Einträge von Werner Sudendorf

Montag, 27.02.2012

Unsere Jungs und Mädels von der Bundesregierung – reichlich breit

„Damit Filmklassiker auch in Zukunft noch von einem breiten Publikum gesehen werden können, müssen sie digitalisiert werden. Der Bund fördert daher die Digitalisierung des nationalen Filmerbes.

Ob Murnaus Stummfilm „Nosferatu“ oder Carl von Sternheims „Der blaue Engel“ mit Marlene Dietrich – ohne die Digitalisierung könnten Filmklassiker wie diese bald nicht mehr in deutschen Kinos gezeigt werden. Im Zuge der Umrüstung der Kinos auf digitale Projektion werden die analogen 35-Millimeter-Filmrollen bald der Vergangenheit angehören.“

Kann der wirkliche Carl von Sternheim bitte aufstehen?

Die volle Breitseite ist hier.

Mittwoch, 15.02.2012

Filme der Fünfziger V

Kenneth Spencer war ein farbiger amerikanischer Sänger, der sich Anfang der fünfziger Jahre in Wuppertal  niederliess. In Deutschland wurde er vielen durch seine Interpretation von „Ol’ Man River“ bekannt.

In „Mein Bruder Joshua“ (1956), der auch unter dem Titel „Der Bauer vom Brucknerhof“ gezeigt wird, fährt Spencer vorwiegend heiter singend und in Uniform mit einem amerikanischen Militärjeep umher. Joshua ist ein sonniges Gemüt; wir sollen denken, dass er in der ländlichen Umgebung kein Fremder bleibt. Sind die Kinder einmal aufgebracht oder zu wild, verteilt Joshua Schokolade und alle beruhigen sich wieder. Regisseur Hans Deppe inszeniert ihn für die Kinder und für uns auch als Stimmungskanone; Joshua führt singend eine Polonaise an, die Kinder folgen ihm lahm und lustlos. Man sieht deutlich, wie falsch das Bild ist.

Willy Kleinau spielt Mathias, den Bauern vom Brucknerhof. Wegen Mordes an seiner Frau saß er 18 Jahre im Gefängnis; jetzt kehrt er auf den Hof zurück. Seine Schwägerin Franziska (Bertha Drews), ein böses Weibsbild, will ihn gleich vom Hof jagen. Aber Mathias Bruckner hat das Recht auf seiner Seite, der Hof gehört weiter ihm. Wir erfahren auch, dass der Mord kein richtiger Mord war, sondern eher Tötung auf Verlangen. Franziska hatte den Sachverhalt gegenüber der Polizei bewusst falsch dargestellt. Nun hetzt sie das ganze Dorf und auch Bruckners Tochter Lena (Ingrid Andree) gegen Mathias auf. Nur Joshua hält zu Mathias Bruckner und mobilisiert seine Kumpane aus der Armee, um Mathias bei der Ernte zu helfen. „Zwei Freunde hast Du“, sagt Joshua. „Mich und den lieben Gott.“

Spielt es eine Rolle, dass der Mord in der NS-Zeit geschehen ist? Eigentlich nicht. Das Rückkehrer-Motiv überwiegt; dass das in der NS-Zeit verübte Verbrechen eigfentlich kein Verbrechen war, muss auch klargestellt werden.

Auftritt Gunnar Möller in der Rolle des Jungbauern Christoph Wiesner, verliebt in Lena Bruckner. Den Auftritt begleiten tatsächlich Flötentöne, Möller ist die personifizierte Gutwilligkeit. Überhaupt meinen es alle gut miteinander, wäre da nicht die böse Schwägerin und ihr Sohn Hans (Jan Hendriks), der den Bruckner Hof erben will. Hans will Lena vergewaltigen, Hans ist aber auch der Freund der Kellnerin Hildegard, die wiederum von  Joshua verehrt und mit Geschenken bedacht wird. Hildegard stürzt eine Treppe hinunter in den Tod und Hans bezichtigt Joshua, sie gestossen zu haben.

