Einträge von Rainer Knepperges

Donnerstag, 20.10.2011

Strychnin und Tambourin

In den letzten Versen des Markusevangeliums wird „denen, die da glauben“, empfohlen in neuen Zungen zu reden und Schlangen aufzuheben. Ein daraus entstandenes religiöses Brauchtum wurde in West Virginia vor vielen Jahren auf 16mm-Schwarzweißfilm festgehalten. Seit ich Holy Ghost People (1967 Peter Adair, 53 Min.) auf Achive.org fand, erzähle ich ungefragt Freunden und Bekannten, was in diesem ganz unglaublichen Film geschieht, und dass ich so etwas noch nie zuvor gesehen hätte. Von einer noch nie zuvor gefühlten Art von Rührung schweige ich lieber.

Jetzt stieß ich in der Filmsammlung Folkstreams.net auf so etwas wie eine Fortsetzung, ein Remake: In Jesus‘ Name (1991 Al Clayton, 47 Min.), gefilmt auf Hi8-Video in Alabama und in Georgia. Auch hier wird das aufregende Geschehen begleitet von lautem Gesang, elektrisch verstärkter Folkmusic und wildem Tanz. Und egal, was sich über die feinen Unterschiede zwischen beiden Filmen sagen ließe; mag der neuere in Musik und Schnitt einen schnelleren Gang einlegen und vielleicht den kürzeren Atem haben; beide Filme haben auf mich jedenfalls die gleiche Wirkung, in meinem verwirrten Staunen breitet sich warm ein tiefer Respekt aus: vor der Errungenschaft der gemeinschaftlichen Ekstase – als kurzzeitiger Befreiung von der Angst.

In einem schönen Radio-Interview des Senders „npr“ kann man Al Clayton näher kennen lernen.
Und es lohnt sich auf „Folkstreams“ herumzustöbern. Man findet dort eine überwältigende Fülle großartiger Dokumentarfilme. Und viele begleitende Texte, Fotos und sogar Transkripte.
Der Gründer der Plattform ist Tom Davenport, dessen hinreißender Film It Ain’t City Music (1973) dringend gesondert gewürdigt werden muss. In Kürze mehr dazu.

Sonntag, 09.10.2011

Mitternacht


Pierre Brice in Il Mulino delle Donne di Pietra (1960 Giorgio Ferroni)

„Wenn die Schöpfungen kein ein für allemal erworbener Besitz sind, so nicht nur darum, weil sie wie alle Dinge vergänglich sind, sondern auch, weil sie fast ihr ganzes Leben noch vor sich haben.“ (Maurice Merleau-Ponty: Das Auge und der Geist, Juli-August 1960)

Die Mühle der versteinerten Frauen – so nennen die Dorfbewohner das windgetriebene Skulpturenkarussell, das irgendwo in Holland einen schönen Schauplatz abgibt für einen italienischen Horrorfilm, in dem die Unterscheidung zwischen Lebendigem und Totem, bildlich zugespitzt im Gegensatz von Blut und Stein, sich langsam aufweicht und verwischt – im Ächzen von Holz, in der staubigen Schwere langsam sich öffnender Vorhänge, im böse Geahnten – bis sich endlich vollends alles auflöst im wütenden Gelb und Rot von Technicolor.

Die Mühle der versteinerten Frauen hat einen erstaunlichen Grundriss; irgendwie wurde das Schreckenshaus des Dr. Rasanoff in das Kabinett des Professor Bondi hineingebaut. In dieser nervösen Architektur geht gegen die Natur ein harter Kampf vonstatten. Aus Liebe zu einer Frau wollen zwei Männer das Gleiche: den Aufschub des Verblassens; sie wollen Kunst. Kein Wunder, dass ein dritter, ein junger Kunststudent (Pierre Brice), sich abbringen lässt von seiner nüchternen Recherchetätigkeit und verwirrende Erkundungsgänge auf dem Gebiet des Gefühls unternimmt.

