Juni 2009

Dienstag, 30.06.2009

Have seen worse

Ein Buch, das Samuel Beckett ins Kino begleitet, führt uns auch in das nationalsozialistische Deutschland von 1936: „Her Kraft durch Freude conversation kills me.“, schreibt Beckett über eine ihm zugeteilte Begleiterin, mit der er den Film „Verräter“ von Karl Ritter sieht, der als „Born sittlicher Kraft“ gefeiert wurde und sowohl ein großes Publikum als auch die nationalsozialistische Führung zufrieden stellte. Beckett notiert in seinem Tagebuch angewidert: „Poor Ufa Film (Der Verräter), all the stale Chinoiseries of take & cut.“ Die Autorin Carola Veit ermöglicht uns diese aufregende Zeitreise, weil sie dem Einfluss des Kinos auf Becketts Werk nachgehen will und sein Tagebuch während einer halbjährigen Bildungsreise nach Deutschland darüber viele Aufschlüsse gibt. Es sind nicht nur deutsche Filme, denn es gab noch zugelassene ausländische Werke zu sehen,  aber das Angebot zeigt die brutale Säuberung der Filmindustrie. Es ist unheimlich und komisch zugleich, wie Beckett sich in der Diktatur konsumierend bewegt,  mit seinen Kurzkommentaren sich die Machwerke vom Leib hält und die wenigen goutierten Filme respektiert. „Have seen worse“, anlässlich von „Premiere“ von Geza von Bolvary,  ist zum Beispiel ein Lob. Der volle Überraschungseffekt ergibt sich aber nur durch die Vorarbeit der Autorin, die mit Filmnacherzählungen und politischen Hintergründen all das liefert, was man braucht, um die Lakonie der Eintragungen zu verstehen.

Unbedingt empfehlenswert.   

Carola Veit, Die Kraft der Melone, Samuel Beckett im Kino, 2009, Reihe Filit im Verbrecher Verlag, herausgegeben von Rolf Aurich und Wolfgang Jacobsen,  11 €

Montag, 29.06.2009

Fast doors closing are fun

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Ein kurzer Auszug aus dem »RAIDERS OF THE LOST ARK Story Conference Transcript, January 23, 1978 thru January 27, 1978«. Die Gespräche führten George Lucas (G), Steven Spielberg (S) und Lawrence Kasdan (L). Die Hauptfigur heißt zu diesem Zeitpunkt noch Indiana Smith. Film History in the making. 126 Seiten, PDF hier.

Samstag, 20.06.2009

Viva Knievel!

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Allein schon Joe Dantes überzeugende Art von THEM! zu schwärmen, dann dieses famose Horn-Testing-Department mit dem schönen italienischen Titelsong und der irre Auftakt von SLAUGTER’S BIG RIP-OFF auf der destructible man Webseite, wo man sich dem gefälschten Tod widmet, – das reichte aus. Ich sah mich veranlasst, eilig ein paar verstaubte Bücher und Hefte aus dem Regal zu zerren, und endgültig der Devise folgend, nur noch das absolut Überflüssige zu erledigen, las ich alles, was ich fand, über Gordon Douglas.

Peter Bogdanovich: „Pieces of Time“, 1962: Gordon Douglas, a contract director in a white captain’s Cap, on the set of CLAUDELLE INGLISH as an army of technicians puts the final touches on a setup: „It’s kinda not as much fun as it was in the old days. Too many people.“ … After a short rehearsal of the scene with the actors, and three or four loud requests for less noise from the technicians, Douglas walked jauntily past me as further noisy adjustments were being made, and mumbled from the corner of his mouth: „It’s all a lot of shit, isn’t it?“

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IMBD-Nutzer Ralph Louis Vitale: … this strange and sensational movie that is both dime novel trash and classic drama. … If I told you what happens in the movie you would not believe it; but I saw this near-exact drama play out in my own neighborhood some 15 years after this movie.
Too bad my 10 star rating is virtually pointless. The critics trashed this film when it came out and Warner Bros were clueless of its merits.
CLAUDELLE INGLISH ist ein Lieblingsfilm auch von John Waters. Ist aber Gordon Douglas der Lieblingsregisseur von Irgendjemandem?

