2009

Montag, 07.09.2009

Extreme Canvas

Irgendwie rechnete ich damit, dass Rainer Knepperges die Filmplakate aus Ghana hier verlinken würde, aber statt dessen kam von ihm der überraschende Hinweis auf die erfolglosen Künstler. Das ist eigentlich noch besser.

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Die Filmplakate aus Ghana, auf die in einem Blog hier um die Ecke hingewiesen worden war, sind genaugenommen keine Film-, sondern Videoplakate. Und sie sind genaugenommen auch keine Plakate, sondern, wie der Titel des Buches sagt, in dem sie versammelt sind (Extreme Canvas), Leinwände. Aber auch Leinwände sind sie nur in einem sehr speziellen und pragmatischen Sinn, da viele dieser Bilder, liest man, auf ausrangierte Mehlsäcke gemalt wurden.

Diese wunderbare Kunst ist ein Nebenprodukt der Videoauswertung von Filmen, mit denen in den 80er Jahren Leute durch das afrikanische Land tourten, um sie in Dörfern und Städten zu zeigen. Ein Fernseher, ein Videorecorder und ein Generator für den Strom: so muss man sich das vorstellen. Als sich später die Fernseher stärker verbreiteten, war Schluss damit. »The artists were given the artistic freedom to paint the posters as they desired – often adding elements that weren’t in the actual films, or without even having seen the movies.«

Wie bei so vielen Blicken von Europa nach woandershin kann man sich fragen, ob der Freude und dem Staunen über die Gemälde nicht auch ein Gran Paternalismus beigemischt ist, eine etwas überhebliche Art, die damit zu tun hat, dass man die Filme kennt und das Amateurhafte mit mangelndem Professionalismus verwechselt. Ich glaube aber, dass diese Bilder gegen solche Herablassung auf eine sehr souveräne Weise immun sind. Wann sieht man das schon, dass so präzise die Vorstellung eines Films gemalt wird und sich dieses Vorstellungsbild so selbstbewusst an die Stelle der Filme setzt? Walter Hill hat wohl recht, wenn er sagt, dass die Gemälde oft interessanter sind als die Filme, auf die sie sich beziehen.

Rainer Knepperges würde diesen Eintrag sicher mit einem Zitat aus dem 19. Jahrhundert abschließen, etwas wie: »Wir haben längst gesagt, dass er das alles kennt; er kennt es und doch ist es ihm bei diesem Anblick wieder neu geworden und drückt ihm sichtbar die Seele nieder. Zu spotten über Dinge, die andern heilig schienen, war nicht seine Art. […] Nun aber kam ein Moment, wo er sich des Lächelns nicht ganz erwehren konnte.« (Friedrich Theodor Vischer)

Wie dieses Zitat beweist, ist Rainer Knepperges zweifellos der bessere Rainer Knepperges.

Samstag, 05.09.2009

Suche

Den Anfang von José van der Schoots ERFOLGLOSE KÜNSTLER bildet eine Annonce in einer Berliner Zeitung: „Suche erfolglose Künstler.“ Die sich daraufhin melden sind mutig, es sind Lebenskünstler. Sie kommen zu Wort und miteinander ins Gespräch. Dabei werden Lebensentwürfe ausgebreitet, angegriffen und verteidigt. Das ist durchaus komisch, denn es geht da um die ernste Frage: Wie lebe ich mein Leben? Und José van der Schoot läßt nicht außer acht, daß die Art, wie jemand in ein Plätzchen beißt, darauf Antwort gibt. (Gdinetmao)

Am Dienstag um 20.30 Uhr zeigt der Filmclub Berlin im Sputnik am Südstern
MISE-EN-SCENE (mit Hanns Zischler, 1992, 35 Min.)
und ERFOLGLOSE KÜNSTLER (Dokumentarfilm, 1994, 71 Min.)
in Anwesenheit von José van der Schoot.

Mittwoch, 02.09.2009

Reklame

Stefan Ripplinger: Film maudit
STEFAN RIPPLINGER: Film maudit. Eine kurze Begriffsgeschichte, Köln 2009 [= Band 3 der Schriftenreihe Avantgarde, Experiment und Underground], herausgegeben von Carmen Strzelecki. 18,5 x 24 cm, 12 Seiten, japanische Broschur, 12,80 Euro.

»Es gibt einen Künstler, dessen Ruhm es ist, dass alle ihn verachten. Er ist der maudit, der maledictus, dem Übles nachgeredet, der verachtet, verfemt, verflucht, verpönt wird. Der Maudit ist der von Gott und der Menschheit Ausgestoßene, sein ältester Urahn der Satan selbst.«

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www.strzelecki-books.com

Dienstag, 01.09.2009

Zu Jean Seberg

KILL! (BRD/F/I/Sp 1971), Buch und Regie Romain Gary, ist ein wüster Film: einer, der auf Deubel-komm-raus kommerziell ist – ausschlachtet, was es auzuschlachten gibt (also vor allem den Körper von Jean Seberg, die Machoallüren und Brutalität von Stephen Boyd, das Renommee von James Mason, der einen Kommissar zu spielen hat, der mit dem Rauschgift-Syndikat zusammenarbeitet). Das alles in schwül-schwülstigem Ambiente in der nordafrikanischen Provinz …

(Der bestimmt nicht häufig eintretende Fall eines angesehenen Romanciers (Gary hat immerhin erfolgreiche Bücher wie „Die Wurzeln des Himmels“, „Lady L.“ u.a. geschrieben), der alles aufs Spiel setzt, eine Art Va-banque-Spiel betreibt – und verliert. Denn der Film hält nicht zusammen, steht nur als Vehikel im Raum, Geld zu machen.)

