Einträge von Rainer Knepperges

Montag, 16.05.2011

Telefon (10)


Vince Barnett in Scarface (1932 Howard Hawks)

Der Sekretär zückt seinen Revolver, in Notwehr, gegen das Monster namens Telekommunikation.

Die Arbeit hat bei Hawks zwei Gesichter.
Bei einsamen Tätigkeiten ist das Desaster sehr wahrscheinlich.
Gemeinsames Tun mündet recht verlässlich in Ekstase.


Rosalind Russell & Cary Grant in His Girl Friday (1940 Howard Hawks)

Die Journalistin und der Journalist sind kein harmonisches Paar, nicht Mann und Frau, sondern eine wilde Improvisation gegen den Fortlauf der Welt.

Versagen oder Triumph, das ist bei Hawks in letzter Konsequenz: Tod oder Musik.

Donnerstag, 05.05.2011

Telefon (9)


How to Use the Dial Telephone (1927)


I Have to Dial My Own Phone (1949)


Dial M for Murder (Alfred Hitchcock, 1954) *

In der Mitte des Films: plötzlich das Bild der Maschinerie, die verlässlich die Anschlüsse verbindet. Kein Fräulein vom Amt ist da, nur eine Maschine, kein Mensch, der rettend eingreifen könnte.

Anthony Dawson, Grace Kelly, Ray Milland. Weil die Sympathievergabe vom Willen nicht gesteuert, unwillkürlich vonstattengeht, ist zu diesem Zeitpunkt die Überforderung vollkommen.

Truffaut im Gespräch mit Hitchcock: „Ehe wir Dial M for Murder verlassen, über den wir gesprochen haben, als sei es einer ihrer kleineren Filme, möchte ich doch sagen, dass das einer von denen ist, die ich mir am häufigsten ansehe…“

Und wenn – durchaus möglich – in Dial M for Murder der Schlüssel zum Verständnis der dunkelsten Geheimnisse des Kinos zu finden wäre, wie würde derjenige, der wüsste, in welches Schloss dieser Schlüssel passt, am Ende dastehen?

Mittwoch, 13.04.2011

Telefon (7)

„Die Liebe zu EINEM Gegenstande, der Kampf mit Hindernissen und die Freude des erkämpften Gelingens muss unseren eilenden Geist aufhalten; denn sonst wird diesem Kurzsichtigen die Welt bald zu klein.“ (Friedrich Schlegel)


Ein wirklich leidenschaftlicher Bildersammler könnte sich ein Sondersammelgebiet erschließen und seine ganze Aufmerksamkeit ausschließlich jenen Telefonapparaten widmen, die groß, allzu groß, im Vordergrund einer Filmaufnahme stehen.


Jeremy Kemp, Darling Lili (Blake Edwards 1970)

Ein seltsames Etwas aus der Wählscheiben-Epoche: ein fingergroßer, echtsilberner Telefonwähler für $ 6,75 inklusive Luxussteuer, wurde 1961 von John McGiver, in seiner Rolle als freundlicher Verkäufer bei Tiffany’s, als letzter Schrei gepriesen – „für den Herrn oder die Dame, die bereits alles haben“.


Jeremy Kemp, Top Secret (Zucker, Abrahams & Zucker 1984)

„Ich gehe immer dran“, sang Helge Schneider 1993 in seinem Lied „Telefonmann“.


Jean-Louis Trintignant, Col cuore in gola (Tinto Brass 1967)

Zu Begin des Jahres lernte ich „das Dschungeltelefon“ kennen. Das ist eine Blockhütte irgendwo in Australien, wo Menschen frontal in eine Kamera schauen und zu den Zuschauern von Radio Télé Lëtzebuerg sprechen können. Eine verrückte Erfindung.


After Hours (Martin Scorsese 1985)

Auf Wählscheibentelefonen, unter Klarsichtplastik auf einem kleinen Etikett, stand früher oft die Nummer des Anschlusses, den man gerade benutzte, handgeschrieben.


Die spektakulär ins Bild gesetzten Telefonapparate in den Filmen von Seijun Suzuki dürfen nicht unerwähnt bleiben.


