Einträge von Michael Baute

Sonntag, 18.08.2002

langtexthinweis / shomingeki


Ebert: (…) Das Visuelle ist etwas Zerebrales, das jeweils auf den Wahrnehmungsebenen spielt, auf denen man die Dinge anvisiert. Du könntest dir mit der Kamera auch die Silberkörner sichtbar machen, wenn sie belichtet werden, oder fliegende Elementarteilchen lassen sich in einem Hochenergiebeschleuniger fangen, doch wenn du das Bild so weit in die optische Information der Materie hinein auflöst, kommst du irgendwann in Bereiche des Immateriellen und rein Symbolischen.
Damit will ich nur sagen, daß das Kino nichts wirklich abbildet ohne eine bestimmte Sehweise. Es ist das Verlangen zu sehen, das etwas sichtbar macht. So daß die Filme also keineswegs in einer beliebigen aktuellen Gegenwart abrollen, sondern in einer Illusion von Gegenwart, in einer Virtualität verschiedener denkbarer Welten. Die “Gegenwartskunst” filmischen Sehens besteht eben darin, in einem einzigen Bild die Welt anhalten zu können, “woanders” zu sein und die Urteile über die Wirklichkeit aufzuheben. Ohne die Möglichkeit eines solchen Stillstandes der Bilder (S. 26) würde unser armes Auge nur Flimmern sehen. Die Wirklichkeit ist grundsätzlich eindeutig, ein echtes Bild dagegen unendlich vieldeutig – das ist der Trancemoment der Filmkritik, völlig nutzlos, aber unersetzbar. Allein aus dieser symbolischen Reflexionsfähigkeit des inneren Auges schöpft, recht verstanden, im Sinne Bazins noch, der Mythos des totalen Films. Aber ich fürchte, dies idealistische, selbstreflexive Element in der historischen Erfindung des Kinos ist seinen Nutzern heute gar nicht mehr bewusst. (…)

Beringer:(…) Mein Problem ist, dass ich nicht weiss, was das sein soll: ein Bild oder eine Einstellung als Zeichen. Wenn ein Film ‚redet‘, dann ist das Faszinierende doch gerade, dass das auf einer anderen, vielleicht averbalen oder vor-verbalen Ebene geschieht und eben nicht so ‚lesbar‘ ist wie ein Text. Die Verführung ist immer wieder gross, die Sprachen zu verwechseln – natürlich soll man verbalisieren, in Worte übersetzen, denken, was man da gesehen und gehört hat, aber das heisst ja noch nicht, die beiden Ebenen nicht auseinanderzuhalten und für sich, wie zwei parallele Welten, bestehen zu lassen. (So wie es in einem selbst ja auch geschieht: vor dem Einschlafen wälzt man noch Worte und Sätze, danach kommen die Bilder – man ist näher am Schlaf.)
Sicher sind die Einstellungen ‚aufgeladen‘ mit Absichten, Gedanken, Gefühlen und tragen ihre ‚historisch-materielle Signatur‘ (Deleuze hat ja versucht, die verschiedenen Arten von Filmbildern zu charakterisieren), aber ein Bild ist trotz allem immer noch etwas für sich – interessant darin ist auch der sozusagen nicht-menschliche Anteil. Und je mehr ein Bild nur noch Zeichen ist (schliesslich zur Chiffre herunterkommt, wie etwa die Nachrichten-Archivbilder für ‚Judenvernichtung‘ und ‚Auschwitz‘), desto verbrauchter und nichts-sagender wird es – oder entzieht sich eben. (…)

Der Abschnitt oben ist ein Auszug aus einer Korrespondenz über “Filmkritik”, zwischen Jürgen Ebert und Johannes Beringer, gewechselt anläßlich der Veröffentlichung der deutschen Übersetzung von Serge Daney: “Persévérance. Entretien avec Serge Toubiana.“ Paris 1994. Dt. „Im Verborgenen. Kino – Reisen – Kritik“. Wien 2001.
Den Briefwechsel kann man hier im Netz, oder in der soeben erschienenen neuen Ausgabe von shomingeki lesen.
shomingeki– Filmzeitschrift | Nr. 11/12 | Frühling/Sommer 2002 | Preis 6 Euro
Mit Texten über Filme von Shaheen Dill-Riaz, Thomas Schlottmann, Simone Bitton/Cathérine Poitevin, Lothar Schuster, Klaus Wildenhahn, Danièle Huillet/Jean-Marie Straub; Notizen vom Filmfestival Oslo 2001 und der Berlinale 2002; einem Text von Bettina Klix zur “Kunst der Filmbeschreibung – Über Helmut Färber” [hier auch online]; sowie einem Essay von Charles Hersperger.
In Berlin, Frankfurt/Main, Hamburg, Hannover und Köln in ausgewählten Buchhandlungen, oder hier -per mail- zu bestellen.

