Einträge von Volker Pantenburg

Samstag, 13.05.2006

Penser le musée en termes de cinéma

Wir schicken nächste Woche einen Korrespondenten nach Paris, um ein bisschen Licht in die Godardsache zu bringen. Immerhin soviel scheint festzustehen: Die Ausstellung ist vorgestern eröffnet worden, man kann in Le Monde und an ein paar anderen Stellen dies und das, wenig Konkretes weiterhin, darüber erfahren. „L’impression qui se dégage de cette exposition est celle d’un chantier. Il règle ainsi à la fois ses comptes avec le cinéma actuel et avec les modes de fonctionnement et les blocages d’un grand musée.“ Die 1200 Quadratmeter, von denen superlativisch immer wieder gesprochen wird, sind offenbar in drei Bereiche aufgeteilt: „Vorgestern“, „Gestern“, „Heute“, am Eingang steht ein Schild, dass das Centre Pompidou das Ausstellungsprojekt „Collage(s) de Frances“ aufgrund von künstlerischen Schwierigkeiten durch die jetzige Ausstellung „Voyage(s) en utopie“ ersetzt habe. Vor dem Wort „Schwierigkeiten“ scheinen auch die Adjektive „finanziell“ und „technisch“ zu erkennen zu sein, allerdings durchgestrichen.

Es ist ein Buch erschienen, das ich mir erschlagend in seiner Fülle vorstelle. Massig Dokumente: Skizzen, Drehbuchentwürfe, Collagen etc. Dazu Beiträge von Manfred Eicher, Augustin Gimel, Philippe Grandrieux, Monte Hellman, Ange Leccia, Macha Méril, Jackie Raynal, Carole Roussopoulos, Rob Tregenza, Peter Tscherkassky, Hanns Zischler und vielen anderen. Eine DVD mit drei Godardfilmen ist dem Buch beigelegt, auf einen davon freue ich mich sehr: „Lettre à Freddy Buache“. Welches die anderen beiden Filme sind, habe ich nicht rausgefunden. Meine Wunschkandidaten wären: „Puissance de la parole“ und „On s’est tous défilé“.

Mittwoch, 26.04.2006

Ce grandiose sabotage

Jetzt ist es raus: Die Eröffnung der Godard-Ausstellung im Centre Pompidou ist verschoben auf den 11. Mai. Dominique Païni, der in den April-Cahiers ausführlich über die unterschiedlichen Phasen der Planung geschrieben hatte, könnte dem Text einen weiteren Abschnitt anfügen, in dem er beschreibt, wie er entnervt das Handtuch schmeißt („jeter l’éponge“, wie man in F anscheinend sagt).

„L’événement repose sur un drôle de paradoxe qui consiste à ériger une manière de monument officiel à un artiste qui n’aura eu de cesse de dynamiter tout ce qui peut ressembler à une caution institutionnelle.

Pour preuve, l’exposition „Voyage (s) en utopie, Godard, 1946-2006″ qui devait ouvrir avec la rétrospective des films au Centre Pompidou, a été repoussée au 11 mai, à la suite de désaccords entre le cinéaste et Dominique Païni, commissaire de l’exposition, au point que ce dernier a dû jeter l’éponge. Ce grandiose sabotage, qui n’épargne pas même les fidèles du cinéaste, cristallise son ambivalence.“ (Le Monde, 22.4.2006)

Donnerstag, 20.04.2006

Clip- und Kurzfilm-Hinweis

Um die Zeit zwischen „Napoleon Dynamite“ und „Nacho Libre“ zu überbrücken: Some Jared Hess-Stuff: der Kurzfilm „peluca“ und ein Clip für den Song „We will become silhouettes“ (The Postal Service).

