Einträge von taktmann

Montag, 02.01.2006

2005 – 1 Trailer (Netz)

. . . zum Beispiel . . . Trailer

J.-L. Godard, Einführung in eine wahre
Geschichte des Kinos

S. Coppola, Marie Antoinette, Fall 2006

Samstag, 10.12.2005

Dar-denned

wie leicht man selbst dem stumpfsinnigen Reflex erliegt, seine Erwartungen
ans Kino nach Oberflächenreizen auszurichten

M. Althen über „L’Enfant“, FAZ vom 17.11.2005

Der, der diese Bemerkungen schreibt, (ich) hat gerade frische Kleidung angezogen. Mercerisiert-baumwollene Unterwäsche, frischgewaschene Jeans, frische Socken, gelüfteter Wollpullover, seit mehreren Tagen ungetragen. Ich bin barhäuptig. Es ist also davon auszugehen, daß sich kein Schmutz in den Fasern meiner Kleidung versteckt. Ich bin zuhause. Die DSL-Leitung gestattet mir jederzeit den Blick in jenen Raum mit den schmalen Fenstern weit oben, in dem David Lynch seinen „Daily Report“ aufzeichnet. Caché.

Diese Umstände erläutern meinen Blick auf „L’Enfant“. In dem Film geht es um Verstecke. Verstecke sind Räume einer bestimmten Abgeschlossenheit. Sind Verstecke geheim? Nicht unbedingt (im übrigen ist längst bekannt, daß offene Geheimnisse am besten versteckt sind). Verstecke können auch bekannt und akzeptiert, gleichwohl unangetastet sein. Sie sind Zonen, deren Zugang geregelt ist, aber nicht ausschließlich der Abwehr einer interessierten Intentionalität dienen. Verstecke leisten Kompartimentierung. Räumlich, physisch, sozial, logisch.

Spoiler (2. Grades: ich verrate noch nichts, aber ich verrate, daß noch was ganz Anderes kommt): es geht gar nicht um die folgende Liste der Verstecke in „L’Enfant“ — ich will eigentlich nur über (Sie kennen sie jetzt aber noch nicht) die Pointe am Schluss (dieser Bemerkungen, nicht des Films) reden. Ich verrate also: nicht Tränen — Blumen!

Das „offizielle“ Versteck (der Karton). Die offene Strasse, das Gehen, Wandern, Schieben unter freiem Himmel. Das Gehen und Stehen im Regen.
Der Bauch, in dem das Kind gerade noch war; die nicht sichtbare Hand auf dem Bauch. Der, die Kinderwagen (sein unsichtbarer Innenraum). Der Baby-Overall (Anonymitäts-Dispositiv: die vielen Baby-Darsteller im Abspann).

Kleidung: der Hut, der verlorene Hut, der Regen. Der Minirock, genuines Dispositiv des Versteckens (bar/bedeckt), die Jacke(n), die nassen Socken, die ausgezogen werden (die nackten Füße), die Kleidung, die im Asyl nicht ausgezogen wird; das Baby, dem nie die Windel gewechselt werden, und das nur ‚zuhause‘ nur teilweise ausgezogen wird.

Die Taschen der Kleidung: in denen alles mögliche steckt: die Beute, das bare Geld (kein Portemonnaie), das Handy, die Zigaretten (kein Alkohol); die gefilzt werden; (hat die Gefängniskleidung Taschen?).

Die Taschen der Beute: die Kiste mit dem Testament (der versteckte Wille), mit Schloss (schlecht geschlossen), mit Draht (sehr schlecht geschlossen); die Tragetasche der Frau, der Geldbeutel.

Wohnungen mit Türen: die Wohnung des Paars, der Mutter, das Asyl (die Gegensprechanlage, die Gegensprechanlage am Mulholland Drive).

Übergabeorte: die Wohnung (die Zimmer mit Türen, die verschlossenen Aufzüge), die Garage (doppelt, mit Rolltür, mit Innenwand, mit Loch).

