Juni 2012

Freitag, 29.06.2012

Geräusch

Eine unsterbliche Weisheit von einem uns schon Vorausgegangenen:

„I was talking to a guy the other day trying to convince me that CDs were better than vinyl because they had no surface noise. And I said ‘Listen mate, life has surface noise.’”

(John Peel)

Zu finden auf einer Platteneinkaufstüte, ausgestellt an der Wand des Horenstein, einem wunderbaren Schallplattenladen (Schwerpunkt Klassik) mit Café, in Berlin-Wilmersdorf, Fechner Straße 3.

Dienstag, 26.06.2012

Samstag, 23.06.2012

Sarris

Anlässlich des Todes von Andrew Sarris hat Hanns-Georg Rodek seinen vor gut drei Jahren in DIE WELT erschienenen Nachruf erneut publiziert. Ein paar Ergänzungen und Retouchen (2012 schreibt er „Temperamentssache“, 2009 „Sache des Temperaments“), aber ansonsten der gleiche Text mit den gleichen Schlampigkeiten (2012: „Dieser Spaltung verlief…“, 2009: „Dieser Spaltung verlief…“).

Rodek und DIE WELT schienen es – und scheinen es weiterhin – für normal zu halten, einen Lebenden zunächst per Nachruf für tot zu erklären, diesen falschen Nachruf dann mehr als drei Jahre im Netz stehen zu lassen, ohne Entschuldigung oder Klarstellung, und schließlich einen zweiten, beinahe identischen Text ganz ungerührt nochmal zu bringen.

Rodeks Nachruf vom 10. März 2009 hier.
Rodeks Nachruf vom 22. Juni 2012 hier.

Donnerstag, 21.06.2012

In den Zug springen

„Ich wusste selbst nicht, warum ich in diesen Zug gesprungen war.“ Die Icherzählerin in Roswitha Schiebs Die beste Zeit benutzt für ihre Reisen jedes Vehikel: Bahn, Auto, Erinnerung – oder den Schwung unglücklicher Liebe, zwischen Mauer-Berlin, Moskau, Stechlinsee und Port Bou: „Auf dem Grabstein war auf Deutsch und Spanisch ein Satz aus Benjamins siebter geschichtsphilosophischer These eingemeißelt: Es ist niemals ein Dokument der Kultur, ohne zugleich ein solches der Barbarei zu sein….Dahinter erstreckte sich die schräge weiß gekälkte Friedhofsmauer, die einen Blick auf die Landschaft freigab, gewellt und dunkelgrün, voller Licht und Schatten. Eine Szene aus dem Film Accatone von Pasolini fiel mir ein, Accatones Traum kurz vor seinem Tod. Im schwarzen Anzug blickt er über eine hohe Mauer, hinter der sich ein weites Landschaftspanorama ausbreitet…Dort ist ein dicker uniformierter Dienstmann beschäftigt, mit einer Spitzhacke, die er rhythmisch schwingt, ein Loch zu graben. Accatone, dem plötzlich klar wird, dass das sein Grab werden soll und er den Anzug zu seiner eigenen Beerdigung schon anhat, fleht den Mann verzweifelt an, das Loch doch nicht im Schatten, sondern weiter rechts in der Sonne zu graben.“ Aber, und jetzt geht es um eine Reise-Richtung, von der im Buch auch die Rede ist: der Totengräber hackt unbeirrt weiter den Boden auf, wobei er „immer tiefer in die steinige Erde hinein das schwarze Loch treibt, wo die Welt ringsumher doch so weit ist.“

„Wir wussten es noch nicht, es war die beste Zeit gewesen.“ Dieser Satz wird auf keine der großen Reisen angewendet. Das Gefühl verbindet sich mit einem Ausflug in das Umland von Berlin, in den noch nicht vereinheitlichten Osten der Nachwendezeit.

Eine wunderbare Reiselektüre, gerade für diejenigen, die nicht weg kommen. (Auch von dort, wo sie ihre „beste Zeit“ hatten.)