„Peluca was a short movie I did at film school, kind of to showcase what I wanted to do with the feature film. And we shot for around $500 on black and white 16mm. At the time I was casting the short film, I just couldn’t find anybody I felt was genuine enough to play the main character, and then I remembered Jon Heder from one of my film classes, struck up a conversation with him about the character, what i wanted to do and we just hit it off right away. He understood the character very well and was able to be very authentic and bring him to life. Jon basically plays the same character in the short as he does in the feature. The short’s nine minutes long, and it’s more of a day in the life of the main character, and from there it just kind of grew.“

Dienstag, 18.04.2006

DIY-Trailer-Hijacking

„Siebenmal habe ich einen sehr schlechten italienischen Film umgeschnitten. Darin wird eine Gräfin von ihrem Geliebten, einem Fischer, verleumdet. Die Verleumdung war selbstverständlich filmisch, durch einen Bericht. Ich machte die Verleumdung zur Wahrheit und die Wahrheit zur Verteidigung der Frau. In dem Film wird die Frau Schriftstellerin und hält jedem, mit dem sie spricht, ihre Manuskripte unter die Nase. Die Manuskripte mussten in Pfandscheine verwandelt werden. Der Charakter der Frau war völlig unmenschlich und widersetzte sich der Montage. Wir mußten eine Hysterikerin aus ihr machen.“ (Viktor Sklovksij 1927). Über einen Artikel zu „Trailer for a Remake of Gore Vidal’s Caligula“ (der eine gewisse Artworldhysteria entfacht zu haben scheint) auf das Genre des gehijackten Trailers gestoßen. Zwei schöne Beispiele: „The Shining“ und „Brokeback to the Future“.

Samstag, 25.03.2006

Zeitschriftenhinweis

„In Filmen wie The Cobweb oder Home before dark steckt das Wissen, daß sich Anklage für’s Kino gar nicht eignet, denn egal was sich Leute in einem dunklen Saal freiwillig länger als eine Stunde ansehen, egal was – es ist damit beworben. Die Filme, von denen wir hier reden, sind tatsächlich Publicity für’s Ausrasten.“ (Rainer Knepperges und Ulrich Mannes: Das Ende aller Bemühungen. Das große SGE-Redaktionsgespräch zur Berlinale 2006).


[aus Matthias Rajmanns Foto-Edition „SGE Unterwegs“]

Die neue Ausgabe von „SigiGötz Entertainment“ ist da, mit „200 Glamour Hits“, „50 Jahre SGE“, „Großes Starportrait Dieter Kosslick“, „Top 10, High 5“, „Neu: mit Name Dropping“.

Dienstag, 21.03.2006

Blacklisted

„Others were blacklisted until their deaths. Dalton Trumbo’s name reappeared on the screen in 1960, but Al Levitt still had to employ a pseudonym when he wrote The Monkey’s Uncle for Disney in 1965 (he used his young son’s given names, Tom August, which created some confusion when the studio called in the early evening to discuss script changes only to be told by his mother that their scriptwriter had gone to bed), and his own name never appeared on the screen after 1953.“ (Thom Andersen: Blacklisted, in: Blacklisted. Movies by the Hollywood Blacklist Victims, Viennale Retrospektive 2000, Wien 2000, S.12.)

Montag, 06.03.2006

Kino-Hinweis

Müller-Wipperfürth trennt
die Nähte der Kostüme
seiner dritten Frau auf.

Er zeigt ihr, wie schlecht
die Ware gemacht ist.

Die Frau verliert jede Freude an
ihrer Kleidung und
trägt Lederkostüme.

Auszug aus dem Textbuch (pdf) von „Hat Wolff von Amerongen Konkursdelikte begangen“ (Regie: Gerhard Benedikt Friedl), der zur Zeit in einigen Kinos (in Berlin im FSK) zu sehen ist.