Kann es Zufall sein, dass vom situationistischen Manifest bis zur Premiere von Ferronis Film gerade mal ein Sommer verging? Anhand eines Londoner Stadtplans wurde zuvor der Harz durchquert, und jemand schlug vor, sämtliche Reiterstatuen aller Städte in einer öden Ebene zu einer synthetischen Kavallerieattacke zusammenzutragen. Man muss sich vorstellen, wie Pierre Brice dazwischen nachts umherstreift! „Zu bemerken ist jedoch, daß die letzten Nachtstunden für das Umherstreifen im allgemeinen ungünstig sind.“ (Guy Debord: Theorie des Umherstreifens)

Es ist der Normalfall, dass die international agierende Ferroni Brigade, wenn sie undotierte Filmpreise, goldene, silberne, graue oder tanzende Esel „for the Most Ferronian Film“ vergibt, dabei einen Geschmack an den Tag legt, der anderen hermetisch oder grillenhaft dünkt. Wer weiß mit Sicherheit zu sagen, ob die Ferronisten nun gerade in konspirativer Runde Cluedo spielen oder eine possierliche Liste von tausend Regiegöttern in die Rehlederhose Heideggers ritzen. Mir gefällt die muntere Brigade besonders dann, wenn sie das Naheliegende achtet und ergriffen schwärmt von Minnelli oder Bergman.


Liegende Frau, 50 x 61 cm, Musée National d‘ Art Moderne, Paris

„Der Typograph Dominique Peyronnet aus Talence bei Bordeaux war ein Dichter virtuoser Banalität. Er zeichnete die vereiste Landschaft seiner Wünsche, Seestücke, Waldausschnitte, Flussansichten und die albdruckhaft entkleideten Frauen.“
(Wegen solcher Sätze kaufe ich gerne etwas ältere Bücher über etwas ältere Kunst.)
„In völliger Isoliertheit sind alle Dinge mit messerscharfem Stift formuliert. Die bewegten Wellen seiner Meere sind in magischer Reglosigkeit, wie aus Glas geschliffen. Die Blätter und Farne des Waldes wie fein aufgefädelte Perlenschnüre aneinandergereiht. Mit derselben Präzision, mit der Peyronnet die Farbreproduktionen in der Druckerei bereitete, glaubte er die Natur und das menschliche Drama reproduzieren zu sollen. Nur etwa dreißig Bilder von ihm sind bekannt. Auf dem mit wirklichen Tapeten- und Parkettmustern beklebten Grund malt er die ‚Liegende Frau‘ auf dem dunkelroten Sofa im rosa Hemd und grauen Seidenstrümpfen.“
(Oto Bihalji-Merin: Die naive Malerei, DuMont Köln, 1959)


Ingmar Bergman, für Kinder, Handarbeit von Doris Dovecot.
„Give your kids an idol figure to sleep next to“

Achtung! Alice und Ellen Kessler werden im Oktober in Rom auf der Bühne stehen in einer Musicalversion von „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“. Es stimmt. Im August las ich die Vorankündigung des Teatro Eliseo mit eigenen Augen. Es ist wahr.

Dann auf der Via Veneto, die sommerlich, sonntäglich, leer und verlassen dalag, sahen wir in einiger Entfernung etwas, was wir noch weniger glauben konnten. Kaum reichte die Zeit den Gedanken zu fassen, dass der Erspähte so seltsam leicht zu erkennen war an seiner weltbekannten Art sich zu tarnen, da gerieten wir schon unversehens zwischen Paparazzi, von denen einer in altbewährter Manier seine Arbeit tat: „Woody!“ Und tatsächlich hob Woody Allen den Blick, sah zu uns hin! Und es sollte hier festgehalten werden, dass er dabei, plötzlich so jung wie die Kessler-Zwillinge, ein Gesicht machte, das alle auf der Straße zum Lachen brachte. Fabelhaft, kurz zuvor Midnight in Paris gesehen zu haben und gleich nach der Rückkehr aus Rom noch ein zweites Mal, wobei jeweils geschah, was mir in den 80er Jahren selbstverständlich wurde und worauf ich in all seinen Filmen der vergangenen zwei Jahrzehnte geduldig hoffte: es ließ der Widerschein der Leinwand meine Seele glänzen wie eine Rüstung.

Mittwoch, 14.09.2011

Weißes Album


Sonntag am Trödelstand vor Sankt Pantaleon weißes Album gekauft, gestern die vier Bilder reingeklebt, heute durch David Gründer am Telefon von Richard Hamiltons Tod erfahren.

