Februar 2009

Dienstag, 24.02.2009

Donnerstag, 12.02.2009

[…] (12)

Mit sechzehn sei er zuhause ausgezogen, sagt der Junge mit den kurzen Haaren und der Tätowierung auf dem Oberarm, die durch das Unterhemd gut zur Geltung kommt, um dann nach kurzem Zögern hinzuzufügen: „zwecks Problemen“.

[Neustadt. (Stau – Der Stand der Dinge), D 1999/2000, Regie: Thomas Heise, MDR-Fernsehmitschnitt, VHS]

Montag, 09.02.2009

Die blaue Bart

»Finden Sie, dass Märchen, in denen Frauen umgebracht werden, etwas für kleine Mädchen
sind?« »Selbstverständlich! Ich habe solche Märchen geliebt, als ich ein kleines Mädchen war und Sie sehen ja, was aus mir geworden ist.«
Breillats Selbstbewusstsein artikuliert sich in Barbe Bleue so: Zum einen entspannt im Umgang mit historischen Kostümen und Requisiten, atmenden Toten und verwackelten Aufnahmen. Die Statisten können den Tanz noch nicht so recht, aber es geht ja auch nicht um Naturalismus, sondern um diese bestimmte Spielweise, die kleine Mädchen wählen, wenn sie auf dem Dachboden wie Prinzessinnen schreiten. Und zum anderen dann präzise in der Weise, wie man einen Wald durchquert, wie ein Schloss auftauchen muss, wie Einstellungswiederholungen einen Treppenturm übermenschlich hoch werden lassen. Wie sie ein Märchen sich abspulen lässt bis zum Schlussbild, das ein Gemälde ist und auch ein Buchdeckel, von dem aus sich die Geschichte erneut öffnen lässt, mit anderen Kleidern, Kutschen und untoten Vätern.

[…] (7)

Put on your Sunday clothes, there’s lots of world out there
Get out the brillantine and dime cigars
We’re gonna find adventure in the evening air

[Hello, Dolly!, USA 1969 Regie: Gene Kelly, Berlinale 70mm-Retrospektive, Fr, 13.02., 22:30, International]

Sonntag, 08.02.2009

[…] (3)

Unter der ewigen Sonne. – In der immer größer werdenden Hitze. – Jeden Tag aufs Neue. – Die immer gleichen Gesten. – Die Pyramiden aus Salz.

Eindringlicher, fast liturgischer Tonfall. 1959: Salzgewinnung in der Lagune vor der venezolanischen Halbinsel Araya. Die Gesten und Bewegungen haben sich seit 400 Jahren nicht geändert. Vom Kosmologisch-Historischen ins Familiäre geht die Erzählbewegung des Films, und dann entlang den beiden einzig möglichen, ineinander verschränkten Tagwerken: Fischfang und Salzgewinnung. Alles kommt aus dem Meer.

Das prononcierte Spanisch des Sprechers ist simpel und insistierend. Wie eine Beschwörungsformel. Es gibt darin nur zwei Modi: Benennen und Wiederholen. Archaische Sprachgesten begleiten archaische Körpergesten; beides geschieht so systematisch, dass daraus ein Mantra wird.

Die Gesten der arbeitenden Menschen kann man sehen; anders als die Hitze, in der sie die Salzplatten aus der Lagune lösen, die Boote vorwärtsschieben, die Salzpyramiden aufschichten, die Netze ausbessern. Nur an einer Stelle kommen Text und Bild zusammen, das ist der einzige Moment, wo sich der Text einen Schritt ins indirekte und Metaphorische erlaubt so wie man tastend den Zeh in kaltes Wasser taucht. Die Körper seien idénticos con las sombras, sagt die Stimme, identisch mit ihren Schatten, und tatsächlich: Den Mann, der den Korb auf dem Kopf balanciert, begleitet keinen Schatten. Wir sehen: Die Sonne steht im Zenit.

