Einträge von Volker Pantenburg

Donnerstag, 05.01.2006

2005 – 25 Filme, 1 Serie (Kino, DVD, VHS)

At the Academy (Sherwin, 1974), Body Double (De Palma, 1984), Chukje (Im Kwon-Taek, 1996), Dames (Enright, 1934), Eine andere Welt (Lieder der Erde, Teil 2) (Wyborny, 1993-2004), I a Man (Warhol, 1967), Invasión (Santiago, 1969), La Nina Santa (Martel, 2004), La rosière de Pessac (Eustache, 1968), Le cinéma, une histoire de plan (Bergala, 1996), Le fils (Dardenne/Dardenne, 2002), Le Pont des Arts (Green, 2004), Les Amants Réguliers (Garrel, 2005), L’Intrus (Denis, 2004), Los Angeles Plays Itself (Andersen, 2003), Los Muertos (Alonso, 2004), Mes petites amoureuses (Eustache, 1975), Notre Musique (Godard, 2004), O Sangue (Costa, 1989), Profils Paysans: Le quotidien (Depardon, 2004), Red Eye (Craven, 2005), Rois et Reine (Desplechin, 2004), Shallow Hal (Farrelly & Farrelly, 2000), The Power of Kangwong Province (Hong Sang-Soo, 1996), The West Wing, Season 1 (Sorkin, 1999), Welfare (Wiseman, 1975)

Samstag, 24.12.2005

„John, that’s the richest gift a body could have. – You’ll find your presents in the cupboard under the china-closet.“

Dienstag, 13.12.2005

Herbst 1997

Ich erinnere mich an einen Besuch in der Mediathèque de Paris.

Ich erinnere mich an die großen Ledersessel vor den Bildschirmterminals.

Ich erinnere mich an die Lautsprecher, die statt Kopfhörern links und rechts neben dem Ohr angebracht waren.

Ich erinnere mich an den abgedunkelten Raum.

Ich erinnere mich an das Murmeln.

Ich erinnere mich, dass die Tastatur nach dem Alphabet organisiert war und nicht nach der geläufigen Anordnung der Buchstaben.

Ich erinnere mich, wie lange ich brauchte, um eine kurze Anfrage einzutippen.

Ich erinnere mich an die Roboter, die hinter den Glasscheiben die Videokassetten aus dem Archiv holten und in die Videorecorder schoben.

Ich erinnere mich, dass ich mir einen Film von Chris Marker über die Gewerkschaften im Jahr 2084 auf den Monitor bestellte.

Ich erinnere mich, dass ich mich vor Jacques Lacan erschreckt habe, bevor sich der Schreck in ein ungläubiges Lachen auflöste.

Ich erinnere mich, wie Lacan wirren Blicks „La mort“ ausruft.

Ich erinnere mich, wie er leise „Elle est toujours là“ hinterherflüstert.

Ich erinnere mich, dass der Lacan-Film von Benoît Jacquot war.

***

Das Ubuweb ist seit einer Weile wieder da. Neben dem Lacan-Film sind dort u.a. Filme von Beckett, Debord, Ivens, Landow, Mühl, Pelechian, Jack Smith, Smithson, Vertov und Vienet zu finden.

Donnerstag, 08.12.2005

In dieser Erzählung sind Orte und Personen erfunden. Die einen finden sich auf keiner Landkarte, die anderen leben nicht, noch haben sie je gelebt, auf keinem Fleck der Erde. Und es tut mir leid, dies zu sagen, denn ich habe sie geliebt, als wären sie wirklich. [Vorbemerkung in Natalia Ginzburgs Roman „Die Stimmen des Abends“ (1961)]

Dienstag, 06.12.2005

Kino-Hinweis

„Le petit lieutenant“ von Xavier Beauvois wurde in den November-Cahiers zusammen mit Cronenbergs „A History of violence“ unter dem Label „Retour à la fiction“ euphorisch gefeiert. War die denn je weg, die Fiktion? Oder vielleicht doch nur mal kurz um die Ecke, Zigaretten holen?

Fasst sich an der Nase sagt / das beste in der Vase / ist die Kirche im Dorf

Der Film kommt irgendwann im kommenden Jahr in D ins Kino. Vorher, genauer: morgen abend, wird „Le petit lieutenant“ im „Cinema Paris“ gezeigt. Ach ja: Natalie Baye, die Hauptdarstellerin, ist auch da.

