Kenneth Spencer war ein farbiger amerikanischer Sänger, der sich Anfang der fünfziger Jahre in Wuppertal niederliess. In Deutschland wurde er vielen durch seine Interpretation von „Ol’ Man River“ bekannt.
In „Mein Bruder Joshua“ (1956), der auch unter dem Titel „Der Bauer vom Brucknerhof“ gezeigt wird, fährt Spencer vorwiegend heiter singend und in Uniform mit einem amerikanischen Militärjeep umher. Joshua ist ein sonniges Gemüt; wir sollen denken, dass er in der ländlichen Umgebung kein Fremder bleibt. Sind die Kinder einmal aufgebracht oder zu wild, verteilt Joshua Schokolade und alle beruhigen sich wieder. Regisseur Hans Deppe inszeniert ihn für die Kinder und für uns auch als Stimmungskanone; Joshua führt singend eine Polonaise an, die Kinder folgen ihm lahm und lustlos. Man sieht deutlich, wie falsch das Bild ist.
Willy Kleinau spielt Mathias, den Bauern vom Brucknerhof. Wegen Mordes an seiner Frau saß er 18 Jahre im Gefängnis; jetzt kehrt er auf den Hof zurück. Seine Schwägerin Franziska (Bertha Drews), ein böses Weibsbild, will ihn gleich vom Hof jagen. Aber Mathias Bruckner hat das Recht auf seiner Seite, der Hof gehört weiter ihm. Wir erfahren auch, dass der Mord kein richtiger Mord war, sondern eher Tötung auf Verlangen. Franziska hatte den Sachverhalt gegenüber der Polizei bewusst falsch dargestellt. Nun hetzt sie das ganze Dorf und auch Bruckners Tochter Lena (Ingrid Andree) gegen Mathias auf. Nur Joshua hält zu Mathias Bruckner und mobilisiert seine Kumpane aus der Armee, um Mathias bei der Ernte zu helfen. „Zwei Freunde hast Du“, sagt Joshua. „Mich und den lieben Gott.“
Spielt es eine Rolle, dass der Mord in der NS-Zeit geschehen ist? Eigentlich nicht. Das Rückkehrer-Motiv überwiegt; dass das in der NS-Zeit verübte Verbrechen eigfentlich kein Verbrechen war, muss auch klargestellt werden.
Auftritt Gunnar Möller in der Rolle des Jungbauern Christoph Wiesner, verliebt in Lena Bruckner. Den Auftritt begleiten tatsächlich Flötentöne, Möller ist die personifizierte Gutwilligkeit. Überhaupt meinen es alle gut miteinander, wäre da nicht die böse Schwägerin und ihr Sohn Hans (Jan Hendriks), der den Bruckner Hof erben will. Hans will Lena vergewaltigen, Hans ist aber auch der Freund der Kellnerin Hildegard, die wiederum von Joshua verehrt und mit Geschenken bedacht wird. Hildegard stürzt eine Treppe hinunter in den Tod und Hans bezichtigt Joshua, sie gestossen zu haben.
Mathias und Joshua sind zwei Einzelgänger, isoliert und zu Unrecht verfolgt; der eine ein Rückkehrer, der andere ein Dagebliebener. Die Gesellschaft arrangiert sich nur widerwillig, am liebsten gar nicht mit den Störenfrieden. Der Farbige immerhin spricht mit schöner Stimme und leckerer Schokolade die Sinne an; das heisst aber noch lange nicht, dass er sich an unsere Frauen ranmachen darf. Kleinau ist eine Heinrich George Figur im Kleinformat; ihm fällt das Gehen, das Sprechen, ja das ganze Leben schwer. Man will im Dorf eigentlich nichts wissen von den seltsamen Männern und der Welt.
Dass Spencer als Onkel Tom im Dorf und auf der Heide angekommen ist; dass der Bote aus der schlimmen Vergangenheit von der Dorfgemeinschaft angenommen wird – das alles ist ja gelogen und Propaganda. Waren die Amerikaner 1956 auf dem Dorf wirklich so gut angesehen oder eher gefürchtet? Der Hass auf das Draussen, die Furcht vor dem Fremden ist stärker als die Idylle, die nur noch gelegentlich als Genrebild gemalt wird. Ingrid Andree, die Tochter von Mathias Bruckner spielt, sagt es deutlich: „Was weißt Du schon, was es bedeutet, die Tochter eines Mörders zu sein?“ Es ist die Hölle.