Einträge von Volker Pantenburg

Sonntag, 17.09.2006

TV-Hinweis: Mit dem Schleusenwärterlied

Mein Verdacht: Peter Berling zieht sich langsam zurück aus dem Geschäft und Helge Schneider übernimmt den Job, der Stimme im Off irritierende Antworten zu geben. Jedenfalls hat Schneider neulich als Alfons Hitler-Bergedorf ein rundum überzeugendes Bewerbungsgespräch absolviert. Vielleicht können wir heute nacht der Übergabe der Amtsgeschäfte zusehen. Unter anderem:

Mit der Taschenlampe im Weltall / Helge Schneider und Peter Berling auf Reise im Orbit.

Die DCTP-Produktionsnotiz hier.

17. September 2006, SAT 1, 23:35 Uhr.

Montag, 04.09.2006

Jene ihre Begegnungen – Straub/Huillet in Venedig

Am Donnerstag, dem 7. September 2006, wird der neue Film von Danièle Huillet & Jean-Marie Straub – QUEI LORO INCONTRI – im Wettbewerb des Filmfestivals von Venedig gezeigt. Eine Sensation: ein Straub/Huillet-Film im Wettbewerb eines A-Festivals. Das letzte Mal gab es das vor zwanzig Jahren – im Februar 1987 waren die Straubs mit DER TOD DES EMPEDOKLES in Berlin.

Klaus Volkmer hat für unsere Langtextseite ein Dossier zusammengestellt. Wir werden dort am Ende der Woche in einem zweiten Teil auch die internationalen kritischen Reaktionen aus Venedig dokumentieren.

Der Film wird in deutscher Erstaufführung unmittelbar nach Venedig – am 9. & 10. September – im Filmmuseum München gezeigt.


[Bilder vergrößern: rechte Maustaste > Grafik anzeigen]

TV-Hinweis

„Neffe zu sein, sagt er, ist kein Beruf. Dass er Alleinerbe ist, nutzt ihm nicht viel, denn der Onkel hat so gut wie nichts hinterlassen. Der Großneffe steht seinem Onkel kritisch gegenüber. Ich bin kein Nazi! Vor allem das sogenannte „politische“ Testament, sagt Alfons Hitler-Bergedorf, ist mir unverständlich.“ (dctp-Produktionsmitteilung)

04. September 2006, RTL 00:35 Uhr.

Mittwoch, 30.08.2006

Feedbackloopertests

Der Kölner Künstler und Palmonika-Virtuose Andreas Hirsch aka Oskar Baumgeschwindigkeit hat auf seiner Netzseite ein paar schwindelerregende Kurzvideos zugänglich gemacht. Besonders „grünwald“ und „poller wiesen“ haben es in sich.

Dienstag, 15.08.2006

In case you happen to be in Portland today

Who I’d like to meet:
Teenagers including but not limited to: skaters, honor roll, cheerleaders, punks, drama kids, musicians, artists, student council, athletes, award winners, class skippers, photographers, band members, leaders, followers, shy kids, class clowns, foreign language speakers??

[Gus van Sant casting for „Paranoid Park“; via Knörer-FURL]

File under Naturtheater von Oklahoma.

Montag, 14.08.2006

Auf der Insel

I.
Am ersten Tag holten wir uns den merkwürdigsten Sonnenbrand unseres Lebens. Zwischen Kindern, die von ubiquitären Nackedei-Eltern „Kevin“, „Kimberley“ und „Johnny“ gerufen wurden (wir waren an der Ostsee), verteilten wir die hochprozentige Apotheken-Sonnenmilch auf unseren Körpern. Offenbar etwas fahrig und unregelmäßig, denn am Abend zeichneten sich auf meiner linken Schulter, außerdem in Höhe der vierten Rippe von unten und auf einem der beiden Oberschenkel scharf konturierte dunkelrote Flächen ab. An den Grenzen des Flecks auf der Schulter, an dem mittlerweile die Häutung eingesetzt hat, war deutlich der Umriss meiner eincremenden Hand zu erkennen.