Mathias und Joshua sind zwei Einzelgänger, isoliert und zu Unrecht verfolgt; der eine ein Rückkehrer, der andere ein Dagebliebener. Die Gesellschaft arrangiert sich nur widerwillig, am liebsten gar nicht mit den Störenfrieden. Der Farbige immerhin spricht mit schöner Stimme und leckerer Schokolade die Sinne an; das heisst aber noch lange nicht, dass er sich an unsere Frauen ranmachen darf. Kleinau ist eine Heinrich George Figur im Kleinformat; ihm fällt das Gehen, das Sprechen, ja das ganze Leben schwer. Man will im Dorf eigentlich nichts wissen von den seltsamen Männern und der Welt.

Dass Spencer als Onkel Tom im Dorf und auf der Heide angekommen ist; dass der Bote aus der schlimmen Vergangenheit von der Dorfgemeinschaft angenommen wird – das alles ist ja gelogen und Propaganda. Waren die Amerikaner 1956 auf dem Dorf wirklich so gut angesehen oder eher gefürchtet? Der Hass auf das Draussen, die Furcht vor dem Fremden ist stärker als die Idylle, die nur noch gelegentlich als Genrebild gemalt wird. Ingrid Andree,  die Tochter von Mathias Bruckner spielt, sagt es deutlich: „Was weißt Du schon, was es bedeutet, die Tochter eines Mörders zu sein?“ Es ist die Hölle.

Sonntag, 12.02.2012

Filme der Fünfziger IV

Hitparaden gab es – so Wikipedia – in Deutschland ab 1954; davor sendete das Radio – nach amerikanischem Vorbild – die Schlagerparade. In der Schlagerparade wurde  deutsches Liedgut rhythmisch aufgemöbelt. Big Bands und Tanzkapellen waren top. Davon, dass die Kenner sowieso AFN hörten, wollen wir jetzt mal gar nichts wissen.
Polydor verbündete sich mit Rundfunk und Film und startete die Schlagerparade auch im Kino. In „Heimweh nach Dir“ (1952; Regie: Robert A. Stemmle) spielen nur Polydor-Stars; die Playback-Aufnahmen wurden im Berliner Esplanade gemacht –ausgewähltes Publikum war im Juni 1952 zum „Polydor-Cocktail“ geladen. Friedel Hensch und die Cypris, Bully Buhlan, Rita Paul, Rudi Schuricke, Werner Müller und Helmut Zacharias spielten auf. Gerhard Wendland wurde genannt, aber ich habe ihn nicht gesehen. Werner Müller dirigierte die Rias Big Band; mit dem Geiger Helmut Zacharias hatte er schon 1943 eine Wehrmachts-Tournee durch Deutschland unternommen. Was für Musik werden wir wohl hören?
In einer Reithalle spielt eine auf „Alter Fritz“ kostümierte Musikkapelle lustlos und etwas falsch Marschmusik für eine Reitergarde. Ja, wenn sie ihre eigene Musik spielen dürften! Sie dürfen, man hört nun etwas wie Dixieland; die Pferde werden verrückt und werfen die Reiter ab. Die Negermusik macht die Pferde scheu – das ist auch in den fünfziger Jahren noch ein Brüller. Und immer ist im deutschen Film ein gütiges Schicksal zur Hand; diesmal ist es der eher smarte Herr Petermann (Martin Held), der die Kapelle gleich eine Stufe weiter vermittelt; eine Sängerin wäre gut und die Dixieland-Musik – „na na“ – die sei ja eigentlich verboten. Wir befinden uns in der Zeit des 3. Reiches. Margot Hielscher wird die Sängerin der Band, die sich jetzt „Flotte Fünf“ nennt. Mit Peter Pasetti, dem Bandleader, und dem Schlagzeuger Peter Mosbacher hat Margot Hielscher ein Verhältnis. Es gibt einen Riesenkrach – gerade als man ans Geldverdienen denken kann –, dann ist Krieg. Einberufung – und aus ist‘s mit der Karrier‘.

