Einträge von Thomas Arslan

Sonntag, 06.04.2003

„BLACK HAWK DAWN“

Den Krieg nachspielen

Kürzlich „aus gegebenem aktuellem Anlass“ Ridley Scotts Kriegsfilm „BLACK HAWK DAWN“ gesehen. Der Film hat den desaströsen Militäreinsatz der USA in Somalia im Jahr 1993 zum Gegenstand. Etliche Schrifttafeln „erklären“ zu Beginn die historische Situation. Ein paar hingepfuschte Szenen zeigen marodierende somalische Milizen. Eine Kamera- Fahrt zeigt in bläulichem Werbelicht und untermalt von Hanns Zimmers abscheulichem Ethno-Soundtrack, am Boden liegende, ausgehungerte Zivilisten. Diese Fahrt ist vermutlich nicht weniger obszön ist als diejenige aus Pontecorvos, durch den Diskurs der „Cahier du Cinema“ berühmt-berüchtigt gewordenen, Lager-Film. Doch Serge Daney scheint Recht zu haben, wenn er feststellt, daß das Kino und der Diskurs über das Kino heute zu schwach ist um noch elementare Fragen hinsichtlich der Moral des Bildes zu stellen. Also weiter. Anschließend verliert der Film nicht viel Zeit mit „Nebensächlichem“. Er kommt schnell zur Sache, dem Militäreinsatz, bei dem es darum geht die Besatzung eines in feindlichem Stadtgebiet abgestürzten Hubschraubers rauszuholen. Der Darstellung dieses Einsatzes widmet sich der Rest der Filmhandlung.
Vor wenigen Tagen war in der „Berliner Morgenpost“ ein längerer Text über „BLACK HAWK DAWN“ abgedruckt. In diesem Text formulierte der Autor die These, daß die Bilder dieses Films auf bizarre Weise die Lücke füllen, die die aktuelle Berichterstattung über den Irak-Krieg hinterlasse. Ein Kurzschluß-Gedanke, der auch mir beim Sehen von „BLACK HAWK DAWN“ durch den Kopf ging, der bei näherer Betrachtung jedoch Blödsinn ist. Der Film ist ein virtuos gemachter Action-Reißer. Einer der vielen Kriegsfilme, die den Zuschauer identifikatorisch mitreißen wollen und zu vermitteln versuchen wie sich Krieg „anfühlt“. Ein solches Verfahren bleibt auch im Fall von „BLACK HAWK DAWN“ darin stecken, Krieg als „knallharte Elementar-Erfahrung, in der der Einzelne an seine Grenzen geht“, vorzuführen. Die vermeintliche Schonungslosigkeit der Darstellung ist auch hier letztlich nur Verklärung und Kitsch.
Mir fallen nur zwei Kriegs-Spielfilme (Filme, die den Krieg „nachspielen“) ein, die diesen Fehler nicht begehen. Kubricks kühler „FULL METAL JACKET“, der die Mechanismen der totalen Ent- individualisierung der Rekruten als Grundvoraussetzung für ihren Kriegs-Einsatz untersucht. Am Anfang stehen die Großaufnahmen der Rekruten, denen gerade die Haare geschoren werden. Das Schlußbild zeigt eine Totale, in der die als Individuen nicht mehr auszumachenden Soldaten bewußtlos singend durch die Abenddämmerung eines Kampfgeländes in Vietnam taumeln. Und „THE DEER HUNTER“ von Michael Cimino, der sich in seiner epischen Breite die Zeit nimmt, den Alltag seiner Figuren vor dem Krieg, ihre Teilnahme am Krieg und ihr völlig aus den Fugen geratenes Leben nach dem Krieg zu zeigen. In beiden Filmen hat der „Kampf“ eine Vor- bzw. Nachgeschichte. Beide Filme haben einen Blick für die Bedingungen des Gezeigten und stellen eine Distanz zur „Eigentlichkeit“ und „Unmittelbarkeit“ der Kampf-Handlungen her. Keine Spur davon in „BLACK HAWK DAWN“.