II.
Weil ein Text fertig werden musste, hatte ich den Computer dabei. Eher wahllos hatte ich auch das rote Etui mit DVDs eingesteckt, das gerade griffbereit lag. So kamen wir dazu, neben „Toutes les nuits“, „The magnificent Ambersons“ und „Schlesisches Tor“ ein paar filmanalytische Filme anzuschauen. Ältere, verschüttete Sachen, deren Status im VHS-Zeitalter ganz ungeklärt gewesen sein muss und die auf der DVD als Bonusmaterial wiedergeboren werden.
Winfried Günther hat eine Analyse zu „Pursued“ von Raoul Walsh gemacht, „‚Action, action, action – logische Dinge in logischer Abfolge‘. Aspekte der Inszenierungsweise von Pursued“ heißt der Film, und er zeigt ganz sachlich, dass das Monument Valley in „Pursued“ kaum etwas mit dem Monument Valley in den Filmen John Fords gemein hat. Da ist keine Freiheit und Weite, fast immer nehmen die Felswände die ganze Bildfläche ein.
Einmal schneidet er alle Szenen aus Walshs Film hintereinander, in denen jemand einen Raum betritt und man sieht, wie unterschiedlich das ist, von links, von rechts, in leichter Untersicht, mal mit Schwenks oder Dollyfahrt, mal ganz ohne Bewegung. Walshs von vielen dankbar wiederholte Aussage, es gebe nur eine Art, jemanden zu zeigen, der in ein Zimmer kommt, wird von den Bildern widerlegt. „In der Tat gibt es zweifellos eine Vielzahl von Möglichkeiten, einen Vorgang zu zeigen. […] Richtig ist aber auch, dass er bestimmte Mittel vermeidet, etwa den Vorgang aus dem Kamin heraus durch die Flammen hindurch zu fotografieren, oder einen Mann mit der Kamera in der Hand um den Darsteller herumwackeln und ihn dabei mehr oder weniger vergeblich die Schärfe nachziehen zu lassen. Walshs Inszenierungsweise bestimmt die technischen Mittel so präzise und transparent wie möglich, nach Maßgabe des Vorgangs, der gezeigt werden und dessen Sinngehalt sich möglichst plastisch entfalten soll. Das ist eine im klassischen Sinne funktionale Ästhetik, welche immer dann als gelungen anzusehen ist, wenn sie die jeweils getroffene künstlerische Entscheidung als die richtige und angemessene erscheinen zu lassen vermag. In diesem Sinne gibt es im Nachhinein dann wirklich nur eine Art und Weise, etwas zu zeigen. Die Kunst des Kinos ist es, Kontingenz in ästhetische Notwendigkeit zu verwandeln und darin war Walsh ein wirklicher Meister.“

III.
Wir hatten umziehen müssen in ein muffiges Souterrain-Zimmer, in dem es nach dem Heizölkessel nebenan roch. Ich schaltete den Fernseher ein und sah Robert Mitchum auf einer Insel. Von einer Schildkröte war die Rede, die man mit einer notdürftig zusammengebastelten Harpune erlegen könne. Er schien gestrandet zu sein und tat sich mit einer Nonne zusammen. Während Mitchum sprach, hörte ich die Stimme, die ich später als die von Curt Ackermann identifizierte. Ackermann spricht nicht nur Mitchum, sondern wie die meisten Synchronsprecher, gleich eine ganze Armada von Schauspielern: Dana Andrews, Stewart Granger, Cary Grant, Sterlyng Hayden, Burt Lancaster, David Niven, Vincent Price, George Sanders, das sind nur ein paar. Ein Beweis für das drückende Übergewicht des Bildes gegenüber dem Ton: Alle würden die Wände hochgehen, wenn in der deutschen Fassung von „Der Seemann und die Nonne“ ein anderes Gesicht als Robert Mitchums zu sehen ist; bei den Stimmen ist es den meisten wurscht.
Was ist das für ein Gefühl, seine Stimme diesen Leuten zu „leihen“ (ein etwas einseitiges Leihgeschäft).
Und wie ist es für einen Blinden, der nacheinander die Synchronfassungen von „The Night of the Hunter“, „Über den Dächern von Nizza“, „Der rosarote Panther“ und „Johnny Guitar“ sieht? Für den muss ganz klar sein, dass Harry Powell, John Robie, Sir Charles Lytton und Johnny Guitar von ein und demselben Menschen verkörpert werden. Dem setzten sich die Filme zu einer akustischen statt optischen Filmgeschichte zusammen, deren Stabslisten ganz anders sortiert sind, weil in ihnen das Gesicht eines Stars als Währung nicht in Betracht kommt.

