Mittwoch, 22.09.2010

Suffragettenfilme

Ich erinnere, dass meine Oma, 1906 kam sie auf die Welt, oft über die Suffragetten schimpfte, aber ich nicht verstand, was sie damit meinte. Als meine Oma über die Suffragetten schimpfte, das war in den 1970er Jahren und im Fernsehen war oft Alice Schwarzer zu sehen, da war ich 5, 6, 7, 8, 9 Jahre alt und das Wort »Suffragetten« hatte einen geheimnisvollen Klang und wenn man nachmittags italienische Sandalenfilme gesehen hatte, verband sich der schön mit anderen Namen — Dyraden, Zyklopen und Minotauren. Später lernte ich mehr. Die Suffragetten waren zur Zeit, als meine Oma aufwuchs und bestimmt auch oft ins Kino ging, allgegenwärtig. Eine erste audiovisuell verarbeitete Protestkultur. Auch deshalb wird meine Oma das Wort noch in den 70ern erinnert haben. Dieses Jahr in in der Frühkinosonderreihe vom Festival in Oberhausen gab es ein Programm mit Suffragettenfilmen zu sehen, mit Aktualitäten von damals, Komödien, Karikaturen, Dramen – politischer Film. Das war sehr klug ausgewählt und kommentiert von Madeleine Bernstorff und Mariann Lewinsky. Viele, tolle, merkwürdige Sachen. Noch mehr Suffragettenfilme sind jetzt ab morgen, Donnerstag, 23.9. und bis Montag, 27.9. im Zeughauskino in Berlin anzugucken. Super Untertitel: Extremistinnen der Sichtbarkeit. Das Programm stellt – ich zitiere aus den Programmnotizen – » Filme über, für und gegen die Suffragetten vor und präsentiert außerdem frühe Filme zu weiblicher Arbeit und Klassenverhältnissen, zu Geschlechter-Inszenierungen, Crossdressing und Hysterie, zu frühen Stars und athletischen Artistinnen. Anhand rarer Filmbeispiele vor allem aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg ist ein noch wenig normiertes Kino zu entdecken: ein Kino, das sich selbst beim Erfinden zusieht und das gerade im Begriff ist, sich ein eigenes Publikum zu schaffen.«

Hier kann man sich schon mal einen der vielen Filme angucken, »Un duello allo schrapnell« (Italien 1913, Regie: Ernesto Vaser), in dem die Sache mit dem Penisneid ein wenig anders gedacht ist.


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Programmtexte und -daten: Madeleine Bernstorff | Zeughauskino

2 Kommentare zu “Suffragettenfilme”

  1. goncourt schreibt:

    Es gibt noch einen anderen Grund, warum einem Suffragetten aus der Kindheit geläufig sein kann: Mary Poppins (wobei das Wort bei mir als Kind dann eher als Synonym für «Alte Fregatte» missverstanden wurde, dazu werden vielleicht auch die komischen Hüte der Damen beigetragen haben — und ich glaube, der Film weicht in der Bewertung der Suffragetten vom Roman ziemlich ab).

  2. Michael Baute schreibt:

    Klar, stimmt, natürlich, Mary Poppins.
    – Von wem war nochmal der Roman?
    Ah, ja. Genau.

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