Cinema Paris, Kurfürstendamm 211, 19.00 Uhr

Montag, 05.12.2005

TV-Hinweis

Jeden Mittwoch im Dezember: Filme von Raymond Depardon im WDR

10. Strafkammer – Momentaufnahmen (10ième Chambre – Instants d’audiences), Frankreich 2004
07. Dezember 2005, 23.15 – 00.55 Uhr
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Bauernleben (Profils paysans: L’approche), Frankreich 2000
14. Dezember 2005, 23.15 – 01.45 Uhr
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Paris, Frankreich 1997
21. Dezember 2005, 23.30 – 01.00 Uhr
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Vom Westen unberührt (Un homme sans l’occident), Frankreich 2002
28. Dezember 2005, 00.00 – 01.40 Uhr

Samstag, 03.12.2005

3.12.2005

Das Telefon klingelte, ein Freund war am Apparat. Er rief von Porquerolles an, drüben vor der Küste. Ein Filmteam habe sich angekündigt, er wusste davon, weil er im einzigen Restaurant der Insel als Koch arbeitete. Ein paar Tage später hatte er genauere Angaben, und er, der Angerufene, der vor kurzem mit dem Studium in Aix-en-Provence begonnen hatte, lieh sich von Freunden eine 16mm-Kamera.
Er nahm eins der kleinen Boote, die außerhalb der Saison zwischen Port de la Tour Fondue und der Insel pendeln. Da er früher als das Filmteam dort war, konnte er mitverfolgen, wie das Material entladen wurde und die Dreharbeiten zügig begannen. Eine Szene am Strand, eine Frau und ein Mann gehen mit Koffern am Ufer entlang. Er sieht das aus dem Schutz der Eukalyptusbäume, hinter denen er wie ein Indianer herumschleicht. Irgendwann traut er sich, einen vom Team anzusprechen, ob er fotografieren und filmen dürfe. Der Gefragte gibt die Frage weiter an den Regisseur, der gibt ein kurzes Zeichen zurück: Ihm ist es egal. Er, der Fragende, macht also Aufnahmen vom Strand, von den Kameras, von den Bäumen. Schließlich nimmt er das nächste Boot zurück.

Damals hatte er keine Ahnung, dass er den Weg des Regisseurs in den nächsten 40 Jahren kontinuierlich mitverfolgen würde. Aber wenn er Pierrot le Fou jetzt sieht, sieht er zugleich sich selbst in dieser einen Szene im Hors-champ unter den Bäumen stehen. Die Filmrolle, die er im Juni 1965 gedreht hat, ist verloren gegangen. Er erinnert sich aber, dass die Luft, die er atmete, dieselbe war, die Anna Karina, Jean-Paul Belmondo und das ganze Filmteam atmeten, auch der, den er damals um Dreherlaubnis gefragt hat: Jean-Pierre Léaud. Und er muss daran denken, dass derselbe Strand jetzt, in diesem Moment, mit denselben Bäumen, so dort noch immer steht, in Porquerrols, vor der Küste.

Alain Bergala erzählt das – in der ersten Person Singular und mit anderen Worten – im Vorwort zu seiner Sammlung von Texten über Jean-Luc Godard (Nul mieux que Godard, Paris: Cahiers du cinéma 1999). Godard wird heute 75. Kann sein, dass ich die Geschichte deshalb hier aufschreibe.

Montag, 28.11.2005

Aktuell im Kino

„Exzellente Darsteller“ (WAZ), „Grossartig“ (DIE WELT), „Wunderbar“ (SPIEGEL), „Glanzvoll“ (SÜDDEUTSCHE ZEITUNG): Stolz und Vorurteil.

„Die unglaublichste und ergreifendste Weihnachtsgeschichte aller Zeiten!“ (ARD KULTURREPORT), „Zutiefst menschlich!“ (STERN), „Reif für den Oscar“ (CINEMA), „Magisch!“ (ZDF Aspekte): Merry Christmas.

„Ein kleines Wunder!“ (Süddeutsche Zeitung), „Eine Sensation!“ (DER SPIEGEL): Die große Stille.

„Ein bewegendes Fest der Musik und des Lebens!“ (KulturSPIEGEL): Wie im Himmel.

„Ein berührender, humorvoller und im besten Sinne aufklärerischer Film“ (DER SPIEGEL): Die grosse Reise.

„Hollywood-Kino mit viel Herz und Humor!“ (TV SPIELFILM), „Große Gefühle – manchmal braucht man so etwas einfach!“ (WOMAN): Ein ungezähmtes Leben.

[FAS, 27.11.2005, S. 71; die Auflistung ist vollständig]

Donnerstag, 10.11.2005

You don’t give me Fever

Wer in Berlin in der zweiten Woche den neuen Farrelly-Film sehen wollte, hatte Pech: Es gab keine zweite Woche. Einigermassen verblüfft durchsuchte ich das Kino-ABC nach „Fever Pitch“, dann nach „Ein Mann für eine Saison“, wie die deutschen Verleiher optimistisch getitelt hatten. Wie genau das zustande kommt, dass eine Nick Hornby-Verfilmung mit Drew Barrymore in der weiblichen Hauptrolle, ein Film, der von führenden Zeitschriften als „wunderbar warmherzig“ (BRIGITTE) empfohlen wird, nach einer Woche aus dem Cinestar verschwindet, wo er, wie ich dann erfuhr, schon in der ersten Woche im 17 Uhr-Slot geparkt worden war: Keinen blassen Schimmer. Kann sein, dass der Film in den USA gefloppt ist. Kann sein, dass es Lukrativeres für den deutschen Markt gibt als Baseball-Filme. Kann sein, dass in dem Farelly-Film nicht genug Farelly drin ist: Werde ich jetzt wohl erst erfahren, wenn die DVD rauskommt. Rührend war immerhin die Frau an der Cinestar-Kasse, wo wir dann „A History of Violence“ sahen. Auf die Nachfrage, ob sie wisse, warum „Fever Pitch“ so schnell abgesägt wurde, zuckte sie mit den Achseln und sagte, sie könne da leider auch nichts machen: Sie sei ja nicht jeden Tag da.

