Sonntag, 10.04.2016

Lohn der langen Fahrt

Potsdam, Preview des Films „Fritz Lang“ von Gordian Maugg im Filmmuseum. Maugg ist ein großer Bewunderer der deutschen Filme von Fritz Lang, allerdings nur von denen der Weimarer Republik. In Hollywood, so Maugg, hätte Lang dann in einem System gearbeitet, in dem man als Regisseur austauschbar, sozusagen ein Dienstleister war. Auf Lang gemünzt, ist das doch eine schrille These. „Die tausend Augen des Dr. Mabuse“ finden dann natürlich schon gar nicht mehr statt. Einen Film über einen Filmregisseur in der Krise, hier definiert als Übergang vom Stumm- zum Tonfilm, wollte Maugg machen; deshalb steht „M“, Langs erster Tonfilm im Zentrum. Stimmt aber gar nicht; im Zentrum steht die Begegnung von Lang (Heino Ferch) und Peter Kürten (Samuel Finzi), und man fragt sich nach dem Film, ob Lang nicht genauso besessen war wie Kürten. Fritz Lang wird verfolgt vom Dämon seiner ersten Frau, die er – niemand weiß das genau – möglicherweise erschossen hat. Und weil ihn diese Dämonin (Lisa Charlotte Friederich) immer wieder überfällt, leidet Fritz expressionistisch und in schwarz/weiß Höllenqualen, mal eruptiv, mal biestig verschlossen. Die Schauspieler geben ihr Bestes, die Montage von Dokumentar- und Spielszenen ist exzellent, aber was hat das ganze denn nun mit Lang und „M“ zu tun? Der Film ähnelt diesen unendlich langweiligen Kriminalromanen von Volker Kutscher, in denen die Kulissen deutscher Geschichte in  banalen Handlungen als Atmosphäre und Zeitgeist herumgeschoben werden. Wahrscheinlich hat Kutscher so einen großen Erfolg, weil seine Leser glauben, dass die Romane kulturgeschichtliches Wissen vermitteln, also nicht „nur Krimis“ sind. So ging es an diesem Abend bestimmt auch den Zuschauern in Potsdam, die sich belehrt und kulturell auf Niveau unterhalten fühlten. Nach dem Film gab es eine Diskussion, die von einem selbstbewussten jungen Mann geleitet wurde, der ohne jeden Anflug eines Zweifels Angelesenes und Mißverstandenes über Lang zum Besten gab; wenn ich es recht verstanden habe, arbeitet er in der neuen Branche der „Kulturvermittler“. Maugg sagte noch, dass es auch irgendwie Zufall und Rätselhaftigkeit des Lebens sei, dass aus Lang ein Filmregisseur und aus Kürten ein Massenmörder wurde. Das wäre dann Schicksal gewesen und hätte deshalb etwas vom Geiste Langs haben können; hatte es aber nicht. War auch nicht so gemeint.

Ein Gutes hatte der Abend. Die Fahrt von Berlin nach Potsdam und zurück dauert mit Bahn und Tram ziemlich lang. Dabei habe ich das unbedingt empfehlenswerte Buch von Philipp Felsch und Frank Witzel „BRD Noir“ gelesen, in dem es um die deutsche Geschichte der letzten 50, 60 Jahre geht. Im Nachwort „BRD Chamois“ analysiert Frank Witzel „Es geschah am hellichten Tag“ (1958) von Ladislao Vajda mit Heinz Rühmann und Gert Fröbe. Eine Kindheitserinnerung, ein Alptraum, der sich durch das Buch zieht und in der Analyse die Farbe wechselt. Das war den Abend wert.

 

Freitag, 25.03.2016

Harry Smith

Vor nicht allzu langer Zeit erschienen: Paper Airplanes und String Figures, die ersten beiden Bände des Catalogue Raisonné der Sammlungen von Harry Smith.

