Montag, 20.09.2010

Schlingensief ohne Pause

Volksbühne Berlin, 1993. „Kühnen 94 – Bring mir den Kopf von Adolf Hitler“.

Das Stück wurde ohne Pause gespielt, so dass es keine bequeme Möglichkeit zu entkommen gab. Deshalb schloss ich mehrmals meine Augen, wie sonst nur bei Filmen. Es war aber nicht nur das Bühnengeschehen, sondern auch das, was auf zwei Leinwänden eingespielt wurde, was die Zumutung darstellte…Das Thema neuer und unbewältigter Nationalsozialismus wurde in einer Show verhandelt, mit einer gespielten Diskussionsrunde und einer Techno-Einlage, die zugleich brutal und lustig war…Der Regisseur trat selbst auf und sprach von sich in der dritten Person: „Was der Schlingensief sich alles traut!“ rief er fröhlich. Und immer wieder – begleitet von seinem Dackel: „Tabubruch! Noch ein Tabubruch!“ Das waren für mich die schönsten Momente.

Davor und danach war tatsächlich einiges auf der Bühne zu sehen, was ich noch nie dort gesehen hatte und auch nicht zu sehen wünschte…-

Wenn ich meine alten Notizen wieder lese, kommen sie mir so rückständig vor. Aber das liegt daran, dass man das Werk eines Menschen erst von seinem Tod aus beurteilen kann. So wie er selbst dann wohl auch, von draußen.

In seinem Buch „So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein“ schreibt er an sich selbst: „Schau Christoph, versuch es doch, schreibe oder male irgendetwas, schau, dass du deine Sachen in Gedanken weiterführst. Und wenn du nicht mehr kannst , dann machst du halt eine Pause. Oder du schreibst drauf: „Pause“.“

Ganz lange Pause.

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