Einträge von Volker Pantenburg

Freitag, 08.10.2004

The Hunted (100 Worte)

Um den pensionierten Ausbilder L.T. zu charakterisieren, zeigt Friedkin, wie er einem Wolf in der verschneiten Landschaft aus der Schlinge hilft und den verletzten Vorderlauf mit weichgekautem Moos verarztet. Dem Fallensteller, der sich derweil in der Blockhütte einen gemütlichen Jungsabend macht, knallt er die Falle auf den Tisch, und seinen Kopf gleich hinterher. Jemand springt auf, aber schon hält L.T. den Aufgebrachten mit seinem Zeigefinger in Schach. So ähnlich geschmeidig habe ich beim Trampen mal einen Fahrer immer wieder vom zweiten in den dritten Gang schalten sehen, wobei sein Arm die Bewegung wie ein Tänzer bis vorne zum Armaturenbrett verlängerte.

Samstag, 02.10.2004

Debate

Von alleine wäre ich nicht auf die Idee gekommen, vorgestern Nacht das Fernsehduell mitzuschneiden – in einem Akt zivilen Ungehorsams hat mir der Videorecorder die Entscheidung abgenommmen. Programmiert war Téchinés „Mord um Macht“, auf dem Tape sind – schöner Kommentar – eineinhalb Stunden Kerry vs. Bush.

Ich habe bisher nur zwei Minuten davon angeschaut und auch keine große Lust, viel mehr zu sehen. Die zwei Minuten transkribiere ich hier trotzdem kurz, weil ich Bushs ‚Argumentation‘ so bestechend finde. Man muss da nicht „den ganzen Bush“ – whatever that means – in a nutshell drin sehen wollen, aber komischerweise habe ich in den Berichten über die Debatte nichts über entgleisende Passagen wie diese gelesen (vielleicht weil ‚Entgleisung‘ hiesse, dass der Zug eigentlich in einer anderen Richtung unterwegs ist). Überall heißt es „Punktsieg Kerry“, „Bush bisschen verkrampft“ etc. Mir kam es eher vor, als sage GWB alles auf seine gedanklich schlichte, sprachlich etwas verworrene Art genau so, wie er es meint.

Ich hätte gerne den Gegenschuss auf seine Coaches hinter den Kulissen gesehen. Ob die sich die Haare raufen. Ob die das ganz normal finden. Ob die ihn so gebrieft haben und bester Laune sind: „OK, an der Performance müssen wir noch arbeiten.“

Frage: Eine neue Frage, Herr Präsident, zwei Minuten haben Sie. Sie haben gesagt, es hätte eine Fehleinschätzung gegeben über die Bedingungen im Irak nach dem Krieg. Worin bestand die und wie passierte das?

Bush: Nun, was ich sagte war, dass, weil wir so einen schnellen Sieg errangen, dass eben mehr Saddam-Loyalisten immer noch übrigbleiben. Wir dachten, wir würden mehr von denen besiegen auf dem Weg dahin, aber Tommy Franks hat so toll geplant, dass wir so schnell vorangekommen sind in dem Krieg. Viele der Saddam-Loyalisten haben einfach die Waffen niedergelegt und sind verschwunden. Wir dachten, die würden weiterkämpfen, aber die haben nicht weitergekämpft, und jetzt finden wir die… nach und nach, und das ist sehr schwer. Ich verstehe, wie schwer das ist, ich bekomme jeden Tag die Berichte über die Toten und Verletzten, ich sehe das im Fernsehen, wie schwierig das ist, aber es ist eine notwendige Arbeit und ich bin optimistisch. Ich denke man kann realistisch und optimistisch sein, gleichzeitig. Ich bin optimistisch, dass wir es schaffen. Wir werden das nicht schaffen, wenn wir gemischte Signale raussenden. Wir werden unser Ziel nicht erreichen, wenn wir unseren Truppen gemischte Signale schicken. Das gilt auch für die irakischen Bürger.

(Es geht nicht um Sprachkritik, ein Teil der Unbeholfenheit liegt daran, dass ich nur die Simultanübersetzung verstehen konnte). Ist also das Argument, dass sie sich einen längeren Krieg erhofft hatten, um eine größere Zahl von Saddam-Anhängern im direkten ‚Feindkontakt‘ umbringen zu können? Weil man dann jetzt keine Scherereien mit denen hätte? Im Sinne von: „Das Schlechte ist, das wir so gut waren.“ Oder gibt es da noch eine andere Lesart, die ich nicht sehe?