Roswitha Schieb: Die beste Zeit, Literaturmetzgerei, Reutlingen.

Samstag, 16.06.2012

Abschied von den Fröschen

Vor vielleicht zwei Jahren gab es im „Arsenal“ eine kleine Hommage an Ulrich Schamoni, die mit „Chapeau Claque“ eröffnet wurde. Ulrich Schamoni kam in Berlin ja in vielen Verkörperungen vor; als Filmemacher, Autor, Gründer und Betreiber einer Radio- und Fernsehstation – immer also auch als Hans Dampf in allen Gassen. Er ließ sich nicht auf ein Genre festlegen und man konnte sich auch nicht darauf verlassen, dass Schamoni nur gute Filme machte. Es gab schlimme Abstürze. „Chapeau Claque“ dagegen ist ein wunderbarer Film, der gar keinem Genre angehört – wenn es so etwas wie „Faulenzerfilme“ gäbe, dann gehörte „Chapeau Claque“ dazu. Der Film spielt in dem Haus von Schamoni, das er nur verlässt, um in den Garten zu gehen. Großenteils – oder vielleicht sogar nur – ist Schamoni mit einem Bademantel bekleidet. Man muss ein bisschen Geduld haben, aber dann entwickelt der Film einen unglaublichen Charme und ein Gefühl von großer innerer Freiheit. Das Problem der Faulheit ist von Schamoni so endgültig gelöst, dass selbst Wolfgang Neuss verzweifelt ausruft: „Du mußt doch ein Ziel haben, etwas machen.“ Nein, braucht er nicht. Wir gingen aus dem Kino wie auf Wolken.
„Abschied von den Fröschen“ ist die poetische Verklärung dieser Existenz, die natürlich in keiner Weise faul ist, sondern anderen Vorstellungen, einem anderen Lebensentwurf folgt. Ulrich Schamoni hatte die Diagnose „Leukämie“ bekommen und stellt nun in der Wohnung und im Garten Kameras auf, mit denen er sein Leben und seine Welt dokumentiert. Zunächst ist man Beobachter dieses Lebens, dann wird man zu Schamonis Gast und schließlich ein Freund. Schamoni erzählt genau, wann er was aufgenommen hat, wann er wieder bei einer Behandlung war, aber vor allem begrüßt er den Zuschauer bei sich zu Hause – er erzählt die Geschichte von Hermann dem Cherusker, packt Spielzeug aus, heiratet, hat Gäste, mault über Bauarbeiten in Nachbars Garten. Einige Kameras sind mit einem kleinen Motor ausgestattet, der die Kamera einen Schwenk machen lässt. Schamoni läuft mit dem Schwenk mit, kommt manchmal aus dem Bild, dann wieder hinein. Oft beugt er sich zur Kamera herunter, spricht zu den Zuschauern, die ihn doch sehen sollen. Wir Zuschauer werden wirklich gut und mit Respekt behandelt – das ist selten, in anderen Filmen  werden wir nur noch überrollt und erschlagen von den Bildern.
Im Garten und im Haus sind kleine Figuren aufgestellt, die ihre ursprüngliche Bedeutung in diesem Kontext ins Poetische verändern. Jeder Tag ist etwas Neues, jede Stunde wird eine neue Zigarre angezündet. Das neue Jahr kommt, die Tür wird geöffnet – Schamoni bittet das neue Jahr zu sich hinein. Der Garten, die Frösche, Insekten, die Katze und die Früchte –alles spielt eine ganz eigene „Schamoni“-Musik, an der uns der Gastgeber teilhaben lässt.
Kleine dokumentarische Sequenzen aus dem Leben und den Filmen Schamonis beschleunigen den Fluss der Beobachtung. Die Montage kehrt dann wieder zu dem Hausherrn in seinem Aufzug, einem überdimensionierten Strampler, zurück.
Ulrike Schamoni hat aus etwa 150 Stunden Videomaterial einen 96minütigen Dokumentarfilm über ihren Vater montiert. In einigen Ankündigungen wird der Film als eine Dokumentation über das Sterben von Ulrich Schamoni angekündigt. Völlig falsch – das ist ein Film über das Leben, das Haus, den Garten, die wunderbare Welt des Ulrich Schamoni. So, wie Ulrike Schamoni ihren Film konzipiert hat, macht er Lust auf mehr Ulrich Schamoni. Wir möchten jetzt unbedingt eine DVD-Cassette mit seinen besten Filmen und ganz viel Bonus-Material.
Das Regenbogen-Kino zeigt in den nächsten Wochen noch mehr Filme von Ulrich Schamoni. Dafür ist mir kein Weg zu weit – und meiner ist wirklich sehr weit.
Werner Sudendorf

