Einträge von Michael Baute

Sonntag, 10.10.2004

film hinweis

Sonntag, 10.10.2004, 21:00
Pirate Cinema Berlin
Ziegelstrasse 20

Klassiker des urheberrechtsverletzenden Films (Teil 2)

René Vienet: The Girls of Kamare (F 1974, 88 min)
Japanisch mit englisch untertitelten französischen Untertiteln

„(…) Bereits 1967 festgestellt zu haben, dass man die Abschaffung des Kinos nicht allein Jean-Luc Godard überlassen sollte, ist nur eins der Verdienste von René Vienet, mit dessen „The Girls of Kamare“ wir unsere Reihe „Klassiker des urheberrechtsverletzenden Films“ am Sonntag fortsetzen. Bei „The Girls of Kamare“ handelt es sich – in voller Länge – um „A Pair of Panties for Summer“ von Norifumi Suzuki (in dessen zentraler Schaffensperiode Mitte der 70er Jahre auch Werke wie „Hot Springs Mimizu Geisha“, „Tokugawa Sex Ban“, „School of the Holy Beast“ und „Dolls of the Shogun’s Harem“ entstanden sind). Vienet hat sich – wie bereits in „Can Dialectics Break Bricks?“ – darauf beschränkt, die Originalvorlage entgegen des durch die Tonspur intendierten Sinns neu zu untertiteln – womit „The Girls of Kamare“ Debords „Gesellschaft des Spektakels“ nicht nur an formaler Radikalität übertrifft, sondern auch an Unterhaltungswert.“ (mehr hier)

Freitag, 08.10.2004

The Hunted (Hundert Worte)

Aaron (Del Toro), in die Ecke getrieben, deutet auf einen ideologischen Kern seines Tuns, über die Industrialisierung der Nahrungskette sprechend: dass dabei superiore den Respekt vor inferioren Wesen verloren haben. Der Profilerin wäre dies ein Schlüssel zur psychischen Disposition. LT. (Lee Jones) aber unterbricht, als Aaron Namen von Militärsondereinsätzen reiht: „black eagle, mongoose, cobra…“ Tiere!
Vom Kern her streben alle Aussagen und Bilder zu Natur. Der Film streut sie im Modus der Analogie – Parallelmontage und Attributierung durch Lebensraum. Sie sollen aber nicht gelesen werden, sondern gravieren. So entsteht Gravity (Gravität), die Friedkin außerordentlich zu dynamisieren weiß. Jagen, Stellen, Töten.

The Hunted (William Friedkin) USA 2003

Freitag, 01.10.2004

* listen

Einer, der auch ein weblog macht (chez del), macht in Wien einen Buchladen auf (phil) und fragt Leute, die sich auskennen mit Sachen, nach Listen von Büchern, von denen die Leute etwas erfahren haben über die Sachen.
Die Listen sind toll.
Eine Liste ist von Alexander Horwath, der das Österreichische Filmmuseum leitet.
Die Liste handelt von Büchern zu Film, hat ein Motto – „Filmliteratur ist, wenn sie gelingt, der Versuch, eine Ausdrucksform nicht durch eine andere Ausdrucksform zu ersetzen oder abzutöten, sondern der ersteren ein zweites Paar Flügel zu verleihen.“-, ist unterteilt in Rubriken, wunderbar kommentiert und ganz großartig.
Lesen sie das.
Hier: Alexander Horwaths Filmliteraturliste

Dienstag, 28.09.2004

kino hinweis

heute, dienstag 28.9.04, 21:00 ein ziemlich schöner, wenn du mich fragst: sehr schöner dokumentarfilm von jürgen böttcher im großen arsenal, berlin:

IN GEORGIEN (DDR 1986)

die defa-manier des dokumenarfilmmachens ist mir ja oft nicht geheuer, oft ist darin ein bizarrer umgang mit der last des abbildens eingeschrieben und die verhandlungsweise dieser last scheint mir, als nachgereichtes ethos des dokumentaristen, oft die lakonie, die ihre zugrundeliegende melancholie (wegen des wissens um den verlust der unmittelbarkeit) nur mit mühe verdeckt, um ihr später umso anschwellender raum zu geben als pathos. das sehe ich so bei den sachen von koepp, und ich kann das, dosiert, auch mögen. bei böttcher, von dem ich einiges, aber nicht alles kenne, gibt es das auch (und bei heise sowieso, da liegt der fall aber nochmal anders). der georgienfilm böttchers aber scheint mir so sehr infiziert zu sein von der überraschung des bilderverbindenkönnens, dass der film den melancholischen pessimismen der grundhaltungen des autors, die ihm stets eingeschrieben bleiben, ein schnippchen zu schlagen weiß – und der autor ist klug genug, das mit sich und dem film machen zu lassen. im georgischen, das er sieht, meint er diese grundhaltung nämlich wiederzufinden als geschichtliche (das heißt: er schreibt sie natürlich seinem objekt ein, aber wie er das macht….), erinnere ich mich jetzt, aber zugleich durch ganz andere, dem filmemacher eigentlich fremde äußerungs-/ausdrucksformen manifestiert. the same yet different.