Freitag, 27.08.2004

Cammell – Wild Side (100 Worte)

In dem Film gibt es zwei Ökonomien: die neue, unsichtbare besteht darin, Zahlen in Telefonhörer zu sprechen, eine Visitenkarte über den Schreibtisch zu reichen, eine Diskette von Hand zu Hand gehen zu lassen. Diese Ökonomie bleibt, auch wenn alles auf sie hinorientiert ist, seltsam blass: Kommunikation. Die alte, eine Reminiszenz an B-Movies und Noir, ist die der Banknoten und Geldbündel. Es ist wichtig, die Scheine anzufassen, denn offenbar lassen sich Körper mit ihnen kaufen, vergewaltigen, tauschen. Der Film zeigt zwei Möglichkeiten, diesen Ökonomien zu entgehen: Lesbisch zu werden oder nach Mexiko auszuwandern. Wer auf Nummer sicher gehen will, tut beides.

Samstag, 21.08.2004

TV-Hinweis

Heute nacht (Samstag auf Sonntag), 00.30 Uhr, arte:

13 Lakes, USA 2004, Regie: James Benning

„Die Idee des Films ist ganz einfach. Es geht darum, auf die Seen zu blicken, auf den Himmel und wie das Licht vom Wasser reflektiert wird – und das an dreizehn verschiedenen Orten in den Vereinigten Staaten. Es ist im Grunde eine ästhetische Studie des Lichts – wie es auf das Wasser trifft und wie es sich bewegt. Die Einstellungen werden länger sein – ich denke sieben bis acht Minuten, damit man Zeit hat, über das Licht nachzudenken. Und weil die dreizehn Seen sehr verschieden sind, möchte ich sie so filmen, dass man das Licht auf dem Wasser vergleichen kann. Aber ich möchte auch, dass das Bild ausdrückt, was an diesem See besonders ist. Und das ist der schwierige Teil.“ (James Benning im Interview mit Reinhard Wulf, Auszug aus dem Dokumentarfilm „James Benning – Circling the Image“).

Bei der Berlinale 2002 hat Anna Faroqhi ein Gespräch mit Benning über die „California Trilogy“ geführt, ein Text zu seinem Film „Landscape Suicide“ ist hier zu lesen.

Auf Bennings eigener Seite kann man die Texte von acht Filmen (in Buchform erschienen unter dem Titel „Fifty years to Life. Texts from Eight Films by James Benning“, Madison, Wisconsin: Two Pants Press, 2000) herunterladen.

Donnerstag, 19.08.2004

Teil zwei des laufenden Sammlungsprojekts im Rahmen des DFG-Sonderforschungsbereichs „When film buffs become Busunternehmer“. Gesichtet am vergangenen Sonntag vor dem Grand Hotel Esplanade am Berliner Landwehrkanal.

[Abbildung ähnlich]

Ich sah – déformation professionelle – zunächst gar nicht den einer solchen Firma eher abträglichen Namen, sondern gleich die notdürftig getarnte filmgeschichtliche Referenz.

Samstag, 07.08.2004

Kino –
Kino –
Kino –
Das Kino.
Kino.
Take me to the Kino again.
Das Kino, Kino. Take me to the Kino again.
Das Kino, Kino. Take me to the Kino again – it’s easy!
Das Kino. Kino. Take me to the Kino again. It’s easy: ask me.

Take me to the Kino again.

(Life without Buildings – Daylighting)

Freitag, 30.07.2004

abouna, 146 wörter

Einmal versuchen die Brüder, aus der Koranschule zu entkommen. Sie brechen frühmorgens auf und laufen quer durch die Steppe. Als der jüngere in einen Dorn tritt, ist der Ausbruchversuch vorbei. Weil es in dem Film vieles zweimal gibt – einmal in der Stadt, dann in der Abgeschiedenheit -, wird auch die Flucht wiederholt. Aber jetzt ist der Fliehende schon kein älterer Bruder mehr, sondern ein jüngerer Erwachsener. Das taubstumme Mädchen folgt heimlich, sie ersetzt den Gestorbenen, dessen Tod ein Schock war. S ist misstrauisch gegenüber der Reibungslosigkeit der Abläufe: Medizin. Psychiatrie, wie das einfach so da ist, vielleicht eher als französischer Blick denn als afrikanische Wirklichkeit. MF wirft, sehr zur Freude von MB, den Begriff ‚flüssige Statik‘ für die Kameraarbeit in die Runde. Unter Bauarbeitern, erklärt er, sei das ein Ausdruck dafür, wenn man den Mörtel nur noch schnell hinknallt (was hier aber gar nicht zutrifft).

