2004

Montag, 17.05.2004

Stimmungen/Gestimmtheiten

zu ästhetischen Verfahren der Filme
Elephant / Gus van Sant
La fille seule / Benoit Jacquot

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie:

Schwebung

Schwebung bezeichnet die Resultierende der additiven Überlagerung zweier sinusförmiger Schwingungen, die sich in ihrer Frequenz nur wenig voneinander unterscheiden.

Empirie

Die Schwebung beschreibt den Eindruck, statt zweier zusammenklingender Töne einen Ton zu hören, dessen Frequenz der mittleren der beiden Töne entspricht und dessen Lautstärke durch die Differenz der Frequenzen der beiden Obertöne moduliert wird. Übersteigt der Frequenzunterschied ca 20 Hz, vernimmt man einen Ton rauer Klangfärbung, der sich bei weiterer Vergrößerung der Frequenzdifferenz in zwei Einzeltöne aufspaltet.

Wäre das Ohr ein idealer Frequenz-Zerleger, sollte diese Modulation gar nicht auftreten. Eine lineare Überlagerung zweier Frequenzen erzeugt keine neuen Töne (s.a. akustische Täuschung. Nichtlinearitäten des Gehörs erzeugen Differenz-Töne, die objektiv nicht vorhanden sind. Akustische Täuschung).

Mittwoch, 12.05.2004

stimmung

mein hysterisches desinteresse am kino verwirrt mich tag um tag mehr
wenn ich noch dran denke – meist aber denke ich schon gar nicht mehr dran. i forgot to remember to remember. einer anfrage aus wien, c/o berlin, gestern abend verdanke ich ein wiederdrandenken. und leute tauchen auf in meinem kopf, die das kino beerdigten für sich und nur noch gutes über es sagten fürderhin, denn widerspenstiges dem vergangenen nachzurufen tut man nicht. selbst in den eigenen vier wänden und hinterstübchen. and i guess i have to admit that i’m on my way to become one of them

in bielefeld dem leiter des kommunalen kinos lichtwerk damals öffentlich und verachtend vorgeworfen und wirkungstreffer damit erzielt, dass man ihn nie in kinos sehe und er immer nur in der spanne vom umfassendsten zum groteskkommunalsten vom kino zu sprechen vermochte. but to cope with the fact that the cultural legacy of socialdemocratic policy is built on the idea of degradable ghosts takes more than a lucky punch. und dem vergessenen relegierten der 68er-dffb wollte ich einen text machen, doch auch er devitalisierte sich in seinem alkoholisierten sprechen über filme und ihre zeit, und was ich dann noch hätte schreiben können zu ihm wäre wieder nur ruinöse mahnung geworden von gefahr und rettung, in der diese sich schnell suhlt. und im radio werden schirrmachers altersarmeen taxiert

und ich denke beim denken an vs hingabe weiterzumachen mit dem kino, oder die emsigkeit knörers es von allen seiten erfassbar zu halten mit formaten comme il faut, nur noch an die arbeit, die so entstünde, nicht mehr an die lust dabei. und falsche metaphern steigen in den kopf, „verbrannte erde“, zum beispiel, wenn ich daran denke, „dass alles unter seinen seinen händen zerrinnt wie wasser oder sand“. aber auch an das sterntalermädchen und den anderen taumel kann ich noch kurz denken. für es aber und auch für ihn fühle ich mich gerade sehr ungeeignet und bin ganz matt vom sofühlen und lese auch texte nur noch wie man programmmusik hört. in der mail vorher stand hier ein zitat, dass den ton dieser texte wiedergibt, aber nicht unbedingt meine begeisterung für sie. außerdem möchte ich betonen, dass dies nur als stimmungsbericht zu lesen sei,
nicht als credo gegen’s kino

Montag, 26.04.2004

Langtexthinweis

Drei Sequenzen aus „East Side, West Side“ – Über den Eröffnungs- und Abschlußfilm der Filmreihe „East Side – West Side. Schätze aus dem Filmarchiv des MoMa“ (9.5. bis 5.6., Kino Arsenal, Berlin).

Donnerstag, 22.04.2004

langtexthinweis

* Wie man das 21. Jahrhundert erzählt – Michael Girke zu Heinz Emigholzs neuem Buch Das Schwarze Schamquadrat

Mittwoch, 21.04.2004

fernseh hinweis…

… aus einem e-mail-wechsel zwischen michael girke und eckhard schumacher

Lieber Eckhard,
kaum lag der Hörer gestern auf der Gabel, fiel mir ein Filmtipp ein. Falls Du ihn noch nicht gesehen hast: Gus Van Sants „Elephant“, m E ein sehr mutiger Film, ein Stummfilm mit Tonspur, lohnt sehr den Besuch.