es gab vor ein paar jahren mal eine kleine böttcher-renaissance, in leipzig auf dem dok-festival sah ich damals ein paar sachen, böttcher war teilweise auch anwesend. böttcher, der damals, stolz mit verbitterung mischend, von der nun nach und nach nachtröpfelnden anerkennung, den wiedergutmachungsversuchen sprach, von der einladung beim kanzler schröder, der eines seiner bilder, die er als „strawalde“ zeichnet, gekauft hatte und den kauf mit dem künstler feiern wollte. böttcher vor der leinwand, in schwarzer lederjacke, etwas selbstgerecht fand ich, die beleidigungen und verletzungen, berufsverbote und abbrüche in den knochen und der erinnerung. IN GEORGIEN sah ich dann später im babylon-mitte, berlin, noch unter diesem eindruck. mit stefan pethke im kleinen saal.

und wie wir danach rausgehen, sprechen wir beide davon, wie großartig, wie lässig dieser film doch ist, der mit den mitteln von 35mm und edelkameramann (plenert) ein travelling-journal vorführt. der trotz sprüngen und auslassungen – eine ganz tolle unverhältnismäßigkeit innehat: das pathos der großen apparate, die kenntnis der literatur, der kunst, der (sozial)geschichte, die selbstdefiniton des machers als auteur maudit und dessen lust, jedes sujet mit den mitteln der lakonie zu einem fatalen zu machen… und wie all dem oder trotzdem, so die behauptung der narration (auf die ich gerne reinfalle), dieses land erscheint. ich würde den gerne heute nochmal sehen, kann aber nicht.

Programmtext zur Mini-Retro der Filme von Jürgen Böttcher im Arsenal

Sonntag, 19.09.2004

fernseh-hinweis

Heute Nacht, 20. September, 0:30 Uhr, NDR:

ZAMANI BARAYE MASTI ASHBA – Zeit der trunkenen Pferde
Regie: Bahman Gabadi, Iran 2000 (80′)

Winter. Eine Schmuggel- und Geldbeschaffungsgeschichte im kurdischen Berggebiet an der Grenze zwischen Irak und Iran. Pferde müssen in dieser Saukälte betrunken gemacht werden, damit sie weiterlaufen. Daher der Titel des Films. Mit den Pferden werden riesige Autoreifen in den Irak geschmuggelt Es spielen Laien, die Hauptfiguren sind Kinder, wie oft im iranischen Kino. Schmuggler. Deren Vater tritt (was man nicht sieht) bei dieser Arbeit auf eine Miene und stirbt. Die Mutter starb bei der Geburt des letzten Kindes. Am Anfang die Marktszene, in der fast nur Gesichter und Hände bei schneller und schwieriger Arbeit zu sehen sind. Es gibt ein behindertes Kind, kleinwüchsig, das braucht eine Operation. Doch sie kommen nicht an das Geld dafür. Mal arbeitet die Kamera mit statischen Tableaus, in die sehr intelligent Bewegungen der Handelnden eingebaut werden; mal eher von der Schulter, bewegt, dokumentarisch aufmerksam, in den Szenen, in denen man die Schmuggler die Berge hinaufsteigen sieht. Die Sicherheit, mit der zwischen diesen beiden zum Erkennungssignal geronnenen Kameraoptionen (Doku- und Kunstkamera) hin- und her gewechselt wird. Bemerkenswerte Auflösung der Szenen, in denen, über deren Kern hinaus, Blick-kommentare anderer Figuren eingefangen werden. Daher verschränkt sich ökonomisches (individuelles) und politisches (gemeinsames) Verlangen, nicht so weiterleben zu müssen. Das Wort „Kurde“ fällt kein einziges Mal.