Kinohinweis (Berlin)

Gestern, heute, morgen und Montag ist Chapeau Claque zu sehen im Regenbogenkino in Kreuzberg. Von dem Film habe ich Gutes gehört, unter anderem von R (im Regenbogenkino läuft auch eine Dokumentation über Ulrich Schamoni, auch von der habe ich Gutes gehört, ich weiß aber nicht mehr von wem). Heute am Morgen rufe ich R an in K, kannst Du mir ein zwei Sätze sagen über den Film, zum Aufschreiben und Hinweisen für die new filmkritik? Doch so läuft das nicht mit R. Der Film ist toll, keine Frage, aber ich kann doch nicht mirnichts-dirnichts Sätze sagen am Telefon, ich bin doch kein Korrespondent. Stattdessen dies und das, über Bologna, John M. Stahl, Cecil B. DeMille, wie öde „The Sitter” ist mit Seth Rogen mit Jonah Hill von David Gordon Green, sowas. Wir sind schon am Auflegen, letzte Floskeln, heute Abend geht’s nach Düsseldorf, da erinnert R noch, dass Karl Dall in „Chapeau Claque” ist, erinnert, wie Dall den Schamoni in dem Film beim Zinnsoldatenaufstellen zuschaut und ihm daraufhin rät, in die FDP einzutreten.

Freitag, 15.06.2012

Mir gefallen die Video-Essays von Christian Keathley
Pass the Salt (2006)
50 Years On (2010/11)
Does Your Dog Bite? (2012)

Mittwoch, 13.06.2012

Amsterdam

Wer in Reichweite der Niederlande Teenager war, wurde unweigerlich über die Grenze ins nahe Ausland gelockt. Man folgte dem Lockruf der Zivilisation. Amsterdam war so sehr Stadt wie nichts, was man kannte.
Jahrzehnte später beim nostalgisch gestimmten Stadtbesuch blieb das einst so verlässlich Verlockende irgendwie im Vertrauten verborgen, wie etwas, das in der eigenen Wohnung verlegt, nicht aufzufinden ist, und doch ganz bestimmt da sein muss. Erst jetzt fand ich es wieder, zufällig, via Old Chum, in diesem 16mm-Film in Farbe.

Een Fotograaf Filmt Amsterdam (1982 Ed van der Elsken, 57 Min.) *

Zwei Kraftquellen ergänzen sich: Zuerst der Sog der schnurgeraden Gassen, knapp kommentiert vom Regisseur, hinein in „mein Jagdgebiet“ – dann die elektrische Ladung, die entsteht, wenn Ed van der Elsken alle Passanten, die ihm gefallen, mit seiner Kamera aus leichter Distanz so kaltschnäuzig, lüstern und stur konfrontiert, bis Reibung, Funkenflug, Blickkontakt da ist. Die Mannigfaltigkeit des Sommers wird in räumliche Ordnung gebracht: Konter und Kurzpassspiel. Die dazu nötige Unverschämtheit ist spezifisch holländisch, besonders fotografisch, filmisch und ausgesprochen sommerlich.

Mittwoch, 06.06.2012

Aber das Wort Hund bellt ja nicht

Hier ist ein interessanter Text von Stefan Pethke zu Bernd Schochs Film Aber das Wort Hund bellt ja nicht. Dieser wird heute um 20.00 Uhr im Arsenal gezeigt.


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