Er fing an mit den „kleinen Strolchen“ und Laurel & Hardy, machte zwei der besten, späten Cagney-Filme, KISS TOMORROW GOODBYE und COME FILL THE CUP, drehte mit Alan Ladd (4 mal), mit Doris Day, Liberace, Elvis, Carrol Baker, Bob Hope, Jerry Lewis, Sinatra (5 mal) und (einmal) mit riesenhaften Ameisen, in fast 40 Jahren mehr als 60 Filme, meist zwei pro Jahr, sogar noch in den Sixties, in der „Krise“. Krimis, Komödien, viele Western, einen in 3-D. „Versuchen Sie nicht sich alle meine Filme anzusehen“, hat er seine Fans gewarnt, „Sie wären vom Kino angeekelt. Ich habe eine sehr große Familie zu ernähren und nur selten einen Stoff zur Hand, der mich wirklich interessiert.“
Mag sein. Aber schauen Sie sich die 43 Minuten lange Hal Roach Produktion NIAGARA FALLS an, – Sie werden begeistert sein. Slim Summerville und Zasu Pitts sind in den Nebenrollen die Hauptattraktion (das gibt es oft bei Gordon Douglas). Quicklebendig“ und „funkensprühend“ sind die passenden Adjektive. Durch welche Umstände ein kleines Meisterwerk wie dieses wohl „public domain“ wird und dennoch begraben bleibt?

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Im Western Lexikon von Joe Hembus stehen die schönsten Sachen über Gordon Douglas. Über THE DOOLINS OF OKLAHOMA von 1949: „Ein Film mit einem langen Atem und ohne Langeweile.“ Hembus lobt die „sorgfältig angelegten Aktionen und schönen Panoramen“ im 3-D Western THE CHARGE AT FEATHER RIVER von 1953. Und: „Wo die Dramaturgie aussetzt, springt Rossana Podesta mit ihrer Schönheit ein“ (in SANTIAGO, 1956). „Zwischen langen Phasen der Routine bekommt Gordon Douglas schöpferische Perioden, was auch von seiner Begegnung mit den richtigen Partnern abhängt. FORT DOBBS (1957) gehört zu den Filmen, die er nach Drehbüchern des vorzüglichen Burt Kennedy mit Clint Walker in den Hauptrollen inszenierte.“

THE FIEND WHO WALKED THE WEST (1958) klingt interessant: „Ein feingeschliffener Psychopathen-Western, der Gordon Douglas‘ Anlagen zum Sadismus hilfreich entgegenkommt.“ Deutscher Titel: Der Killer mit der sanften Stimme. In der Titelrolle: Robert Evans! The wealthiest man in the world, der in Henry Kings THE SUN ALSO RISES umwerfend war als Torero.

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Zu YELLOWSTONE KELLY von 1959 zitiert das Western Lexikon Jean-Louis Rieuperout: „Der zurückhaltende, trockene Stil, der sich auch den Versuchungen der wilden und majestätischen Schönheit des natürlichen Dekors versagt, kompromittiert an keiner Stelle die ästhetische Qualität eines Films, in dem Sensibilität und Intelligenz sich gegenseitig den Rang ablaufen.“

Versuchungen hier, Versuchungen da. „Der Schluss (von GOLD OF THE SEVEN SAINTS aus dem Jahr 1960, in Scope und Schwarzweiss) erinnert (Hembus) wie die ganze Geschichte an John Hustons Schatz der Sierra Madre, aber der Film braucht sich dieser Patenschaft nicht zu schämen: er hat das richtige Gefühl für das Abenteuer, das um seiner selbst willen bestanden wird, für den Humor von Helden und Gaunern, die für alle Versuchungen anfällig sind, und für den Spaß an weiten Landschaften, die man mit dem seligen Gefühl der Freiheit durchquert.“