Sehr vielversprechend klingen etliche der weiteren angekündigten Bücher:

Beggar Signs
Gourds
Papier-mâché Masks
Seminole Textiles

Mit dem Band »Decorated Ukrainian Eggs« ist sicher nicht vor Ostern 2017 zu rechnen.

Dienstag, 23.02.2016

Der Brief (Vlado Kristl; BRD 1966, Farbe, 80 Minuten)

Ein anti-avantgardistischer Film, an dem man sich die Augen verderben kann (und vielleicht auch die eigene Moral). Die Anweisung an den Kameramann lautete: nie auf das Hauptgeschehen draufhalten, immer auf das Nebensächliche, Beiläufige. Die Kamera ist also ständig in Bewegung, schwenkt nach rechts, nach links, nach unten, nach oben – über die Baumwipfel in den Himmel und wieder zurück. Eine Bildebene (35mm, Farbe), die sich so recht dazu leiht, die Tonspur mit Stimmen vollzustellen. Und mit Explosionen, Gewehrsalven, Schlachtlärm (wie schon in Arme Leute, 1963). Einige Einstellungen bleiben, wie zur Erholung, völlig stumm, statisch.
Der mit dem Brief (Kristl selbst) ist frohen Mutes, frohen Sinns (er will den Brief persönlich abliefern), ihm wird auch freundlich der Weg gewiesen – mit so vielen Links und Rechts, dass ihm wirr im Kopf wird. Der Kristl’sche frohe Sinn trifft auf deutschen Frohsinn – das kann natürlich nicht gut gehen, das ist nicht ‚löslich’. Kristl ist allein unterwegs, die andern treten in Gruppen auf: singende Gruppen, winkende Gruppen, rutschende Gruppen (auf dem Ozeandampfer wird kräftig am Steuerrad gedreht), angreifende Gruppen, fliehende Gruppen, robbende Gruppen – es ist Krieg, Revolution (den ganzen Film über). Diese Normalität steht von der andern ungeschieden da.
Froh macht auch (das ist der Kristl’sche Hinterhalt), dass alles Böse völlig ungehemmt rausgelassen werden kann: Flüche, Schimpfkanonaden, sprachliche Kunstwerke an Pöbeleien und Beschimpfungen bis hin zum Spuckwettbewerb als Gespräch (wer spuckt den andern am besten an) – da ist es natürlich nicht weit zur ganz praktisch ausgelebten Zerstörungswut (ein kleiner Gemüseladen wird zerlegt) und der slapstickartig sich steigernden Freude daran. Kristl selbst, nachdem er eine oder seine Frau geküsst hat, übt sich mit ihr im Fingerabhacken mit viel Ketchup und Rumgespritze. Bayrisches Fingerhakeln nach scharfer jugoslawischer Art.

September 1966 ging es los an der DFFB: Der Brief war einer der ersten Filme, den wir da zu sehen bekamen. (Helene Schwarz, die Sekretärin, hatte ein Taxi bestellt, um vom Theodor Heuss-Platz zur Akademie der Künste zu fahren und nahm ein paar von uns mit.) Jetzt scheint mir, dass die Kristl’sche Gestimmtheit doch irgendwie auch abgefärbt hat (der halbe junge deutsche Film ist schliesslich in Der Brief dabei) – das ist zwar nie ‚verbalisiert’ worden, es war einfach da. Unsere Stimmung war gut, aufgekratzt. Die Welt (die Philosophie) schreitet immer auch durch produktive Missverständnisse voran. (Das Unverständnis folgt später.)

(Gesehen im CinemaxX 8 auf der Berlinale, 19.2.2016.)