Mittwoch, 19.06.2002

WM 2002

Es muß sein: die aktuelle WM kann nicht ganz spurlos an dieser Seite vorübergehen. Hier die bisher besten Kommentare:

1. Zum vorzeitigen Ausscheiden der italienischen Mannschaft und deren Lamenti über Schiedsrichter-Fehlentscheidungen:

„Wer sich so bescheißen läßt, hat es nicht verdient Weltmeister zu werden.“ (Anonym)

2. Caesar Louis Menotti´s harsche Kritik am drögen Effizienz-Fußball, der seiner Meinung nach diese WM beherrsche. Er fordert dagegen:

„Der Fußball muß großzügig mit dem Zuschauer umgehen.“

Eigentlich auch eine schöne Maxime fürs Filmemachen.

Sonntag, 05.05.2002

INDEX

Angesichts der wieder einmal kursierenden „Gewalt in den Medien“-Debatte und der in diesem Zusammenhang zu erwartenden Schnellschüsse lohnt sich ein Blick auf die Liste der zur Zeit bereits indizierten Filme. Darunter befinden sich u.a. Arbeiten von Pasolini, Cronenberg, Frankenheimer, Friedkin, Eastwood, Warhol/Morrissey, De Palma, Carpenter, Verhoeven, John Woo, Peter Jackson und ein erheblicher Teil der Werke von Tobe Hooper, Sam Raimi, Dario Argento, George Romero und Abel Ferrara. In Kürze wird man wohl wieder eine Petition für den Fortbestand des sehr geschätzten „Videodrom“ aufsetzen müssen. ( Die Liste der zur Zeit indizierten Filme ist einzusehen unter: www.indizierte-filme.de)

Donnerstag, 02.05.2002

Hinweis:

Edward Yang-Retrospektive im Arsenal (2.5-25.5). Von Montag dem 6.5 an ist Edward Yang auch Gast der DFFB, wo er seine Filme den Studenten zeigt. Näheres ( Vorführ-Termine, usw.) ist bei Bodo Knappheide (DFFB) zu erfragen. Auch „Taipeh Story“ (1985), in dem Hou Hsiao-Hsien (demnächst mehr über HHH) eine Hauptrolle spielt und der für die sogenannte „New Wave“ des taiwanesischen Kinos sehr einflußreiche „Terrorizer“ (1986) werden sowohl im Arsenal, als auch an der DFFB zu sehen sein. Zu „YIYI“ gibt es eine schöne Website: yiyi.themovie.com.

Für diejenigen, die etwas langfristiger planen möchten: Der kürzlich angekündigte „Counterstrike“ von André Heller. Aus einer Presse-Meldung: „André Heller will als Kulturverantwortlicher der WM 2006 ein sinnliches Bild von Deutschland zeichnen. Lange vor der WM-Eröffnungsfeier sollen bereits Ausstellungen, Filme, Symposien, sowie Musik- und Theaterereignisse Deutschland ironisch und heiterer als gemeinhin angenommen darstellen.“ Klingt beängstigend.

Donnerstag, 04.04.2002

Heute Abend: 4.4. 2002

Im Haus der Kulturen der Welt werden heute zwei Filme
von Dareshan Omirbaev gezeigt. „Killer“ (1998) um 19 Uhr
und „Jol (The Road)“ (2001) um 21 Uhr. Omirbaev ist bei
beiden Vorstellungen anwesend.

Donnerstag, 28.03.2002

Hier noch, etwas verspätet, meine 2001-Film-Liste. Teilweise
befinden sich Filme darunter, die damals nicht mehr ganz neu
waren, die ich aber erst in diesem Jahr gesehen habe.