Die Schwellen (die Zugänge zum Versteck): die Autostrasse, die Böschung, das Einsteigen in den Bus (Hilfe auf der Schwelle), das Dach des Cabriolets, die Schlange am Amt (die versteckte Hilfe), die Telefonistin, die die Nummer der Mutter nicht vermittelt, der Zaun, wo er auf den Motorroller-Knirps wartet.

Die Deckung: vor den Verfolgern hinter dem Stahlzeug, im Wasser, in der Ufer-Baracke.

Die Orte: das Asyl, das Krankenhaus: der Zugang zur Station, die Vorhänge ums Bett (das verbotene Handy); die Polizeistation (Aufzug, Zugangsregelung am Counter), das Gefängnis.

Das Handy: der Bote, Vermittler entlang der Grenze offen (das dauernde Klingeln)/verdeckt (die anonyme SIM-Karte): die Übergabe des Handys durchs Loch in der Wand, die kurzen Gespräche der Versteckten, ohne Spuren (das Aufheben der alten Telefonkarte) — aber es braucht Strom.

Des weiteren: das Aufreissen des Nahrungsbeutels, das nackte Kaffeepulver, das Cabriolet (das Verdeck-Auto), die im Kinderwagen versteckte 1-Euro-Weste, das bare Geld, der von der Polizeidecke bedeckte Junge, die saubere Gefängniskleidung (ohne Taschen?), das bare Geld, das bare Geld.

Und nun die Pointe:
Bei der Übergabe des Kindes muß Bruno die Tür des Zimmers schließen, das zu der leerstehenden Wohnung des anonymen Hochhauses gehört. Das Handy, der Schwellenapparat, steuert die Abläufe. Bruno muss warten. Er steht derweil vor einer Tapete mit einem Muster von kleinen Blumen und Pflanzengruppen. Man kann sagen: eine „realistische“ Tapete für solch einen trostlosen Ort. In diesem Sinne indiziert die Tapete soziale Realität (im Tagesspiegel-Interview wird Barthes‘ „Realitätseffekt“ angesprochen). Lange halbnahe Einstellung. Und dann, mit einem Mal, bewegt sich etwas auf (in?) der Tapete: ein Ohr?, ein Tier?, ein Schmetterling?, eine Ente? Der erste Dardennes-Zoom fährt auf (in?) die Tapete und entdeckt, daß in (hinter?) der Tapete ein unerhörtes Geschehen vor sich geht: der Film vergißt daraufhin Bruno, Sonia, das Kind, das Geld, den Staat, den Regen, und stürzt im folgenden die Blütenbahnen eines blümchenfrischen Lenor-haften Eskapismus hinunter. Dieser Film aber, obwohl die Tapete, wie jede Tapete, wie jede Wand, glatt und flach ist — dieser Film ist versteckt in der Falte eines offenen Geheimnisses, eines Oberflächenreizes. Aus dem Off hört man sagen: „… a little bit of blue skies, lots of clouds, no wind, some rain last night, fifty-eight degrees.“

Dienstag, 27.09.2005

Drehkolbendichtleiste?

„Standards of living / They´re rising daily
But home oh sweet home / It´s only a saying

But what goes on / What to do there“

Bryan Ferry, In Every Dream Home a Heartache


„Du bist von allem ein Teil“ (Der Mongoloid im Stelenfeld)

Presseinformation
Regisseurin des Spots der Kampagne „Du bist Deutschland“ („Sozialmarketingkampagne“, Pro bono, 30 Mio Euro)

Dr. Clarissa Ruge

Geboren 1969. 1992-98 Studium der Politischen Wissenschaften, Philosophie und Kommunikationswissenschaften, parallel Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule München. Von 1995 bis 1999 freie Journalistin u. a. für Tagesspiegel, Süddeutsche Zeitung, Berliner Zeitung, Die Woche. Ab 1998 mehrere TV-Dokumentationen. 2002-2004: Promotion zum Thema „Moderne Vergangenheitsbewältigung totalitärer Systeme“. Seit 2004 Lehrbeauftragte an der Ludwig-Maximilians-Universität, München.