Sonntag, 14.02.2016

Berlinale: Rekonstruierte Weltpremiere

Im Panorama der diesjährigen Filmfestspiele wurde und wird noch einmal (21.2., 16.30, Zeughauskino) im Rahmen der Retrospektive „30 Jahre Teddy Awards“ die restaurierte Fassung des Richard Oswald Film „Anders als die andern“ (1919) gezeigt. Eine Weltpremiere sei das, die Rekonstruktion besorgte das Film-Archiv der UCLA. Da könnte man sich zu Recht fragen, warum erst ein amerikanisches Archiv darauf kommen muß, diesen ersten deutschen Schwulen-Film zu rekonstruieren. Gibt es etwa in deutschen Filmarchiven Ressentiments gegen Schwule oder liegt es daran, dass die deutschen Filminstitutionen einfach hinter dem Mond leben? Nichts von alledem trifft zu.
Den Film gibt es in einer vom Filmmuseum München rekonstruierten Fassung seit 2006 auf DVD (www.editionfilmmuseum.de); die Fassung, die jetzt als „Weltpremiere“ gezeigt wurde, enthält nicht das Standbild von der Beerdigung Paul Körners (Conrad Veidt), hat dafür aber die Vorlesung von Magnus Hirschfeld etwas verlängert. Neues Bildmaterial gibt es nicht. Im Grunde sahen wir also die Weltpremiere der neu hergestellten amerikanischen Zwischentitel.

Wie kann denn so ein öffentlicher Unfall passieren? Ich spekuliere mal: es liegt an dem Netzwerk. Die amerikanische non-profit Organisation „Outfest“ hat die Rekonstruktion des Films bezahlt und wegen der guten Beziehungen des Panorama zu „Outfest“ hat man die Fassung jetzt programmiert. Ein Blick ins filmportal hätte genügt, dann hätte man den Fehler vermieden. Das wäre dann allerdings keine Weltpremiere und auch nicht wirklich international gewesen. Es hätte nur gezeigt, dass die deutschen Filmarchive auch ganz gut arbeiten.

Jetzt gibt es also in der UCLA auch eine 35 mm Kopie dieser neuen Fassung; das können sich die deutschen Archive nicht leisten. Interessant in diesem Zusammenhang ist der Kommentar von Chris Horak aus dem Jahr 2014 zur neuen Fassung von „Das Cabinet des Dr. Caligari“  von 2014 (https://www.cinema.ucla.edu/blogs/archival-spaces/2014/02/28/zerst%C3%B6rungswut-saving-german-silent-films). „I dared to ask why the Germans spend millions of Euros repeatedly restoring the five great German classics, while literally hundreds of German nitrate prints from the silent era rot in the archives in Germany and abroad.“ Die Antwort war, mehr oder weniger: „Weil es nur Geld für Restaurierung von Klassikern gibt.“ Und daraus lässt sich auch die Antwort auf die Frage ableiten, warum „Anders als die anderen“ noch einmal restauriert wurde: Weil es das Geld dafür gab. Und Chris Horak wäre kein guter Archivdirektor, wenn er das Geld nicht nehmen würde.

„Anders als die anderen“ gibt es auch auf YouTube; auf der DVD des Filmmuseum München sind noch weitere Zusatzmaterialien. Und auf der DVD „Anders als Du und ich“ (ebenfalls im fillmuseum münchen erschienen) gibt es den Briefwechsel von Richard Oswald mit Veit Harlan.

Freitag, 05.02.2016

Besserwisser

Manchmal werden verdiente Künstler für eine Großtat geehrt, die sie gar nicht vollbracht haben. Schon länger, aber dieses Mal im Grußwort von Dieter Kosslick zur diesjährigen Berlinale, trifft es Michael Ballhaus. Er habe, so Kosslick, der Filmgeschichte die kreisende Kamerafahrt geschenkt. Ja, Pustekuchen. Ballhaus ist ein toller Kameramann, aber die kreisende Kamerafahrt hat uns Richard Angst in dem sehr konventionellen Film „Herz der Welt“ von Harald Braun geschenkt. Das war 1952. Nur hat das damals niemand gemerkt; dann wurde das Geschenk einfach vergessen und verstaubte unter all dem anderen Krimskrams der Filmgeschichte wie weiland 3D.