Freitag, 10.09.2004

(hundert worte) santo domingo blues

Außer der Form des Film-Musical, das Musik gleichrangig zu Bewegung, Dialog, Plot, Licht, Figur und Raum inszeniert, hat Film mir noch keine vollkommen überzeugende Form angeboten, Musik zu zeigen. Man muss aber versuchen, die Form „Musikdokumentation“ anders zu beschreiben, es geht da ja um anderes als „Zeigen“ – um Berichten, Dokumentieren, Ordnen, Typisieren, Schreiben. Nach 70 Minuten, kenne ich „Bachata“ und dessen größten Star Luis Vargas, habe um die 40 Titel gehört, ein paar schöne Textzeilen darunter („Mama, Mama, you gave birth to a macho“) und ziemlich viele Leute gesehen, Interpreten und Zuhörer, die der Film zu Protagonisten gemacht hat.

santo domingo blues
regie: alex wolfe
usa 2003

Samstag, 28.08.2004

I
Seit Tagen will ich das Bild des Plakats für den Vincent Gallo Film am kalifornischen Boulevard in das Weblog hineinsetzen, weiss aber nicht, wie ich es anstellen soll, womit es begründen. Seit Tagen gibt es ständig neue Nachrichten im Filmfilter über den Film, Interviews mit dem Regisseur, Besprechungen, Kolportagen, aber ich schaffe es noch nicht mal, das Bild des Plakats in das Weblog hinein zu setzen.

II
In den Film „Nous Sommes Tous Encore Ici“ mit Godard und von Anne Marie Miéville konnte ich Dienstag nicht gehen, ich hatte eine Verabredung. In dem Film läuft Godard die ganze Zeit mit einer Pudelmütze herum, bei der Pressekonferenz vor Jahren hatte man ihm das vorgeworfen. Ich hätte den Film wirklich gerne gesehen, aber er läuft ja nochmal. Am Sonntag, im Arsenal am Potsdamer Platz.

III
Letzte Woche Montag war ich mit Volker, Stefan und Ludger am Potsdamer Platz. Eine österreichische Literaturzeitschrift hatte ein Filmgespräch in Auftrag gegeben und wir produzierten einen „Tag im Cinemaxx“. Letzte Woche Montag war es noch warm, gestern hat es geregnet, heute ist es kalt. Wir sahen 4 Filme, „Liebe Mich, Wenn Du Dich Traust“, „Bekenntnisse Einer Highschool Diva“, „Die Frauen von Stepford“ und „Ladykillers“, bis halb 3 in der Nacht saßen wir am Potsdamer Platz und produzierten Text. Inzwischen glaube ich nicht mehr, dass man einzig aus dem Gesprochenen heraus lesenswert Neues produzieren kann. Das Schöne sind die Aufgaben, die einen legitimieren nachmittags in Foyers von Luxushotels zu sitzen und Tee zu trinken. Foyers von Luxushotels sind oft schön.

IV
Ich versuchte mir eine Aufgabe auszudenken für die Zeit nach der Ausstellung. Ludger hatte das laptop zurückgefordert, es war aber abgestürzt und ich meinte, kein Geld zu haben für die Reparatur, aber jetzt mußte das laptop repariert werden. Martin kam am Freitagnachmittag vorbei, hier sah es aus wie Sau. Ich machte Kaffee und zog mir eine Hose an, wir setzten uns auf den Balkon. Auch Freitag war es noch warm. Wespen flogen und wir gingen zurück in die Wohnung. Martin pustet über die Tastatur, alles ist voller Asche, Martin lacht den Computer aus. Auf dem Schreibtisch liegt alles herum, weil es nicht aufgeräumt ist. Man kann auch nicht einfach durch das Arbeitszimmer gehen, weil der Fernseher in der Mitte steht und die Kabel den Weg versperren. Wir sprechen über die Rechtschreibreform und ihre Kritiker, ich berichte von den neuen Schülern im Nachhilfeinstitut. Institut Benjamenta.

V
Martin begleitet mich zur U-Bahn, Bülowstraße. Nachdem ich den Computer zur Reparatur in die Kastanienallee gebracht habe, schelle ich bei Julia. Julia muss sich eine Hose anziehen. Die Wohnung riecht nach Kohlsuppe, sie gibt mir einen Teller davon, raucht und erzählt von Moondog, Bonnie „Prince“ Billy und der Musik, generell. Vielleicht sehen wir uns am Abend, da wird der Palast der Republik eröffnet. Ein paar Meter weit gehe ich unentschlossen die Kastanienallee hinunter, dann halte ich. Viele Leute tragen T-Shirts, es sieht nicht so aus, als würde das warme Wetter jemals aufhören. Ich gehe zur U-Bahn und fahre zum Potsdamer Platz. Im Arsenal läuft One Way Passage von Tay Garnett. Der Film ist ein Wunder an Schönheit. Ich sitze neben Ekkehard, neben Ekkehard sitzt Volker. Ich sitze im Kino und sehe „One Way Passage“ von Tay Garnett und staune vom ersten bis zum letzten Bild.