Ein Leierkastenmann, der schon die erste Episode angekündigt hatte, erklärt nun die Nachkriegszeit für eröffnet. Walter Gross verkauft Bockwurst (man sagt: wurscht, das klingt volkstümlicher) am Bahnhof Zoo, Peter Mosbacher und Wilfried Seyfert treffen sich auf der Landstrasse, Pasetti treibt die Sehnsucht aus Wien nach Berlin. Nur Lukschy ist bereits Arzt in Hamburg, aber zufällig auch wieder in Berlin. Im Resi, dem grossen Tanzlokal in Neukölln, kommt die versprengte Truppe schicksalsgewollt wieder zusammen.
Wilfried Seyfert in der Rolle des hellen Kerlchens nimmt im Resi an einem Quiz teil; dem Gewinner winkt eine Fernsehtruhe. Seyfert bekommt für die falschesten Antworten alle Trostpreise auf einmal: Flasche Dujardin, Schuhe, Hut, Radiokoffer Bajazzo, Fahrrad, Oberhemd und Krawatte. Das VW Cabrio hatte ja schon Sonja Ziemann in „Grün ist die Heide“ abgeräumt.
Im Resi singt auch Bully Buhlan, der eigentlich gern Mitglied der Flotten Fünf wäre. Sein Wunsch geht in Erfüllung. Margot Hielscher hat sich unglücklich nach Amerika verheiratet, ist jetzt aber auch im Resi zurück und sieht natürlich „grossartig“ aus. Ach Kinder, alles ist so schön wie früher; nein, noch früher als schöner müsste Walter Gross jetzt sagen. Vor 1945 gab es nämlich keine Schöneberger Sängerknaben und  die Gala der Filmfestspiele in der Waldbühne ist auch ganz neu.
Es zählt das positive Gemeinschaftserlebnis – fast möchte man sagen „Volksgemeinschaftserlebnis“; die Brüche in den Biographien werden gemeinsam weggeschunkelt. Paul Esser in einer Nebenrolle kann doch eigentlich auch ganz zufrieden sein; dass er im Krieg den Arm verloren hat, ist gar nicht so schlimm. Er spielt ja gar kein Instrument. Irgendwann fällt der Satz: Wundervoll gewesen, damals. Und alle trappeln unruhig mit den Füssen, weil es jetzt noch besser werden soll.

Igor Oberberg fotografierte die Gemeinschaftsbilder. Zur Premiere wurden an der Gedächtniskirche 1.000 Luftballons in den Himmel geschickt als Gruss an die Brüder und Schwestern in der Zone. Die werden sich mächtig  gefreut haben über das bisschen Luft in Tüten.

Dienstag, 07.02.2012

Fritz Lang au travail

Da jetzt in jedem zweiten Artikel über Babelsberg und die deutsche Filmgeschichte der Name Fritz Lang genannt wird und weil im Zeughaus die beeindruckende Fritz Lang Retro gezeigt wird, könnte man sich fragen, wo denn das neue, tolle Buch über Fritz Lang bleibt.

Es ist ja schon da, man muss es nur finden – unsere deutschen Exegeten lesen aber keine französischen Bücher. Die Franzosen, wir wollen gerecht bleiben, lesen noch weniger deutsche Filmbücher.

Bernard Eisenschitz hat an „Fritz Lang au travail“ lange Jahre gearbeitet; er hat deutsche, amerikanische und französische Archive durchforstet – dann kamen die Cahiers du Cinema in eine Krise, der Verlag wurde von Phaidon übernommen, die Lektorin erkrankte und dann: ja, dann hatte Eisenschitz auch keine Lust mehr, dann zieht sich alles so furchtbar hin und dann muss es doch sein und jetzt hat Eisenschitz das schönste Buch über Lang gemacht, das man sich vorstellen kann.