Vielleicht hat Ballhaus in seinen Kinderjahren den Film sogar gesehen und weiß gar nicht, dass die Kamerafahrt dauernd in seinen Erinnerungsfantasien herumgekreist ist. Oder Fassbinder kannte den Film und hat mal eine Andeutung gemacht.

„Herz der Welt“ gibt es nicht auf DVD, aber hier ist ein Foto von den Dreharbeiten. Da sieht man, wie es gemacht wurde.

Herz der Welt003

 

Mittwoch, 27.01.2016

Filme der Fünfziger (XVII): Bis wir uns wiedersehen (1952)

Ein Mann flieht in eine Stadt und versteckt sich in einem Hotel. Eine junge Frau, aus einer Lungenklinik in Davos entlassen, kehrt mit Arzt und Pflegerin in demselben Hotel ein. Der Mann und die junge Frau kennen sich. „Er ist der einzige Mann, den ich jemals geliebt habe“, erklärt die junge Frau dem Arzt, „auch wenn es bitter ist für Dich.“ Es ist das Jahr 1952 und wir blicken zurück in die Vergangenheit, die von Erinnerungen verklärte Zeit.

Pamela Lüdtke (Maria Schell) ist Tänzerin mit ernsten gesundheitlichen und finanziellen Problemen. Aktuell wartet ein Möbeltransporter darauf, von ihr bezahlt zu werden; zufällig kommt Paul Mayhöfer (O.W. Fischer), der örtliche Casino-Betreiber und Mercedes Benz 300 S Besitzer vorbei und spendiert unerkannt das Geld. „Kaum ein Auto,“ so eine Internetseite über Mercedes, „strahlte je so viel gediegene Vornehmheit aus wie der Mercedes-Benz 300 S.“

Aus reiner Not jobbt Pamela bei einer Modenschau und bricht vor Hunger zusammen. Wieder zufällig ist Paul Mayrhofer Gast der Modenschau; er spricht Pamela an: „Ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen, Fräulein Lüdtke. Begleiten Sie mich doch vier Wochen auf eine Reise nach Italien.“ Und: „Jede andere Frau fände es unter ihrer Würde, über meinen Vorschlag zu sprechen, bevor ich ihr eine Liebeserklärung gemacht habe.“ – Pamela: „Warum? Ich finde es sehr angenehm, dass Sie über diese Dinge so sachlich sprechen. Wir sind ja moderne Menschen.“ Und nun beginnt die Reise an den Comer See, auf der sich beide ineinander verlieben. Im Hintergrund singt Kurt Reimann im Kastraten-Tenor das Lied von der Blauen Lagune: „Erhöre mein Fleh’n/ Glück mach’ aus meinem Schmerz/ Du allerschönste der Frau’n!“

Pamela Lüdtke wechselt in Italien von dem anfänglichen „Ach,wie schön“- zum „Ach, wie bin ich glücklich“-Gesicht. Ein böses Missverständnis führt zur Trennung. Mayhöfer lässt sich daraufhin ohne Not mit einem Ganoven (Kurt Meisel) ein und Pamela verkommt als Rock n’ Roll Tänzerin.

Im Hotel finden sie zu ihrer Liebe zurück. Mit einem Krankenwagen will Paul fliehen und so die Polizei überlisten. Beide wissen nicht, dass Pamela wegen ihrer Krankheit nicht mehr lange leben wird. Paul hat, wie wir es von O.W. Fischer kennen, seine Hände immer lässig in der Hosentasche. Noch im Hotel wird Paul von der Polizei gestellt, er nimmt die Hand aus der Hosentasche und wird erschossen. Pamela sieht aus dem Fenster, wie die Bahre mit der zugedeckten Leiche im Krankenwagen wegfährt und trägt das „Bald bin ich glücklich“-Gesicht.

