Einträge von Volker Pantenburg

Montag, 19.11.2007

12/100

Die Geschichte vom amerikanischen Kinoveteran, der – sicher auch, weil sein Vater die nervtötende Musik für die restaurierte Fassung von 1980 geschrieben hatte – die Veröffentlichung einer neuen, um 95 Minuten längeren und mit Teilen der Originalmusik vertonten Version des französischen Monumentalfilmklassikers mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln zu verhindern wusste.

Mittwoch, 14.11.2007

11/100

Die Geschichte von der amerikanischen Komödie, in der die Hauptdarstellerin beruflich nach Rotterdam versetzt werden soll und darauf vom Frischverliebten die entgeisterte Frage „Why Germany?!“ zu hören bekommt; eine Frage, auf die gewissermaßen die österreichische Rezension des Films antwortete, indem sie den Inhalt des Films so auslegte, dass die Frau nach Dänemark geschickt wird.

Montag, 05.11.2007

10/100

Die Geschichte vom Missverständnis, dass der Dokumentarfilm-Regisseur „an einem Straub-Film arbeite“, womit, wie sich dann herausstellte, in Wirklichkeit ein Film über die unterschiedlichen Erscheinungsformen von Staub gemeint war.

Sonntag, 04.11.2007

9/100

Die Geschichte vom Produzenten, der für den melodramatischen Einschlag eines Filmprojekts einerseits und dessen kriminalistische Rahmung durch einen etwas hanebüchenen Mordplot andererseits zwei verschiedene Drehbuchautoren – eine Frau und einen Mann – engagierte, was im Ergebnis zu einem der delirantesten Filme der ersten fünfzig Jahre Filmgeschichte führte.

Samstag, 06.10.2007

Festival-Hinweis

* 4. bis 10. Oktober 2007 in München: underdox. internationales filmfestival für dokument und experiment

Freitag, 05.10.2007

A Schleppkahn named Desire / Grémillon / Cinémathèque Française

Zwischenergebnis des filmhistorischen Forschungsprojekts zum Genre des französischen Schleppkahnfilms:

– Erster, seitdem nicht mehr erreichter Kulminationspunkt des Schleppkahnfilms in den Zwanziger Jahren.

– Auffällige Häufung von Schleppkahnfilmen bei Regisseuren mit Vornamen „Jean“ (Achtung: Könnte mit der Häufigkeit des französischen Vornamens „Jean“ insgesamt zusammen hängen > überprüfen!): Epstein (LA BELLE NIVERNAISE, 1923), Renoir (LA FILLE DE L’EAU, 1925), Grémillon (MALDONE, 1928), Vigo (L’ATALANTE, 1934).

Zwei Schleppkahnklassiker in der Cinémathèque Française-Reihe, die heute im Arsenal-Kino beginnt. In LA BELLE NIVERNAISE außerdem der (neben dem in Nakagawas LYNCH) rührendste Zeitsprung der Filmgeschichte. Auch sonst viel Sehenswertes.

Begleitend drucken wir Jean Grémillons Text Bemerkungen zur Funktion und Existenz einer Kinemathek [1947/48] nochmal ab.

Donnerstag, 04.10.2007

Intoleranz heute

ist auch nicht mehr das, was sie mal war

Samstag, 29.09.2007

Citizen Beauviala

PANAVISIONSo sehen laut Jean-Luc Godard die Wege aus, die ein Filmteam bei der Arbeit an einer Einstellung zwischen den Schauspielern und der Kamera zurücklegt, wenn eine PANAVISION-Kamera benutzt wird.

 

ARRI_BLSo sehen, wiederum laut Jean-Luc Godard, die Wege aus, die das Filmteam bei der Aufnahme der gleichen Einstellung (Einstellung 13/1 aus PRENOM CARMEN) mit einer ARRI BL zurückzulegen hat.

 

AATON_8_35Und so stellt sich Jean-Luc Godard die Wege vor, die zurückzulegen wären, wenn man die AATON 8/35 benutzte, eine Kamera, die er ab den 70er Jahren mit Jean-Pierre Beauviala zu entwickeln begann.