Dienstag, 16.08.2011

Mr. Universum

In der Fußgängerzone von Hof machte ich im Herbst zwei Fotos von Bob Rafelson.
Franz Müller und ich haben mal mit ihm über die Kämpfe in seinen Filmen gesprochen.

Im Radio sagte kürzlich ein kleines Mädchen, es möchte den Weltraum gerne mal von Nahem sehen.

In München zeigt das Werkstattkino heute und morgen Stay Hungry (1976 Bob Rafelson), mit Jeff Bridges, Sally Field, Arnold Schwarzenegger, Scatman Crothers, R. G. Armstrong, Roger Mosley, Helena Kallioniotes.

Montag, 01.08.2011

Der goldene Sommer

Ein schönes Bild. Ein Mann reist allein von München mit dem Zug nach Köln, im Gepäck ein guter Zentner feinstes Zelluloid. Bernd Brehmer, einer von jenen, die als Außenseiterbande das beste deutsche Kino – das Werkstattkino – machen, war am Wochenende zu Gast im Filmclub 813 und zeigte Kennern und Neugierigen den legendären Monarch (1979 Stelzer/Flütsch) – und dazu einige unbekannte Scopitones, jene kleinen Musikfilme aus den 60ern, die in öffentlichen Automaten für Kleingeld zu betrachten waren, kleine Lektionen in Körperlichkeit und Ekstase.

Als Spätvorstellung lief passend dazu Kommissar X in den Klauen des goldenen Drachen (1966 Frank Kramer), der – ganz im Gegensatz zu dem davor gezeigten Trailer zu Operazione Lady Chaplin (1966 Alberto de Martino) – in meinem Gedächtnis keine Überlebenschancen hätte. Wäre da nicht die kurze Tanzszene, in der Brad Harris demonstriert, wie wild einer tanzen kann. Einer, der wahrscheinlich jahrelang täglich an irgendeinem Bahnhof oder in einer verruchten Milchbar ein paar schnelle Scopitones konsumiert hat.

Eine ganz unglaubliche Entdeckung brachte dann der folgende Sonntagabend: Eine Kugel auf der Rechnung / Un choix d’assassins aus dem Jahr 1966 oder 1967. Den Namen des Regisseurs, Phillippe Fourastié, hatte ich noch nie gehört. Nur wenige Filme hat er inszeniert, nachdem er zuvor Regieassistent von Rivette, Chabrol, Godard war; ein geheimnisvoller Unbekannter mitten in der gut erforschten und allseits vermessenen Nouvelle Vague. Das Gesicht des Hauptdarstellers kam mir äußerst bekannt vor, vielleicht weil Bernard Noël, kurz vor seinem frühen Tod, noch in der französischen Fernsehserie Vidocq der Titelheld war.


Bernard Noël in Un choix d’assassins (1967 Phillippe Fourastié)

Die Musik in Un choix d’assassins ist wie von ferne hineinwehender Jazz von Alain Goraguer, zu dessen originellen Arrangements einst die Karriere von Serge Gainsbourg begann. Der Ort der Handlung ist Tanger. Und worum geht es? Was passiert? – Ich verrate es nicht.
Nein, ich verrate es nicht. Denn wie schön ist es doch, ganz unvorbereitet auf so einen Film zu stoßen, in dem die größten Tugenden des Kriminalfilms mit den seltensten Qualitäten eines Autorenfilms Hand in Hand gehen, in dem Spannung und Muße sich perfekt ergänzen, in dem jeder Moment hellwach von der Lebensmüdigkeit erzählt.
Von diesem raren Film, über den es im Internet so aufregend wenig, ja, nichts zu erfahren gibt, will ich nur festhalten, dass ich, ha, ich, hier die erste ganz bescheidene Notiz von seiner Größe mache. Voilà.

Ein aktueller Kinotipp noch: Der Sommerfilm, der Riesenerfolg aus dem Land der Scopitones: Kleine wahre Lügen / Les petits mouchoirs (2010 Guillaume Canet), ein ganz und gar unbescheidener aber ehrlicher Film. US-Verleihtitel: Little White Lies.