VI
Die Transkriptionen für die Sendung über britsche Rockmusik in den späten 60er Jahren sind noch nicht fertig, Samstag und Sonntag halte ich mich ran. Jeff Beck von den Yardbirds sagt, er könne immer noch nicht verstehen, weshalb alle Antonioni so gut finden. Damals in den 60ern hat Jeff Beck bei dem Film „Blow Up“ mitgewirkt, damals schon fanden alle Antonioni gut. Jeff Beck sagt: „He was just pompous.“ Sonntag mache ich die Transkriptionen fertig, am lustigsten sind die Passagen mit Michael Caine.

VII
Samstag und Sonntag schaue ich im Arsenal die Anne Marie Miéville Filme „Mon Cher Sujet“ und „Àpres La Reconciliation“. Am Samstag bin ich empört über „Mon Cher Sujet“, dabei sagt Volker, dass sei endlich mal wieder ein Film, in dem man atmen könne. Das finde ich aber nicht, der Ton des Films ist so furchtbar. Angela mag den Film aber auch und Momo sagt, ich solle mir Sonntag „Après La Reconciliation“ anschauen. Das ist ein ganz großartiger Film. Anne Marie Miéville steht in der Küche und erinnert das Gefühl der Liebe. Es ist gewesen, wie eine Probe, als stimme man seine Körper dafür, dass einmal das wunderschönste Stück mit ihnen gespielt werde.

VIII
Ich sitze am Schreibtisch und versuche wieder hineinzukommen ins Schreiben, aber nichts passt. Ich schaue in Weblogs, aber keines mag ich jetzt gerne lesen. Ich kaufe auf dem Flohmarkt für 1,50 Saussures Grundlagen der Allgemeinen Sprachwissenschaft, aber als Martin das Buch sieht, schüttelt er mit dem Kopf. Ich kaufe zwei Bücher von Michael Ondaatje im Antiquariat. Von der Straße aus sehe ich den Antiquar im Dunkeln stehen. Er trinkt. Im Laden spricht er mißgelaunt von den Leuten, die nichts kaufen, aber alles anfassen. Frauen sind die Schlimmsten, sagt er. Ich sitze am Schreibtisch und höre „Venice“ von fennesz. Das ist schöne Musik.

IX
Steffi, Volker, Simon, Stefan, Ekkehard und ich gucken den Film „Wild Side“ von Donald Cammell bei Michel in Lichtenberg. Am nächsten Morgen steht schon ein Text von Ekkehard darüber im Weblog. Ich beschließe, das Bild der Plakatwand in das Weblog hinein zu setzen.

Freitag, 27.08.2004

camell: wild side (100 worte)

Nach ein paar Minuten schon gemerkt, dass der es nun auch nicht ist. Fataler Defekt, ständig Kinoevolution beobachten zu wollen. Im TV hätte ich den beim Raufundrunterzappen nur für sekundenbruchteile gestreift, viermal vielleicht, und wäre nicht mal irritiert gewesen davon. Umso unverstehbarer, dass, wie die Legende geht, Cammell sich wegen der Wegnahme des final cut dieses Films umbringt. Bewunderung aber für die anderen vorm Bildschirm. S, S und S, E, V und M, die beim Betrachten andere Fragen entwickeln können. Christopher Walken als Bruno, Tony erniedrigend. Dessen Calvin Klein Unterhose zerreissend. „Bend over. Bend over. Bend…over. Bendover. Ben Dover.“

wild side
regie: donald cammell
usa 1995/2000

Freitag, 30.07.2004

abouna, 146 wörter

Gestalten im Dunkeln, Müdigkeit. Dass in Filmen Dunkelheitsszenen sind, damit die Augen der Figuren ausdrücklicher handeln können. Es gibt diesen Spruch, „Neger frisst zwei Blenden“, meint S, und H, der Kameramann ist, widerspricht: man müsse sich halt ein bißchen mehr anstrengen, aber das mit den zwei Blenden sei Quatsch. Zur Postkolonialität des Films, zum Mangel an Realismus: wie aufgeräumt die Koranschule ist, wie sauber der Motorroller des Onkels, sauber dessen Gitarre, sauber das orange Hemd Amins. Amin trägt das orange Hemd während des ganzen Films, es leuchtet nicht nur in der Nacht. Des taubstummen Mädchens goldene Kleider. M meint, ihn habe das gelangweilt nach einer Weile, wie in dem Film ab dessen Mitte keine Gegenkräfte und -wünsche die Erzählung an ihrem Abspulen hindern. Einerseits. Andererseits, meint H, dass das dessen Märchenhaftigkeit gut charakterisiere. Die Beerdigung Amins. Was ist glückendes coming of age? Das Sterben des Kindes.

abouna,
dt.: der vater
tschad/frankreich 2002
regie: mahamat-saleh haroun


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