte, erinnert sich an die völlige Ausweglosigkeit, die in immer neuen Anläufen bekräftigt wird. Der „Heimkehrer ist einer „von denen, die nach Hause kommen und die dann doch nicht nach Hause kommen, weil für sie kein Zuhause mehr da ist.“ Der Film aber biegt im letzten Moment ab und lässt den heimkehrenden Soldaten (Karl John) eine – zunächst ebenso lebensmüde – Frau (Hilde Krahl) finden, mit der ein Neuanfang möglich ist.

Eva-Lichtspiele, Blissestraße 18, Wilmersdorf, montags 15.45. (Mit Einführung)

Sonntag, 03.04.2011

Leinwand

Am Montag, den 4.4. um 15.45 ist im Berliner Eva-Kino Helmut Käutners erster Nachkriegsfilm „In jenen Tagen“ (1947) zu sehen. Ein Episoden-Trümmerfilm, dem man die kargen und schwierigen Produktionsbedingungen geradezu physisch anmerkt. Ein Autowrack, das ausgeschlachtet wird, bildet den Ausgangspunkt von Fragen, nach seinem Schicksal und seinen Insassen. Die Suche ist ausgerichtet nach den „Menschen“, nach denen, die in der Diktatur Mensch geblieben sind, nicht den Tätern. Der Film beantwortet die Frage bejahend mit sieben Bewährungsgeschichten.

Eva-Lichtspiele, Blissestraße 18, Berlin-Wilmersdorf. (Martin Erlenmeier gibt eine Einführung.)

Es ist immer eine besonders „annähernde“ Erfahrung, solche Filme nicht im Museum oder im Filmkunst-Kontext, sondern in einem Kiezkino zu sehen, so wie bei ihrem Erscheinen.

Auf einer Leinwand.

Dem Thema Leinwand widmete sich der Fotograf Hiroshi Sugimoto in seiner Serie von Kinosälen. Leider gerade zu Ende gegangen ist eine Ausstellung mit einigen dieser Fotos in der Berliner Galerie Springer und Winckler. Auf diesen schwarz-weißen Fotos ist nicht der Film zu sehen, sondern nur die hell strahlende Leinwand, ein Licht, das sich der Langzeitbelichtung verdankt. Eine Apotheose der Leinwand, obwohl Sugimoto das nicht beabsichtigte. Er wollte das Rechteck einfach nur den dunklen Raum überstrahlen lassen.

Mittwoch, 30.03.2011

„Serious Games – Krieg – Medien – Kunst“

In Darmstadt ist auf der Mathildenhöhe die außergewöhnliche Ausstellung „Serious Games – Krieg – Medien – Kunst“ zu sehen. Harun Farocki, der den Wilhelm-Loth-Preis 2009 erhielt, hat die damit immer verbundene monografische Ausstellung ausgeschlagen, zugunsten einer thematischen Gruppen-Schau, die Antje Ehmann kuratierte. Videos, Fotografien, Computerspiele, Gemälde, Installationen – etwa von Jean-Luc Godard, Martha Rosler und Wael Shawky – oder anonyme afghanische Kriegsteppiche überbringen, bearbeiten und reflektieren Bilder des Krieges, in den ursprünglichen Medien und in Übersetzungen. Wobei die Arbeiten des Preisträgers sich dann doch als die überzeugendsten erweisen, die neuen wie die alten.

Auf einem Bildschirm kann man (mit Kopfhörern) Farockis legendäres „Nicht löschbares Feuer“ (1968/69) sehen.

Für Durchreisende: Ganz viel Zeit mitbringen.

Institut Mathildenhöhe, Darmstadt, bis 24.Juli

Sonntag, 20.03.2011

Gelassen atmet der Tag

Ein Hinweis für Berliner und Durchreisende: Am 24. März wird im Ibero-Amerikanischen Institut  der Film „Gelassen atmet der Tag“ von Celia Caturelli gezeigt.

Die Regisseurin wird sich nach der Vorführung mit Inka Bertz und Andrés Nader unterhalten.

Der Protagonist des Films, der 1938 geborene Künstler Pedro Roth, den es von Budapest nach Buenos Aires verschlug und der Holocaust und Militärdiktatur überlebte, wird auch anwesend sein.

Der Titel des Films ist eine geliehene Zeile der jüdischen Dichterin Rose Ausländer, deren Gedichte sich ihren ganz eigenen Ort jenseits von Vertreibung in der Sprache schufen. Ein äußerst passender Titel für diesen Film über einen Mann, der, wie die Regisseurin es ausdrückt, mit „Trauer, Gelassenheit und Güte“ seine Erfahrungen überblickt.

24.März um 19 Uhr, Ibero-Amerikanisches Institut, Potsdamer Straße 37, 10785 Berlin

Samstag, 19.03.2011

Telefon (Zeitkapsel)

Wo beginnt die Stadt wieder, wenn ich jetzt umkehre, dachte sie, als sie an den Rand gekommen war. Es war einer von vielen Rändern, innerhalb der Stadt und stammte von einem der Dörfer, die vor noch nicht so langer Zeit zusammengefasst worden waren.

Sie hatte ihm gesagt, sie sei für einige Tage verreist. Sie wollte ausprobieren wie das war, weil immer nur er wegfuhr. Zuerst hatte es sich auch gut angefühlt, doch dann, als sei sie auch für sich abgetaucht, für länger. Für immer. Sie bekam Angst.