„Goodbye South, Goodbye“ Hou Hsiao Hsien
„Flowers of Shanghai“ Hou Hsiao Hsien
„Eureka“ Shinji Aoyama
„H-Story“ Nobuhiro Suwa
„Yi Yi“ Edward Yang
„Beau Travail“ Claire Denis
„Rosetta“ Gebrüder Dardenne
„Martha … Martha“ Sandrine Veysset
„Julien Donkey Boy“ Harmony Korine
„Tiger and Dragon“ Ang Lee
„Traffic“ Steven Soderbergh
„You can count on me“ Kenneth Lonegan
„Girlfight“ Karyn Kusama

Dienstag, 19.03.2002

„Male Power-Trip“

Wider besseren Wissens treibt mich gelegentlich die Sehnsucht ins Kino, unter den neuen amerikanischen Produktionen einen schönen B-Film zu entdecken. In diesem Sinne habe ich mir von „The Fast and the Furious“ von Rob Cohen tatsächlich etwas erwartet. Doch Anflüge cineastischer Sentimentalität werden – zurecht – hart bestraft.
Die Exposition verschwendet nicht viel Zeit. Es geht gleich zur Sache. Ein mit elektronischen Gütern beladener Lastwagen wird von einer Bande von „Racern“ gekapert, die Ladung gestohlen. Darauf versucht ein Undercover-Cop (mit einer Obsession für schnelle Autos) Anschluß bei einer Gang zu finden, die illegale Straßen-Rennen veranstaltet. In diesem Umfeld vermutet die Polizei die Täter. Nach einer Weile gelingt es dem Cop den Respekt des Gang-Leaders (Van Diesel) zu gewinnen. Zwischenzeitlich wird eine fiese, herumballernde und Menschen quälende asiatische Motorrad-Gang verdächtigt, doch schließlich stellt sich heraus, daß die Gruppe um den Gang-Leader, der inzwischen zum Freund des Cops geworden ist, tatsächlich die gesuchten Täter sind. Der finale Showdown zwischen dem Cop und seinem kriminellen „Racer“-Freund wird natürlich durch ein letztes Rennen ausgetragen. Der Freund unterliegt, doch der Cop läßt ihn laufen. Männerfreundschaft rules. So weit, so öde.
Machmal gelingt es dem Film seine Story wie eine Schnecke, die sich versehentlich auf die Autobahn verirrt hat, zu überrollen und hinter sich zu lassen. In diesen wenigen Momenten löst er das Versprechen seines Titels ein. Über weite Strecken muß man jedoch viel Müll schlucken, der immer saurer aufstößt. Die Mitglieder der Gangs sind verschiedener ethnischer Verkunft, jedoch jeweils auf abgedroschendste Klischees reduziert. (Daß der Film mit seinen Hauptfiuguren auch nicht anders umgeht, macht die Sache nicht besser.) Afro-Amerikaner erscheinen als Sex-Trottel, Latinas als „feurige“ Schlampen und Asiaten wahlweise als Nintendo spielende Idioten oder heimtückische Sadisten. Frauen tauchen nur als Beifahrer-Flittchen auf. Lediglich die Freundin des Gang-Leaders, gespielt von Michelle Rodriguez, darf kurzzeitig auch mal selber einen Wagen lenken. Abgesehen davon hat Michelle Rodriguez, die in „Girlfight“ eine beeindruckende Performance gegeben hatte, nicht viel mehr zu tun, als penetrant grimmig zu gucken und sich von Van Diesel angrapschen zu lassen.
Monte Hellman´s Meisterwerk „Two Lane Blacktop“ (1971) ist ebenfalls in einem Umfeld von männlichen Personen mit einer Obsession für illegale Autorennen angesiedelt. Doch damit hören die Gemeinsamkeiten dieser beiden Filme auch schon auf. Allein cinematographisch liegen Welten zwischen „TLB“ und „The Fast and the Furious“. Darüber hinaus schwingt in „TLB“, bei aller Faszination für die reine Bewegung, immer auch die Trostlosigkeit dieser abgeschlossenen, welt- abgewandten Männerwelt mit. Hellman ist so aufrichtig und genau, zu zeigen, wie schnell die Koordinaten aus den Fugen geraten, wenn eine Frau (bzw. ein Mädchen) erscheint, die sich nicht als anschmiegsame „Beifahrerin“ in dieses Universum integrieren läßt und genau dies als etwas erzählt, vor der seine männlichen Protagonisten (unter anderem) auf der Flucht sind. Von dieser Brechung ist in „The Fast and the Furious“ nicht einmal ein Hauch zu vernehmen.
Was bleibt? Die Hoffnung, daß Michelle Rodriguez nicht weiter in solchen Rollen verheizt wird. Die tiefe Stimme von Van Diesel (der zuvor in dem düsteren, gänzlich ironiefreien neuseeländischen Science-Fiction-Horror-Film „Pitch Black“ aufgefallen war), die selbst dämlichste Dialoge zu einem Sound verwandelt, der nach fernem Donnergrollen klingt. Und eine rasante Kamerafahrt durch das Innere eines Motors. „Innenleben“ mal anders.