Filme (Auswahl)
1998 Die Farbe der Wahrheit
1999 Vergewaltigt, Verschleppt, Verschwunden
2001 A Woman and a Half – Hildegard Knef
2005 Hemingway-Exit (Arbeitstitel)

Preise
1999 Axel Springer Preis für Junge Journalisten – Preis für herausragende Leistungen
2000 1. Platz „Profi“ – Deutscher Menschenrechtspreis
2002 Bundesfilmpreis (Nominierung)

Freitag, 23.09.2005

New Serienkritik

Pampering life, life–our patient.

arte-Themenabend Das Gesetz der Serie:

In den letzten Jahren ist die Fangemeinde hochwertig produzierter amerikanischer Fernsehserien wie „Six Feet Under“ oder „24“ weltweit stetig gewachsen. Es scheint, als habe die Fernsehserie dem Spielfilm den Rang abgelaufen. Die Dokumentation wirft einen Blick hinter die Kulissen.

Eine Reihe hochwertiger Fernsehserien findet in den letzten Jahren großen Anklang beim Publikum. Auf der ganzen Welt ziehen ihre Geschichten die Zuschauer in den Bann, begleiten sie im Alltag und beeinflussen ihre Vorstellung von Liebe, Sex und Politik. Nie zuvor waren TV-Dramen und -Komödien so ausgefeilt wie heute. Mit den Kitschserien, die früher ein Auffangbecken für die Versager der Filmindustrie waren, haben sie nichts mehr zu tun.

Die Dokumentation gibt aufschlussreiche Einblicke in die Welt des amerikanischen Hochglanz-Fernsehens und macht mit einigen der imponierendsten Figuren bekannt, die für solch innovative Serien wie „Friends“, „24“, „Die Sopranos“, „Six feet under“, „Alias“, „Sex and the city“, „The Shield“ und „Lost“ verantwortlich zeichnen.

Olivier Joyard und Loïc Prigent werfen einen Blick auf einen noch wenig bekannten Aspekt von Hollywood und decken die komplizierten Mechanismen auf, aus denen diese überaus populären, weil nur allzu menschlichen Fiktionen entstehen. Wie gelingt es, ein TV-Projekt in der Branche durchzuboxen? Warum spiegelt das Fernsehen das Leben der Menschen von heute besser als jedes andere Medium wider? Die Beantwortung dieser Fragen trägt zum besseren Verständnis der Hintergründe eines Machtwechsels bei, der den wichtigsten Industriezweig von Los Angeles völlig auf den Kopf stellt.

Serienschmiede – Hollywood, arte, 22.10h
Dokumentation, Frankreich 2005,
Stereo, 54 Min.
Synchronfassung, Erstausstrahlung
Regie: Loïc Prigent

