2010

Samstag, 04.09.2010

Der Garten Eden

Da er vom Niederrhein stammt, interessiert sich Lutz Mommartz, in seinem Film von 1977, für eine Legende, „wonach der Paradiesgarten, der Garten Eden, im alten Mündungsdelta des Rheins, irgendwo am heutigen linken Niederrhein, im Grenzgebiet zwischen Deutschland und Holland gelegen haben soll.“ Es ist sehr viel gemalt worden in dieser Gegend in allen Jahrhunderten. Aber es gibt nur wenige Filme, denen anzusehen ist, dass sie dort entstanden sind. Die räumliche Freiheit, die unerhörte Höhe des Himmels, sagt ein Experte im Film, habe der Niederrheiner verinnerlicht.

Der Garten Eden ist wie jeder Garten: Menschenwerk. Im großen Urstromtal ist durch mehrfache Verlagerung des Flusses eine Art Sumpfaue entstanden, die, schon im Mittelalter durch Entwässerung in fruchtbares Weideland umgewandelt, zur Existenzgrundlage der Bauern wurde. Die lebten im Wesentlichen vom Erzeugen von Milch und Fleisch – nicht vom Ackerbau. Das war ein Leben, das vielleicht weniger problematisch war, jedenfalls weniger mühsam und weniger strapaziös als das der eigentlichen Feldbauern. Daher mag es kommen, meint der Experte, dass die niederrheinischen Bauern ihre Landschaft als das Paradies empfunden haben.

In der planmäßigen Befragung von Passanten und erst recht beim Auftritt eines angereisten Aktionskünstlers hängt der Film spürbar in den Seilen seiner Konzeption, aber das Schöne ist, er merkt es zeitig und wählt den Weg ins Freie, raus in den asynchronen Ton und rein in die Zufallsbekanntschaft. Mir war ganz komisch, als wären all die Leute auf den Straßen mit mir über Ecken verwandt. Und es wundert mich, wie selten dieses Gefühl doch ist.

Von den Preußen wurden sie als ausgesprochen faul und liederlich bezeichnet. Denn, was die Menschen am linken Niederrhein zum Leben brauchten, war dort mit geringerem Fleiß zu erwerben als im Nordosten. Der Experte, mit grauer Samtfliege, ist tatsächlich ein Experte, denn er weiß: „Die Menschen der Rheinischen Tiefebene sind nicht von der unverbindlichen Lustigkeit, wie wir sie im Rheinland gewöhnt sind. Die Leute der Niederung neigen eher zum Depressiven, sind eher in sich gekehrt, ohne abweisend zu sein.
Witzig sind die Niederrheiner schon, aber nicht auf eine unverbindliche Weise, eher auf eine aggressive. Sie halten denjenigen auf dessen Kosten sie einen Witz gemacht haben, allerdings schadlos durch ihre Gastfreundschaft – gleich im nächsten Augenblick.“

Ein leichtes Gruseln begleitet den Film Die Schiller aus dem Jahre 1976. Das liegt auch an den gesprochenen Eingangsworten; Lutz Mommartz wollte einen Film „über Düsseldorf“ und die „Neurosen der Zeit“ machen und hielt wohl tatsächlich die Freundin eines alten Freundes für ein „Medium, das in der Lage war die inhaltliche Leere der Stadt darzustellen“.
In meinen Augen triumphiert Brigitte Schiller unzweifelhaft über diese finstere Absicht. Indem sie ein ungeheuer eloquentes Plädoyer improvisiert: für die ziellose Schönheit des Flirts. Und auch indem sie sich beim Gefilmtwerden persönlich herausgefordert fühlt durch den Filmmacher. Es geht ihr nicht um Mitteilung sondern um das, „was sich“ – so sagt sie es Mommartz direkt in die Kamera – „zwischen dir und mir abspielt“. Nicht das vermeintlich Symptomatische an ihr ist für das Vorhaben des Filmemachers wertvoll, sondern das einzigartig Sympathische an ihr ist für den Film die Rettung. Die Schiller dokumentiert keine inzwischen vergangene Gegenwart, sondern verlebendigt auf alle Zeit die Zukunft.

Die Schiller (30 Minuten), Der Garten Eden (in 2 Teilen von 75 und 79 Minuten) und viele andere Filme von Lutz Mommartz kann man sich glücklicherweise anschauen in der „German Cinema Collection“ im Internet Archive, auch den paradiesisch schönen Weg zum Nachbarn, mit Renate Meves (10 Minuten, 1968).

Suddenly in a Calm Landscape


Alain Corneau (1943 – 2010)


Patrick Dewaere in Serie noire (1979)

Der großartige, letzte Film von Alain Corneau, Crime d’amour (Love Crime), mit Ludivine Sagnier und Kristin Scott Thomas, läuft im Rahmen des Fantasy Filmfests am Montag in München und am Mittwoch in Nürnberg, jeweils um 15:00 Uhr.