IV.
Auf einem Plakat hatten wir gelesen, es gebe einen Kino-Club in der Stadt, der immer Freitags einen Film zeigte. Für diese Woche war „Alles ist erleuchtet“ angekündigt. Das Buch hatte ich nicht gelesen, der Film interessierte mich nicht besonders, aber weil es eigentlich immer Spaß macht zu sehen, wie Filme gezeigt werden, aus welchen Gründen, wer das macht, was für Leute kommen, gingen wir hin.
Der Kino-Club war ein DVD-Club, und er befand sich in etwas Evangelischem, in dem mittags Vollwertsachen gekocht werden. Aber sehr modern alles, gar nicht eng oder stickig.
Als der Leiter des Filmzirkels, ein Mittdreißiger mit Pferdeschwanz, auf die Bühne trat und den Film lobte, den wir gleich sehen würden, wurde mir mulmig. Als er, von innen glühend, Werbung für den Film machte, den sie in zwei Wochen zeigen würden – „Cinema paradiso“, („Ich bin ein bisschen stolz, dass wir den bekommen haben“) – sackte ich ein paar Zentimeter in meinem Sitz zusammen. Der Film, der dann kam, soviel muss man anerkennend sagen, passte bestens ins Programm. Wir gingen zügig während des Abspanns, aus Angst, per Handschlag verabschiedet und zur Begeisterung ermahnt zu werden.

V.
Kann sein, dass es an dem Freitagabend lag, dass ich am Samstagabend so aufatmete, als unser Zapping nach der Tagesschau auf der Helikopteraufnahme von Jim Carrey zum Stehen kam, der auf dem Polizeimotorrad in sein bescheidenes Heim in Rhode Island zurückfährt. „Me Myself and Irene“ hatte ich länger nicht gesehen und fast alles vergessen. Zwar funktioniert mein Lieblingsdialog in der deutschen Fassung nicht („So, what’s your tale, Mother Goose? Where you from ?“ fragt Hank, nachdem sie den Fluchtwagen im See versenkt haben, und Irene antwortet: „Oh, all over.“ Darauf er, mit seiner lässigsten Machostimme: „Omnipresence – I like that in a woman.“) Trotzdem sind die Farrellys gegenüber der gefühlsduseligen Bewältigungsfolklore von „Everything is illuminated“ die entschieden besseren Christen.
Weil ich sonst nie einen Film auf den Privaten gucke, war mir bisher nicht aufgefallen, dass relativ lange Passagen, bestimmt 10 Sekunden, nach den Werbeblöcken wiederholt werden. So sahen wir zu unserer großen Freude den State Trooper, dem von den hochbegabten drei „Söhnen“ Jim Carreys das Hühnchen in den Arsch gesteckt wird, gleich zweimal, und auch wie Irene sich im Schrank unter dem Waschbecken versteckt, wurde uns noch mal in der Wiederholung präsentiert. Wahrscheinlich, reimten wir uns nachher zusammen, wird durch diese Verlängerungen der Film auf eine Ausstrahlungslänge gestreckt, die einen weiteren Werbeblock erlaubt.

Sonntag, 16.07.2006

Für alle

„Archives pour tous“ ist ein etwas zu vollmundiger Slogan für das, was auf den Seiten des Institut National de l’Audiovisuel“ (INA) zu finden ist. Immerhin knapp 100000 Beiträge aus 60 Jahren Radio und 50 Jahren TV (siehe unten) sind online zugänglich. Im Kleinformat kann man die Sachen umsonst angucken, wenn man sie dauerhaft und als Vollbildfassung haben möchte, muss man zahlen.

„Depuis sa création en 1974, l‘Ina conserve et exploite les programmes produits par les chaînes publiques hertziennes, soit 60 ans de radio et 50 ans de télévision. Grâce à un ambitieux plan de sauvegarde numérique de ses archives engagé en 2001, l’Ina est aujourd’hui en mesure de mettre en ligne à l’usage de tous près de 10 000 heures de ce patrimoine audiovisuel français.“

Ein Beispiel: „Tournage de Mouchette“ de Robert Bresson, Erstausstrahlung ORTF, 26. Januar 1967 (08m39s).

Montag, 10.07.2006

Zeitschriftenhinweis

montage/av hat seine ersten elf Jahrgänge (Ausgaben 1/1/1992 bis 11/2/2002) komplett als PDFs ins Netz gestellt. Praktisch.