So remember when you tell those little white lies that the night has a thousand eyes.
Das sang Bobby Vee zum Ausklang des Kinowochenendes. Unterwegs durch die weite Nacht in einem wunderbar engen Studio zwischen zappelnden Halbnackten, die vielleicht unter dem Einfluss von Lachgas, mit Algen um sich schlugen. Als hätte Frank Tashlin Scorpio Rising vorskizziert.

Bobby VeeThe Night Has a Thousand Eyes (1963, Scopitone)

Mittwoch, 20.07.2011

Telefon (14 und Ende)

Split-Screen-Telefonate gab es im Kino schon vor hundert Jahren, bei Albert Capellani.
Rechts und links: Mann und Frau, und zwischen beiden eine Straßenansicht. Modernes Triptychon.

In Stanley Donens Indiscreet (1958) telefonieren Cary Grant und Ingrid Bergman in einem illusorischen Splitscreen-Doppelbett. Und in The Grass is Greener (1960) gibt es eine Art Telefonballett zu viert. Die Telefone in den Filmen von Stanley Donen wären ein schöner Sondersammelbereich, aber es gibt schon so viele Sammlungen und irgendwann kommt man sich komisch vor, irgendwann muss Schluss sein.
Allerdings ganz bestimmt nicht ohne an einen Film zu erinnern, den ich als Kind nicht verstand. Wohl weil es dort, wie in so vielen Filmen dieser Zeit, nur um das Eine ging.

Doris Day und Rock Hudson in Pillow Talk (Bettgeflüster, 1959 Michael Gordon)

I’d like to say Hey! Doris Day.
Doris, you probably don’t remember me
but I was there at the movies. I was there
when you talked that pillow talk. I was there
when you rocked Hudsons Rock. I was there
when you rearranged the situation by interior decoration
and gave lover boy a shock. I was there
I’d like to say Hey! Doris Day.

(Brenner – Beresford, 1985)

Doris Day und Jacqueline Susann in London, 1973

Eine skizzenhafte, total unvollständige Liste, aber auch schon so – ein Traum von einer besseren Filmgeschichte: Asta Nielsen, Ossi Oswalda, Molly Picon, Marion Davies, Liesl Karlstadt, Elsa Lanchester, Rosalind Russell, Kathleen Freeman, Doris Day, Claude Gensac, Shirley MacLaine, Elaine May (1965, im Split-screen-double-bind „Mother and Son“ mit Mike Nichols), Bernadette Lafont, Barbra Streisand, Diane Keaton, Cleo Kretschmer, Demet Akbağ, Jane Lynch, Julia Louis-Dreyfus, Joan Cusack, Christina Applegate, Angie Reed

Im Kino ab morgen: Brautalarm / Bridesmaids mit (und geschrieben von) Kristen Wiig (und Annie Mumolo), inszeniert von Paul Feig. Ein Film, der an der Filmkritik vorbei sein großes Publikum findet, weil es darin so ausführlich und unverblühmt, so befreit von der Angst vor der Lächerlichkeit, so ernsthaft und komisch wie nie zuvor, um die Freundschaft zwischen Frauen geht.

Donnerstag, 30.06.2011

Werbung


Gisela Trowe in Straßenbekanntschaft (1947/48 Peter Pewas). Mehr dazu in der neuen Ausgabe von CARGO.

Dienstag, 14.06.2011

Telefon (12 und 13)

Zuerst entferne den Balken aus deinem Auge.
Und dann sieh zu, wie du den Splitter aus meinem Auge ziehst. (Klaus Kinski)

„I know you’ve seen big eye shots before in your life, but this is one of the better ones!“ monstermoviemusic

Wim Wenders mochte Das Gesicht im Dunkeln (1969 Riccardo Freda), „in dem Klaus Kinski die Hauptrolle spielt. Der Film ist ein Farbfilm, in dem die Farben einen ganz seltsamen dunklen Glanz haben…“

„Dazu kommt noch, dass der Film einige Male in ganz ungewohnte selbstvergessene Zustände gerät und vor sich hin zu träumen beginnt.“


Fremde Stadt (1972 Rudolf Thome)


Eddi Arent und die Farben Rot und Blau in…


Das Geheimnis der weißen Nonne (1966 Cyril Frankel)


Zimmer 13 (1964 Harald Reinl)