Lieber Michael,
ich habe Elephant bereits gesehen, im Original, und fand ihn auch sehr toll, auf der Tonspur, in den Bildern. Und nicht zuletzt auch, weil das, was in allen Feuilletons als so großartig hervorgehoben wird, ja gar nicht stimmt: der Film würde kein Motiv liefern. Warum erwähnt denn meines Wissens NIEMAND die Szene, in der der, der später Klavier spielt, mit widerlichem Papiersabber beworfen wird? Erst dadurch wird der Film für mich richtig gut: Er gibt Hinweise für mögliche Motive, lässt ihre tatsächliche Relevanz aber offen, macht, genau, keinen Elephanten daraus. Bin vor diesem Hintergrund ziemlich gespannt auf die Erfurtdoku, heute abend, 23 Uhr, ARD. [Amok in der Schule, Die Tat des Robert Steinhäuser“ Mittwoch, 21.4.04. – 23:00 Uhr – ARD]

Lieber Eckhard,
ja, ja, ja, ja…Elephant steckt über und über voll von Wahrnehmungen/Hinweisen Van Sants.
Wie im Stummfilm: Wenn in der Wohnung der beiden Schützen PC-Game gespielt wird, ganz, ganz kurz…und dann, Schnitt, ist man wieder im Schulflur, da ist bei mir vor Spannung jedes Körperhäärchen Filmzuschauer geworden. Denn: es ist gerade nicht, (wie’s aus Möchtegernelefantensicht vielleicht beliebt wäre), allesklärend festgestellt, PC-Spieler sehen ja mit den Augen von Serienmördern; nein, es ist nichts als eine von vielen Beobachtungen, die zu einer Diskussion dazugehören…vor allem aber bewegt sich ab da, vom Schnitt beabsichtigt, vorwärts und rückwärts durch den ganzen Film, so etwas wie ein Grusel vor dem eigenen Sehen…ich komme gleich darauf zurück.
Dann: Elephant ist wie Charlie Brown. Da gibt es Eltern nicht, genauer, nur als unverständliches Tröten; in Elephant gibt es sie nicht als Eltern (um den Trinkervater muss sich ja der Blonde kümmern, bei einem anderen packen Eltern ein Schulbrot und begründen, warum sie keine Zeit haben an diesem Tag, in dieser Woche, in diesem Jahr, in diesem Leben…). Was für eine Welt ist das…so ist der ganze Film einer über Orientierung. Und so hört man dann den Film, die Schule, den Raum…das ist unglaublich gut…wenn dann die angedeuteten Täter Nazis im TV sehen und deren Scheiße-Sein lässig, aber dabei ungeheuer sensibel, beobachten, da hab ich fast geheult (obwohl oder weil die Elephantinszenierung es überhaupt nicht auf so etwas angelegt)…weil der Film wie ein Windhauch flüsternd mitteilt, dass das da im TV „das Böse“, das wir/alle bei der Betrachtung des Films und überhaupt so verzweifelt Dingfest machen wollen, nicht ist; es ist nur ein Gespenst der Deutlichkeit, von dem, und damit von 99,5 Prozent von all dem zu Fragen von Gewalt-Eltern-Kinder-Schule-Medien Gesendeten, Van Sant einen notwendigen Abschied filmt.
Zum Blicken noch kurz: Ab dem oben erzählten Schnitt ist klar, die Kamerafahrten, die Wiesen, Flure, Zimmer, Büros, die Menschen, wir haben alles aus Gameeinstellungen gesehen. Das heißt einfach: nicht mit fertiger Psychologie, Jugend, Schule, Hysterie, Gesamtlage im Kopf, was uns sonst unsere Bilder vorauseilend inszeniert. Wenn das alles nicht da ist, was sehen wir dann noch von der Welt…weniger als jeder Serienmörder…wir sind drin im Game…der Mensch mit dem ich den Film sah, meinte, der Film fängt einfach an und hört einfach auf, das sei ja ein leerer Film…dessen Blick hat die Schüler genauso erledigt, wie die Gewehre der Jungs. Nicht gesehen: Das Weinen des Blonden, waren Filmtränen jemals aussagekräftiger (wenn der am Ende gestorben wäre, wäre ich mit gestorben; und damit die ganze Balance des Films; das weiß Van Sant natürlich). Die Gewehre der Jungs sind Verwandte dieser Tränen…sagt die Plazierung der Figuren im leeren Raum…auch das nur als Windhauch, wirklich Filmkunst, das alles. Nicht gesehen: ganz und gar nicht, niemals, sind die drei Schlankheitsgirlies banal; wenn die auf dem Klo erledigt werden, entscheidet sich, ob man den Film als ein Mensch sieht, oder, ob einem die Klischees oder die eigene Blindheit jede Sensibilität weggepustet haben. Auch das sage nicht ich, das legt der Film nahe.
Was mich endgültig einnimmt: Dieser Film ist engagiert, er ist auf jeder Schülerseite, was die Schützen selbstverständlich einbezieht. Danke Gus Van Sant.