Freitag, 02.09.2005

Substitute for love

„No laughter in the dark . . .“
Madonna, Substitute for Love

Im unten verlinkten Text im Freitag schreibt Matthias Dell: „Es ist ein Irrtum, Filme auf ihre Handlung reduzieren zu wollen, auf ihren Inhalt, ihre Geschichte. Jean-Luc Godard hat einmal über Hitchcocks Filme gesagt, dass man sich an bestimmte Gegenstände erinnern könne, die gelbe Tasche von Marnie etwa, während man vergessen habe, worum es in den Filmen eigentlich gegangen sei.“
Und welcher Gegenstand käme etwa für Marseille in Frage? In der Einstellung (Szene?), die auf die, zumindest bei tiefnächtlicher arte-Rezeption, quälende (aber, „bitte!“, gewiß begründete, motivierte) Strindbergproben-Sequenz folgt, spielt neben dem Rücken der Protagonistin ein teilweise durchsichtiger, teilweise semi-transparenter Wasserball eine wesentliche Rolle. Er wird im sog. Hintergrund von Kindern im Schwimmbecken hin und her geworfen, durchs Bild, und klatscht ab und zu aufs Wasser. Der Ball mag den einen oder anderen Betrachter, quasi proleptisch, an einen anderen Strand (Adria, nicht Provence) erinnern, an eine Stelle (Einstellung? Szene?) in Modiano’s Eine Jugend, nein: in Nabokov’s Gelächter im Dunkeln: „Sie fing an, sich abends zu langweilen; es verlangte sie nach Kinofilmen, schicken Restaurants und negroider Musik. […] Fröhliche Sonnenschirme und gestreifte Zelte schienen in der Sprache der Farben zu wiederholen, was die Rufe der Badenden für das Ohr waren. Ein großer bunter Ball wurde von irgendwoher geworfen und prallte mit einem dumpfen Ton auf den Sand. […] Schlank, sonnverbrannt, mit ihrem dunklen Wuschelkopf und den einen Arm mit dem Glanz eines Armbands noch immer vom Wurf ausgestreckt, erschien sie ihm wie eine köstlich kolorierte Vignette über dem ersten Kapitel seines neuen Lebens.“

Mittwoch, 03.08.2005

Les triptyques de Claude Sautet

Paratexte deutschen Films

Zwar ist es nicht wahr, wie Michael Althen in der FAZ vom letzten Samstag behauptet, daß Patrick Modiano irgendetwas mit Antonioni zu tun hat; weniger falsch (wenn auch nicht richtig) ist es allerdings, den FAS-Autor Georg Diez als den Patrick Modiano seiner Generation (seines, dieses, Landes?) zu bezeichnen.

Könnte das Kriterium lauten: Wieviel Sepia, wieviel Melancholie, wieviel Weichzeichner, wieviel skeptische Reserve (wieviel–: Biedermeier??) schlägt die Stunde?

Sicherlich, Modiano ist mehr Vergangenheit, schaut weiter zurück, kommt ernster aus der Tiefe (bei all der, wie sagen die Fans, „schwebenden“, „duftenden“, sagen sie, „Leichtigkeit“ … sagen wir- Kitsch?); Diez ist mehr Gegenwart, aber in einer eigentümlichen, verhalten elegischen Distanz (souverän, formulierungssicher, mehr beobachtend als urteilend (solang der Unterschied gilt), scheinbar erwartungslos, spät – „spät“, wissen Sie, in diesem mehrdeutigen Sinne, das nicht antiquiert, anachronistisch heißen muß? es kann früh spät sein, usw.).

Das Raffinierte (warum es nicht zugestehen?) an Diez ist allerdings, daß die Attitüde des leicht verblasen-bornierten, wenn man so will neo-bürgerlichen Post-Pop-SZ-Mag-FAS-bystanders konterkariert wird von der genauen Beschreibung: In diesem Sinne wirkt die alarmistische Rassismus-Diagnose Christian Füller’s gestern in der taz wie ein komischer Abwehrreflex: Selbst wenn Diez manch eine ethnisch-soziale Demarkation (Migrantin/Nicht-Migrantin) entgangen sein sollte, macht er das wett durch ein mimetisches Punktieren der wirklichen sozial-affektiven Situation. „Privatistisch“ ist ja nicht Diezens Blick, noch seine Schlußfolgerung: „privatistisch“ sein oder werden ist ein Effekt der „sozialen Absturzängste“ von „Mittelklassemüttern und -vätern“. Diese Unsicherheit im „Spätsommer“ (welchen Jahres?) zu registrieren ist dann von bübchenhafter Larmoyanz verschieden, wenn ineins damit benannt wird der „gesellschaftlich konservative, ästhetisch rückwärtsgewandte, wirtschaftlich ratlose und politisch diffuse“ Kontext. Klarer als in manchem taz-Artikel (s. dazu Diederichsen, allerdings auch in der gestrigen taz) wird den Merkel-Boys die Zwischenbilanz, ihre Ausgangslage vorgelegt („eine aus der Zeit gerutschte, lebenslaufarme Generation, die vor allem funktionieren will“).

