Einträge von Florian Krautkrämer

Dienstag, 20.10.2015

Fünf Punkte, mit denen „Der Marsianer“ ein interessanterer Film hätte werden können

1: Die Handlung wird ausschließlich über die im Film überall vorhandenen GoPros [Achtung: Werbelink] erzählt, wobei darauf verzichtet wird, die GoPro-Einstellungen jedes Mal durch ein darüber gelegtes Raster sowie eingeblendete Schrift kenntlich zu machen. Besonders die Over-shoulder-Kamera, die immer prominent im Bild zu sehen ist, liefert eine dynamische Perspektive, die im aktuellen Film aber kaum eingesetzt wird.

2: Aufgrund der großen Distanz entsteht bei der finalen Rettungsaktion am Schluss eine zwölfminütige Verzögerung beim Funkverkehr vom Mars zu Erde. Diese wird für den Zuschauer des „Marsianers“ natürlich nur kurz erwähnt, aber nicht ausgespielt. Dabei wäre das Insistieren auf den zeitlichen Realismus hier die Gelegenheit gewesen, endlich mal jemanden beim Warten zu zeigen. Mark Watney verbringt über ein Jahr alleine auf dem Mars, statt Kontemplation setzt Scott aber ausschließlich auf Aktion.

3: Als sie auf der Erde mitbekommen haben, dass Mark Watney lebt, fragen sie sich, was er jetzt wohl tut. Daraufhin gibt es einen Schnitt auf einen weiteren schlauen Logbuch-Eintrag des Marsianers, anstatt ihn endlich mal beim Onanieren zu zeigen.

4: Es ist sehr ermüdend fast zweieinhalb Stunden Matt Damon beim Schauspielversuch zuzuschauen. Die Rolle ist für die meisten Schauspieler eine undankbare, weil kaum zu lösende Aufgabe. Warum hier nicht auf vorhandene Passgenauigkeit zurückgreifen und die Rolle des Marsianers mit zwei Schauspielern besetzen? Für den ersten Teil und die dort herrschende Verzweiflung böte sich Nicolas Cage an. Und im zweiten Teil hätte der ausgemergelte und fusselbärtige Mark Watney von Willem Dafoe gegeben werden können.

5: Filmhandlung kann subtil mit Popsongs kommentiert werden. Im „Marsianer“ werden die Songs aber allein aufgrund der überdeutlich passenden Lyrics ausgewählt. Zum Abspann läuft „I will survive“ von Gloria Gaynor! Hier hätte man die Lyrics von jedem Song mittels Karaoke-Untertiteln zum Mitsingen im Film einblenden können, um den Aspekt des Handlungskommentars deutlicher herauszuarbeiten.

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Donnerstag, 26.06.2014

Plansequenzen sind eine Frage der Moral

In der inzwischen schon berühmten vierten Folge der HBO-Serie True Detective dringt Detective Rust Cohle (Matthew McConaughey), undercover getarnt mit White-Scum-Bikern, in ein housing complex ein, um Drogenproduzenten und -dealer auszurauben. Die Szene ist voll von Stereotypen: mehrere der schwarzen Drogendealer sind dick, alle haben moderne Schnellfeuerwaffen, hören Rap-Musik, Frauen und Kinder sind in den Räumen, in denen Drogengeld aufbewahrt wird und Drogen hergestellt werden, (das Kind, das alleine vor einem Fernseher sitzt (!), wird von Cohle in Sicherheit gebracht (!!)), die Frauen sind leicht bekleidet und in die Geschäfte involviert. Ist diese Darstellung rassistisch? (Das ist sicher nicht die erste Szene, wo man diese Frage, wie auch die nach dem Sexismus der Serie stellen könnte.) Relativierend könnte man anführen, dass in der selben Folge genau zuvor der Biker’s Club ebenso ausführlich wie stereotyp gezeigt wurde: skinny old men, Schmutz, nackte Stripperinnen, Brutalität, Wahnsinn. Ein Unterschied ist jedoch, dass die Biker sich nicht in einer Wohnsiedlung verschanzen, keine Kinder vor Ort sind und von den Frauen keine Gefahr ausgeht, weil eher ausgebeutet und Opfer. Es gibt aber noch einen Unterschied. Der Überfall des Drogenhauses ist in einer virtuosen Plansequenz gedreht, die gleich nach der Ausstrahlung die Zuschauer begeisterte, wie sich im Internet leicht ablesen lässt. Wer nun also die berühmte Plansequenz aus True Detective sucht, der sieht, wie Weiße in Polizeiuniform (die Tarnung der Biker) in ein Schwarzenghetto eindringen, das ziemlich verwahrlost ist, wo die Gewalt sofort eskaliert und Schießereien entstehen, weil dort so viele Waffen im Umlauf sind. Und wer die ganze Episode gesehen hat, wird sich speziell diese Szene auch mehrmals ansehen, wenn man sich für die Technik begeistert. Und so sieht man auch, wie Weiße (Darsteller McConaughey, der die ganze Szene über ruhig und kontrolliert auftritt, Regisseur Cary Fukunaga, Kameramann Adam Arkapaw und Komponist T Bone Burnett, der das ganze mit düsteren Klängen untermalt) furios den schwarzen Chaos-Dschungel bewältigen. An den Biker’s Club erinnert man sich erst mal nicht mehr, der war konventionell aufgelöst. Mit dem Internet und der Möglichkeit des instant replay wird die Plansequenz zu einem nicht zu unterschätzenden Mittel der Schwerpunktsetzung.


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