Einträge von Volker Pantenburg

Mittwoch, 30.05.2007

Amazing Grace

Ricky Bobby: Dear Lord Baby Jesus, or, as our brothers in the South call you: Jesús, we thank you so much for this bountiful harvest of Domino’s, KFC, and the always delicious Taco Bell. I just want to take time to thank you for my family, my two beautiful, beautiful, handsome, striking sons Walker and Texas Ranger, of T.R., as we call him, and of course my red-hot smoking wife, Carley, who is a stone-cold fox…

Cal Naughton, Jr.: … Mmm…

Ricky Bobby: … who if you would rate her ass on a 100, it would easily be a 94. Also wanna thank you for my best friend, Cal Naughton Jr., who’s got my back no matter what.

Cal Naughton, Jr.: Shake and bake.

Ricky Bobby: Dear Lord Baby Jesus, we also thank you for my wife’s father, Chip. We hope that you can use your baby Jesus Powers to heal him and his horrible leg. It smells terrible and the dogs are always bothering with it. Dear tiny infant Jesus, we —

Carley: Hey, you know, Sweetie, Jesus did grow up. You don’t always have to call him „baby“. It’s a bit odd and off-puttin‘ to pray to a baby.

Ricky: Well, look, I like the christmas-Jesus best and I’m saying grace. When you say grace, you can say it to grownup Jesus, teenage Jesus, bearded Jesus, whoever you want.

Carley: You know what I want? I want you to do this grace good, so that God will let us win tomorrow.

Ricky Bobby: Dear tiny Jesus in your golden-fleece diapers, with your tiny, little, fat, balled-up fists, pawing at the air.

Chip: He was a MAN… He had a BEARD!

Ricky Bobby: Look: I like the baby version best, do you hear me? I win the races and I get the money.

Carley: Ricky, finish the damn grace.

Cal Naughton, Jr.: I like to picture Jesus in a tuxedo T-Shirt, ‚cause it says, like: „I wanna be formal, but I’m here to party, too.“ Cause I like to party, so I like my Jesus to party.

Walker: I like to picture Jesus as a ninja fighting off evil samurai.

Cal Naughton, Jr.: I like to think of Jesus like with giant eagles‘ wings, and singin‘ lead vocals for Lynyrd Skynyrd with like an angel band and I’m in the front row and I’m hammered drunk!

Carley: Hey Cal, why don’t you just shut up.

Cal Naughton, Jr.: Yes, ma’am.

Ricky Bobby: Okay. Dear 8-pound, 6-ounce, newborn infant Jesus, don’t even know a word yet, just a little infant and so cuddly, but still omnipotent, we just thank you for all the races I’ve won and the 21.2 million dollars, wooh!

Carley: Wooh!

Cal Naughton, Jr.: Wooh!

Walker and Texas Ranger: Ahh!

Ricky Bobby: Love that money! That I have accrued over this past season. Also, due to a binding endorsement contract that stipulates I mention Powerade at each grace, I just wanna say that Powerade is delicious, and it cools you off on a hot summer day. And we look forward to Powerade’s release of Mystic Mountain Blueberry. Thank you, for all your power and your grace, dear baby God, Amen.

[Talladega Nights: The Ballad of Ricky Bobby, USA 2006, Regie: Adam McKay]

Mittwoch, 23.05.2007

Zeitschriften-Hinweis

„Die Deutschen sind wieder wer, zumindest im englischen Kinoleben. “The Life of Others” schaffte es auf Anhieb in die Box-Office-Top-Ten! Und “Downfall” war auch sehr interessant! Und über “Goodbye Lenin” lachen wir noch heute – konzedieren sogar Leute, die sonst wenig am German sense of humour finden. Ach ja, und die Scholl-Story. Der wohlwollende TimeOut-Kritiker sieht schon die goldenen 70er wieder heraufziehen. Namen wie Herzog, Schlöndorff fallen. Die geschichtsfaule Selbstbeschaulichkeit des neudeutschen Films, die Anekdotisierung des Grauens, die fernsehaffine Gefühlsstromlinie stören im Vereinten Königreich nicht groß. Denn solcher Historienduseligkeit gibt man sich hier selber auch gern hin, als sei es eine Unterart der Gärtnerei, und spricht ironiefrei von “wir”, auch wenn schon Jahrhunderte ins Land gezogen sind.