Aber gibt es denn nicht andere als „Mittelklassemütter und -väter“? Andere auch als Mütter und Väter? Wird hier nicht geredet aus der (rest-?)privilegierten Perspektive des längst (schon oder noch) Arrivierten? Vielleicht. Und wenn. Man nehme es als den Blick der Mittelschicht auf sich selbst in dem Augenblick der Bedrohung und ihres Eintritts in ein soziales Gleiten. Die diagnostische Empfänglichkeit hierfür, und deren stilistische Überformung, Überzeichnung ist es, was Diezens Texte auszeichnet.

Im übrigen scheint das auch Füller zu spüren, der vielleicht nicht zuletzt stilistisch sich provoziert fühlt und prompt selbst ein paar gute Momente hat: „Später verschafft sich Streifenpolizei Überblick.“ Könnte man fragen, wie ein solcher Satz in Film aussähe, etwa im Sinne Barthes‘: der Satz/die Einstellung, der Text/der Film? Könnte man sagen: das Politische in einem zeitgenössischen Film liesse sich ablesen daran, wie ein solcher Satz umgesetzt, ‚aufgelöst‘ wird? Wolffs Revier vs. – was? (Und natürlich hiesse es im Script von Wolffs Revier eher: „Später: Die Streifenpolizisten verschaffen sich einen Überblick.“)

Schreibt dagegen Diez: „Ein wenig wie die Treppe der Villa Malaparte in Godards Verachtung, nur als Plattenbau.“, so kann man sagen: das ist der Beitrag zur Musealisierung der Avantgarde im eloquenten Zitat, dessen reale Kehrseite ist, daß Godard(-Premieren) in Berlin-Mitte (in Deutschland?) wohl nurmehr im pirate cinema stattfindet(n). Aber solch zitierende Vergleiche können wohl sowieso nicht ohne eine gewisse Reife (Sterilität?), auftauchend aus der modiano-esk verschwommenen Atmosphäre kulturellen Humidors.

In einem älteren Text vergleicht Diez Iñárritu’s Amores Perros mit Jean Echonoz‘ Roman Die großen Blondinen, der gewisse Beziehungen zum Film- und Fernseh-Imaginären unterhält. Hier versucht Diez die Ungleichzeitigkeit der Rezeption von 2000er-Film und verspäteter Mitt-Neunziger-Roman-Übersetzung zum diagnostischen Vorteil zu wenden – landet allerdings bei der schalen Verabschiedung bloß spielerischer Postmoderne zugunsten krachiger, weil böser Wirklichkeit. Diez ließe sich hier also noch unter einem symptomatischen yearning for authenticity ablegen – und kassiert prompt ein sich Vertun im Geschmack (natürlich ist Echenoz‘ Buch besser als Iñárritu’s Film).
Schade, daß Diez statt des ‚ernsten‘ Iñárritu nicht den Vergleich zum, anders ernsten, späten Sautet gezogen hat; speaking of Mittelschicht, hätte ich das interessanter gefunden.

Derweil war im deutschen Fernsehen Tom Tykwer zu sehen – in seiner Rolle als Produzent des Films Underexposure, dessen irakischer Regisseur der wunden Seele Bagdads nachgehen will; Irak, U.S., Krieg – klar: Tykwer, der sich laut Selbstauskunft als politischer Regisseur versteht, hat jüngst bei der Polar-Präsentation in den KunstWerken auf Nachfrage das Politische im Film ausgemacht in Werken von: Godard! (s.o.), auch: Weingärtner (s.u.)!

