In der letzten Woche fand – das hätte hier wohl stehen können oder sollen, ja, warum stand das hier eigentlich nicht, unter Umständen hat es mit dem spürbaren Tunnelblick auf die berliner, und eben nicht auf die münchner Verhältnisse zu tun und auch damit, dass diese Veranstaltungen so viel mit unserer Seite zu tun hatten, dass man sich beinah scheut, darauf (und damit indirekt auch auf sich selbst) hinzuweisen – jedenfalls fand im Münchner Filmmuseum eine Reihe von Veranstaltungen zur Zeitschrift „FILMKRITIK“ statt, die 1957 gegründet wurde und bis 1984 erscheinen konnte (ein pdf mit dem schönen Programmtext von Markus Nechleba, der die Reihe zusammengestellt hat, hier).
Bei der letzten dieser Veranstaltungen wurde ein Film von Hartmut Bitomsky aus dem Jahr 1974 gezeigt, in dem Friedrich Luft, Wolf Donner und Ponkie in Einzelgesprächen über ihre Auffassungen von Filmkritik Auskunft geben. Bitomsky sitzt ihnen jeweils gegenüber, im Wohnzimmer oder Garten der Befragten, in Jeans und T-Shirt, bequem zurückgelehnt und hört zu, wie sie sich vielleicht nicht um Kopf, aber doch mindestens um Kragen reden. Das geht etwa eine halbe Stunde lang, und danach kommt, für acht oder zehn Minuten Helmut Färber zu Wort, der seine Auffassung entwickelt.
Es sollte eine Diskussion sich anschließen über die Zeitschrift FILMKRITIK und die Praxis der Filmkritik heute. Diese Diskussion begann mit Rainer Ganseras harscher Kritik an Bitomskys Film. Gansera meinte gesehen zu haben, dass in den Äußerungen von Luft, Donner und Ponkie ein bequemer Pappkamerad aufgestellt werde, auf den man dann einschlagen könne. Bitomsky spreche insofern gar nicht über Filmkritik (zum Beispiel im Sinne André Bazins), und diese Verknappung gelte es zu kritisieren. Beinah wirkte es so, als fühle Gansera sich und sein Schreiben angegriffen und hole mit diesem Einwurf zur Verteidigung aus.
Ein Podium ist nicht dafür gemacht, auf Beiträge sinnvoll und bedacht zu reagieren, insofern ist mir auch erst später aufgefallen, dass schon der Titel von Bitomskys Film deutlich macht, dass er von anderem handelt als von Filmkritik. KINO/KRITIK heißt die Sendung, und sie setzt ein mit Fotografien von Gebäuden, in denen Kinos untergebracht sind – das ist, sagt Bitomsky aus dem Off, nur noch ein Bruchteil der Kinos, die es vor zehn, zwölf Jahren gab, viele sind seitdem abgerissen oder in Einkaufszentren umgewandelt. Man müsste also präzisieren: Bitomskys Anwürfe, seine Kritik und Polemik richtet sich nicht gegen „Filmkritik“, sondern gegen die Art und Weise, wie 1974 Leute in Tages- oder Wochenzeitungen mit Texten das aktuelle Kinoprogramm begleiteten. Beispiel ist DAS GROSSE FRESSEN, der im September 1973 uraufgeführt wurde, und aus dem er einzelne Szenen immer wieder gegen das im Feuilleton geschriebene stellt.
Erst im letzten Teil, könnte man sagen, geht es dann wirklich um Filmkritk (und zugleich um die Zeitschrift FILMKRITIK, als deren Stimme Helmut Färber zu Wort kommt). In der Organisation des Films und im Gesagten wird deutlich, dass diese beiden Dinge – Begleitung des aktuellen Kinoprogramms und Filmkritk – etwas fundamental voneinander Unterschiedenes sind, und Färber bringt den Begriff Kritik mit dem der Geschichte zusammen. Zwischen Filmkritik und Filmgeschichte gebe es keinen Unterschied, sagt er, Bitomsky im Englischen Garten gegenüberstehend, und er beschreibt dann einige Sequenzen aus Griffiths INTOLERANCE, weil es im Schreiben über Filme darum gehe, genaue Beschreibungen zu liefern.
Ich weiß, dass ist jetzt eine etwas umwegige Art, aber eigentlich wollte ich nur auf die Reihe hinweisen, die das FSK-Kino anläßlich des zehnjährigen Bestehens des peripher-Filmverleihs zeigt, und als ich daran dachte, fiel mir der vorgestrige Abend wieder ein: Zwischen dem 20.9. und dem 3.10. wird eine Auswahl von Filmen aus dem Verleih gezeigt, darunter viele Filme, die für die „new filmkritik“ wichtig waren und sind. Ich liste die Filme kurz auf, sie sind von Abdellatif Kechiche, Angela Schanelec, Mina Shum, Benoit Jacquot, Bruno Dumont, Thomas Arslan, Maria Speth, Henner Winckler, Valeska Grisebach, Christian Petzold, Sandrine Veysset, Hirokazu Kore-Eda und den Dardenne-Brüdern.
Double Happiness am 20.9. um 20:30
La fille seule am 21.9. um 20:30
La vie de Jesus am 22.9. um 20:30
Dealer am 23.9. um 20:30
Petits Freres am 24.9. um 20:30
Rosetta am 25.9. um 20:30
Mein langsames Leben am 26.9. um 20:30
In den Tag hinein am 27.9. um 22:00
Mein Stern am 28.9. um 22:00
Klassenfahrt am 29.9. um 22:00
Martha, Martha am 30.9. um 22:00
Maboroshi am 1.10 um 22:00
Wolfsburg am 2.10. um 22:00
L’Esquive am 3.10. um 22:00