Auch dem Besuch aus Berlin ist es aufgefallen, daß überall “The Life of Others”-Plakate hängen. Aber auch das gute deutsche Kino ist vertreten, sage ich irgendwie entschuldigend, und ergänze: Immerhin bringt das Goetheinstitut gerade eine Reihe über die Berliner Schule. Was für eine Schule?, fragen die Berliner.“ (Redaktion „filmtext“, Auslandsdependance London)

Seltener geworden, aber nicht nur deshalb einen Hinweis wert: neue Texte bei filmtext.com.

Freitag, 04.05.2007

A Trace in the Desert in the Form of a Circle next to a Naked Tree

Erinnerungen an UMUT (1970, Serif Gören/Yilmaz Güney), gesehen vor gut einer Woche: Der Droschkenfahrer, gespielt vom Regisseur Yilmaz Güney selbst, der sein Pferd verliert und den ohnehin ziemlich aussichtslosen Job nicht weitermachen kann. Er rackert sich ab, um Geld für ein neues Pferd aufzutreiben, aber überzeugend sind diese Manöver nicht, zumal die Stadtverwaltung die anachronistischen Gefährte per Dekret verbieten will.

Das harte Schwarz-Weiß und wie die Realität einer Stadt im Umbau in die Bilder hineinsickert: Brachen, halbfertige neue Wohnblocks, Kräne, dagegen die engen Slums, in denen der Droschkenfahrer mit seiner Familie wohnt.

Es waltet eine merkwürdige Grammatik im Film. Später, im Gespräch, wird einer von uns zurecht fragen, ob das denn überhaupt eine Grammatik sei. Stimmt: Es waltet vielleicht keine Grammatik im Film, nicht einmal eine merkwürdige. Mir kam es zum Beispiel vor, als habe Güney eine bestimmte mittlere Einstellungsgröße einfach weggelassen. Die einfachsten Sequenzen bekommen dadurch etwas Unbeholfenes, Stolperndes. Wenn er die beiden Kinder auf dem Weg zum Einkauf filmt, sieht man sie einmal von Nahem und dann, unvermittelt, aus einem ganz exzentrischen Kamerawinkel vom Dach eines Gebäudes aus. Vergleichbares passiert häufig, und es hat eine Desorientierung zur Folge, die zwar gar nicht unangenehm ist, von der man allerdings nicht weiß, welcher Überlegung sich dieser Einfall verdankt. Überhaupt: Das Verhältnis von Einfall und Überlegung. Wahrscheinlich ist das nicht besonders gut, wenn einer zu viele Einfälle hat für seinen Film. Aber genau dies scheint Güneys Film selbst nach einer Weile zu merken, weshalb er sich nach 50 Minuten zur radikalen Einfallsaskese entschließt.

Schluss jetzt: Keine Einfälle mehr! denkt der Regisseur. Doch, diesen einen noch, bittet der Film. Na gut, lenkt der Regisseur ein, aber ehrlich gesagt sind jetzt beide ein bisschen unzufrieden, Film und Regisseur. Der Hauptdarsteller vermittelt.

Mit einem etwas zwielichtigen Typen, der von Beginn an in regelmäßigen Abständen von einem Schatz daherredet, verlassen der Droschkenfahrer und ein Freund die Stadt und machen sich auf die Reise. In der Nähe eines Flusses, zwischen zwei Brücken, gleich neben einem nackten Baum, sei dieser Schatz zu finden. Das ist eigentlich alles, und der Plot wirkt jetzt so karg wie die Wüstenlandschaft, durch die der Film sich mit den drei Figuren und zwei Eseln bewegt. Dieses Zurückschrauben von narrativen Einfällen führt ärgerlicherweise dazu, dass ich als Zuschauer auf einmal glaube, die Einfälle produzieren zu müssen, die der Film mir bisher im Überfluss aufgezwungen hatte und jetzt plötzlich vorenthält. So wie man, wenn das Gegenüber nach einem langen Gesprächsbeitrag schweigt, sich aufgefordert fühlt, nun doch bittschön selbst mal was zu sagen.