Das „Metropolis“-Cover hätte man sich schenken können, aber dann gibt es kaum eine der 272 Seiten, auf der man nicht erstaunt ist über die Fotos, die Dokumente, die Entschlüsselungen, die vielen Querbezüge. Man mag das Buch gar nicht aus der Hand legen und nimmt es nach jedem Fritz Lang Film wieder vor. Auch ohne Französisch-Kenntnisse kann man sich gut zurechtfinden; das Buch ist nach Filmtiteln und chronologisch geordnet.

Nein, ich verleih das Buch nicht, auf gar keinen Fall. Es ist 2011 bei Phaidon Paris erschienen, heißt „Fritz Lang au travail“, ist teuer und jeden cent wert.

Eisenschitz kann man hier auch sehen und hören.

Freitag, 03.02.2012

Filme der Fünfziger III

Georg Bruckbauer und Willy Winterstein führen die Kamera, Rolf Zehetbauer ist der Architekt, Willi Forst hatte die Idee und Bert Grund ist neben Peter Kreuder der Komponist in „Alle kann ich nicht heiraten“. Das ist – für das Jahr 1952 – keine schlechte Besetzung.  Hans Wolff, kein sehr bekannter Name, führt Regie.  Und dann ist alles ganz banal.

Hardy Krüger und Adrian Hoven sind zwei  junge Pianisten, die in einem Instrumentengeschäft ihr Leben fristen.  Das ist endlich mal ein Laden, der sich Personal leisten kann:  eine einheitlich gekleidete Mädchengarde (ganze fünf), der Chef, die zwei Klavierspieler und mindestens noch zwei Arbeiter. Es gibt ein ganzes Regiment von Mitarbeitern. Krüger und Hoven (blond und schwarz) streiten sich nicht um Mädchenbekanntschaften  – sie würfeln sie aus. 1952 herrscht offensichtlich Mangel an Männern; die jungen Frauen sind Beutegut.
Die Musiker wohnen in einem Zimmer und schlafen in zwei fast nebeneinander stehenden Betten. Sie haben einen Bekannten (Joachim Brennecke), der beim Radio arbeitet und die Glücksfee des Films ist. Er nimmt die beiden Pianisten beim Spielen eines flotten Stückes heimlich auf; das Stück gewinnt in einem Wettbewerb des Rundfunks den ersten Preis. Vom Preisgeld fahren die beiden Pianisten nach St. Moritz, wo sie ohne Sinn und Verstand ihr kleines  Geld ausgeben und Bräute aufmischen wollen.
Die Bar des Royal Engadin sieht aus wie ein Studentenlokal; mindestens eine Bar muss es im Film der fünfziger Jahre immer geben. In St. Moritz gibt es noch eine zweite,  draussen im Schnee vorm Hotel. Ins Hotel kommt Sonja Ziemann als türkische Gräfin – sie schweigt sich aus, tut schön und geheimnisvoll. Später stellt sich heraus, dass sie einfach ein Mannequin  ist, das schöne Kleider trägt. Ziemann singt in der Bar: Warte bis Dein Stern sich wendet/ und verliere nicht den Mut/ Denn sobald Dein Stern sich wendet/ Geht es Dir bestimmt ja wieder gut. Wir befinden uns in einer Aufmunterungsphase;  den Musikern geht das Geld aus.
Gut, dass die Glücksfee vom Radio wieder kommt. Sonja Ziemann singt mit den Musikern und zieht sogar bei ihnen ein. Nun wohnen sie zu dritt in einer Wohnung. Das kann nicht gutgehen; der Freund aus dem Radio nimmt Gott sei Dank die Ziemann zur Braut. Zwischendurch war sie verloren gegangen; der Freund vom Radio hat dann einfach eine Suchmeldung über den Äther geschickt. Man hörte doch täglich Meldungen von Vermissten, warum dann nicht auch mal die Freundin suchen lassen?
Reichlich penetrant spricht hier mal der eine, mal der andere von einer „grossartigen Idee“ und plappert den Wehrmachtsjargon der vierziger in Zivil nach. Zehetbauer hat Nierentische und mit Luftballon-Motiven bedruckte Sessel in die Dekoration gestellt; die Kamera versucht ein, zwei Fahrten und leuchtet einige Grossaufnahmen ganz professionell aus.
Zum Schluss gehen die Buddies Hardy Krüger und Adrian Hovenwie am Anfang auf Mädchenjagd; aber es gibt keinen Nachfolgefilm.  Hoven spielte dann in Veit Harlans Indienfilmen und Hardy Krüger übte sich als maskuline, blonde Versuchung.