Dies war die zweite Produktion des noch jungen Luggi Waldleitner und der erste Film des Traumpaares Schell/Fischer. Es beginnt mit der Jungmädchenfantasie vom tapferen – hier reichen – Ritter; dann geht es nach Italien mit Liebe, Mandolinen, Inselseligkeit und Bootsausflug.

Bei einer Liebeserklärung schaut Fischer in den Horizont, dorthin, wo die Liebe wohnt. Er legt den Arm nicht um die Schultern seiner Geliebten, sondern um deren Hals. Es geht um Kontrolle, um die Macht des Geldes, um Bestätigung. Deshalb vergewissert sich Mayhöfer andauernd, dass Pamela glücklich ist – die glückliche Pamela, das ist doch sein Werk. Sie liegt im Liegestuhl und liest. Das geht nun nicht. „Sag einmal, du liest in dieser herrlichen Umgebung? Ist doch wirklich eine Schande. Was liest Du denn da?“ Das Horoskop, was sonst? Es muss nun Sport getrieben werden. Eine Segelpartie mit dem Mann am Steuerruder oder, wie hier, nur lässig auf der Kante des Bootes sitzend; Pamela müht sich mit dem Segel ab, das schließlich – reizendes weibliches Ungeschick – den so photogen sitzenden Herrn unter sich begräbt. Die Krise kommt, als Mayhöfer die Macht entgleitet. Pamela besucht einen Arzt, Mayhöfer sieht nur einen Konkurrenten. Dafür setzt es Ohrfeigen.

Der Krach kommt aus heiterem Himmel über das Paar, das Schicksal meint es einfach nicht gut mit ihnen. Darin konnten sich die Zuschauer wiederfinden, so ritterlich, so süß und unschuldig wollten sie doch auch gewesen sein. Und alles ist so vornehm und unendlich traurig.

In der Saison 1952/ 53 rangierte der Film unter den ersten vierzig umsatzstärksten Titeln.

Nicht auf Video oder DVD erhältlich.
Präzisierungen zu Filmportal:
Standfotos: Richard Wesel/ Hannes Hubmann. Drehzeit: ab 12. Juli 1952 Atelier Göttingen; ab 20. Juli Außenaufnahmen Bellagio – Comer See; Spielbank Bad Homburg

Sonntag, 17.01.2016

Mag Bodard

Noch bis Ende Januar ist im ARSENAL eine Reihe von Filmen zu sehen, die Mag Bodard produziert hat. Auf der Langtextseite meine Einführung zur Eröffnung der Reihe am 8. Januar, wenige Tage nach Bodards 100. Geburtstag. Gezeigt wurde Godards DEUX OU TROIS CHOSES QUE JE SAIS D’ELLE.

* Bodard/Godard

Freitag, 15.01.2016

Filme der Fünfziger (XVI): … und ewig bleibt die Liebe (1954)

Georg (Karlheinz Böhm) und Marieke (Ulla Jacobsson) sind erwachsene Pflegekinder des Gutsbesitzers Vogelreuther (Paul Dahlke) und seiner Frau (Magda Schneider). Trude Vogelreuther (Ingrid Andree) ist die fast erwachsene Tochter des Ehepaars. Georg soll Trude heiraten, liebt aber eigentlich Marieke. Marieke ist das Kind einer kleinkriminellen Mutter, genannt „Die Elster“ (Hilde von Stolz). „Die Elster“ irrlichtert stehlend und trinkend durch den Film und ist verantwortlich für einen gehörigen Schuldkomplex von Marieke. Wegen dieses Komplexes mag sich Marieke nicht zu ihrer Liebe zu Georg entscheiden – sie wäre dann eine Liebesdiebin. Georg hat in Bremen studiert, nach Bremen zieht es auch Marieke; aber die Reise – man hört nur das Pfeifen der Lokomotive – bleibt Imagination. Ach, Bremen!