Dienstag, 31.08.2010

Feuer (1)

Die Kleptomanin – der Gangster – das Feuerzeug, in Slightly Scarlett (Allan Dwan, 1956):


Arlene Dahl, John Payne. „Namen, die an die große Zeit der Vorstadtkinos erinnern.“ (Peter Nau)

Im Gespräch mit Peter Bogdanovich hat Allan Dwan erzählt, er schaue sich seine Filme nach der Fertigstellung einmal ganz ohne Ton an, so stelle er untrüglich fest, wie gut ein Film wirklich sei.
Bogdanovich, der den Filmpionier vor dem Vergessenwerden bewahrte, sagt (im schönen Bonusmaterial, das Robert Fischer nun zu einer Allan-Dwan-DVD-Box erstellt hat), diese Methode habe er selber übernommen – mit dem Resultat: sehr wohl zu wissen, welche der eigenen Filme nichts taugen.

Für das übernächste Cargo-Heft will ich was schreiben über Dwan. Noch kenne ich zu wenige seiner 400 Filme…

Samstag, 28.08.2010

Mittwoch, 25.08.2010

Die Liebe der Kinder

Vertragen Gefühle Vergleiche? Miras Mutter und Daniels Vater lernen sich kennen und ziehen zusammen, doch es wird unterm gemeinsamen Dach kein Geschwisterpaar aus den beiden Teenagern – sondern ein verliebtes Pärchen. Im Stillen startet der direkte Vergleich der Gefühlskräfte; die Liebe der Erwachsenen wird herausgefordert. Und wie nun ganz offen an der Romantik Maß genommen wird, das ist zugleich sehr traurig und sehr komisch. Ein Wettkampf der Wünsche, eine Lektion in Liebe.

Franz Müllers herrlicher Film läuft endlich in den Kinos, in Berlin, Dresden, Frankfurt, Köln, München, Nürnberg, und ab September auch in Bamberg, Essen, Kiel, Weimar…
heute Premiere im Berliner fsk Kino um 20:00 Uhr

Sonntag, 22.08.2010

So schön wie hier

Christoph Schlingensief (1960 – 2010)

„Heute Abend habe ich mich erneut gefragt, warum das Leid als Währung in unserer Welt nicht richtig existiert. Das war doch früher mal anders, es gab doch Zeiten, wo man sich mit seiner Wunde nicht so verstecken musste.“

„Am liebsten würde ich einfach allen, allen Menschen zurufen, wie toll es ist, auf der Erde zu sein. Was einem da genommen wird, wenn man gehen muss. Ich wünsche mir so sehr, dass die Leute begreifen, wie sehr es sich lohnt, sich um diese Erde zu kümmern.“

Aus:

Christoph Schlingensief, So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein! (2009)

Samstag, 21.08.2010

Langtexthinweis

* Oberhausennotizen – Etwas zu den 56. Internationalen Kurzfilmtagen, die vom 29. April bis zum 5. Mai in Oberhausen waren. Von mir.

Freitag, 20.08.2010

SHOPWORN (1932)

Kitty Lane (Barbara Stanwyck), straightforward und aus einfachen Verhältnissen, lernt das Fremdwörterbuch auswendig. Mit dem Alphabet hapert’s noch. Der Daumen gehört David.

David: What’s this, a love letter? – Taking your ease, I see.
Kitty: Now, you’re not the only one who has a right to an education.

[SHOPWORN, USA 1932, Regie: Nick Grinde, Columbia Pictures. Flaschenpost aus der Pre-Code-Ära.]

Dienstag, 17.08.2010

Aufstieg

Mit der Umsicht eines Kriminalisten durch das Weltall rasen, umgeben von kosmischen Strahlen, Meteoren und eisiger Kälte… Es war hier schon mal die Rede davon.

Federico Sánchez hatte mich nach München eingeladen, um dort im „Puerto Giesing“ zum Publikum zu sprechen. Also musste ich mir überlegen, worüber ich eigentlich sprechen wollte. Arbeitskampf in der Raumfahrt? Oder Unterwassermalerei? Oder beides? Ich beherzte den Rat, den Sigmund Freud in der Traumdeutung erteilt: „Bei wissenschaftlicher Arbeit ist es oft von Vorteil, wenn die Lösung des einen Problems Schwierigkeiten bereitet, ein zweites hinzuzunehmen, etwa wie man zwei Nüsse leichter miteinander als einzeln aufknackt.“

Ein ganz überflüssiges Problem, das ich lieber nicht noch hinzu genommen hätte: mein Ungeschick, ohne die mir vertraute Maus, auf einem Labtopbildschirm die Bilder für meinen Diavortrag auszuwählen. Quälend langsam vollzog sich, was blitzschnell sein sollte. Ich hätte trainieren müssen.


Irwin und Scott, Apollo 15, Training.

In meinen Augen sind die perfekten Astronauten eigentlich Engländer: James Mason (hier in: The Upturned Glass, 1947) und Lionel Jeffries, „who looked old when he was young“ – John Landis spricht auf Trailers from Hell sehr schön über First Men in the Moon (von Nathan Juran, 1964), diesen wirklich unvergesslichen Film.


Ken Mattingly, Apollo 16.


Berufstip Astronaut

Sich unter Wasser an die Schwerelosigkeit gewöhnen. Und endlich auch lernen, mit Wüste, Dschungel und Polareis fertigzuwerden! Und ohne Maus einen Computer zu benutzen. Gute Vorsätze. Immerhin trage ich gelegentlich einen Overall.

Montag, 16.08.2010

Letzte Durchsage

Schmutziger Süden von Lemke läuft gleich, um 0:10, im ZDF.


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