1964 dann RIO CONCHOS. „Der beste unter den vielen Western von Gordon Douglas ist einem Haufen verkommener und halbverrückter Kerle gewidmet, die sich mit Gusto in rohe und grausame Beziehungen zu Gruppen von Banditen, Rebellen und Indianern werfen, die genausoviel Spaß an rücksichtslosen, brutalen Aktionen haben wie sie selbst. Wahnsinn liegt in der Luft; wahnsinnig ist die Bravour, mit der man sich in schnelle selbstzerstörerische Auseinandersetzungen stürzt; wahnsinnig sind die tollen Launen, mit denen man schindet und geschunden wird, wahnsinnig ist die glühende Landschaft, in der man, um den Spaß komplett zu machen, an allen Ecken und Enden noch Feuer legt; komplett wahnsinnig ist schließlich der Rebellen-Colonel Pardee, dessen Hauptquartier aus der Fassade eines Südstaatenhauses besehht. Ein Film der sein Delirium genießt.“ (Joe Hembus, Western Lexikon, 1976)

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„Viktor von Weizsäcker (Pathosophie, 1956) setzt Wahn und Streit in gewissem Sinne gleich. Dem Wahn und dem Streit gegenüber gäbe es keine wirkliche Objektivität, bestenfalls ein Abseitsstehen, aber auch das nur zeitweise. Das gebräuchlichste Mittel, die wahre Beschaffenheit von Streit und Wahn zu verbergen, sei deren Objektivierung. Indem man den Streit als schlechtes Benehmen anderer Leute, den Wahn als krankhafte Geistesstörung hinstellt, verhalte man sich so, als ob das friedliche und gesunde Individuum beides von sich weisen könnte. ‚Es ist aber der Unschuldswahn, der hier genauso, nur heimtückischer wirkt als der sichtbare Wahn, auf den man mit Fingern deuten kann.‘ Einen Bereich, in dem gesunde, vernünftige und normale Leute das Objektive erkennen, ohne sich in Wahn und Streit zu befinden, gibt es nicht. In jedem Urteil sei eine Handlung, in jeder Handlung ein Streit und in jedem Streit ein Wahn verborgen.
Neben dem Objektivismus trage der Individualismus dazu bei, den Streit- und Wahncharakter der stets vorhandenen Situation zu verschleiern. Man sage dann nämlich, dieser oder jener Mensch – der Gegner – müsse als Individuum verstanden und toleriert werden – und distanziere sich so von ihm, vermeide die in Wahrheit vorhandene und notwendige Solidarität.“
(Leo Navratil: Über Schizophrenie, 1973)

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Die kleinen Strolche, OUR GANG

In der Zeitschrift „Film“ wurde Gordon Douglas manchmal – gegen den Autorenstatus – regelrecht in Schutz genommen. Werner Kließ hielt es für „sinnvoll, hier nicht vom Regisseur zu sprechen: Produzent und Drehbuchautor werden ausgeheckt haben, was Gordon Douglas lediglich ins Bild setzte“ – das STAGECOACH-Remake von 1965. „Regisseur Gordon Douglas durfte vermutlich alles tun, was Frank Sinatra wollte,“ schrieb Manfred Dellig über ROBIN AND THE 7 HOODS.

Wenn Godard in den Cahiers de Cinema mal Gordon Douglas erwähnt, dann nur zur Schmähung Richard Leacocks. In „Positif“ hingegen gab es wohl ein Interview mit Gordon Douglas (von Roger Tailleur) im September 1969. Und zu CHUKA schrieben Coursdon & Tavernier: „Der Film ist von einer nostalgischen Lyrik, einer Kraft und einer Phantasie in der Gestaltung, wie man sie bei diesem Regisseur nicht oft findet.“ Diese ständigen Ausnahmen.