Es war so ruhig hier, der Weg hinaus hatte ihr wieder Klarheit gebracht, so als sei sie wirklich gereist.

Und eine Telefonzelle! Unzerstört!

Sie rief ihn an und gestand ihm, gar nicht weg gewesen zu sein.

Draußen wartete ein kleiner Junge, der ganz plötzlich aufgetaucht war, einen Schlüssel um den Hals.

Er legte sein Ohr gegen die Scheibe.

Sie musste lachen.

„Holst du mich hier ab, ich bin gestrandet.“

Samstag, 12.03.2011

Trümmerfilm

In den Eva-Lichtspielen werden montags frühe deutsche Nachkriegsfilme gezeigt, einige klassische „Trümmerfilme“ sind dabei. Die Reihe begann mit dem düsteren „Irgendwo in Berlin“ (1946, von Gerhard Lamprecht), der die zerstörte Stadt aus der Sicht von Kindern zeigt, die in den Ruinen – auch „Krieg“ – spielen.

Am Montag, den 14. März, ist nun ein weiterer nicht so bekannter, aber bemerkenswerter Film dieser Umbruchszeit zu sehen, „Film ohne Titel“( 1947/48) von Rudolf Jugert, mit einer der besten Rollen von Hildegard Knef. Der Film heißt so, weil er beginnt, während er erst noch hergestellt werden muss. Wir sehen nicht nur der Produktion, sondern auch der Bearbeitung der Vorlage zu. Ein Drehbuchautor, ein Schauspieler und ein Regisseur unterhalten sich über den Filmstoff – eine Liebesgeschichte in den Kriegs- und Nachkriegswirren – haben aber völlig konträre Vorstellungen von der Durchführung. Besonders komisch werden die Eitelkeiten des Schauspielers (Willy Fritsch) in Szene gesetzt, der etwa sagt: „Das ist doch keine Rolle für mich! Die Ausgangssituation ist ja ganz dankbar, aber…“ Oder er zeigt, wie er sich die Liebesszene vorstellt und schlägt den märchenhaften Titel „Königskinder“ vor.

Und ganz wunderbar sind die Anspielungen auf andere Trümmerfilme, die als parodistische Gedankenspiele in Bild und Wort auftauchen, um dann doch nicht realisiert zu werden.

(Eva-Lichtspiele, Blissestraße 18, Wilmersdorf, montags 15.45. Martin Erlenmeier gibt eine kurze Einführung zu jedem Film.)

Dienstag, 08.03.2011

shomingeki No. 23

Die neue Nummer 23 von shomingeki ist da. (Die Zeitschrift ist mittlerweile 15 Jahre alt geworden.) Es finden sich darin u.a. Texte über The Japanese Wife von Aparna Sen oder Ruhr von James Benning, ein Bericht über die Berliner Stummfilmkneipe „Froschkönig“, eine Besprechung von Peter Naus Buch: „Die Filme von Reinhard Kahn und Michel Leiner“ oder auch Grenzüberschreitendes wie ein Gedenken an Aby Warburg anlässlich der Neuedition seiner Schriften.

www.shomingeki.de

Samstag, 05.03.2011

Propaganda

Heute Nacht um 3.05 kann in der ARD der sympathischste Propagandafilm, den ich kenne, gesehen werden, „Mrs.Miniver“(USA, 1942) von William Wyler.

In shomingeki Nr.18 (2006) habe ich den Film auf mehreren Seiten gepriesen. Ich möchte hier nur auf eine Stelle hinweisen, mit Details, die beim ersten Sehen auf einem Fernseher völlig untergehen:

„Als die Soldaten beim Sirenengeheul aus ihrem Stützpunkt zu den Flugzeugen stürmen, schwingt nach dem Letzten die Tür zurück und lässt ein Plakat sehen, wohl eine touristische Werbung aus der Vorkriegszeit. Zu sehen ist der „Bamberger Reiter“, jene berühmte, geheimnisvolle Gestalt zu Pferde im Dom, hier nur als Brustbild, darunter die Losung „Come to Germany“. Der sinnende, gar nicht kriegerische Ausdruck des Reiters  ist aber verfremdet worden: Durch ein aufgeklebtes Hitlerbärtchen – und einen flotten Hitlerpony, der im Wind zittert. Als ich den Film zum ersten Mal anschaute, übersah ich diese Zutaten völlig. Da wirkte das Erscheinen des Motivs, während ich es wieder erkannte, nur wie ein trauriger Geist der Vorkriegszeit, in der Engländer sich als Touristen nach Deutschland bewegten.“

Donnerstag, 20.01.2011

Einteilungen

Beim Bügeln sah sie im Fernsehen einen Zwischenkriegsfilm. „Bleib‘ ruhig hier, du kannst vielleicht noch etwas lernen!“ wurde jemand darin aufgefordert. Er war gerade beleidigt worden und wollte den Raum verlassen.

Sie wurde hellhörig und stellte das Bügeleisen für einen Moment ab. Die Frau, die im Mittelpunkt der Verwicklungen stand, gab gerade ihr Zwischenergebnis bekannt: „Es gibt drei Arten von Männern. Es gibt die, die man heiratet. Es gibt die, mit denen man Bridge spielt.“ Es folgte eine recht große Pause.

„Und die dritte Art gibt es nicht!“

Beruhigt bügelte sie weiter.


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