Bakelitperücke und hölzerner Umhängebart (Teil 3 – Finale)
Über Masken, Helme und Verbände
The Face Behind the Mask (1941 Robert Florey)
An seinem ersten Tag in New York hat der ungarische Einwanderer (Peter Lorre) ein wenig Glück. Bis dann in der Nacht sein Hotel in Flammen steht.
An dem Tag, als dem Verbrennungsopfer die Bandagen vom Gesicht genommen werden, breitet die mitfühlende Krankenschwester ein Tuch über den Spiegel.
Ein 69-Minuten-Horror/Gangster- und Wüstenfilm.
Houdini (1953 George Marshall)
Ein anderer Einwander aus Ungarn: Harry Houdini (1874 – 1926), Entfesslungskünstler, zaubernder Aufklärer, ließ sein Publikum gerne wissen, dass Magie auf Geschicklichkeit beruht. Das Bio-Pic über ihn und über seine Mutterbindung ist fast ein Unterwasserfilm.
The Mind Benders (1963 Basil Dearden)
In The Mind Benders geht es um bewegungsloses Tauchen. Ein ungewöhnlicher Kalter-Kriegs-Film, in dem gezeigt wird, dass selbstgewählte Isolation die idealen Bedingungen für Gehirnwäsche schafft.
The Alligator People (1959 Roy Del Ruth)
„Ich bereute die Zeit, die ich anwandte, Ausdrücke für meine Gedanken zu suchen. Ich fand, dass wir jeden Gedanken unmittelbar, ohne langes Nachsinnen in die Sprache einzukleiden pflegen, die uns die bekannteste ist. Und da fasste ich den seltsamen Entschluss, mich von dieser Sklaverei loszumachen. Drei Monate dachte ich ohne Worte. Als ich dieses Nachdenken endete, sah ich mich voll Erstaunen um. Meine Sinne betrogen mich nicht wie vorher. Alle Gegenstände hatten für mich eine neue Gestalt.“ (Franz Anton Mesmer, 1734 – 1815)
Kelly Freas (1922 – 2005): Fantastic Univers, 1955
„Für die Franziskaner malte er 500 Porträts von Heiligen, simultan zu den Porträts von Alfred E. Neumann für MAD“ (Wikipedia)
Paranoiac (1964 Freddie Francis)
Wenn wir in die Welt der Groteske eintreten, empfinden wir stets eine fröhliche Freiheit des Gedankens. In den handschriftlichen Sammlungen von Heiligenviten des dreizehnten und vierzehnten Jahrhunderts finden sich fromme und strenge Illustrationen neben freien, nicht mit dem Text verbundenen Darstellungen von Chimären, komischen Teufeln und maskierten Figuren. „Die Fläche einer Manuskriptseite hatte genauso wie das Bewusstsein des mittelalterlichen Menschen, Platz für beide Aspekte des Lebens und der Welt.“ (Michail M. Bachtin: „Literatur und Karneval“)
Seconds (1966 John Frankenheimer)
Was unter diesem Verband auf seine Enthüllung wartet, ist ein Paradestück plastischer Chirurgie: das Gesicht von Rock Hudson. In Gesichtstransplantationsfilmen dürfen Männer mit mehr Interesse als üblich in den Spiegel schauen. In Delmer Daves‘ Dark Passage ist es Bogart, in John Woos Face/Off sind es Cage und Travolta.
„Wer kann schon sagen, was er sieht, wenn er in den Spiegel schaut? Je mehr ich meinen Vater angesehen habe in diesen Tagen, Wochen, Monaten, desto mehr glich er mir selbst, desto fremder wurde er mir. An manchen Tagen bin ich mit dem Gefühl aufgewacht, sein Gesicht liege wie eine Maske auf meinem eigenen.“ (Dominik Graf: Das Wispern im Berg der Dinge)
Tanin No Kao (1966 Hiroshi Teshigahara)
„Jahrelang kam Erik Satie des Morgens auf mein Zimmer, Anjou-Straße 10. Er zog den Mantel (auf dem er nicht den leisesten Fleck geduldet hätte) und die Handschuhe nicht aus, behielt den bis zum Zwickerrand in die Stirn gezogenen Hut auf und legte den Regenschirm nicht aus der Hand. Mit der freien Hand schirmte er den Mund ab, der sich beim Sprechen oder Lachen verzog. Er kam zu Fuß von Arcueil herein. Dort hauste er in einer Kammer, wo man nach seinem Tod alle Briefe seiner Freunde unter einem Berg von Staub wiederfand. Er hatte nicht einen einzigen geöffnet.