Freitag, 22.02.2002

Im März zeigt das Arsenal eine umfangreiche Maurice Pialat-Retrospektive.
Pialat wird am 10.3. zur Vorführung von „L´ENFANCE NUE“ persönlich anwesend sein. Vor „L´ENFANCE NUE“ läuft „L´AMOUR EXISTE“, ein sehr selten gezeigter Kurzfilm von Pialat aus dem Jahr 1960. (Das Drehbuch zu „POLICE“, der ebenfalls zu sehen sein wird, hat übrigens Catherine Breillat geschrieben.) Dazu ein weiterer Hinweis: In der „Cahiers du Cinema“ vom Oktober 2000 (No.550) befindet sich ein langes Interview mit Pialat.

Dienstag, 12.02.2002

Starsystem und Realitätsverlust – Eine Anekdote aus zweiter Hand
(aus Gründen der Selbst-Zensur gestrichen)

Dienstag, 05.02.2002

So hart mußt Du sein

Kleine Nachlese zu zwei Festivals.
Triest: Wem Tarkowskij oder Sokurow noch zu nah an einem Frohnaturen-Kino ist, dem sei hiermit „A Place on Earth“ von Arthur Aristakisjan empfohlen. Mit heiligem Ernst schildert der Film den schließlich scheiternden Versuch einer Gruppe von „Dropouts“ mitten in Moskau in einem leerstehenden Haus einen „Tempel of Love“ zu gründen. Jesus-Figur inklusive. (Dieses Haus und diesen „Tempel“ hat es zwischen 1996 bis 1998 wohl tatsächlich gegeben. Der Regisseur hat laut Katalogangaben auch einige Zeit dort gelebt. Inzwischen gilt Aristakisjan als verschollen. Niemand weiß, wo er sich aufhält.) Klingt schlimm, ist es streckenweise auch. Allerdings entwickelt der Film eine cinematographische Materie, die mitunter Atemberaubend ist. Selbst die Handkamera-Sequenzen sind mit einer Präzision gefilmt, die nichts mit Dogma-Gefuchtel zu tun hat. Das Spiel der Darsteller oszilliert zwischen Eisensteinscher Typen- Stilisierung und Psycho-Drama. Sehr seltsam.
Göteborg: Sehr viele Filme, die offenbar unter sehr diffusen Kriterien zusammengestellt worden sind. Unter anderem gesehen: „Hundstage“ von Ulrich Seidel. (Gewinner des großen Jury-Preises in Venedig.) Was soll denn das sein? Unangeweht von jeder formalen Reflektion führt der Film (wie so viele Produktionen der letzten Jahre aus Östereich) in die „Abgründe der normalen Spießer-Welt“. Seidel bemerkte vor der Projektion des Films, daß der am Körper der Akteure sichtbare Schweiß echt und daß ihm das sehr wichtig gewesen sei. Dazu fiel mir nur die Antwort von John Ford auf die Frage ein, warum er so wenige Großaufnahmen mache: „Weil ich keine Nasenhaare auf einer 15-Meter-Leinwand sehen möchte.“
Dann ein paar Tage später doch noch ein Lichtblick: „Va Savoir“ von Rivette. Eine Geschichte, in der wieder einmal das Theater eine wichtige Rolle spielt. Mußte mich nach der Vorstellung im kleinen Kreis mit ein paar anderen Zuschauern streiten. Sie fanden den Film „altmodisch“ und seine „Aussage“, daß das Leben ein Spiel sei, banal. Rivettes Filme, auch „Va Savoir“, lassen sich wohl kaum auf eine Botschaft reduzieren. Und das Spielerische seiner Konstruktionen weist weniger auf das Leben selbst, als auf dessen Vermittlung durch den Film.


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