In der Süddeutschen Zeitung fand damals Joachim von Mengershausen: „Hier (in FORT DOBBS) verrinnt die Zeit anders oder besser gesagt genauer als sonst in Filmen dieses Genres. Sie dominiert über alle, auch über die einzelnen Aktionen, die stattfinden, um vor allem den Zeitablauf sichtbar zu machen.“
Und Siegfried Schober fühlte sich 1968 in TONY ROME „wie in den Snack Bars, wo der Chrom zerfressen ist, die Plastiküberzüge aufgeschlitzt sind und der Lack abgeblättert.“

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Damit sind wir endlich bei der „Filmkritik“ angelangt, wo, ausgerechnet, als deren Autoren unter der Rubrik „Kritischer Kalender“ vom aktuellen („politischen“) Kino regelrecht angeekelt waren, (genau im Oktober und Dezember 1970) die Stunde des Gordon Douglas (2 mal) kam.

1) Enno Patalas: „Western spielen sonst auf festem, trockenen Boden. Ihre Flüsse sind Wege. In BARQUERO ist Wasser das wichtigste Element“ – und Lee Van Cleef ist ein Fährmann namens Travis. „Die Männer in BARQUERO sind überhaupt keine fest umrissenen Figuren, nicht abgesetzt gegeneinander und ihre Umwelt. Jedem ist ein alter ego beigegeben. Travis hat Mountain Phil; Remy, der Chef der Desperados, hat Marquette, den französischen Offizier aus der Armee Maximilians. Marquette nennt sich und Remy ‚zwei Supplementärwinkel (das ist Elementare Trigonometrie), die allein nichts sind, zusammen aber eine ganze Hemisphäre‘. Travis und Mountainphil würden es nur anders formulieren. Die Dialoge klingen komisch, heiter, weil sie wie Selbstgespräche sind; eine Replik bedeutet fast nie Widerspruch, sondern nur eine leichte Verschiebung. … Den Showdown tragen Travers und Remy, beide ihrer Gefährten beraubt, nun selbst allein einer des anderen Spiegelbild, über den Fluß hinweg aus.“

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Remy, gespielt von Warren Oates, schießt in den verhassten Fluss hinein, um ihn zu töten.

2) Klaus Bädekerl: „Gordon Douglas hat eine Reihe schöner Filme gemacht, zuletzt BARQUERO und zuvor drei Kriminalfilme mit Frank Sinatra. In THE DETECTIVE spielt er einen Polizisten, der schon viel zu lange Sergeant ist. … Hier fehlt der dicke Strich, der Schuld von Unschuld trennt. Sein Fehlen ist das Kennzeichen aller guten Actionfilme. … Wem es dennoch gelingt diesen Strich zu ziehen, … wer in Popmusik ausschließlich einen Industriezweig sieht, wem sich der Kinobesuch in erster Linie als Sündenfall darstellt, … der fällt weit hinter Marx zurück …“
(Die PopKomm fällt 2009 aus, heißt es gerade im Radio: „40% Rückgang“.)

Salvatore Quasimodo, der berühmte kommunistische Lyriker und Nobelpreisträger, schrieb einst über Anita Ekberg ( – bevor sie in Filmen von Gordon Douglas auftrat), in tiefer Bewunderung: „Der Name eines jeden von uns lässt sich gegen den ihrigen austauschen.“ Was immer das heißen soll, eine simple Verdrehung, eine leichte Verschiebung bringt den Namen von Gordon Douglas jedenfalls mit dem von Douglas Gordon in Deckung, der als anerkannter Filmkünstler auch in der New Filmkritik (durch seinen Zidane-Film) der Prominentere von beiden war, bislang. Der Schotte hasst übrigens Berti Vogts. Was aber passiert nun, wenn man Zinedine Zidane und Evel Knievel aneinander montiert?

VIVA KNIEVEL! Gordon Douglas‘ letzten Film würde ich gerne in einem wirklich großen Kinosaal sehen, in einer fremden Stadt, am Meer. Auch BARQUERO und CHUKA und RIO CONCHOS und CLAUDELLE INGLISH und THE SINS OF RACHEL CADE und YELLOWSTONE KELLY und natürlich THE FIEND THAT WALKED THE WEST. Bin ich danach ein anderer Mensch?