[Araya, Regie: Margot Benacerraf, Venezuela/Frankreich 1959, Berlinale Forum, am 14.2. um 21.30 Uhr im Delphi]

Samstag, 07.02.2009

Yes Man

„Stellen wir uns in einem phantastischen Roman einen Menschen (einen Helden oder Heiligen) vor, der krankhaft unfähig wäre, nein zu sagen, und deshalb außerstande wäre, jemandem irgend etwas abzuschlagen. Stellen wir uns vor, wie grotesk und dramatisch zugleich sein Leben verliefe (daraus ließe sich gut eine Fabel à la Voltaire machen) → Sich weigern: eine Frage auf Leben und Tod“

[Roland Barthes: Die Vorbereitung des Romans, 2. Das Werk als Wille, Sitzung vom 19. Januar 1980, Kapitel III: Zweite Prüfung: die Geduld, Unterkapitel Vita Nova, Abschnitt Schutzmaßnahmen, Rubrik Weigerung]

Freitag, 06.02.2009

Jungen und Mädchen und Kartoffelsalat

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Im Schlussquartal 2008 brach der Gewinn des weltgrößten Spielzeugherstellers Mattel um 46 Prozent ein. Dabei wird Barbie (* 1959) gerade interessant. Wir erinnern uns: Vor drei Jahren wies eine Studie der renommierten Universität von Bath in der westenglischen Grafschaft Somerset darauf hin, dass elfjährige Mädchen gerne Barbies „foltern“. Zivilrechtsprozesse gegen einen ganz ähnlich agierenden Fotokünstler aus Utah hatte die Firma Mattel verloren. So irritierend die Freude am Entkleiden, Enthaaren und Enthaupten der Puppe auf Erwachsene wirke, für Kinder sei das alles, laut der englischen Studie, nur der fantasievolle Umgang mit etwas nutzlos gewordenem. Anders aber als Mädchen entwickeln Jungen zu ausgedienten Spielzeugfiguren keine aggressiven, sondern nostalgische Gefühle.
Auf einem der zahlreichen schönen Gemälde von Monika Malewska, ausgestellt im Juniata College Museum in Huntingdon, Pennsylvania, war Barbie und das Knack&Back-Männchen ein hübsches Paar. Das gefiel mir.

In bisher ungeklärtem Zusammenhang empfehle ich diesen erstaunlichen Filmausschnitt auf der Webseite des Radiosenders WFMU. Es geht um Kartoffelsalat.

Und außerdem sagt Camille Paglia, die ein tolles Buch über THE BIRDS geschrieben hat: „Yes, I still like Sarah Palin!“ – – – Kann ich verstehen.

[…] (2)

Da ist dieses Mädchen in meinem Linguistik-Kurs, sagt der College-Junge zu seiner Jugendfreundin, die er seit Ewigkeiten (»since 8th grade«) kennt. Die beiden sitzen im Schneidersitz im Gras. Sommerferien, Kartenspiel, er kann die Menge der Karten kaum in einer Hand halten. Ich weiß nicht, wie ich an sie herankommen soll. Einmal haben wir uns fast geküsst. Kennst du das? Wenn sich zwei Blicke streifen und aneinander hängen bleiben? Für zehn, fünfzehn Sekunden, wirklich lange? Aber dann hat sie weggeschaut.

Während er das seiner Jugendfreundin erzählt, in den Sommerferien, im Gras, schaut er ihr in die Augen, für zehn, fünfzehn Sekunden, wirklich lange.

[The Exploding Girl, Regie: Bradley Rust Gray, USA 2009, Berlinale Forum, heute um 19.30 Uhr, CineStar 8 und vier weitere Termine]

[…] (1)

Wir müssen uns langsam auf die Landung vorbereiten, sagt der psychisch Kranke zum Arzt, ich habe noch zwanzig, dreißig Jahre zu leben. Der Arzt nimmt einen Zettel und malt zwei überlappende Kreise, einen kleinen links und einen großen rechts. An den linken zeichnet er die japanischen Schriftzeichen für »Kindheit / Alter«, an den rechten die für »Erwachsensein«. Dann fügt er noch ein paar angedeutete Pfeile auf der Linie des rechten Kreises hinzu, so dass von der Kindheit ausgehend eine Richtung angedeutet ist, die nach dem Durchlauf durch den Kreis wieder beim Alter landet.

Aber wo ist der Tod, wundert sich der Patient.

Der Arzt beginnt eine zweite Zeichnung, wieder mit den gleichen Schriftzeichen, aber anders verteilt, mit dem Unterschied, dass nun ein gerader Strahl von der Kindheit zum Alter führt. Das Schriftzeichen für »Tod« macht er ein paar Zentimeter von diesem Strahl entfernt; der Tod ist wie ein Sprung aus der Achse heraus. Welche Zeichnung gefällt Ihnen besser, fragt er den Patienten. Die mit den Kreisen, antwortet der Patient.

[Mental, Regie: Soda Kazuhiro, Japan 2008, Berlinale Forum, 6.2., 18.00 Uhr, Arsenal 1 und weitere Termine]

Donnerstag, 05.02.2009

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