Folglich: gäbe es (das wäre was!) in diesem Jahr einen Film Deutschland im Herbst 2.0, würde ich gerne eine G. Diez-Episode darin sehen – und leichthin auf die von Tykwer verzichten, der dann ja ohnehin in der Provence für Eichinger’s Das Parfum (als Untergang-Sequel? Modiano-Untertitel: „Wie sich der Staub senkte und der Duft zurückkam – aus welcher Zeit?“) dreht. Erwarten würde ich mir davon ein Ausagieren, Ausbuchstabieren gewisser Blicke, Differenzen (nicht Vision, Modell, Leitbild), die, beobachtbar gemacht, dann andere Dinge sehen liessen – anders dann, Kritik, das geht doch so, nicht wahr?

—das Ganze im Grunde bloß ein McGuffin für die Bilder (schlecht abfotografiert letzten Mittwoch von der WDR-Mattscheibe) . . . :

TV-Tipp: Heute abend, 23.15-00.35h, WDR, Sautet-Porträt:
N.T.Binh, Claude Sautet oder die unsichtbare Magie/Claude Sautet ou la magie invisible, Frankreich 2003

Samstag, 09.07.2005

Mit einer Gesamtprämie

Verleihung des Deutschen Filmpreises


Being proud of the german film

Als Alexandra Maria Lara-Fan und Abonnent von Park Avenue war ich überrascht und wenig einverstanden, dass AML nicht für eine LoLA nominiert war – das stimmt jetzt nicht ganz, mit Marie Bäumer zu reden; anders nämlich muss ich gestehen, dass ich es gar nicht müde wurde, wenn der Untergang („Hochglanz- und Spaßkino dominiert den Markt“, Dani Levy im Tagesspiegel-Interview) immer noch ein weiteres Mal getaucht wurde. Allerdings: Seltsamer Konsens der Akademie, der Philharmonie – Corinna, Bernd, Bruno, gemobbt quasi für einen Abend. Am Morgen um 10.45h war die Welt noch in Ordnung: da hatten die Event-Manager, seinerzeit von Eichinger selbst überredet, aus der Veranstaltung etwas wirklich Grosses zu machen (think, you know, the Oscar’s …), im Radio leicht zerknirscht, vorgreifend lindernd dem Akademie-Mitbegründer, aber Nicht-Nominierten Eichinger an die bald 6 Millionen verkaufter DVD’s erinnert und die Erfolge im Ausland. Aber an diesem Abend „der Branche“, unter „den Kollegen“, „unseres Berufskreises“ (Schlöndorff), da waren sich dann fast alle, in ihrem Geschmack, in ihrer Verantwortung, einig: „… so ein Effekt: Man denkt, man ist alleine mit seinem Ernst, und auf einmal sind ganz viele da.“ (V. Schlöndorff)

Zum Beispiel: Bully Herbig. Der hat ein so überschaubares wie pannenfreies Repertoire an Gesten und Mimik am Start – und im Zweifel ein Tucken-Backup. Letzteres brauchte er an diesem Abend zwei Mal: für einen Ideen-armen, aber stimmungsmäßig auf den Berufskreis („28000 Arbeitsplätze!“) eingemitteten Einspieler: der Untergang als Bauchplatscher. Das zweite Mal für’s Schlussbild: teils Tribut an den toten Juhnke (allerdings mit, wo waren Erkan&Stefan of all deutsche Film-people?, frischen Bunnies), teils Erinnerung daran, wer das letzte Jahr die meiste Asche gemacht hatte – in der Branche. Gleichwohl muss man konzedieren, daß Herbig, anders als die meisten deutschen Präsentatoren-Stars (Wenders erstaunlicherweise ausgenommen), gut getimed artikulieren kann und sich weder von einem zu spät gesetzten Spot noch zu früh abgelaufenen 45 Sekunden irritieren läßt. Das, und nicht bloß die tempo-machende Off-Stimme, sollten die Beteiligten einer solchen Gala wirklich von Amerika lernen: Vorgaben des Formats sind als solche zur Kenntnis zu nehmen, und dann vielleicht ggf. auch einmal als solche zu kritisieren – bloßes Stolpern über’s Format und Jammern und Klagen wie wenig Freund&Familie, Kind&Kegel in 45 Sekunden passen: das geht nicht. Das ist auch nicht politisch.