***

Außer den Namen von Regisseuren und Schauspielern kennen einige Wenige auch noch die von Kameraleuten; fragt man allerdings nach denen, die sich die Kameras ausgedacht und sie hergestellt haben, bewegt man sich jenseits des Autorenprinzips im namenlosen Reich industrieller Fertigung.

In den Siebziger Jahren gab es – neben Video – mindestens zwei Technikutopien, die von der Entwicklung eines neuen Kamerasystems als Voraussetzung zu einem anderen Filmemachen ausgingen. Mit dem Namen Hellmuth Costard verbindet sich der Versuch, Super-8 zu professionalisieren, indem man die Kamera blimpte und damit direkttonfähig machte. Noch dazu wollte Costard die Kameras so umbauen, dass statt der üblichen 3 1/2 Minuten-Kassetten größere Kassetten benutzt werden konnten. In DER KLEINE GODARD AN DAS KURATORIUM JUNGER DEUTSCHER FILM kann man Costards Apparate und Costard selbst in Aktion sehen.

Die andere Utopie verbindet sich ebenfalls mit dem Namen Jean-Luc Godard, aber sie ging in entgegengesetzter Richtung vor. Nicht die Professionalisierung des 8mm-Materials war das Ziel, sondern die Verkleinerung und damit Verfügbarmachung von 35mm-Kameras. Godard träumte seit 1976 von einer Kamera, die bei gleicher Qualität wie übliche 35mm-Kameras in das Handschuhfach seines Autos passen sollte. Zusammen mit Jean-Pierre Beauviala und dessen Firma Aaton in Grenoble (zunächst als Partner, dann als Mitproduzent, später im Modus des Zerwürfnisses), begleitete Godard die Entwicklung einer Kamera, die er „Aaton 8/35“ nannte, weil sie die technische Seite von 35mm mit der Handhabung von 8mm verbinden sollte. „Man ist in Holland, fährt durch die Landschaft und sieht eine Windmühle, deren Blätter plötzlich stehen bleiben; man nimmt die Kamera aus dem Handschuhfach seines Autos, filmt und hat ein 35mm Bild in der aktuell höchstmöglichen Auflösung, die im Kino oder Fernsehen üblich ist. Dadurch kann ich dann auf die Idee zu FOREIGN CORRESPONDENT kommen. Oder auf eine andere Idee, weil ich immerhin schonmal ein Bild habe, und wenn man ein Bild hat, kann man etwas anderes machen. Und falls Ingrid Bergman grad da sein sollte, drehe ich eben mit Ingrid Bergman. Also: Dafür war diese Kamera gemacht.“ (Godard).

In den beiden Cahiers-Nummern 348/349 (Juni/Juli 1983) und 350 (August 1983) – im Zusammenhang mit Godards PASSION, der die wohl einzige Aufnahme enthält, die Godard mit einem Prototyp der 8/35 drehte (die Wolken und Kondensstreifen am blauen Himmel zu Beginn) – sind zwei lange Gespräche zwischen Beauviala, Godard und Alain Bergala (première Episode) sowie zwischen Beauviala, Godard, Romain Goupil, Renato Berta und Vincent Blachet (deuxième Episode). Das sind wirkliche Streitgespräche, man merkt, dass eine Ausgangsidee zwei Leute zusammengebracht hatte und deren Ausführung sie dann auseinandertrieb. Beide Gespräche stecken voller gegenseitiger Anschuldigungen und technischer Detailfragen und sind sehr lesenswert (abgedruckt in Band I von „Godard par Godard“, S. 519-557, dort auch Godards Zeichnungen).

[Auf France Culture wird im Rahmen der Reihe „Surpris par la nuit“ eine zweiteilige Sendung mit dem Titel „Citizen Beauviala“ ausgestrahlt: Teil I: Portrait en forme de balade, 2. Oktober 2007, Teil II: Gestes et Outils, 3. Oktober, jeweils 22.15 Uhr, insgesamt 150 Minuten; Zur Geschichte von Beauviala und den Aaton-Kameras hier etwas von J.M. Frodon]

Donnerstag, 27.09.2007

An Introduction to Metaphysics

Ein Trost:

Truth and Illusion I
We have all the letter “A”s that we will ever need. The supply is infinite.
Truth and Illusion II
No one can manipulate a corner on letter “A”s and run up the price
whenever we need to use one.
Truth and Illusion III
The same goes for numbers. Help yourself to all the “5”s you need.