Montag, 29.07.2002

Fernseh-Hinweis
Montag, 29.7., 23:10 – 0:40, 3 Sat
Detektive, von Rudolf Thome. BRD 1969

Donnerstag, 11.07.2002

“Es ist auch gar nicht einfach, über Durchsichtiges zu schreiben mit kompakten Wörtern.”
(Frieda Grafe, 1934-2002)

Ein paar links zu Texten von und über Frieda Grafe im Netz:
Harun Farockis Festrede, vorgetragen zur Verleihung des 01-Awards 2000 der Hochschule der Künste Berlin an Frieda Grafe und Enno Patalas.
Manfred Bauschultes Text Arbeit an der Geographie des Unsichtbaren – Nachruf auf Frieda Grafe.
Auzüge eines Textes von Frieda Grafe, von 1974 über Frauenfilme und Filmfrauen, Das kreative Geschlecht, wiederabgedruckt in der heutigen SZ.
Frieda Grafes Das große Fräuleinwunder über Marlene Dietrich, aus der taz vom 27.12.2001.
Frieda Grafes Die Geschichte von der Einsamkeit des Helden, geschrieben anläßlich des 70ten Geburtstags von Godard, veröffentlicht am 2.12.200 in der SZ.

Dienstag, 11.06.2002

Fernseh-Hinweis

23:15 bis 1:10 – Mittwoch, 12.6.2002 im WDR: “Der Wind wird uns tragen” (Iran/Frankreich 1999, OmU), von Abbas Kiarostami

Samstag, 25.05.2002

Fernseh-Hinweis

3-Sat, Sonntag, 26.5.2002. Ab 21:15 Uhr Filme von Peter Nestler (“Menschen in Sheffield”, 1965 | “Am Siel”, 1962 | “Aufsätze”, 1963 | “Mühlheim/Ruhr”, 1964) und ein Gespräch mit Nestler.

Fernseh-Hinweis
Arte, Samstag Nacht, 26.5., 0 Uhr: Divina Obsesión, von Volko Kamensky. Deutschland 1999. 28 Minuten um Kreisverkehrmittelinseln in Frankreich. Mit Telefoninterviews.

Freitag, 03.05.2002

Jean-Luc Godard: Einführung in eine wahre Geschichte des Kinos.
Bei http://textz.com/

Mittwoch, 24.04.2002

Kino-Hinweis

Two Lane Blacktop, von Monte Hellman, USA 1971
Donnerstag, 25.4., 19 Uhr, im Arsenal, Berlin.
2LB ist schon häufiger auf diesen Seiten vorgekommen, als geheime, fast untergründige Referenz. Seit Bert Rebhandl mir vor 1 Monat erzählte, er würde den Film im Arsenal vorstellen, in Kombination mit Herman Melvilles “Bartleby”, fiebere ich der Sache entgegen. “Bartleby” –hier kann man die Erzählung lesen- hat eine ähnlich untergründige Wirkungsgeschichte wie der Film von Hellman (George Perecs Erzählung “Un homme qui dort” und sein gleichnamiger Film beruhen darauf; Jay Leyda, amerikanischer Assistent Eisensteins und Melvilleforscher, hat ein Opernlibretto zu “Bartleby” geschrieben; und Deleuze und Agamben in den 90er Jahren lesenwerte, bei Merve auf Deutsch veröffentlichte Texte). Ich erinnere mich jetzt auch viel zu wenig an Hellmans Film, nur an Eindrücke von Weite und Offenheit. Und daran, dass diese Weiten und Offenheiten etwas Beklemmendes, de-euphorisierendes haben. Wenn “Two Lane Blacktop” noch ein “Road Movie” ist, dann eines, dass die Linearität der Erzählung nicht mit dem Versprechen des auf ein Ziel hin gerichteten Unterwegsseins verbindet. Es wird dem Film, trotzdem er zum Ende in Flammen aufgehen wird, sehr viel Liebe entgegnet, vielleicht auch unerwiderte (und vielleicht gerade wegen seines Verbrennens so bedingungslose). Ich nehme mal an: vor allen von Jungs. Sucht man bei Google nach Belegstellen zu dem Film, stößt man auf 967. Viele Fanseiten. Kult-Film.
Im Internet zu sehen: autofahrende Jungs, die sich “Ölprinz” nennen und Monologe voll der sachlichen Schönheit von Maschinennamen, die von Denis Wilson, damaliger drummer der Beach-Boys (the mechanic) gesprochen werden, auf ihre Homepages stellen (http://www.oelprinz-online.de/tlb.html) – hier:

“Check that ‘67 ‘cuda…That’s nice, a ‘57 Chevy. Hmmm, a 442 Olds. There’s a little muscle around tonight. What we got over there?…A Ford 429. An Anglia panel. Look at that Anglia panel. Beautiful. An AMX. Okay… Listen, we got to just rope one out… I believe I got her spotted. Look at that ‘67 Plymouth Road Runner and that dude in those sharp threads eatin’ a chiliburger. That’s a score. A Hemi, two four-barrel Holley carbs. Chrome rims. Goodyear slicks. Headers. Probably a torqueflite transmission. Yeah, well let’s get it on.” 

Oft auch: Kaufaufforderungen -die VHS, die DVD, die diversen Original-Poster (australisch, englisch, amerikanisch) für ein Heidengeld.
Auch sind dort Leute zu finden, die einen schönen Teil ihres Leben den geisterhaften Austragungsorten dieser amerikanischen Regionalrennen widmen –http://lakelandraceway.crosswinds.net
Andere, die über die Begeisterung für Tarantino zu dem Film fanden: Hellman hatte das Buch zu Reservoir Dogs gelesen und wollte es verfilmen. Er traf sich mit Tarantino. Aber Tarantino meinte, “… bei allem Respekt für sie, Mr. Hellman, das ist mein Film…” und wollte später ein Drehbuch für Hellman schreiben. Hat er aber nicht gemacht –http://www.geraldpeary.com/books/tarantino_interview.html. Aber Hellman war dann immerhin ausführender Produzent von Reservoir Dogs.
Irgendwann, um den Sommer 2000, ist Hellman in Austin, Texas, und dreht in der Gegend seinen neuen Film, Pay Off, wird gesagt. Und in Austin war im Sommer 2000 auch eine Ausstellung mit Schwarz/Weiß-Fotografien von ihm zu sehen –http://www.ifmagazine.com/common/article.asp?articleID=567
Eine Weblogautorin berichtet, sie hätte Hellman nach der Vorführung von 2LB einen Miniaturfrosch geschenkt –http://bitchinville.blogspot.com/?/2001_12_01_bitchinville_archive.html
Und James Taylor sagt 1976/77, er habe den Film nie gesehen.
Ich stelle mir all diese Leute vor. Und mich/uns, jetzt in der Reihe der 967 google-Fundstellen, abgezogen vielleicht die “compare-prizes” und imdb und diverse dvd-mailorder-Seiten. Lass es 100 Fans sein, die ein paar Stunden und Tage lang html und was-weiß-ich-noch-alles gelernt haben, um diesem Film zu huldigen.
Hier noch ein paar links:
-Ein Bericht aus dem “Rolling Stone“, 1970, über die Dreharbeiten:
On Route 66 — Filming Two-Lane Blacktop; und einer aus dem “Show Magazine”, March 1971: http://geocities.com/denniswilsondreamer/denny/mag.html
– 4 Interviews mit Monte Hellman: 1 | 2 | 3 | 4
Und: Richard Linklater gives 16 reasons to love the classic Two-Lane Blacktop

Freitag, 29.03.2002

Fernseh-Hinweis

Jean-Francois Stévenins PASSE MONTAGNE, Frankreich 1978.
30.3.2002 um 1:05 Uhr. Und Dienstag, 2.4.2002, 0:30 Uhr. Auf Arte. OmU, als “Die Waldläufer”.
PASSE MONTAGNE ist einer der, ach was: der seltsamste Film, den ich je gesehen habe. Vor Jahren einmal, im Kino, als eine Nouvelle Vague Retrospektive der Viennale, von Frieda Grafe ausgesucht, in Berlin gezeigt wurde. Damals im Kino ohne Untertitel, heute Nachmittag auf Video mit, aber das tut sich nichts. Wieso sollte man alles verstehen? Demnächst mehr zu dem Film, jetzt nur, dass die Continuity im Vorspann “John Cassavetes” zugeschrieben wird und dass einer der Kameramänner Jean-Yves Escoffier ist, der Jahre später GUMMO, von Harmony Korine fotografiert hat, einen der, ach was: den seltsamsten Film, den ich gesehen habe.

Dienstag, 19.03.2002

Hello, Louise-Lee, * 19. März 2002.


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