Mittwoch, 15.02.2006

TV-Hinweise

Erstens ist nicht jeder grad in Berlin und stolpert von Kino zu Kino, zweitens kann der Recorder auch aufnehmen, wenn man unterwegs ist: Heute abend kommt „Mischka“ von Jean-Francois Stévenin (WDR, 23.15 – 01.05 Uhr). Außerdem laufen zur Zeit jeden Abend auf 3sat Filme, die das gleiche „Traumfrauen“-Etikett verpasst bekommen haben wie die diesjährige Retro. Morgen zum Beispiel „A Place in the Sun“, über den weiter unten zu lesen ist. Und nächste Woche ist der verblüffendste Film der letzten Berlinale zu sehen: „Niu Pi“ („Kuhhaut“, VR China 2005, Regie: Liu Jiayin, Di, 21.02. 22:55-00:45 3sat).

Freitag, 10.02.2006

La disparition

Beim Lernen von Fremdsprachen bin ich häufig mit dem Fuß an Worte gestoßen, die meine Gedanken ins Stolpern brachten. „Disparition“ ist so ein Wort. Es hat eine Weile gedauert, bis ich begriffen habe, dass damit nicht (oder nicht nur) das Verschwinden gemeint ist, sondern auch ganz unwiderruflich: der Tod; ein Verschwinden, das um sein mögliches Wiederauftauchen betrogen wurde.

Es kann brutal wirken, wenn sprachlich nicht zu unterscheiden ist dazwischen, ob jemand stirbt oder nur mal kurz weg ist. Wie um den Skandal abzumildern, kann noch der unpersönlichste Tod – schon wieder ein Stolpern – im Französischen reflexiv ausgedrückt werden. Man kann „sich ausknipsen“ wie eine Nachtischlampe, und es bedeutet doch nur: man ist gestorben.

All dies, um zu schreiben, dass, wie ich in den aktuellen Cahiers lese, Agnès Guillemot gestorben ist; ein kurzer Eintrag findet sich in der Rubrik „Disparitions“. Er endet mit den Sätzen: „Agnès Guillemot s’est éteinte le 17 décembre. Elle avait 74 ans.“

Dienstag, 31.01.2006

Lynch

Vor ein paar Tagen die Vorführung von Filmen eines Japaners, dem das Forum eine kleine Auswahlretro widmet. Wilde Ellipsen in einem tollen Film von 1949: Nach einem der schönsten Zeitsprünge der Filmgeschichte (sage ich, weil ich die Filmgeschichte zwischendurch immer vollständig vergesse) sehen wir einen jungen Mann wieder, der uns als Bub schon zu Beginn begegnet ist. Er geht über eine Wiese, und auf der Tonspur ist ein flapsiger Dialog zwischen dem Kleinen und einem Yakuza-Schergen von früher zu hören. Dann kommt er an einen Baum, in den der Yakuza damals einen derben Axthieb hineingeschwungen hatte und fährt zart mit der Hand über die Stelle, die als verkarstete Narbe im Stamm immer noch sichtbar ist.

Später gibt es dann mehrere Gefängnis-Szenen für’s Archiv filmischer Ausdrücke. Dieser Yakuza-Typ vom Anfang hat ein paar Jahre hinter Gittern verbringen müssen, jetzt steht er mit dem Wärter am großen Tor und darf gehen. Weil er weiß, dass ihm seine Gang die Sache von damals niemals verzeihen wird, bittet er inständig, nicht jetzt, am hellichten Tage, rausgehen zu müssen. Er bricht regelrecht zusammen, kann dann nach Einbruch der Dunkelheit durch einen Seitenausgang raus (wo die Jungs natürlich gleich warten in der schwarzen Limousine).

Der film hieß „Lynch“, und als wir aus dem Arsenal 2 rauskamen, hörten wir aus dem Arsenal 1, das aus allen Nähten platzte, Stimmen. Eine davon war die David Lynchs, der über Meditation und transzendentales Fließen sprach. Beim ersten Interview vor dreißig Jahren habe er nur zwei, nein vier Worte sagen können: „I painted it black.“


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