Yaju No Seishun (Seijun Suzuki 1963)

In True Stories (David Byrne 1986) singt John Goodman:
„People like us
who answer the telephone

We don’t want freedom
We don’t want justice
We just want someone to love.“


Attack of the Puppet People (Bert I. Gordon 1958)

Mittwoch, 16.03.2011

Telefon (6)


The Nutty Professor (Jerry Lewis 1963)

Es kostet ihn am Telefon einige Mühe sich bei seinem vergesslichen Vater ins Gedächtnis zu rufen. Das Bonusmaterial der DVD enthält eine ausufernde, völlig rückhaltlose Improvisation dieser Szene.

Jerry Lewis‘ unübertreffliche, zu Herzen gehende Interpretation von „Dr. Jekyll and Mr. Hyde“ wird heute um 21:45 vom BR aus Anlass seines 85. Geburtstages gesendet.

Sonntag, 13.03.2011

Ohne Ziel


Hans Albers mit Versuchsobjekten. Vom Teufel gejagt (Viktor Tourjansky 1950)

Es war ein besonders tiefer Wühltisch, eher ein Käfig als ein Tisch, in dem ich, ohne zu wissen was ich suchte, diesen Fund machte. Eine seltsame, weil deutsche Variation von Stevensons „Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde“ – das versprach die hässliche Hülle der DVD. Und tatsächlich erzählt dieser Schwarzweißfilm vom Verderben eines Wissenschaftlers.

Mein schlimmster Fehler bestand lediglich in einer gewissen Neigung zu ungestümer Heiterkeit, die für viele Glückseligkeit bedeutet, die ich aber nur schwer in Übereinstimmung bringen konnte mit meinem gebieterischen Verlangen, hocherhobenen Hauptes in der Öffentlichkeit eine ungewöhnlich ernste Miene zur Schau zu stellen. (Robert Louis Stevenson: „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“, 1885; übersetzt von Wolfram Benda, dtv)


Nach dem Selbstversuch. Im Regen, im Anzug, in Trance…

Schon oft ist die Geschichte dieser Verwandlung erzählt worden, doch hier ist sie selber ganz verwandelt. So als müsse die schöne weltweite Gültigkeit der englischen Erzählung erst sorgsam in die deutsche Kultur eingepasst werden, so hat sich dieser Dr. Jekyll assimiliert und ist ein Dr. Mabuse geworden. Ihm geht es nicht um die Aufspaltung der menschlichen Doppelnatur, sondern um Konsolidierung eines Unternehmens, Rettung seiner vom Konkurs bedrohten Klinik. Merkwürdig schlüssig ist die Paradoxie, dass der Held seine umnachteten Befehle erst anderen und zuletzt sich selber gibt. Nicht das Unbewusste kommt zu seinem Recht, sondern blinder Gehorsam gedeiht im Weichfeld guter Absichten.

Das Gesicht des Hauptdarstellers ist die Sensation des Films. Vergleichbar mit den unvorstellbaren Sachen die Mitchum in The Night of the Hunter macht, lässt hier Hans Albers seine sympathische Natur entgleiten – ins Glasige und Grausame, ins Finstere und Fiese. Die Tasse, die ihm gleich darauf à la Bresson zu Bruch geht, hat dann beinah beruhigende Wirkung.


Telefon (5)
So sonderbar wie Lil Dagover – seltsame Gräfin und spinnerte Lady – so grotesk ist ihr weißes Telefon. „… das Groteske, das heißt: die Mischung von Erhabenem und Lächerlichem, die allen Menschenwesen eigen ist.“ (Victor Hugo)

Vom Teufel gejagt war der 100. Film des Regisseurs Tourjansky, dessen Filmographie 1912 in Russland als Darsteller und 1914 als Regisseur begann. In unzähligen seiner frühen Filme war Nathalie Kovanko, seine Ehefrau, sein Star, bis ihm 1931 auf der Terrasse des Cafe de la Paix die geheimnisvolle Simone Simon begegnet. Der Exilrusse reiste vielbeschäftigt zwischen Paris und Hollywood (als Victor) und Berlin (als Viktor) hin und her. Erst 1938 entschied er sich ganz für die Arbeit in Deutschland. Man möchte sagen: falsch. Der „Routinier“ war UFA-Regisseur, Bavaria-Regisseur, und man muss wegen des Hetzfilms Feinde (1940) sagen: auch Nazi-Regisseur.