Fremde Stadt (1972 Rudolf Thome)

Der Zimmerkellner (Stefan Abendroth), der seinen Auftrag, ein Telefonat, mit ein paar improvisierten Lügen bravourös erledigt, wird gelobt, er hätte Schauspieler werden sollen.
„Ja, das wollte ich eigentlich auch. Aber meine Eltern haben gesagt, ich soll erst einen Beruf erlernen. Dabei ist es dann geblieben.“

Von den Edgar-Wallace-Filmen gibt es bekanntermaßen fließende Übergänge zum italienischen Giallo und zu den deutschen Fernsehkrimiserien. Zum neuen deutschen Film hin hat man sich immer einen Graben gedacht.
Vielleicht war es nur eine zugemauerte Tür.


Dieter Borsche, Karin Baal, Die Toten Augen von London (1961 Alfred Vohrer)

Dominik Graf sprach kürzlich sehr schön über „das wachsamere Organ: das Ohr“. Alfred Vohrer bearbeitete in den 50er Jahren unzählige amerikanische Filme als Synchronregisseur.

Eine aktuelle Liste der „25 wichtigsten deutschen Regisseure“ stellt Vohrer auf den 13. Platz. „Ich lande da immerhin auf Platz 12.“ (Thome, Tagebuch, 10.5.11)
Nah beisammen.


Suzanne Roquette, Gisela Uhlen, Eddi Arent; „ihm traut man alles zu“ (Olaf Möller); in Der Bucklige von Soho (1966 Alfred Vohrer)


Vorstellbar: Für das, was Diana Körner in Die Blaue Hand (1967 Alfred Vohrer) durchmacht, nahm sie zwei Jahre später Rache – in Rote Sonne.


Iris Berben, Marquard Bohm, Ulli Lommel in Detektive (1968 Rudolf Thome)

Dass Berbens hamburgische Sprechweise und Bohms eigensinnige Betonungen bei der Nachsynchronisation verloren gingen, ist bei jedem Sehen des Films erneut ein Trauerfall. Enno Patalas hatte kurz davor noch geschrieben, dass Thome ein Fanatiker des Originaltons sei „und (ungleich Lemke, aber gleich Straub) das Nachsynchronisieren verschmäht.“ Klaus Lemke jedenfalls filmte Iris Berben im Frühjahr 1969 mit Originalton, in Brandstifter, wo sie auf die Frage, was sie denn so mache, leise lispelt: „Ich mach‘ nicht mit.“
Im selben Jahr spielte sie in Der Mann mit dem Glasauge.


Der Gorilla von Soho (1968 Alfred Vohrer)

Der deutsche Krimi – zwischen Helmut Käutners Schwarzer Kies (1961) und Käutners Auftritt in Derrick: Auf eigene Faust (1976 Zbynek Brynych) – eigentlich war alles möglich.


Renate Grosser, Im Banne des Unheimlichen (1968 Alfred Vohrer)

Wie gerne würde ich Renate Grosser in Mädchen Mädchen (1967 Roger Fritz) mal wieder sehen.

Willy Haas schrieb, dass er die Bücher von Edgar Wallace „mit der Autosuggestion lese, es handle sich um Parodien. Dennoch, wenn ich einmal drin stecke, kann ich nicht mehr aufhören. Von wie tief muss eine Wirkung kommen, die sogar ungefährdet die Schwelle der unfreiwilligen Lächerlichkeit überschreitet?“

Auflegen. Gerade hat ein Unbekannter angerufen. Mit einer vertrauten Stimme. Louis de Funes? Oder Klaus Kinski? Auch der hatte manchmal die Synchronstimme von Gerd Martienzen.

Karin Baal und Claudia Butenuth in Das Geheimnis der grünen Stecknadel (1969 Massimo Dallamo). Ein ernster, beinahe trauriger Edgar-Wallace-Film. Die Karussellorgel spielt Musik von Ennio Morricone.

Außerdem wird in Das Geheimnis der grünen Stecknadel unter der Dusche geraucht.


Überblendung


Klaus Kinski, Brigitte Grothum, Edith Hancke – Telefonterror
Die seltsame Gräfin (1961 Josef von Báky und Jürgen Roland)


I Tre Volti Della Paura – Il Telefono (1963 Mario Bava)

In einem Irrenhaus, das untergebracht ist in einem Keller, lacht eine alte Frau hinter Gitterstäben, neben einer Wiege aus Maschendraht!