TRUTH AND ILLUSION. AN INTRODUCTION TO METAPHYSICS (USA 1965, Regie: Nicholas Rodiv [= King Vidor])

***

1964 ist King Vidor in Paris. Sein letzter Film, SOLOMON AND SHEBA, liegt fünf Jahre zurück, eine Reihe von weiteren Projekten ist nicht zustande gekommen. Er kauft sich eine Beaulieu 16 mm-Kamera und macht, zurück in den USA, mit Freunden und ohne Geld einen 25 Minuten-Film: TRUTH AND ILLUSION. AN INTRODUCTION TO METAPHYSICS (USA 1965). Weil er im Vorspann nicht schreiben möchte „Written by King Vidor, Photographed by King Vidor, Directed by King Vidor“ – er hätte zudem hinzufügen müssen: „Narrated by King Vidor“ -, gibt er sich den Namen Nicholas Rodiv. Der Film ist die bebilderte philosophische Grundsatzerklärung eines 70 Jährigen Filmemachers, ein idealistisches Credo, das den Bogen von Platon über Berkeley hin zu Albert Einstein und der Bewegungsillusion des Kinos spannt. Vidor hat zunächst einen 8-seitigen Text geschrieben und danach mit der Kamera die Bilder dazu gesucht; ein etwas simples Verfahren, das aber dennoch zu überraschenden Ergebnissen führt, erst recht, wenn man den Film als „King Vidor“-Film sieht, der er ja zweifelsohne (und mehr als jeder andere King Vidor-Film) ist. Vom Tonfall erinnert das Ergebnis am ehesten an „Powers of Ten“ von den Eames‘.

Instruktive Texte zu Vidor allgemein und zu diesem und seinem letztem Film (METAPHOR. KING VIDOR MEETS WITH ANDREW WYETH, USA 1980) in der französischen Zeitschrift cinéma, Ausgabe 012, Herbst 2006. Beigelegt auch eine DVD mit den beiden Vidor-Filmen.

Dienstag, 25.09.2007

LE BLEU DES ORIGINES (F 1979)

Philippe Garrel als französischer Gegenwarhol. In beiden Fällen die gleichen Voraussetzungen: das Konzept Home Movie + die Arbeit mit Stars. Auch der Schauwert „Nico“ (Nico hatte 1969 veranlasst, dass Garrel und Warhol sich in New York kennenlernten). Aus diesen Voraussetzungen abgeleitet: Gegensätze.

Bei Garrel: das Intime, die Depression, die starre Handkurbelkamera mit dem charakteristischen Pulsieren des Bildes. Kino als Manufakturbetrieb. Remythisierung und Monumentalisierung des Stars. In jeder Einstellung sind entweder Nico oder Zouzou zu sehen, meist neben wuchtigen Statuen oder Säulen. Das kontrastreiche Schwarzweiß, manchmal mutwillig überbelichtet, die museale Architektur von Paris. Pose + Pathos. Konstellation Dreieck. Kunstemphase.

Bei Warhol, zehn, fünfzehn Jahre zuvor: das Soziale, die Manie, ein wackliges Bolex-Kino. Kino als Factory. Die Überdehnung des Starbegriffs ins Entmythologisierende. Natürlich sind die Stars auch bei Warhol essentiell, aber sie sind es so wie alles mögliche andere ebenfalls nötig ist (und sie werden, in jeder Einstellung, hergestellt). Die gellenden Farben, Räume mit Plunder. Pose + Ironie. Konstellation Prisma. Keinekunstmehrwollen (aber doch: Kunst inkaufnehmen).

[am 5.10., 21 Uhr und am 13.10. um 19 Uhr im Arsenal-Kino im Rahmen der Reihe „70 Jahre Cinémathèque Française“.]


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