Georg will sich von seinem übermächtigen Ziehvater befreien. Da ist er aber an den falschen geraten. Dahlke kommentiert den Versuch seines Filmsohns mit dem Spruch: “Jetzt geht der Spass los, sagte die Katze zur Maus“. Vater Vogelreuther hat eine soziale Ader. Georg ist der Sohn eines verstorbenen Geschäftsfreundes, der für seine Familie nicht genügend vorgesorgt hatte, Marieke eben die Tochter einer liederlichen Frau. Und nun wollen die beiden auch noch ihren eigenen Willen haben.

Trude, mental noch ein halbes Kind, fühlt sich dumm und Georg nicht gewachsen. Was Georg und Trude verbindet, ist dem Paar selbst nicht klar; und so will mal Trude, will mal Georg die Heirat im letzten Moment absagen. In einer Nebenhandlung wird Marieke vom Hilfsprediger Hasske (Hans Quest) umworben; Hasske ist ein vollintegrierter Flüchtling aus Oberschlesien, der wegen seines komischen Zungenschlags gönnerhaft belächelt wird.

Es gibt den üblichen Hoftrubel mit Späßen des Gesindes, ein Johannisfeuer mit Blasmusik und Sprung über das Feuer, die Darbietung eines Männer- und eines Frauenchores („Schön ist die Jugend, sie kommt, sie kommt nie mehr“), ein Orgelfrühstück, einen Kinderchor und Studenten im Wichs bei der Hochzeit, Kalendersprüche und eine heile Welt, die von Paul Dahlke resolut zusammengehalten wird. Ja, die freudlose Trude und die Fleisch gewordene Lustbremse Georg heiraten – ein trauriger Tag für Marieke und ein durchweg depressives Ende, mit dem alle Konflikte zugedeckt werden. Glücklich werden nur die Alten.

Ulla Jacobsson hatte nach dem Erfolg von „Sie tanzte nur einen Sommer“ (Schweden 1951; Regie: Arne Mattsson) für zwei Filme ein Engagement des Berliner Produzenten Kurt Ulrich angenommen. Kurt Ulrich war durch seine sehr erfolgreichen Kommerzfilme wie „Grün ist die Heide“ und „Schwarzwaldmädel“ bekannt geworden. Verbürgt ist seine Reaktion „Jetzt wollen sie mir fertig machen“ auf die Nachricht, dass die Filmbewertungsstelle einem seiner Filme das Prädikat „wertvoll“ geben wollte. Wegen ihres starken schwedischen Akzentes denkt man zunächst, dass auch Marieke ein Flüchtlingskind ist. Es dauert eine Weile, bis man die Konstellationen der Familie Vogelreuther begreift.

Wolfgang Liebeneiner inszenierte widerstandslos eine Agfacolor-Postkartenidylle nach der literarischen Vorlage von Sudermanns „Johannisfeuer“. Sudermann’s Theaterstück hatte das Potential zu einem heftigen Melodram; hier geriet es nur zur Vorstufe einer Katastrophe. Gern hätte man gesehen, wie die Geschichte weitergeht mit einer unglücklichen Ehe, der gedemütigten Marieke und dem Niedergang des Gutes Vogelreuther.

Nicht verfügbar als Video, nicht verfügbar als DVD
Was nicht in filmportal steht: Dialog-Coach für Ulla Jacobsson: Else Bongers. Standfotograf: Richard Wesel. Dreharbeiten vom 26. April bis Ende Mai im Atelier Tempelhof, Berlin; Aussenaufnahmen im Juni auf dem Gut Dankersen im Weserbergland bei Rinteln.

