Zu Cristina Nords Artikel „Notizen zur Berliner Schule“ vom 7.7.07 würde ich gern ein paar Anmerkungen machen. Vorher muss ich betonen, dass ich Cristinas engagierte Arbeit schätze und sie für eine aufmerksame und wohlwollende Beobachterin der in ihrem Artikel erwähnten Filme halte. Doch in einigen Punkten habe ich eine dezidiert andere Meinung als sie.
Ich bin einer der Betreiber des Berliner Kinos fsk und, in diesem Zusammenhang wichtiger, des Filmverleihs Peripher. U.a. verleihen wir Filme von Thomas Arslan, Valeska Grisebach, Christian Petzold, Angela Schanelec, Maria Speth und Henner Winckler, also der Regisseure, die Filmkritiker in die Tüte mit der Aufschrift „Berliner Schule“ gesteckt haben.
Diese ist (und das halte ich für wichtig) kein Zusammenschluss von Künstlern wie etwa der der Verfasser des Oberhausener Manifests, sondern eben eine Etikettierung durch die Filmkritik. Dieses zunächst gehätschelte und gelobte Kind ist nun bei seinen eigenen Eltern in Ungnade gefallen. Das Resultat scheint mir verheerend. Es geht ja nicht darum, dass ein einzelner Film eines bestimmten Regisseurs nicht so gut besprochen wird wie seine anderen – damit muss ein Filmverleiher leben – sondern um die Behauptung einer gleichzeitigen Krise der meiner Meinung nach derzeit radikalsten und besten deutschen RegisseurInnen, und das allein deshalb, weil sie blöderweise gemeinsam in einer Tüte hocken, in die sie überhaupt nicht hinein wollten. Diesen Tüteninsassen werden nun gleichzeitig Erstarrung, Wiederholungen und Manierismen vorgehalten. (Andreas Kilb bringt es in seiner Besprechung von „Ferien“ in der FAZ sogar fertig, Thomas Arslan in einem Absatz die Öffnung für Neues nahe zu legen, um ihm dann in einem der nächsten zu raten, bei seinem Leisten, sprich den Berliner Türkenkids, zu bleiben, schließlich sei die Uckermark schon Rudolf Thomes Revier. Herrje!)
Es geht nicht darum, alle zehn Jahre etwas interessantes Neues zu erfinden, sondern darum, den ganzen Laden umzukrempeln, radikal alten Plunder über Bord zu werfen, wie etwa das Erzählen eines Plots, das Schuss-Gegenschuss-Filmen von Dialogen, die schnellen Schnitte, die Musiksauce über den Bildern – um nur Einiges zu nennen – und sich dann treu zu bleiben, sich eben nicht für Teile des Alten zu öffnen (wie Cristina das bei Petzold positiv anmerkt, wenn er plötzlich Humor in sein Repertoire aufnimmt – hat eigentlich irgend jemand schon mal in einem Film z.B. von Robert Bresson gelacht?), sondern seine wiedererkennbaren Eigenheiten zu behalten.
Kein Mensch wäre doch auf die Idee gekommen, etwa Georges Bracque vorzuwerfen, sein Kubismus erstarre nun langsam, ob er nicht etwas Neues machen wolle, oder Arnold Schönberg zu fragen, ob er das mit den 12 Tönen nicht langsam für einen Manierismus halte und sich besser einem 13. oder gar 14. öffnen wolle. Ein Stil ist ein Stil, mit dem beschreibt ein Künstler die Welt. Wenn er konsequent ist, sein Leben lang. Als Kritiker kann man den mögen oder ablehnen, aber nicht nach 3-4 Filmen behaupten, dieser einst gelobte und bewunderte Stil sei nun plötzlich nicht mehr gut, sondern maniriert. Anders, mit einem Zitat von Diedrich Diederichsen zur Musik von Mark Smith und „The Fall“ ausgedrückt: Eine brillante Idee reicht für das Leben eines Mannes völlig aus.
Kaum eine negative Kritik zu „Ferien“, die nicht durchblicken lässt, dass mit „Nachmittag“ von Angela Schanelec, den wir im Oktober herausbringen werden, ähnlich verfahren werden wird. Obwohl dies zwei völlig voneinander unabhängig entstandene Filme zweier eigenständiger Künstler sind, wird ihnen eine gemeinsame Krise unterstellt. Was sollen wir tun, die Filmkopien gleich vor dem Start einmotten? Was wird mit den zukünftigen Filmen etwa von Köhler, Grisebach oder Winckler geschehen? Wollt Ihr so was noch sehen? Ich weiß, dass Filmkritik keine Werbung ist, aber ohne die leidenschaftliche Unterstützung einiger gescheiter Kritiker können wir einpacken. Das Publikum von Filmen wie „Irina Palm“ oder „Sommer vorm Balkon“ wegzulocken, ist ein gewaltiger Job und meines Erachtens gemeinsame Aufgabe aller engagierter Cineasten, allein schaffen wir das nicht.
Und die nur 5000 Zuschauer trotz aller Kritikerliebe, von denen der von Cristina zitierte Oskar Roehler in populistisch-süffisantem Antiintellektualismus spricht (hier ist er sich einig mit seinem Filmakademiepräsidenten Rohrbach, der darüber jammert, dass Valeska Grisebachs „Sehnsucht“ trotz seiner relativ wenigen Zuschauer genau so viel Aufmerksamkeit bei der Filmkritik bekommt wie der von ihm produzierte Mist mit seinen vielen Zuschauern), braucht es schon, um einen Film heraus zu bringen. Die kriegt er aber keinesfalls, wenn allerorten behauptet wird, dass die besten einer ganzen Generation von Regisseuren leider alle gleichzeitig in eine schlimme Schaffenskrise geraten sind. (Roehlers Ausführungen sind doppelt dumm, nicht nur, dass er sich auf seine Zuschauerzahlen offenbar was einbildet, er scheint auch vollkommen zu ignorieren, dass leider immer noch gilt: je blöder der Film, desto mehr strömts hinein.)
Manchmal fühlen wir uns ganz schön einsam mit unseren Filmen.
– Klaas Köhnke –