Mittwoch, 01.02.2012

Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Das ist kein aktuelles Buch, es erschien erstmals 1998 auf deutsch. Hakan Nesser ist vor allem als Krimi-Autor bekannt.
„Kim Novak“ ist eigentlich gar kein Krimi; das Buch erzählt die Geschichte eines Sommers im Jahr 1962 aus der Sicht eines 14jährigen Jungen. Er verehrt eine junge Frau, die wie Kim Novak aussieht – daher der Titel. Das ist lakonisch, witzig und ohne grosse Schnörkelei geschrieben; Comics, Pop-Musik, Perry Mason und Redewendungen aus Film- und Fernsehserien haben einen festen Platz in dem Leben der Heranwachsenden. Und dann geschieht das SCHRECKLICHE.

Montag, 30.01.2012

Filme der Fünfziger II

In „Das Hollandmädel“ (1953) spielte Grete Weiser Frau Quietsch und Gunnar Möller verkörperte die männliche Hauptrolle. 1957 war die Weiser die „Tante Wanda aus Uganda“ und Georg Thomalla hiess in dem Film Jonas Edelmuth.  In „Die sieben Kleider der Kathrin“ (1953) ist Thomalla Graf Hohenstein, von Beruf Karikaturist und Witzbold vom Dienst.  Er fährt ein schwarz-weißes BMW Cabriolet, das aussieht wie der überdimensionierte Halbschuh eines Gigolo. Grete Weiser spielt einen Kurgast und die Besitzerin eines Modesalons; ihre Hauptaufgabe besteht darin, nicht auf den Mund gefallen zu sein. Gunnar Möller dagegen ist ein Pilot, der ein zartes Verhältnis mit Sonja Ziemann hat. Sonja Ziemann wohnt als Vollwaise bei Tante Therese und Onkel Philipp. Tante Therese (Käthe Haak) leidet tapfer am Herzen. Anhand der sieben Kleider soll der Lebensweg von Katrin (Sonja Ziemann) erzählt werden; so etwas kann interessant sein, wenn die Kleider eine besondere Aura haben. Aber bei der Regie von Hans Deppe muss man damit rechnen, dass alles von der Stange ist – und dann hat man noch Glück gehabt. Es geht immer noch schlimmer.

Gunnar Möller wird als Liebhaber gleich in den ersten Minuten wieder abgelegt; vorher durften Möller und Ziemann in einer Art  Heimatfilmroutine noch die hübsche Aussicht auf ein Tal geniessen.  Katrin lernt Herrn Pall  kennen, Reiseschriftsteller und, drunter tun wir‘s nicht,  der reichste Mann Europas. Der Reiseschriftsteller ist ein inzwischen ausgestorbener Filmberuf, der in den vierziger und fünfziger Jahren  sehr populär war. Darüber hinaus ist Herr Pall in Wirklichkeit Wolf Albach-Retty, der Vater Romy Schneiders, die just zur selben Zeit in Wiesbaden ihren ersten Film „Wenn der weisse Flieder wieder blüht“ dreht, in dem man übrigens  in einem Cafe die hübsche Aussicht auf ein Tal genießt. Herr Pall macht Katrin ein unsittliches Angebot; er führt sie auch ins Spielcasino in Wiesbaden, wo Katrin ein Malheur passiert, das zu ihrer Festnahme führt, bei der sich Herr Pall sehr unritterlich verhält. Überhaupt ist Spielcasino unseriös. Man gewinnt auf seriöse Art im Lotto oder beim Quiz.
Als Tante Therese von der Verhaftung Katrins hört, fällt sie tot um. Onkel Philipp verkauft sein Haus und Katrin ist nun ganz allein. Für einen Moment weht das Flüchtlingsschicksal vorbei.  „Was wollen Sie denn tun?“ fragt Dr. Schörg (Paul Klinger); Dr. Schörg ist der Arzt, der  Tante Therese behandelt hatte und praktiziert in einem Sanatorium, in dem gerade Grete Weise kurt. „Etwas nützliches“ antwortet das Mädel und bekommt am Ende den Arzt.