Und so kommt man wieder zur Frage nach Ernst und Politik und ihrem Zusammenhang mit Film. „Ich habe Hitler geschlagen“, meinte Henry Hübchen, dessen Statement in seinem leichtfüssigen Changieren zwischen Figur und Person sicherlich noch das lässigste des Abends war, prompt halbe Irritationen im Berufskreis auslöste und noch besser gewesen wäre, hätte er die Hitler-Pointe nicht zwei- oder dreimal hintereinander festgeklopft. Dennoch lieferte Hübchens Witz so etwas wie den Aufriß des Abends: Man mag vielleicht das nicht, wofür Der Untergang steht, aber man ist bei einer Veranstaltung (institutionell: Akademie, eventmässig: Philharmonie) dabei, die die Eröffnungs-Präsentation hatte, die sie offenbar verdiente. Es muss an dieser Stelle Menschen wie Aljoscha Weskott überlassen bleiben, sich diese drei oder vier Minuten Film einmal vorzulegen – soviel läßt sich aber sagen: die Art und Weise, wie hier eine Entität und eine Geschichte namens „Der Deutsche Film“ konstruiert, eingefriedet, im rechten Moment Heinz Rühmann-synkopiert und nach 90 Spielminuten (60 Jahren?) abgepfiffen wurde, darauf läßt sich wahrlich nur mit (a) Stolz („seien Sie stolz auf das deutsche Kino“, Herbig), und (b) Aufnahme als Bonusmaterial in jenes DVD-Set reagieren, das neben Der Untergang und Fassbinders Lili Marleen (Fassbinder, im übrigen, wurde durch einen weiteren Einspieler und einen daran anknüpfenden haspeligen Gottfried John, wie sagt man?, geehrt; sagt man: immerhin?) eben auch eine Set-Card von Alexandra Maria Lara (aber keine von Nina Schwabe) enthalten würde.

Und so könnte man jetzt mutwillig zwischen der Ablehnung von Eichingers Untergang und jenem Kick-off-Trailer so etwas wie ein Juste Milieu des deutschen Films konstruieren: in Maßen politisch korrekt, aber politisch hinreichend desorientiert, um in der Aversion gegen amerikanische Wörter („Akademie“, nicht „academy“ (Bäumer), während sich Riemann das Amerika-Spielen noch nicht verkneifen wollte: „I thank the academy!“) und amerikanische 45 Sekunden-Taktung, im Hang zu Emotion und menschlicher Empathie schon eine politische Haltung zu sehen. Deren Agenda formuliert sich dann so: „Verbindlichkeit, Persönlichkeit, Tiefe“ (Marie Bäumer) – wollte sie sagen: „Bauchfilme, keine Kopffilme“(D. Levy)?

Die gewisse Leichtigkeit, auch ein gewisser Überblick (nichts Unpolitisches!), der sich in Hübchens Rede anzeigte, wurde spätestens von einer jungen Hoffnung wie H. Weingartner wieder rejustiert: er sprach, mit gewinnendem Ungelenk, vom Herzen, das ein jeder, eine jede hier (er deutete auf sein Herz) trage, und das eine revolutionäre Zelle sei: „Aber in Sachen Ironie bin ich immer noch total am Schwimmen. Was ich kann, sind Emotionen.“

Gerne hätte ich noch die weiche, aber intensive Stimme von Ulrich Matthes sprechen, noch ein weiteres Mal sagen hören: „… mit einer Gesamtprämie von …“

Freitag, 25.06.2004

TV-Tipp: „Wolfsburg“, arte, 20.45h

Samstag, 29.05.2004

„I will tell them ce soir. Fuck’m!“ (Helmut Berger 60)


R. Avedon, Luchino Visconti
(hastig aus einem Band mit 60er-Jahre-Arbeiten herausphotographiert, die Spiegelungen bitte wegdenken)

In Salzburg
(Photo: A.v.Schönburg; Cinetext; respektvoller Artikel in der Süddeutschen von heute)

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