Freitag, 19.06.2009

Amerika

François Bondy: „Wenden wir uns New York zu. Das war dein erster Kontakt mit Amerika.“
Romain Gary: „Es ist nahezu unmöglich, einen ersten Kontakt mit Amerika zu haben. Das ist vielleicht das einzige Land, das tatsächlich so ist, wie man es kennt, bevor man es betreten hat. Das erste, was dir auffällt, wenn du ankommst, ist, dass das amerikanische Kino das wahrste der Welt ist. Noch der schlechteste amerikanische Film ist wahrhaftig, er legt getreulich Zeugnis von den Vereinigten Staaten ab. Das gestaltet die Entdeckung Amerikas sehr schwierig. Dir bleibt nichts, als dich immerzu bestätigen zu lassen. Nimm irgendeinen amerikanischen Film, und jeder Fetzen des Filmstreifens ist vollgesogen mit Wirklichkeit, ganz gleich, wie banal und unwahrscheinlich das Ganze ausschaut. Amerika ist ein Film. Das ist ein Land, das Kino ist.“
(La nuit sera calme, Paris: Gallimard 1974, S. 118f.)

Mittwoch, 17.06.2009

Setsuko Hara

geboren am 17. Juni 1920, lebt seit 1963 zurückgezogen in Kamakura.

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Setsuko Hara, la Disparue, Regie: Pascal-Alex Vincent, F 2003, 15 Min

»Einige Tage nach dem Tod Ozus verschwindet Setsuko Hara, einfach so. Zahlreiche Projekte sind angekündigt, aber Setsuko wird nie wieder in der Öffentlichkeit zu sehen sein.«

(Teil 1 | Teil 2)

[In der Dokumentation erfährt man auch von Arnold Fancks Reise nach Japan und seinem Film DIE TOCHTER DES SAMOURAI, in dem Setsuko Hara die Hauptrolle spielte. Sie besuchte danach – 1937 – auch Berlin und die USA. Das Foto ist ein Screenshot aus SETSUKO HARA, LA DISPARUE.]

Mittwoch, 10.06.2009

* After looking at the major works of director Henri-Georges Clouzot (1907-1977), one might summarize his worldview thusly: „Everything sucks, except maybe Picasso.“

[the auteurs > notebook > Glenn Kenny > Capital, It Fails Us Now: „The Wages of Fear“ in the Post-Imperial Age]

Samstag, 06.06.2009

Fernsehhinweis

Tod und Teufel
D 2009
Regie: Peter Nestler

Sonntag, 07.06.2009 22:00 – 22:55 Uhr

Mehr Informationen hier.

Mit Dank an Peter Nau für den Hinweis.

Freitag, 05.06.2009

Experimentalfernsehen von oben

Von heute abend bis übermorgen werden in Lyon unter dem Titel De la télévision au cinéma die drei Kinofilme Philippe Grandrieux‘ sowie einige seiner Fernseharbeiten aus den 80er Jahren gezeigt. Zusammengestellt wurde das Programm von Raymond Bellour, der die Filme dort auch vorstellt und gemeinsam mit Grandrieux kommentiert. Auch die Serie LIVE, 14 einstündige Sequenzeinstellungen, die Grandrieux für den Sender LA SEPT konzipierte und bei Filmemachern und Künstlern in Auftrag gab, wird dort vollständig zu sehen sein. In der aktuellen CARGO-Ausgabe schreibe ich über die TV-Vergangenheit Grandrieux‘, vor allem über LIVE und die Entwicklung von Fernsehformaten am Institut National de l’Audiovisuel (INA); hübscher Zufall, dass ein Teil der Sachen quasi zum Erscheinungstermin des Hefts – wenn auch weit weg – zu sehen ist.

Ergänzend zu diesem Text hier ein längeres Zitat von Grandrieux aus dem Jahr 1983. Die Ausbildung in Brüssel macht auch seine Sonderstellung in der französischen Filmlandschaft verständlich, wo die Neigung zur Fetischisierung der Mise-en-scène dem Experimentalfilm traditionell wenig Aufmerksamkeit schenkte.