Wir sollten unbedingt noch wissen, dass Paul Klinger zur selben Zeit in Wiesbaden in „Wenn der weisse Flieder wieder blüht“ die Rolle des Peter Schröder spielt, der sich rührend um Magda Schneider, die Mutter von Romy, kümmert, die übrigens einen Modesalon führt.  Weil Wolf Albach-Retty, der Vater von Romy, in den „Sieben Kleidern“ nicht von Sonja Ziemann lassen kann, wäre beinahe aus der Heirat von Paul Klinger und Sonja Ziemann nichts geworden. Und wenn Grete Weiser die Katrin nicht in ihrem Modesalon als Mannequin angestellt hätte, wäre Katrin vielleicht noch unter die Räder gekommen oder sogar in ihrer Not mit Wolf Albach-Retty nach Ägypten gefahren, wo sie dann später Romy und Karlheinz Böhm in ihrem Palast empfangen hätten. Oder war das in Spanien?
Merkwürdigerweise ist der Film in schwarz/weiss; Sonja Ziemann, die eine ausgebildete Balletttänzerin und Sängerin war, trägt zwischendurch ein Showkostüm, das freizügig sein soll und unzüchtig wirkt. Vorher  sieht man sie in einer Schwesterntracht, davor in  etwas Dirndlartigem – beide Kleider wirken im Vergleich zum Showkostüm subtil und erotisch. Trude Ullrich, von der so gut wie nichts bekannt ist, entwarf die Kostüme.

Dienstag, 24.01.2012

Film der Fünfziger

In den Filmen der 50er heiraten die jungen Mädchen immer alte Männer. Ja, das stimmt und stimmt auch wieder nicht. Die Männer sehen auch als junge Männer schon sehr gebraucht aus und den Produzenten, den Eltern und den Kirchen war es sehr recht, dass die jungen Mädchen sich nicht den Jungen haltlos an den Hals werfen, sondern lieber die Alten anhimmeln. Alle waren alt und wollten von den Früchten essen. Die Väter waren auf die Töchter scharf.
Ein ganz kurioses Gegenbeispiel ist der REAL-Film „Herz ohne Gnade“ (1958), nach einem Illustriertenroman von Regisseur Viktor Tourjanski  routiniert und professionell gedreht. Werner Hinz, ein Industrieller mit hartem Herzen, engagiert Barbara Rütting als Sekretärin in seinen Privathaushalt. Rütting ist vaterlos, Mutter und Schwester ziehen als Flüchtlingsschicksal ins Gartenhaus der Industriellenvilla. Felmy ist der unverschämte junge Sohn von Hinz. Hinz will Rütting heiraten, aber Felmy überredet Rütting zu einer Spritztour mit Freunden. Jetzt führt das Schicksal Regie. Felmy und ein Freund veranstalten auf dem Weg zurück ein Autorennen; der Freund wird getötet, Felmy und Rütting übernachten verletzt im Gasthaus.
Bei der Rückkehr ist Hinz tot – ermordet. Vater und Freund tot – macht alles nichts, Felmy feiert erst mal richtig Geburtstag und wird des Vatermords verdächtigt. Dann stellt sich heraus: Hinz, der schuftige Vater, hat Selbstmord begangen und alles so arrangiert, dass der Verdacht auf den Sohn fällt. Jetzt können Felmy und Barbara Rütting eigentlich nur deshalb heiraten, weil der Alte sich selbst aus dem Weg geräumt hat. Man mag gar nicht glauben, wie sich die Vätergeneration selbst zur Strecke bringt.
Corny Collins ist eine spitzmäulig-neidische Tochter, Kai Fischer die Verruchte vom Dienst und Margarete Haagen der stets dienstbare Geist. Im Presseheft ist die alte Zeit wieder lebendig: Barbara Rütting ist charakterisiert als „eine vulkanisch wirkende junge Frau“ und hat „die Ausdruckskraft herben Frauentums“. Ach so.
Ganz oft gibt es eine Blende, die ich so noch nie gesehen habe: Das letzte Bild einer Szene friert ein, das Bild schlägt um wie eine Buchseite und öffnet den Blick auf eine neue Szene, die aber anfangs auch noch eingefroren ist. Das wirkt dann tatsächlich wie ein Fortsetzungsroman.


