Donnerstag, 24.08.2023

Süditalien. Landarbeiter werden Neubauern und Industriearbeiter

 

Filmtitel: Süditalien. Landarbeiter werden Neubauern und Industriarbeiter

FWU-Film: Ja

Produktionsland: BR Deutschland

Produktionsjahr: 1961

Filmdauer in Minuten: 23

Filmmaterial: SW, Ton

Originalformat: unbekannt

Produktion (Firma): Strobel-Tichawsky Filmproduktion, München

Regie: Heinz-Rolf Strobel / Heinrich Tichawsky

Redaktion des Begleitheftes: Geipe, Robert (Dr.): Süditalien. Landarbeiter werden Neubauern und Industriearbeiter. München: Kunst- und Buchdruckerei R. Eimannsberger, 1963.

Seite des Films auf filmportal.de

                                                             

Daten zur Kopie

 

Kopienherkunft: privat (Sammlung Kino im Sprengel, Hannover), aus dem Bestand der Kreisbildstelle Hameln-Pyrmont

Sichtungsformat: 16 mm, Acetat, SW, Lichtton

Filmdauer: 23 Min.

Vermerkte Mängel:

Augenscheinliche Mängel: verblasst

Weitere Materialien: Begleitkarte, Mängelformular

Anmerkungen: Pädagogischer Referent: Hermanns Beistler / Günther Ketzer

Die Informationen auf filmportal.de sind unvollständig und könnten durch die hier angegebenen Daten ergänzt werden.

Vermerken an Filmdose und Begleitmaterial ist zu entnehmen, dass die Kopie aus dem aufgelassenen Bestand der Stadtbildstelle Hameln stammt.

 

Zum Film

 

Der Film ist in drei Teile gegliedert:

1. Landarbeiter
2. Neubauern
3. Industriearbeiter

„Dieser Film, welcher im Süden Europas spielt, soll im Schulunterricht vor allem als Modellbeispiel für die Situation der Agrarreformen und der ‚Überwindung von Schwierigkeiten‘ (Beiheft S.3) in wirtschaftlich schwächeren Ländern – höchstwahrscheinlich von vom Kolonialismus geprägten Ländern – dienen. Dies wird immer wieder im Beiheft angedeutet. Dort steht zum Beispiel, dass der Film für den geografischen und sozialkundlichen Unterricht gut verwendet werden kann mit Blick auf das Thema ‚Entwicklungshilfe‘ (S. 26). Zugleich findet mensch in diesem Film, wie auch im Norditalien-Film Bezugspunkte zum Thema Arbeitsmigration/’Gastarbeit‘ in Deutschland. Im Seminargespräch mit Peter Hoffman erwähnte er, dass zwei Beweggründe für die Italienfilme von Strobel und Tichawsky waren, dass zu der Zeit viele Gastarbeiter:innen aus Italien nach Deutschland kamen und zugleich Italien als Urlaubsland einen Boom erlebte. Die Regisseure versuchen das Reelle und das Ideale einander gegenüberzustellen: Wie leben die Italiener:innen in Italien und warum gehen sie weg bzw. warum entscheiden sie sich, nach Deutschland zu kommen, und warum wollen die Deutschen zugleich gerne nach Italien?“ (FH)

 

Der Film beginnt mit einer Einstellung  von singenden Tagelöhnerinnen bei der Zuckerrübenernte. Während sie auf dem Feld arbeiten, werden sie von einem Aufseher gehetzt. Die Voice Over-Stimme merkt an, dass die Frauen nur 4 Mark am Tag bekommen. Dann folgen Aufnahmen aus der Stadt. Die Voice Over-Stimme kommentiert: „Die Kinder werden es leichter haben. Sie lernen bereits in den neuen Schulen zusammenzuarbeiten.“ „Es lässt sich darauf schließen, dass die Eltern [dieser Kinder] das noch nicht gelernt haben.“ (TK)

