Eigentlich sollte, Anlass natürlich das Jubiläum von 68, darüber diskutiert werden, wie man Filme politisch macht statt politischer Filme. Irgendwann aber ging es, was für die ganze Diskussion leider bezeichnend war, um tote Bulgaren.
Das war im Arsenal am letzten Samstag. Aller Ehren wert war zuvor immer wieder die Ratlosigkeit, wenn sie im Raume stand, etwa bei Äußerungen des Filmemachers Ulrich Köhler, der keine politischen Filme machen will, sich aber ganz gewiss dennoch als politischer Filmemacher begreift. Und die Frage, ob man der schieren ästhetischen Radikalität eines Filmemachers wie Albert Serra, der so ziemlich alles, was das große Publikum vom Kino erwartet, verweigert, um ein anders Publikum, das sich darum unversehens als elitär zu begreifen genötigt scheint, umso reicher zu beschenken, die Frage also, ob man der Radikalität des Ästhetischen einen Aspekt abgewinnen kann, der sinnvoll als politisch zu bezeichnen wäre, diese Frage wurde gestellt, aber um eine klärende Antwort wurde dann entschieden nicht lange genug gerungen. Es schien aber, als sei im Verhältnis dieser beiden als solche gar nicht recht kennlich werdenden Positionen die alte, die nun wirklich sehr alte Frage nach dem Verhältnis einer politischen zu einer ästhetischen Linken gespenstisch zurückgekehrt; gespenstisch, weil sie als Wiedergänger in die veränderte Gegenwart gar nicht zu passen scheint. Eine Gegenwart, in der sich aus den Trümmern der alten ästhetischen Linken etwas, das sich, selbst diffus genug, als Pop-Linke konfiguriert hat, den alten Kulturindustrievorwurf in sich aufhebend; oder sich selbst und alles Linke, wie es von der anderen Seite scheinen kann, in der Kulturindustrie aufhebt.
Von selbst verstand sich fürs Podium – und nirgends, auch in mir nicht, ein Widerwort -, dass wir links sind. (Wir. Links.) Und dass politisch zu sein im richtigen Sinne heute wie 1968 heißt, links zu sein. Unklarer schon, ob das einzig im Modus des Wir-Seins geht und welche Kräfte durch den Modus des Ich-Seins zu mobilisieren sind. Und noch viel unklarer, ob man ausdrücklich und unmissverständlicher Weise die Verhältnisse umstürzen wollen soll oder erst einmal über die Produktionsbedingungen beim Filmen (und darüber hinaus beim Sprechen und Schreiben und Denken über die Filme) reflektieren; oder ob das eine nicht ohne das andere geht; oder ob der politische Wille zum Umsturz/zur Veränderung der Verhältnisse als Wille zum Widerstand gegen die Konvention in eine ästhetisch-politische Form direkt oder indirekt – also grundsätzlich: überhaupt – überführt werden kann.
Ob etwa ein Begriff wie Subversion, der beides recht unbefangen einst zusammenzudenken erlaubte, seit längerem aber, und mit Grund, abgewirtschaftet hat, in irgendeiner Weise noch zu retten ist; oder ob ein ästhetischer Widerstand mit einem politischen nicht notwendig, sondern nur im Werk von Straub oder Godard oder Farocki (etc.) nicht zufällig, aber doch im Schein eher einer Notwendigkeit als in einem wirklichen logischen Junktim zusammengeht; ob, die Beispiele wurden genannt, die Werke von ästhetisch recht besinnungslosen, politisch aber effektiven Regisseuren wie Ken Loach oder Michael Moore oder Errol Morris auf irgendeiner, wenn auch nicht ästhetischen Ebene zu begrüßen sind; ob umgekehrt die Filme von politisch indifferenten, ästhetisch aber wagemutigen Regisseuren als politische Geste gerade in ihrem radikal apolitischen Gestus zu appropriieren wären. (Aber wofür?)
Ob Rancière weiterhilft, Schüler Althussers und vielleicht nur ein weiterer in der Reihe französischer Philosophen, die in eleganter Ziselierung von Denkfiguren von aller Konkretion immer schon absehen und so sich leichterdings radikal gebärden können; oder ob etwa Agamben etwas bringt (von dem dann gestern Abend bei einer anderen Veranstaltung, über die noch zu berichten ist, die Rede war), ob also der Heideggo-Benjaminianer Agamben hilft, der zart erklügelte, der Sprache sanft abgelistete Wege ins Offene sucht, die dann, sind sie heraus, plötzlich sehr rabiat tun; oder ob man doch gleich zurückmuss zu Marx, an dessen ökonomischen Analysen die ästhetische Linke, offen gesagt, immer ein wenig den ästhetischen Appeal vermisst hat; ob eine marxistische Linke weiterhilft, die die Ästheten dafür verachtet, dass sie sich nicht zur klaren marxistischen Analyse durchringen wollen oder können und ihre Zeit mit jenen Oberflächen-Kinkerlitzchen und Formfragen vertun, auf die es ihnen, fragt man sie selbst, dann auch wirklich so ankommt, als seien sie nichts anderes als die Sache selbst; ob also irgendwo in diesem Feld die Frage, was es heißt, Filme politisch zu machen, sinnvoll zu stellen und dies Feld strukturierend gar zu beantworten ist, das blieb am Samstag leider auf recht unbefriedigende Weise offen.