Montag, 23.01.2012

The Nosferatu Scroll

Es gibt eine Unmenge Vampirbücher, aber Nosferatu tritt als Figur in der Literatur eher weniger auf. James Becker hat einen Roman geschrieben, der als Titel nicht uninteressant klingt. Ob es sich lohnt, das Buch zu lesen? Ich habe meine Zweifel. Eine Besprechung gibt es hier.

Der deutsche Nosferatu Darsteller Max Schreck ist übrigens auf dem Wilmersdorfer Waldfriedhof Güterfelde bei Berlin beigesetzt (Gräberfeld U-UR 670). 2011 wurde ein neuer Grabstein aufgestellt. Man kann den Grabstein hier sehen.

Hollywood Costume in London

Im Victoria and Albert Museum geht es zunächst durch einen Museumsshop von bedeutender Größe, durch Fluchten antiker Statuen, Hunderten von Vitrinen mit Silberobjekten, dazwischen einem Ausblick auf den Innenhof und schließlich hinein in einen kuppelartigen Vortragssaal. Der Saal ist so voll, dass einige Besucher auf den Stufen Platz nehmen müssen. Bereits im Januar hat das V&A zu einer Pressekonferenz für eine Ausstellung geladen, die erst im Oktober eröffnet wird und schlicht Hollywood Costume heißt.

Zur rechten sind drei Kostüme aufgebaut: Johnny Depps Mantel und Degen Kombination aus „Pirates of the Carribean“, Judy Garlands Hängerkleidchen mit Bluse aus „Wizard of Oz“ und Marlene Dietrichs opulentes „Angel“ Kostüm. Drei Kuratoren sprechen über ihre Arbeit; zuerst aber spricht das Geld – ein Vertreter des Hauptsponsors Harry Winston, ein Schnösel von unbestimmter Wichtigkeit, gibt ein paar Belanglosigkeiten zum Besten. Jetzt aber die Kuratoren.

Die Ausstellung wird drei Sektionen haben: Deconstruction, Dialog und Finale. Bestimmt hätte man die Akte auch einfach Anfang, Mitte und Schluss nennen können, aber das wäre natürlich weniger dramatisch gewesen. Deborah Landis erklärt die Akte beredt und begeisternd – sie hat schon vor fünf Jahren mit der Vorbereitung der Ausstellung begonnen. Keith Lodwick vom V&A erzählt, wie unter grossen Sicherheitsvorkehrungen im Inneren einer Bank das Kleidchen von Judy Garland vorgeführt wurde und Sir Christopher Frayling begründet seine Vorliebe für ein Kleid von Marilyn Monroe mit der Tatsache, dass er auch Ingenieurskunst unterrichtet habe. Jetzt dürfen die Journalisten Fragen stellen. Immer wieder fallen Begriffe wir „groundbreaking exhibition“ oder „historic moment“ – wahrscheinlich gilt das der willkommenen Tatsache, dass das V&A sich jetzt auch dem Film widmet. Natürlich wird es auch ein Buch geben; das Vorwort schreibt Debbie Reynolds, die gerade ihre unglaubliche Kostümsammlung versteigert hat. Vielleicht also sieht man das ein oder andere Kostüm zum ersten und zum letzten Mal. Aber erst ab Oktober 2012.


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