Marianne Hoppe und Lil Dagover, Die seltsame Gräfin (1961 Josef von Báky und Jürgen Roland) ***

„Manchmal mag man ja auch Platten hören, die nur eine Andeutung sind von der Musik, die man gern hat.“ (Wenders: Terror der Gesetzlosen, 1969)


Eva Renzi in Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe (1970 Dario Argento)
Mehr als nur eine Andeutung von dem Kino, das ich gern hab.

Ein Edgar-Wallace-Film, der endet wie Fremde Stadt. Ich denke darüber nach, ob das möglich wäre, da ertönt plötzlich aus Lautsprechern im Supermarkt: „Liebe Kunden, wir öffnen Kasse 1 für Sie!“ Die Fröhlichkeit der Durchsage wird von einem Mann im Rollstuhl, ungezügelt laut und grimmig kommentiert: „Aufregend!“

Donnerstag, 26.05.2011

The number one activity is people looking at other people.


Social Life of Small Urban Places
(1979, William H. Whyte) steckt voller Erkenntnisse. Kleine Erkenntnisse, deren große Bedeutung man mit eigenen Augen erfassen muss: „People move chairs.“ „People touch water.“ Das Erkennen von Möglichkeiten. Das Erkennen von Schönheit.

Ich weiß nicht, ob es richtig wäre Social Life of Small Urban Places ein kleines Meisterwerk zu nennen, denn vielleicht ist es ein großes.
Hier ein kurzer Ausschnitt. Hier in ganzer Länge (58 Minuten).

Donnerstag, 19.05.2011

Die karnevalistische Wissenschaft

Jack Palance oder Anthony Quinn?
Attila, der Hunnenkönig oder Attila, die Geißel Gottes?
Welcher der beiden Filme aus dem Jahr 1954 war die Inspiration?

„Mein Lieblingsschauspieler war Jack Palance“, schrieb Peter Nau (Zur Kritik des politischen Films, 1978). Das Wahnsinnsgesicht des Amerikaners mit ukrainischen Eltern löste auch bei dem Kölner Horst Drenske etwas Folgenreiches aus, es kam zur Gründung der 1. Kölner Hunnenhorde, 1958. Das Außergewöhnliche dieses Vereins (und der vielen, inzwischen bald hundert anderen „Stämme“) war und ist die schillernde Verflechtung von Ethnologie, Kino und Karneval.

Die Stämme von Köln zeigen das Behagen in der Gegenkultur. Anja Dreschkes Film, der mehr ist als nur eine Ethnologie des Inlands, beschreibt und erlaubt das elementare Vergnügen sich selbst im Anderen wiederzuerkennen. Und so lassen sich vor den Toren der Stadt, wenn im Sommer die Hunnen und Mongolen ihre zahlreichen Lager aufschlagen, einige Visionen erhaschen – von dem Entstehen, der Blüte und Ausbreitung von Kultur – durch Kostümierung.

Die Beschäftigung mit etwas Fremden wirkt kindlich, wenn sie spontanem Wohlgefallen folgt. Es wird stattdessen ernst genommen, wer sich nur möglichst umständlich von oben über etwas beugt.
Bewunderndes Aufschauen, Imitieren und Sich-hinein-Versenken – all das gilt nicht als seriöse Erkenntnismethode, doch jede Kultur ist letztlich Schmuck und Schminke, Maskerade und Mobiliar: ein Gemisch aus Erfundenem und Erbeutetem.

Eigentlich schön, sich vorzustellen, dass sich die etablierten Instanzen des deutschen Dokmentarfilmfestivalbetriebs von diesem herrlichen Film pikiert abwenden, ganz so wie die großen uniformierten Karnevalsvereine an den faszinierenden Kölner Stämmen gebannt vorbeischauen.

Kino und Karneval sind lustige Geschwister der Religion. Denn auch das unbequemste Kostüm ist ein bequemes Heraus aus der nicht selbstgewählten Welt. In besonderen Fällen ein an- und ausziehbares Jenseits.

Kinostart heute in Köln. Festival-Premiere in London.


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