Interessant wäre vielleicht ein Blick auf die 10 Jahre erfolgreiche Arbeit des Duos Emil Burri (Drehbuch) und Tourjansky (Regie und Drehbuch): Eine Frau wie du (1939) Der Gouverneur (1939) Feinde (1940) – alle mit Brigitte Horney. Und die folgenden: Tonelli (1943), Orientexpress (1944), Liebeswirbel / Dreimal Komödie (1944/1949), Der blaue Strohhut (1949) – alle produziert von Georg Witt, dem Ehemann von Lil Dagover. In kleinen Rollen immer mit dabei: der Schauspieler Joseph Offenbach. Ob man beim Anschauen der Filme raten könnte, wann zwischendrin der zweite Weltkrieg endete?
Erst nach Vom Teufel gejagt (1950): plötzlich eine Zäsur – in der Zusammenarbeit. Emil Burri bildete später ein Drehbuch-Gespann mit Johannes Mario Simmel. Georg Witt fand Mitte der 50er ein neues Erfolgsrezept: Filme mit Liselotte Pulver unter der Regie von Kurt Hoffmann. Toujanskys letzter Film, 1962 in Italien gedreht, hat den schönen deutschen Titel: Cleopatra, die nackte Königin vom Nil.


Vom Teufel gejagt

Im ersten Stock seiner Privatklinik hat der Irrenarzt seine Privatwohnung, wie hinter Gittern.
Der Kriminalkommissar (Joseph Offenbach) betritt den Tatort, die Kneipe am Bahndamm, wie ein Gangster. Die Männer an seiner Seite postieren sich wie Bodyguards. Allerlei ist fremd.

„Der deutsche Nachkriegsfilm, von 1945 bis zum Beginn des Neuen Deutschen Films, gehört inzwischen zu den unbekanntesten Epochen der deutschen Filmgeschichte. Das negative Urteil über das Kino der Adenauer-Ära, über dessen Schnulzen, Heimat- und Schlagerfilme, hat auch die interessanten Filme verdrängt.“ Ulrich Kurowski schrieb das im Juli 1985 in epd Film und weckte damit damals Wünsche, die mir nicht alle in Erfüllung gingen. Ungesehen bis heute: Die Mücke (Walter Reisch 1954) und Verzauberter Niederrhein (Willy Zielke 1954).


Hier hatte der Film am 24.10.1950 seine Uraufführung: Hahnentor Lichtspiele, Köln, 1500 Plätze.

In jeder Hinsicht unkonventionell, weil Kurowski vor lauter ungestillter Neugierde auch das Eingeständnis der Wissenslücke nicht scheute, ließ er seinen Text mit einer Bitte an den Leser enden: „Ich suche auch noch Filme: Kronjuwelen (Franz Cap 1950), Das ewige Spiel (Cap 1951), Türme des Schweigens (Bertram 1952), Vom Himmel gefallen (Brahm 1955). Wer etwas über den Verbleib von Kopien dieser Filme weiß, möge dies bitte der Redaktion mitteilen.“

Vom Teufel gejagt hat einen wunderschönen Schluß: Der Affe schaut aus dem Käfig auf seinen Herren herab, dessen Augen im Tod nicht ganz geschlossen sind. Dem Tier und dem Toten ist eine gewisse Lässigkeit gemeinsam.

Freitag, 25.02.2011

Feuer (2)


Jack Elam, Cattle Queen of Montana (1954, Allan Dwan)

„Douglas Fairbanks made a film called The Habit of Happiness (1916, Allan Dwan) which revolved round the theory of the hero that all human misery could be cured with laughter. One scene showed Fairbanks in a flop-house on Skid Row telling jokes to the derelicts. The extras playing these outcasts were in fact real derelicts whom Fairbanks had bussed up to the studio from the nearest Skid Row and all his attempts to make them laugh with straight humour were failures. Risque stories produced some slight reaction, true blue ones provoked smiles, but only when Fairbanks plumbed the depths of obscenity and profane language was he rewarded with the gales of laughter demanded by the story line. When the letters of complaint started to come in from lip-readers, the shots of Doug as raconteur had to be redone with innocuous dialogue and intercut with the footage of the derelicts‘ response.“ (Patrick Robertson: The Guiness Book of Film Facts And Feats, 1980)