Freitag, 08.01.2016

6 Richtige – in 35mm

„Es herrscht eine bedenkliche Atmosphäre, die, ohne nackte Unmoral ins Bild zu bringen, jedes moralische Gefühl erweicht und unterhöhlt. An solchen Filmen sollte man nicht achselzuckend vorübergehen, man muss ihre Gesinnung schärfstens anprangern.“ Mit diesem Zitat aus dem Filmdienst macht das Hofbauerkommando neugierig auf: Die Spanische Fliege (1955 Carl Boese). Der Film läuft heute auf dem 15. außerordentlichen Filmkongress im Nürnberger KommKino um 15:00.

Möglich, dass die Berlinale in ihrer 1966-Retro achselzuckend vorübergehen wird an solchen Filmen, deren bedenkliche Atmosphäre seit einigen Jahren schon Neugierige nach Nürnberg lockt. Um so bemerkenswerter, dass das Berliner Zeughauskino heute um 21:00 etwas Interessantes annonciert:

Das gelbe Haus
Das gelbe Haus am Pinnasberg (1970 Alfred Vohrer).

Die Kapitänswitwe Bengta Bischoff lieferte die Literaturvorlage. „In ihrer Sozialwohnung nahe der Herbertstraße. wo die Mädchen sitzen und die Zuhälter walten, erdachte die Rentnerin umflattert von zwei Wellensittichen, eine Geschichte, wie sie noch keinem professionellen Pornographen in den Sinn gekommen ist.“ Das gelbe Haus am Pinnasberg oder Die 36 Eros-Brüder von St. Pauli. Dem Spiegel war die Angelegenheit schon deshalb suspekt, weil der Konkret-Verlag involviert war.

Sonntag 10.1. – am vierten Tag des Hofbauerkongresses läuft Die Perle der Karibik (1981 Manfred Stelzer), die wunderschöne Monarch-Fortsetzung, mit Diethard Wendtland und Alisa Saltzman.
„Der Regisseur selbst bezeichnete dieses Kleinod als ‚traurige Komödie’. Vielleicht im Sinne von Oscar Wilde. Für ihn war das Leben eine Komödie für jene, die denken, aber eine Tragödie für jene, die fühlen.“ (KommKino, Nürnberg, 17:15)

Montag 11.1. – Um 19:00 zeigt das Hamburger Metropolis Re-education-Filme, darunter auch: Frischer Wind in alten Gassen (1951 Fritz Peter Buch). Ein Bürgermeister (Wolfgang Preiss) überlässt Schülern und Schülerinnen für einige Tage die Stadtverwaltung. Als Mittel im Kampf gegen den Untertanengeist. Reenactment tatsächlicher Ereignisse in Eberbach am Neckar.

Dienstag 12.1. – Der Filmclub 813 feiert Jubiläum. Es läuft wie vor 25 Jahren Rote Sonne (1970 Rudolf Thome). Zusätzlich noch die Kurzfilme Zinnsoldat (1968) und Na und? (1966), deren Regisseure, Martin Müller und Helmut Herbst, als Gäste der Feier erwartet werden.

Donnerstag, 07.01.2016

2015

Weil ich fand, meine einsame Liste könne Gesellschaft vertragen, wandte ich mich an einen verlässlichen Listenverfasser:
Stefan Ertl

Neue Filme

ALOHA (Cameron Crowe)
AVENGERS: AGE OF ULTRON (Joss Whedon)
FURIOUS 7 (James Wan)
JOY (David O. Russell)
KNIGHT OF CUPS (Terrence Malick)
MAGGIE (Henry Hobson)
NORTHERN SOUL (Elaine Constantine)
OVATION! (Henry Jaglom)
SHE´S FUNNY THAT WAY (Peter Bogdanovich)
SPY (Paul Feig)

Alte Filme

DAVE ALLEN IN SEARCH OF THE GREAT ENGLISH ECCENTRIC (Robin Brown)
PASSE TON BAC D´ABORD (Maurice Pialat)
PIT STOP (Jack Hill)
LO STRANO VIZIO DELLA SIGNORA WARDH (Sergio Martino)
DIE WAHRE TITANIC (Bruno Sukrow)


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