Freitag, 28.10.2005

Nach Wien (III)

Invasión (Santiago, 1969): Die in den grauen Anzügen wollen einen Sendeanlage ins Stadion von Aquilea schmuggeln und die Stadt übernehmen. Die in den schwarzen Anzügen versuchen das um jeden Preis zu verhindern: Verschwörung und Gegenverschwörung, Verabredungen mit Zetteln, die ausgetauscht werden und Telefonhörern, aus denen merkwürdige Parolen kommen. Und alle rennen immer in diesem Film, ihre nachvertonten Schritte hallen auf dem dunklen Asphalt. Manchmal spitz hackend wie Spechte, die einen Baumstamm bearbeiten, manchmal scharrend wie ein Spaten im Kies. Jedes Wort ein Losungswort, jeder Satz ein Schlüsselsatz: Filme, die so funktionieren, sind auch als Allegorien der unsichtbar strippenziehenden Arbeit des Regisseurs zu verstehen. ++++ El Cielo Gira (Alvarez, 2004): Festivalbetrieb ist Anmaßungstraining, Arbeit an der Neujustierung der ausleiernden Zeit- und Aufmerksamkeitsökonomie. Wann „lohnt“ sich ein Film? Wie bestimme ich den richtigen Zeitpunkt, um das Kino zu verlassen? Extrapolieren, Hochrechnen. Komm, noch fünf Minuten, vielleicht tut sich was. In mir? Im Film? Schließlich versucht man einen Moment abzupassen, an dem eine unauffällige Flucht möglich ist. Beim Dokumentarfilm über das Aussterben eines kleinen zentralspanischen Dorfs – dem Geburtsort der Filmemacherin – dauert es eine Stunde, bis wir uns zum Gehen entschließen. Nach dem Depardon-Film ist es fast schmerzhaft zu sehen, wie hier das Leben einer amtlich-konventionellen Dramaturgie von Schuss- und Gegenschuss untergeordnet wird. ++++ Profils Paysans: Le quotidien (Depardon, 2004): Nachholendes Sehen: Profils paysans hätte ich schon mehrfach hier in Berlin anschauen können, und jetzt wird der Film überraschend zu meinem Lieblingsfilm der Viennale. Was so einfach erscheint: verschiedenen Bauern, einem Hirten, einer alten Frau, einem jungen Pärchen, das einen Hof kaufen möchte, zuzusehen und ihren Alltag zu dokumentieren, das ist nicht nur Depardons Geduld, sondern auch seinem dramaturgischen Geschick geschuldet. Wir sind noch ganz im filmischen Präsens, ganz bei der knapp 90-Jährigen, da hören wir Depardon aus dem Off sagen, dass sie drei Tage später auf der Treppe gestürzt ist und seitdem im Krankenhaus liegt. Untiefen der filmischen Zeit. ++++ Quoi de neuf au Garet (Depardon, 2005): Was gibt’s neues auf dem Garet-Hof? Depardons Bruder, der hier zehn Minuten lang erzählt, verkauft Teile des bäuerlichen Anwesens. Er erzählt ganz unsentimental davon, und der Unterschied zwischen ihm, der da seit Jahrzehnten wohnt und arbeitet, und seinem Bruder, der Fotos und Filme drüber macht, ist deutlich spürbar. Auch dass hier im kleinsten Maßstab von einer Veränderung die Rede ist, die über das Persönliche hinaus einen Widerhall in der Landwirtschaftspolitik der Region, des Landes, ja Europas findet, steckt in den wenigen Einstellungen mit drin: In kleinen Nebensätzen, vielleicht in einem Gesichtsausdruck, vielleicht im Rauschen der irgendwann im Hintergrund gebauten Autobahn. ++++ O Sangue (Costa, 1989): Über die Einstellungen in Filmen Erich von Stroheims hat Jean-Marie Straub geschrieben, sie seien „wie ein Ei auf der Erde“ und „gleichzeitig wie Adlerschwingen in der Luft.“ Einen richtigen Reim konnte ich mir darauf nicht machen, aber beim Angucken von „O sangue“ bekam ich eine Ahnung davon, was er meint. Pedro Costas Debut, das zugleich wie ein letzter Film aussieht, stellt die Einstellungen hintereinander, als müsse für jede immer wieder alles neu erfunden werden: Das Schwarz-Weiß, die Kontraste, selbst die Figuren. Aber zugleich setzen sich diese so abgeschlossen wirkenden Einheiten leichtfertig über die Ellipsen hinweg. Dialektik von Offenheit und Hermetismus. ++++


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