Sonntag, 18.06.2006

Rolle vorwärts (Ils travaillent le pantalon)

Die hier von mir vorläufig so benannte „alberne Phase“ Godards ist glaube ich in der Godard-Hagiographie unterrepräsentiert. Aus der Erinnerung würde ich folgende Periodisierung vorschlagen: Ab ca. Nr. 118 in der Filmographie-Bibliographie-Discographie Chronologique, die im Katalog des Centre Pompidou abgedruckt ist (= „Meeting W.A.“) bis Nr. 142 (= der letzte der insgesamt 17 Werbeclips für CLOSED, die Jeans-Marke von Marithé und Francois Girbaud). Auf die Zeitachse umgeschlagen hieße das: von 1986 bis 1988. Ein paar unschlagbare Albernheits-Highlights: Wie JLG als Fürst Myschkin eine Hechtrolle vorwärts durch das Beifahrerfenster in den gelben Ferrari hineinmacht („Soigne ta droite“). Wie er im gleichen Film mit den gestapelten Filmdosen auf dem Arm auf der Gangway des Flugzeugs angerempelt wird. Der skurrile Kabel-Helm, den er in der Rolle des Narrs in „King Lear“ trägt. In „King Lear“ auch seine Stimme aus dem Off, für die er sich (hab ich mir das ausgedacht oder irgendwo gelesen?) Ping-Pong-Bälle in den Mund gesteckt hat. Die so erprobte und offenbar zufrieden stellende Technik scheint er auch in meinem Lieblings-CLOSED-Spot in Anschlag gebracht zu haben, der gemeinsam mit „On s’est tous défilé“, dem oben erwähnten Film mit und über Woody Allen, „Lettre à Freddy Buache“ (1982) und „Métamorphojean“ (1990; nochmals Clips für M + F Girbaud) auf der Katalog-DVD enthalten ist.

Hier eine sicher nicht exakte Transkription des Off-Kommentars: „En général, les gens sont travailleurs en pantalon. Eux, c’est spécial: Ils travaillent le pantalon. Ils travaillent le pantalon. Pratiques américains, pantalons pratiques américains. Husch Husch Ui Husch Husch Hui“ (Die letzten Laute sind aus der simulierten Perspektive des übergebügelten und ob der Hitze aufjaulenden Jeans-Trägers gesprochen). Im Nouvel Obs no 1206, 12-24 Dezember 1987, kurz vor dem Kinostart von „Soigne ta droite“ ist ein Text unter dem Titel „ABCD…JLG“ erschienen, in dem Godard zum Stichwort „BURLESQUE“ sagt: „Das ist ein Genre, das ich immer geliebt habe. Einer der größten zeitgenössischen Künstler ist Jerry Lewis. Seine letzten Filme sind kaum bemerkt worden. In seinem Land wurde er immer verkannt. Das Fernsehen dagegen ist nicht sehr komisch. Das hat nicht den Sinn für Humor wie ihn Swift, Brecht, die Surrealisten oder Coluche hatten.“ (im Katalog S. 328) Coluche kannte ich gar nicht, aber man findet mit zwei, drei Clicks schöne Zitate von ihm: „De tous ceux qui n’ont rien à dire, les plus agréables sont ceux qui se taisent.“

Sonntag, 04.06.2006

Good on so many levels

[…] natürlich haben 26 WestWingFolgen keine ganze Woche vorgehalten: zwischen 1 & 2 eine Folge zum Tagesabschluss, und immer wurde es schnell 5.

– zu Allererst & Allerletzt immer wieder Erstaunen über dieses Strukturprinzip, die Intrige zugunsten der Integrität konsequent zu eliminieren, ganz banal die Verwunderung über mich selbst, diesen Entwürfen guter Menschen mich anzubinden, trotz o. wegen der ziemlich singulären Charakter & Sprechweisengruppierung, die das Sagbare weniger den einzelnen Personen zuweist, als immer auf eine Raum-Personen-Anordnung ausrichtet (vielleicht auch als gegen den auratischen Realismus z.B. der Sopranos gerichtetes Projekt: die Sprechgeschwindigkeiten, das permanente eloquente Stocken, das „Go away“ für Sam, das „Okay“ von Danny, Charlie, Toby, der diskrete Diskurs darüber, über die Zeichen, Signale, mitunter fast nervig klug).
– die Umstülpung des räumlich-arkanen der Politik, der „ummauerten Leere jeder sanktionierten Gewalt“ (die kurzen Wege, die missing links: eine Karte des WH könnte ich nach der Serie nicht zeichnen, aber alle Türen öffnen sich, und das Oval Office ist nur ein Zimmer hinter, unter anderen; das Spiel damit: die unendliche Verführungskraft der Nachbartür für die Gäste.)
– im Gegenzug die Ausgesetztheit des Staff in der Konfrontation mit dem Außen, die Umschlagsmomente zwischen Unsicherheit & Souveränität, Neurose & Virtuosität, die latente Unbeherrschbarkeit der Bewegungen – sowieso: das Prinzip des (körperlichen) Lapsus, des Aussetzers
– der modifizierte Familialismus einer Politik der Freundschaft
– die Geste
– C.J.
– etc.

[aus einer E-Mail von Daniel Eschkötter (filmtext.com)].


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