»Ich hatte immer das Verlangen, Bilder herzustellen. Die einzige Möglichkeit, dieser Lust eine Form zu geben, war das Studium – deshalb habe ich Kurse am INSAS (Institut National Supérieur des Arts du spectacle) in Brüssel belegt. Diese Hochschule stellte den Studenten zahlreiche technische Geräte zur Verfügung und besaß schon früh ein Videostudio. Das erlaubte es mir, über das Bild auf eine Weise nachzudenken, die nicht notwendigerweise an Filmmaterial gebunden war. Aber man darf sich nichts vormachen, die meisten Leute (auch ich gehöre dazu), sind weiterhin von der Idee angezogen, Kino machen zu wollen. Die Faszination des Kinobildes, der Dispositive, die das Kino begleiten: die Dunkelheit, das Warten, die Zeremonie, der psychologische Zustand. Das Verhältnis zum Fernsehbild dagegen ist ganz anders, und es ist wichtig, sich dessen bewusst zu sein. Man darf beides nicht verwechseln: Fernsehen machen ist nicht Kino machen. Zu oft vergisst man, dass es ein anderes Medium ist, die Artikulation ist nicht die selbe, die Körper sind kleiner, die »Écriture« ist eine andere, genau wie der technische Ablauf und die Produktionsverhältnisse andere sind. Die mangelnde Kenntnis dessen erklärt teilweise, warum die aktuellen Fernsehfilme so langweilig sind. […]

Es gab am INA auch die Serie JUSTE UNE IMAGE, die es mir ermöglicht hat, die neuen Technologien besser kennenzulernen und punktuell Erfahrungen mit anderen Schreibweisen zu machen. Wir haben zwei Montagen über das japanische und das mexikanische Fernsehen produziert. Wir hatten das Projekt, das ägyptische Fernsehen zu präsentieren, aber dem wollte ich eine etwas andere Dimension hinzufügen: Das Fernsehen im Akt des Zuschauens. Also bin ich mit einem einfachen Fotoapparat und einem Kassettenrecorder in der Tasche nach Kairo aufgebrochen und haben vier Tage lang in den Souks, im Café und bei Leuten zuhause Fernsehzuschauer fotografiert. Gleichzeitig ließ ich bestimmte Fragmente von Fernsehsendungen über den Koran aus dem ägyptischen Fernsehen mitschneiden, dazu einige Minuten eines Kulturmagazins, eine Bildungssendung. Zurück in Paris fügte ich die bewegten Bilder in die Fotos hinein, die ich gemacht hatte. Das ganze hat wenig gekostet und verdankte sich einer völlig anderen Produktionsweise.

Das Wichtige ist, über verschiedene Praktiken zu verfügen. Man muss vier Tage lang mit einem Fotoapparat durch Kairo laufen können, aber auch eine komplizierte Kranfahrt mit Dekor und Schauspielern im Studio oder draußen drehen können, man muss sich zwischen den Genres zu bewegen wissen, Reportagen ebenso wie Fiktionales machen.

Ich habe Lust für das Fernsehen zu arbeiten, aber nach meinem Verständnis. Man muss schnell agieren, denn das alles ändert sich beinahe von einem auf den nächsten Tag. Auch Video ist nur ein Zwischenschritt, morgen wird es die Digitalisierung geben und übermorgen…

Man kann sich fragen, wozu all diese Fortschritte gut sind. Auch heute kann man noch überwältigende Filme auf 16mm und ohne jede Trickaufnahme machen. Kein Videoclip hat in mir ein ähnliches Gefühl ausgelöst wie UN CHIEN ANDALOU von Bunuel. Aber das Fernsehen ist unser Zeitalter – ein anderes Zeitalter – und wer dafür arbeiten will, darf die neuen Technologien nicht ignorieren.«

[Philippe Grandrieux, Gespräch mit Michèle de Brussière, November 1983, abgedruckt in: problèmes audiovisuels 17 (1984) (Übersetzung VP). Über die Utopie eines »Experimentalfernsehens von oben«, für die das INA nach seiner Gründung 1975 für eine Weile stand, kann man hier Weiteres lesen: Olivier Curchod: Das Institut National de l’Audiovisuel. Ein Gespräch mit Jean Collet, in: CICIM 15 (Mai 1986), S. 6-28; Susan Boyd-Bowman: Imaginary Cinémathèques: The Postmodern Programmes of INA, in: Screen 28.2 (Spring 1987), S. 103-117.]