Douglas Fairbanks, The Habit of Happiness (1916, Allan Dwan)

Mittwoch, 09.02.2011

Amore


Cleo Kretschmer

Heute im BR um 21:45: Amore (Klaus Lemke, 1978).
Morgen (10.2.) um 18:00: Banshun (Yasujiro Ozu, 1949)
in der Ozu-Retrospektive im Japanischen Kulturinstitut in Köln. *

Samstag, 22.01.2011

Geheimtipp

EYYVAH EYVAH war in meinen Augen der schönste Film des letzten Jahres. Deshalb finde ich es bemerkenswert, dass auch die gelungene Fortsetzung für die deutsche Filmkritik glattweg nicht existiert.
Immerhin läuft EYYVAH EYVAH 2 (mit deutschen Untertiteln) in Aachen, Aalen, Aschaffenburg, Augsburg, Berlin, Bielefeld, Bochum, Bremen, Bremerhaven, Darmstadt, Dortmund, Duisburg, Düsseldorf, Essen, Frankfurt, Fulda, Geislingen, Gelsenkirchen, Grevenbroich, Hamburg, Hamburg, Hanau, Hannover, Hechingen, Herten, Ingolstadt, Karlsruhe, Kassel, Kehl, Kiel, Köln, Krefeld, Landshut, Lüdenscheid, Ludwigshafen, Mainz, Mannheim, Memmingen, München, Neckarsulm, Neuwied, Nürnberg, Nürtingen, Oberhausen, Offenbach, Osnabrück, Plettenberg, Saarbrücken, Salzgitter, Siegen, Sindelfingen, Solingen, Stuttgart, Walldorf, Weil am Rhein, Wiesbaden und Wuppertal.
Vielleicht werden Kulturhistoriker im Rückblick beide Phänomene in Beziehung setzen: Die Unaufmerksamkeit gegenüber dieser türkischen Komödie und die Aufmerksamkeit, die der Spiegel im vergangenen Jahr einem deutschen Rassenkunde-Buch verschaffte.

Donnerstag, 13.01.2011

Telefon (4)


1958Monster on the Campus

In Filmen gelingen Hilferufe meist nicht. Man könnte sagen: Im Film um Hilfe zu rufen bringt Unglück.


1971Dívka na koštěti

In vielen Filmen gibt es den Fall, dass ein Telefonat verhindert werden muss. Mit allen Mitteln.


1966Torn-Curtain

„Wir sind auf dem Bauernhof, und es ist die Bäuerin die ihn tötet, wir verwenden folglich Haushaltsgegenstände: einen Topf mit Suppe, ein Küchenmesser, eine Schaufel und schließlich den Gasofen.“ (Hitchcock im Gespräch mit Truffaut)


1968Baisers volés

In vielen Filmen ist derjenige, der von einem öffentlichen Apparat aus anruft, ein verzweifelt versuchender, vergeblich bemühter, wagemutiger Held. Ein Verliebter. Auf deutschen Telefonzellen klebte in den 70er Jahren eine Sprechblase: „Ruf doch mal an!“


1976Taxi Driver

Rechts ist ein leerer Flur, der rausführt auf die Straße. Das Telefonat ist herzzerreißend glücklos. Deshalb wird die Kamera gleich nach rechts fahren und, aus Betretenheit, den leeren Flur zeigen.


1977L’homme qui aimait les femmes

Der Mann, der die Frauen liebte telefoniert sehr viel. „Einen Mann zu zeigen, der wirklich allein ist,“ das war Truffauts Interesse.
In Tirez sur le pianiste (1960) gibt es ein erbittertes Gefecht – mit Messer und Telefonhörer.


1984The Muppets Take Manhattan

Mittwoch, 12.01.2011

Telefon (3)

Ein Farocki-Film über das Telefonieren würde vielleicht diese Tätigkeit begreiflich machen, durch das Bild der Maschine, die dem Menschen die Tätigkeit abnimmt.


1955Kiss Me Deadly

Der Anrufbeantworter von Mike Hammer, in Robert Aldrichs Kiss Me Deadly wurde schon als Symbol von Entfremdung interpretiert, da war George Costanza noch nicht geboren.


„Believe it or not, I’m not home.“


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