Er säuberte sich mit Bimsstein. Wasser benutzte er nie.“
(Jean Cocteau: „Die Schwierigkeit zu sein“)
Cocteau beschreibt auch, wie man den Tänzer Nijinsky nach dessen Auftritten hinter der Bühne empfing – „wie einen Boxer mit warmen Handtüchern, Backenstreichen und Wasser, das ihm sein Diener Dimitri ins Gesicht spie.“
Ingrid Thulin in Riten (1969 Bergman)
Ingmar Bergman: „Im katholischen Abendmahl gibt es die sogenannte Elevation. In einem bestimmten Moment hebt der Priester den Kelch. Das tut er im evangelischen Abendmahl nicht. Es ist sogar verboten. Die Elevation, also die Erhöhung, ist in der katholischen Kirche noch vorhanden als rituelles Überbleibsel des Dionysoskultes, wo der Priester die Schale mit Blut über seinen Kopf hob und die Gottesmaske hinter seinem Rücken spiegelte, um den Gott fortzutrinken.“
Alice Sweet Alice (1976 Alfred Sole)
Gulliermo del Torro über Hitchcocks I Confess: „This movie is linked in my putrid brain with another very strange movie, both shot in Canada: which is Alfred B. Sole’s Alice Sweet Alice. For some reason the two movies live in the same spiral of my brain. watch them both and send me a letter. I will never answer.“
They All Laughed (1981 Peter Bogdanovich)
„If you said to me: What Film that you made is most like you? I would say: They All Laughed“ (Peter Bogdanovich im Gespräch mit Wes Anderson)
El Orfanato (2007 J. A. Bayona)
Boris Karloff hat erzählt, wie sehr ihn die Fanpost rührte, in der dem Monster Frankenstein „Hilfe und Freundschaft“ angeboten wurde. Karloff beschrieb dies als eine der bewegendsten Erfahrungen seines Lebens.
Hickling Family During the War (1940s amateur film) Yorkshire Filmarchive
Hotel des Invalides (1952 Georges Franju)
„Nicht anfassen“, sagt der Saalwächter.
Rechts: Die Turnierrüstung des Fürsten von Alba
Karnevalistisch und katholisch wie das Kino ist, braucht selbst der Filmprojektor seine Masken. Tonspur und Perforation sollen Geheimnisse bleiben. Wie die Sekretärinnen an ihren Fingernägeln, so feilen die Filmvorführer an den vielfältigen Formaten. „Herr Beck von der Firma Hasso hat mal in Baden Baden auf dem HDF Kongress einen Maskenwechsler für eine B 11 vorgestellt. Dazu auch einen Objektivrevolver. Aber das war vor ca. 30 Jahren.“ So plaudert man im Filmvorführerforum.
The Devil Commands (1941 Edward Dmytryk)
„Liebe war für die Welt des Westens von Anfang an etwas Ambivalentes. Bereits Sappho (600 v. Chr.) oder noch früher, im Epos von der trojanischen Helena, registriert die Kunst das Hin und Her zwischen Attraktion und Feindseligkeit, das jene perverse Faszination auszeichnet, die wir Liebe nennen. Dank der Abgegrenztheit der westlichen Person gibt es im Westen einen Magnetismus der Erotik: ein elektrisches Kraftfeld zwischen Masken.“ (Camille Paglia: „Die Masken der Sexualität“)
Wegen der von Camille Paglia gepriesenen Vorzüge der chronologischen Betrachtungsweise, schlage ich vor: Wir fangen noch mal von vorne an.
