Einträge von Daniel Eschkötter

Freitag, 23.01.2009

La leçon de guitare

Ich habe nie etwas geschrieben über diesen Film, weil er nicht meine Entdeckung war, ich wünschte, es wäre so, oder es wäre eben anders, so nämlich, dass man dies ignorieren könnte. Bei einem 17-minütigen Film wiegt dieses Entdecken, vielmehr Nicht-Entdeckt-Haben aber zu schwer. Danken kann man. Ein Film über einen, mit einem Gainsbourg-Song, den ich davor nicht kannte und nun, da ich ihn kenne, in den Interpretationen von Gainsbourg oder Jane Birkin nicht mehr hören will. Ein Lebensfilm. Über einen Mann, der ins Offene schaut. (Davor das einzige Fehlbild dieses Films, fast eine Diffamierung des Mannes: man sieht seinen Wecker, in Großaufnahme, sieht, wie spät er aufsteht.) Wie er schauen will & kann, was der Tag ihm bringt, aus zwei Fenstern daheim, im Café. Der Mann scheint nicht viel zu haben, aber gute Manieren. Nach dem Gitarrenkauf bei einem gebückten Luc Moullet, nach dem Titel, beginnt der Film noch einmal neu, beinahe, das Offene ist nun bald das Geheimnis, jenes der fremden Wohnung, der des Gitarrenlehrers. Vielleicht habe ich noch nie einen Film gesehen, der nicht von Jacques Rivette ist und doch so präzise mit diesem Geheimnis umgeht, sich davon umtreiben lässt. Die offenen Türen, die Routinen, schon vor dem Eintritt: die Spuren von abwesenden Kindern, die Frau, ihre Namen, ihr Vergessen. Der Mann schaut, manchmal scheint er zu staunen, aber das mag täuschen. Ich habe den Film inzwischen vielleicht neunmal gesehen, zweimal davon im Kino. Seine Präzisionen: der Bild-Ton-Schnitt, die geübten Akkorde in der Nacht; wie der Gitarrenlehrer die Tasse wegnimmt, um das Zupfen der Saiten vorzuführen; wie nach dem scheinbaren Blick auf den Fernseher, der Großaufnahme mit dem Motocrossrennen der ScheinGegenschuss die verwaiste Tür zeigt.

Montag, 19.01.2009

Poe-Jahr, Poe-Haus

Edgar Poe, wie ihn Arno Schmidt immer nur nannte, weil er dem Ziehvater Allan den Geiz & die Härte gegen den Ziehsohn sehr übel nahm, der Jubilar, der Autor, der Kosmologe, ist in Baltimore gestorben, am 7. Oktober 1849, und hat dort gelebt, von 1831 oder 1832 bis 1835, in einem kleinen Haus, N Amity Street 3, jetzt 203, das man besichtigen kann, wenn man von der Anrufbeantworternachricht des Hauses, die nachdrücklich davon abrät, zu Fuß dorthin zu gehen, nicht abgeschreckt wird. In den 30er Jahren wurden in der Gegend des Hauses, das in West Baltimore steht, die Poe Homes gebaut, ein (Public Housing) Project. Vor der Tür des Poe-Hauses steht nun immer ein Streifenwagen, wartet auf die vereinzelten Touristen und Besucher, die an der Tür des Hauses, in dem es wenig zu sehen gibt, von einem Mann empfangen werden, der sich bemüht, nach ca. 1840 auszusehen und zu klingen. Man hat ein Verhältnis zu den Projects von West Baltimore, merkwürdigerweise, jedenfalls, wenn man die Serie The Wire schaut. Sie hat dort ihren Ort, zu einem großen Teil jedenfalls. Edgar Poe interessiert The Wire wenig (so wie, das nebenbei, auch die Johns Hopkins University The Wire wenig interessiert, dies allerdings, einmal, als »Bunny« Colvin ein Gespräch mit einem Universitätsangestellten führt wegen des später, nach Colvins Hamsterdam-Experiment, zurückgezogenen Angebots, nach der Pensionierung die Campus Security zu leiten, auf eine sehr witzige Weise).

Am Anfang der 2. Folge der 3. Staffel, »All Due Respect«, noch vor der Titelsequenz, kurz bevor sie von Omar, verkleidet als alter Mann im Rollstuhl, und seiner Komplizin/Pflegerin ausgeraubt werden, unterhalten sich zwei soldiers, zwei Bewacher eines Barksdale-stash houses. Der eine erzählt dem anderen mit großen Gesten von einer Begegnung mit weißen Touristen; dass »Poe« klingt wie »po’«, also »poor«, spielt eine Rolle: »Yeah, so we out on Carrollton, this ol’ white motherfucker and his wife roll up, he’s like, ›Young man, you know where the po’ house is?‹ I’m like, ›Unc, you kiddin’ me? Look around, take your pick.‹ So, the old man, he’s like, ›The Poe House. The Edward Allen Poe House.‹ […] I’m like ›I don’t know no Edward Allen Poe.‹ The man look at me all sad and shit like I let him down.« Dann werden sie überrumpelt. Soviel zu Edgar Poe und The Wire. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht enthält, vielleicht ist auch ein zentraler Mord in der ersten Staffel, der an der Studentin und ehemaligen Avon Barksdale-Gelieben Deirdre Kresson, eine diskrete Referenz. Wie der Rabe, The RavenThe Ravens, so heißt Baltimores Football-Team, für das sich The Wire gleichfalls nicht interessiert, warum auch – im Gedicht ans Fenster klopft, tapping, so Wee-Bey bei seinem, diesem Mord, einem Mord, dessen Verstehen, dessen Rekonstruktion am Tatort durch McNulty und Bunk zur großartigsten, buchstäblich einsilbigsten natural police-Arbeit der Fernsehgeschichte gehören dürfte. (»But the raven, […] spoke only, / That one word«) Fuck [CSI]. »Tap, tap, tap.« Lautmalerisch erzählt den Mord D’Angelo Barksdale, der log, als er ihn sich zuschrieb, später. (»Quoth the raven, ›Nevermore.‹«)


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