Sonntag, 30.08.2009

Jean Seberg, † 30./31. August 1979

Notiz Jean Seberg

Neulich / Auf der Straße / habe ich plötzlich / große Angst bekommen / UM MEINE AUGEN / NICHTS ZU TUN / Mit den Grauen, die ich durchlebe / Lediglich der Schrecken / um diesen intimen Teil / EINGESCHLOSSEN UND ÜBERWÄLTIGEND / JENER TRAURIGKEIT UND DREAM / MEINE AUGEN

[Notiz von Jean Seberg, abgedruckt in: Thomas Lescure / Philippe Garrel: Une caméra à la place du coeur, Aix en Provence: Admiranda/Institut de l’Image 1992, S. 107.]

Samstag, 29.08.2009

26/100

Die Geschichte von den DEFA-Tricktechnikern und ihrer Idee, die an filigranen Kunststofffäden hängenden Raumschiffmodelle in Hermann Zschoches EOLOMEA (1972) – »Acht Raumschiffe verschwinden, der Funkkontakt zur riesigen Raumstation ›Margot‹ ist abgebrochen« – kopfüber filmen zu lassen, weil sie davon ausgingen, dass der Zuschauer oben und nicht unten danach suchen würde.

Donnerstag, 27.08.2009

Was ist Film?

Wieder erhältlich, in zweiter Auflage. André Bazin, „Was ist Film“, im Alexander Verlag, Berlin, herausgegeben von Robert Fischer, 440 S. 29,90 €. Unentbehrlich!

Freitag, 21.08.2009

Peter NAU über Uwe Rapolder

Donnerstag, 20.08.2009

Straub/Huillet und Peter Nestler – Film, Malerei, Jahreszeiten

ZEIT (Peter Nestler, 1992)
ZEIT, Regie: Peter Nestler, 1992

„Die beiden Cézanne-Filme sind vielleicht die selbst-(=werk-)reflexivsten Straub-Filme, mittels des Gasquet-Textes, Danièle Huillets Sprechen, Fotografie und Montage wird die kunstgeschichtlich überkanonisierte Arbeit des Malers freigeschüttelt.

Bei Peter Nestler spielt Malerei von Anfang an eine wichtige Rolle, nicht nur in Dokumentfunktion, bei ihm sind es nicht kanonisierte, vergessene oder aus der Kunstgeschichte verbannte Bilder, die im filmisch gebauten Gefüge ihre Bedeutung zurückbekommen.

Das Werk der drei Filmemacher (Vlado Kristls Filme gehören dazu) steht im krassen Gegensatz zur derzeitigen wohlfeilen, oft regressiven Verlinkung von bildender Kunst mit Film/Kino, stellt diesbezüglich auch ein Kritikwerkzeug bereit.

Allerdings unterläuft ein Film wie Peter Nestlers ZEIT eine solche Apostrophierung. Der Film über die ungarischen Bauern, Textilarbeiterinnen, die ihre Bilder und Skulpturen zeigen, macht deutlich, dass es nicht, zumindest nicht an erster Stelle, um die Rehabilitierung eines bürgerlichen Kunstbegriffs oder die Ehrenrettung der Kinematografie geht. Die Frage, die alle diese Filme aufwerfen ist vielmehr, viel einfacher, die nach den sozialen Umständen: wer macht was (welche Bilder) für wen, mit welcher Solidarität, welche Erfahrungen werden (geistig, bildnerisch) weitergegeben, welche – sozialen – Veränderungen eingefordert.“
(Stefan Hayn)

„– eine Struktur aufbauen müssen, die Illustration, Erzählung und filmische Materie sei, der Materie der Malerei dienend“
(Danièle Huillet, 1994 im Exposé zu „Une visite au Louvre“ von 2004)

***

Film, Malerei, Jahreszeiten: Drei Veranstaltungen im Kino Arsenal

24.8., 20 Uhr:

Il ritorno del figlio prodigo – Umiliati
Danièle Huillet, Jean-Marie Straub 2003 64 min

Zeit
Peter Nestler 1992 43 min

25.8., 19.30 Uhr:

Il Ginocchio di Artemide
Jean-Marie Straub 2007 26 min

Itinéraire de Jean Bricard
Danièle Huillet, Jean-Marie Straub 2007 40 min

Le Streghe
Jean-Marie Straub 2008 21 min

25.8., 21.30 Uhr:

Tod und Teufel
Peter Nestler D 2009 HD 56 min

Dürfen sie wiederkommen – Über neofaschistische Tendenzen in Westdeutschland
Peter Nestler BRD 1971 47 min

Zu Gast bei allen Veranstaltungen: Peter und Zsóka Nestler, Moderation: Stefan Hayn

Mittwoch, 19.08.2009

Feier

Die Filmzeitschrift „shomingeki“ wird 14 Jahre und erlebt das Heft No. 21. Das wird gefeiert. Rüdiger Tomczak, Bettina Klix und Überraschungsgäste lesen aus neuen, älteren und noch unveröffentlichten Texten.

Donnerstag, den 20. August 2009 um 19 Uhr im Kiezcafé,  Brusendorfer Str. 19 (Ecke Braunschweiger Str.), Berlin-Neukölln,  S-Bahnhof Sonnenallee


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