Donnerstag, 04.06.2009

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Mittwoch, 03.06.2009

Monogatari

In Japan gibt es den Brauch, an touristischen Orten Stempelkissen mit Motivstempeln aufzustellen. Das scheint eher für einheimische Reisende gemacht, selten für Europäer – jedenfalls verzichtet man auf eine englische Übersetzung der Schriftzeichen; es wird auch kaum darauf hingewiesen. Schulklassen auf Ausflügen, Leute wie wir, wer halt grad vorbeikommt kann dort sein Notizheft stempeln, so wie man früher im Innenhof von Schloss Burg oder am Fuß der Müngstener Brücke 50-Pfennig-Stücke in Souvenirmünzen umprägen konnte. (Mir gefiel schon damals, dass bei diesen Gelegenheiten kein Tausch, keine Wertschöpfung im konventionellen Sinne stattfand, sondern lediglich eine Umwandlung von materieller in immaterielle Währung. Strenggenommen zog man ja sogar – in bescheidenem Maß – Geld aus dem Verkehr und wirkte mikroskopisch-deflationierend auf den Geldkreislauf ein.)
Die Erinnerung an den Ort kauft man nicht, man prägt sie sich ein.

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Diesen Stempel findet man am Bahnsteig der »Enoden-Scenic Railway«, die von Enoshima nach Kamakura dicht an der Küste entlang fährt. Am 21. Mai habe ich ihn hinten in der Rubrik »Notes« in den Reiseführer gestempelt. Ozus Grab ist nicht weit von dort gelegen, der terassenförmig ansteigende Friedhof ist Teil einer malerisch gelegenen Tempelanlage. Ohne genaue Hinweise wäre es schwer, das Grab zu finden, aber inzwischen gibt es Leute, die detaillierte Beschreibungen im Internet hinterlegt haben. So steht man schließlich vor dem vielbeschriebenen Gedenkstein mit dem Zeichen für »Nichts«, vor dem ein paar Blumen und verschiedene Flaschen und Dosen mit alkoholhaltigen Getränken aufgestellt sind. Wenige hundert Meter weiter, zu einem Zen-Klosters gehörend, liegt ein weiterer Friedhof, auf dem uns ein Grab besonders erschien. Wir konnten die Schriftzeichen nicht lesen, aber ein Mann erläuterte auf Nachfrage, dort sei Tanaka Kinuyo begraben. Später lese ich, dass sie nicht nur bei Ozu, Naruse, Gosho und Mizoguchi häufig gespielt hat, sondern auch als die erste japanischen Regisseurin gilt. Mit Shimizu Hiroshi war sie in den Zwanziger Jahren kurz verheiratet.

All diese Namen klingen so sehr nach einer weit zurückliegenden Vergangenheit, dass man unwillkürlich darüber nachdenkt, wo Hara Setsuko wohl begraben ist, die sich nach Ozus Tod 1963 vollständig aus dem Filmgeschäft zurückzog. Ein Anflug von Scham durchströmte mich, als ich erfuhr, dass sie keineswegs tot ist, sondern – »abgeschieden«, wie es in solchen Fällen immer heißt – in Kamakura lebt, wahrscheinlich kaum einen Kilometer von den Gräbern Ozus und Tanakas entfernt.

In zwei Wochen, am 17. Juni wird Hara Setsuko 89 Jahre alt, vielleicht sitzt gerade jemand daran, eine Retrospektive zu ihrem 90. Geburtstag im kommenden Jahr zu planen.


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