*
Zärtlicher Zusatz:
Die Position der Figuren im leeren Raum habe ich eben gesagt. Wovon leer? Von liebenden Eltern/Erwachsenen/Menschen…von Zärtlichkeit und Mitgefühl…die einzigen Szenen, in denen es etwas davon gibt: wenn der Blonde von einer Mitschülerin im Vorbeigehen getröstet wird, und, ganz zentral, wenn die Täter sich küssen und streicheln unter der Dusche…Anti-„Psycho“-Duschszene…eine der Stellen im Film, von der aus gesehen, die Elephant-Welt so steril, so abtötend ist in ihrer Aufgeräumtheit. Sich in schönen, leichten, gleichgeschlechtlichen Berührungen und Küssen kurz findende, sensible Serienmörder; wenn ich diese Worte als Drehziel in einen Förderungsantrag für einen Film geschrieben hätte, würde mir ein Vogel gezeigt. DESWEGEN ist „Elephant“ kein Genre, deswegen artikuliert er so etwas stumm; auch um sich dem Kitschverdacht nicht auszusetzen…und es gelingt. Aber sind Bilder jemals stumm…für Van Sant nicht…dass am Ende das einzige klassische Liebespaar erschossen wird, nein, es wird bedroht, der Film endet…gleich sterben auch die Liebenden…das ist doch (bei allem Hauch, bei aller Balance) ein mit dem Vorschlaghammer gefilmtes „Bitte eingreifen, Bitte verhindern, Bitte hinsehen und Zustände ändern.“ Dass niemand nirgendwo über die vermisste und vorhandene Zärtlichkeit und Liebe in diesem Film spricht, macht, dass man die Realität als Teil von „Elephant“ empfinden kann.

TV-Hinweis, last minute

Mittwoch, 21.4., 23.15 h, WDR

Vladimir Günstig – eine trojanische Affäre
(Deutschland 2004, Regie: Hellmuth Costard)

Unglauben beim Blick in die Programmzeitschrift: Costard… 2004?!

Aufklärung dann im letzten Satz des Begleittexts: „Dies höchst eigenwillige Vermächtnis des ‚Filmrebellen‘ Costard (1.11.1940-12.6.2000) wurde nach seinem Tod in dessen Schnittcomputer gefunden.“

Dienstag, 13.04.2004

* Langtexthinweis

„Katastrophe und Kontingenz.“ Ein Gespräch über Gus van Sants Film „Elephant“, gekürzt erschienen in der Jungle World 16/2004.

Sonntag, 04.04.2004

Eustache

CINÉMA, the new magazine from Bernard Eisenschitz and Dominique Paini, two of the most enterprising and trailblazing figures in French movie culture, has taken the unprecedented step of including a free DVD of a restored film with each new issue. The latest will include JEAN EUSTACHE’s long unavailable final film, „Offre d’emploi““

[via Film Comment E-News]

Sonntag, 28.03.2004

Arbeit [= Hände III]

„Für uns ist auch die Idee wichtig, Dinge durch Arbeitsprozesse zu vermitteln. In Le fils besteht darin die eigentliche Arbeit: jemandem etwas zu vermitteln, in dem man ihn mit den Arbeitsabläufen und Gesten eines Schreiners bekannt macht. Das ist ein Prozess des Lehrens und Lernens. Ein bisschen wie beim Schreiben, wie beim Schreiben lernen, auch das ist eine Arbeit. Sie besteht darin, etwas Neues entstehen zu lassen. Einen Stoff, einen neuen Stoff zu formen, einen Stoff umzuformen.

[…]

Darum ging es in allen Diskussionen: bloß nicht den selben Beruf ergreifen. Nicht das machen, was der Vater gemacht hat! Man sollte was Besseres werden: keine manuelle Arbeit, eine intellektuelle Tätigkeit war besser als ein Handwerk. Man hat die Arbeit mit den Händen immer gering geschätzt. Heute sitzt man vor seinem Computer, guckt auf den Bildschirm und darin besteht die Arbeit! Man vergleicht zwei Daten und trifft dann eine Entscheidung, indem man einfach mit der Maus klickt. Das Wesen der Arbeit hat sich verändert, soviel steht fest. Und das zu filmen…“ (Luc Dardenne)

Quelque chose qui résiste au regard – ein längeres Gespräch mit Luc und Jean-Pierre Dardenne ist in der aktuellen Ausgabe von Hors Champ zu lesen.

Mittwoch, 24.03.2004

TV Hinweis

Selten genug im Fernsehen zu sehen: Filmreihen zu Kameraleuten

Kamerafrau Agnès Godard, dreiteilige Filmreihe im WDR

ab heute immer Mittwochs:

24.3.2004, 23.15 h
Nenette und Boni
(Nenette et Boni, Regie: Claire Denis, F 1995)

31.3.2004, 23.15 h
Dem Paradies ganz nah
(Au près plus du Paradis, Regie: Tonie Marshall, F 2002)

7.4.2004, 23.15 h
Die neue Eva
(La Nouvelle Eve, Regie: Catherine Corsini, F 1998)


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