„Dieser Abschnitt ist geprägt von Bildern des hetzenden Aufsehers und erschöpfter und schwitzender Arbeiterinnen und Arbeiter, und er soll die unmenschliche und ausbeuterische Struktur darstellen.“ (FH) Zu dieser Szene auf dem Feld wird im Heft gesagt, dass sie „sich unausgesprochen mit dem Bild von Baumwolle erntenden Sklaven [verbindet], Fellachendasein zu allen Zeiten [assoziiert]“ (S. 5). „Der dramaturgische Aufbau der Szene führt dies noch weiter, indem die Arbeiterinnen gemeinsam ein Arbeitslied singen, das einen unterschwelligen Protest‘ verkörpert. In dem Film soll sich eine ‚Strukturanalyse mit dem Protest gegen unwürdige Zustände [mischen.]‘ (S. 3)“ (FH)

Zum Kontext der Entstehung des Films vermerkt FH: „Angesichts dessen, dass dieser FWU-Film während der Zeit des Anwerbeabkommens zwischen der BRD und mehreren Ländern gemacht wurde, kann die Interpretation gemacht werden, dass hier auch auf die Anreise von Gastarbeiterinnen und Gastarbeitern angespielt wird. Die Interviews und Dialoge der Tagelöhner:innen sind auf italienisch und werden nicht übersetzt, unser Verständnis der gemachten Aussagen wird durch den Schnitt der Bilder und der Aussagen bzw. die Paraphrasen des Voice-Overs geframt.“ Das Beiheft begründet den Verzicht auf eine Übersetzung des Gesagten mit der Annahme, dass die ‚aussagekräftigen Bilder‘ und die Gestik und Mimik der Menschen vermitteln, was gesagt wird. FH hinterfragt diese Annahme und sieht die Glaubwürdigkeit des Voice-Overs kritisch: „Inwieweit stimmen die Zusammenfassungen des Voice-Overs mit dem Gesagten der Menschen ein?“ Für FH steht bei dem Film die „didaktische Mission“ im Vordergrund. „Die politische Intention der Regisseure [konnte] einfacher durch die Kommentierung ausgedrückt werden kann, als durch die eigenen Worte der Menschen.“ Sie sieht hier eine Verengung des Interpretationsfreiraums der Betrachterin.

Der zweite Teil thematisiert die Bodenreform und den Bau von Neubauern-Siedlungen. „Es bilden sich neue Städte: Kirchen, Schulen, Krankenhäuser. Der Film versucht hier zu vermitteln, dass das Leben besser sei. Die Arbeitssituation hat sich gebessert und es gibt eine Aufmerksamkeit für die Lebensituationen der Arbeiter:innen. Die Tagelöhner:innen sind jetzt selbstständig und können pflanzen was sie wollen. In diesem Abschnitt wird von kollektiver Arbeit und Gemeinschaft gesprochen, was im ersten Teil komplett gefehlt hatte. Dort war es hektisch, ausbeuterisch und alle wollten einfach nur Arbeit finden. in einem Moment hört man auf der Soundebene den Schrei eines weinendes Baby, gefolgt von der Sequenz einer Taufe. Diese Szene könnte symbolisch als Einweihung einer neuen Zeit, eines neuen Starts, eines Lebens stehen.“ (FH) Die Behauptung des Voice-Overs, dass “die Industrialisierung für alle zu einem besseren Leben führen wird”, hält TK für „fragwürdig“.

Dritter Teil, „Industriearbeiter“: „Im Süden beginnt die Industrialisierung, die Ingenieure kommen alle aus Norditalien, weil die Süditaliener dazu angeblich nicht fähig seien (mit diesem Vorurteil Norditaliens wird im Folgenden aber aufgeräumt).“ (FK)

In Bezug auf den Film bemerkt FG folgenede Aspekte: “ Die Nord-Süd-Diskrepanz wird sofort thematsiert. Im Gegensatz zur mittelalterlichen Klassengesellschaft leben in (Süd)Italien die Arbeitenden in der Höhe, [während] die Reichen [hingegen] in den Ebenen verweilen. [Es scheint] Ungewohnt [zu sein], bei fremdsprachigen Dokumentationen keine Untertitel oder überlappende deutsche Übersetzung [festzustellen].“

 

Teil des Dossiers „Sichten, Schreiben, Beschreiben: Zur Arbeit mit analogen Filmarchiven anhand von 16mm-Kopien aus der Bildungsarbeit der BRD“

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