abouna,
dt.: der vater
tschad/frankreich 2002
regie: mahamat-saleh haroun

Donnerstag, 29.07.2004

Zeitschriften-Hinweis

„Er fand es immer schwierig, sich so machtlos beim Aufhören der Bilder zu fühlen, wenn die Verbindung gerissen war, die darüber täuschte, wo das Bild entstand und dass er es nicht selbst projiziert hatte. Plötzlich wieder so ohnmächtig zu sein oder es eben zu wissen, machte nüchtern. Oder wenn es sich verzögerte, taumelte er nach draußen, mal sich verwechselnd und glänzend, mal verzichtend.“
(Aus „Sitzenbleiben“ von Bettina Klix)

shomingeki Filmzeitschrift, Nr. 15, Frühling/Sommer 2004

Inhaltsverzeichnis

* Hiroshi Shimizu – der Poet japanischer Landschaften (Rüdiger Tomczak)

* ‚Wie die Dinge sind‘ – Yasujiro Ozus Zustandskino (Johannes Beringer)

* Nur ein Bild von Japan – Japanische Filme auf dem Weltfilmfestival von Montréal (Claude R. Blouin)

* Ich hätte auch gern einen Körper gehabt (Bettina Klix)

* The General. Zu Bob Dylan (Stefan Flach)

* Une Visite au Louvre/Ein Besuch im Louvre (Johannes Beringer)

* Zu Olivier Assayas: Fin août, début septembre (Bettina Klix)

* Politique des acteurs (Andreas van Düren)

* Godard. Liebe, Arbeit, Kino (Bettina Klix)

* Aufzeichnungen zur Berlinale 2004 (Rüdiger Tomczak)

* Retrospective: Films of Ingo Kratisch and Jutta Sartory (Daniel Eisenberg)

* ‚Kontinuum‘ von Bärbel Freund (Ulrike Pfeiffer)

* ‚Zwischen Gebäuden‘ von Thomas Schultz (Johannes Beringer)

* Joel Agee – eine amerikanische Jugend in der DDR von Barbara Kasper und Lothar Schuster (J. Beringer)

* Es ist noch nicht Tag, es ist nicht mehr Nacht (Stefan Flach)

* Drei Filme aus Quebec (Rüdiger Tomczak)

* Sitzenbleiben (Bettina Klix)

Une visite au Louvre von Johannes Beringer ist auch auf unserer Langtextseite (im Rahmen des umfangreichen Straub/Huillet-Dossiers von Klaus Volkmer) zu lesen, der Rest der Texte im Heft. Bezugsadressen entweder hier, oder via e-mail.

Samstag, 24.07.2004

„Damit Sie sich mal kräftig über einen dieser Filmheinis ärgern können… Kursiv-Lektüre genügt! W. Donner“

[in regelmäßigen Lettern auf einem Kärtchen mit dem Aufdruck „Internationale Filmfestspiele. Mit besten Empfehlungen“. In einem Buch, offenbar von dem damaligen Leiter der Berlinale an jemanden mit dem Kürzel „Go“ verschenkt: Syberbergs Filmbuch – Filmästhetik – 10 Jahre Filmalltag – Meine Trauerarbeit für Bayreuth – Wörterbuch des deutschen Filmkritikers, Nymphenburger München 1976, mit 132 Fotos, 314 S., Einband mit kleinen Läsuren am oberen Rand, sonst sehr gutes Exemplar]

Freitag, 23.07.2004

MORE – Barbet Schroeder (in 100 Worten)

Stefan, ein Herumtreiber, lernt in Paris die Amerikanerin Estelle kennen.
Sie schlafen miteinander. Der junge Deutsche raucht mit ihr zum ersten Mal Gras.
Stefan folgt Estelle nach Ibiza. Sie wohnt bei einem alternden Lebemann, der sie mit Heroin versorgt. Stefan überredet die Amerikanerin, sich von diesem Mann zu lösen.
Beide ziehen in ein abgelegenes Haus. Estelle nimmt weiter Heroin. Sie überzeugt Stefan, es auch einmal zu probieren. Schnell sind beide stark abhängig. Entzugsversuche schlagen fehl. Nach endlosen Streitereien wegen Drogen verläßt Estelle Stefan. Auf sich allein gestellt verliert er völlig den Boden unter den Füßen und stirbt an einer Überdosis.

(Michel Freerix)


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