Peter Lorre – The Face Behind the Mask (1941 Robert Florey)
Tyrone Power – Son of Fury (1942 John Cromwell)
„Der Mensch empfindet die Unaufhörlichkeit des Lebens auf dem öffentlichen Festplatz, in der Karnevalsmenge, indem er sich mit fremden Leibern jeden Alters und jeder sozialen Stellung berührt. Er fühlt sich als Glied des ewig wachsenden und sich erneuernden Volkes. Deshalb schließt das festtägliche Lachen des Volkes nicht nur das Moment des Sieges über die Furcht vor den Schrecken des Jenseits, vor dem Geheiligten, vor dem Tod in sich ein, sondern auch das Moment des Sieges über jede Gewalt, über die irdischen Herrscher, über die Mächtigen der Erde, über alles was knechtet und begrenzt.“ (Michail M. Bachtin: „Literatur und Karneval“)
The Flesh and the Fantasy (1943 Julien Duvivier)
Der treue Husar (1954 Reinhold Schünzel)
Ein reiner Hochgenuss sind die Texte von Silvia Szymanski über Omafilme. Zum Beispiel: Der Kongress tanzt (das ist einer meiner Lieblingsfilme) oder Gräfin Mariza („man sollte sich in die Vorstellung hineinsteigern, dass das eigentlich alles Sex ist“) oder Der treue Husar.
Virgil Finlay: Fantastic Universe, 1958
Claudia Basrawi erzählte mir eben am Telefon, sie habe vor einiger Zeit mal einen ganzen Tag lang das schöne Gefühl gehabt, eine weithin sichtbare Aura zu besitzen. Von gelber Farbe sei diese Aura gewesen – und beim Herumlaufen ein wenig hinderlich, wie aus Pappe.
Queen of Outer Space (1958 Edward Bernds)
„Das Bewusstsein macht Feiglinge aus uns allen. (…) Wir sehen zuviel und müssen deshalb unser Blickfeld konsequent einengen. (…) Die Natur übertrifft uns nämlich alle an Obszönität.“
(Camille Paglia: „Die Masken der Sexualität“)
In The Grass is Greener (1960 Stanley Donen) hat Jean Simmons ein weißes Telefon mit schwarzer Wählscheibe. Mitten im Film sagt sie: „There is no honour, where sex is“.
Belinda Lee in Les Draguers (1959 Jean-Pierre Mocky)
„Die Sünde ist eine Erfindung der Heiligen,“ sagt Belinda Lee als Messalina (1960 Vittorio Cottafavi), und außerdem: „Die Nachwelt wird immer nur euch Männer wohlwollend beurteilen. Nie uns Frauen.“
The Twilight Zone: Eye of the Beholder (1960 Douglas Heyes)
Breakfast at Tiffany’s (1961 Blake Edwards)
In der heidnischen Vielgötterei Hollywoods formiert sich ein triumphaler Maskenzug der Sexualität, um uns aus dem Alptraum der Natur zu wecken. Camille Paglia versteht „den Humor als die einzige Lösung für den Krieg zwischen den Geschlechtern. (…) Ändern wir, was zu ändern ist, und lachen wir über das übrige.“
Laut Michail Bachtin „geht großen Umwälzungen, selbst noch in der Wissenschaft, eine gewisse Karnevalisierung des Bewußtseins voraus.“
Operazione Lady Chaplin (1966 Alberto de Martino), Musik: Bruno Nicolai
„Who is Lady Chaplin? A high-fashion dress designer? A peace-loving nun? A military driver attached to NATO? An eminent scientist? This is what CIA man Dick Malloy is assigned to find out.“
Maria Grazia Buccella in After the Fox (1966 Vittorio de Sica)
Tony Randall 1966 in „What’s My Line?“
Woody Allen: “In my next life I want to live my life backwards. You start out dead and get that out of the way. Then you wake up in an old people’s home feeling better every day. You get kicked out for being too healthy, go collect your pension, and then when you start work, you get a gold watch and a party on your first day. You work for 40 years until you’re young enough to enjoy your retirement. You party, drink alcohol, and are generally promiscuous, then you are ready for high school. You then go to primary school, you become a kid, you play. You have no responsibilities, you become a baby until you are born. And then you spend your last 9 months floating in luxurious spa-like conditions with central heating and room service on tap, larger quarters every day and then Voila! You finish off as an orgasm!”
Take the Money and Run (1968 Woody Allen)
Michael Grater: Paper Faces (1968) via Toys and Techniques
In einem Wohnwagen an der holländischen Küste: ein Altar für George Lucas.
Frohe Ostern!