Einer dieser Einfälle war der, dass diese Leute mit ihrem Spleen etwas von den Gestalten haben, die man aus Kiarostami-Filmen kennt und dass dieser Film daher auch etwas mit Kiarostamis Filmen zu tun haben müsse. Man kann aber an dieser Kiarostami-Assoziation studieren, dass es nicht automatisch gut sein muss, wenn einem zu einem Film etwas einfällt. Im Gegenteil. Die Bilder aus den Kiarostami-Filmen, an die ich mich erinnerte, waren für das Nachdenken über UMUT überhaupt nicht hilfreich. Diesem Kiarostami-Einfall gegenüber musste ich mich verhalten wie gegenüber einer lästigen Fliege, die sich mit sicherem Instinkt immer dort niederlässt, wo sie besonders stört.

Ich war deshalb dankbar, als der Droschkenfahrer beginnt, einen großen Kreis aus Steinen neben dem Baum auszulegen. Er benutzt seinen Daumen wie eine Wünschelrute, und die bisher eher folkloristische Musik wird von einer türkischen Krautrockvariante abgelöst. Vielleicht lag es an dieser Musik, vielleicht an der Art, wie dieser Steinkreis und der mit der Spitzhacke arbeitende Mann gefilmt sind, jedenfalls ist dieser Film von 1970 plötzlich ganz woanders als bisher, er hat sich vollständig gelöst von der Zeit, der Geografie und der sozialen Realität, die seine erste Hälfte bestimmte. Statt an Kiarostami dachte ich jetzt an Robert Smithson und Jan Dibbets und an die Earth Art Ausstellung, Cornell University, Ithaka 1969. Erdmassen, die bewegt werden, Wahrnehmung von Landschaft als potentieller Skulptur. Mit einem Schatz hatte dieses Loch nichts mehr zu tun, es war ein Beitrag zu etwas ganz anderem als der Erzählung dieses Films oder der Filmgeschichte.

Dass dieser Gedanke nicht weit führt und mit Recht als herbeigeholt bezeichnet werden kann, ist unerheblich. Mir rettete er in diesem Moment Güneys Film, denn einen solchen Schizo-Spagat zwischen neorealistischem Melodram und hochabstrakter türkischer Land-Art Adaption hatte ich in dieser Form noch nicht gesehen.

Sonntag, 29.04.2007

Kino-Hinweis

„Der Film ist damals (1999) völlig zu unrecht sowohl in Frankreich als auch in Deutschland ziemlich untergegangen. Hauptgrund dürfte sein, dass er nicht in die Schublade ‚französischer Film‘ passt und die Inhaltsangabe sich nach langweiligem, uncoolem Sozialdrama anhört – aber weit gefehlt: Es ist einer der spannendsten, poetischsten Filme der 90er und müsste in einer Reihe stehen mit den besten Dumonts und Dardennes. – Der Vergleich hinkt etwas. Vermillard ist viel undogmatischer, hat viel mehr Humor und Tempo. Die Laien/Schauspieler-Besetzung ist großartig und die Autorin macht ihre Figuren nie zu Opfern, sondern zu einzigartigen, überraschenden Individuen.“

Sagt Ulrich Köhler, der den Film morgen abend in der Reihe „Mein Film“ im Central zeigt:

LILA LILI
F 1999
Regie: Marie Vermillard
Central Berlin, Rosenthaler Straße 39
30. April
20.00 Uhr

Donnerstag, 26.04.2007

Helmut Färber zum Geburtstag

Heute vor 70 Jahren, „am Tag des Bombardements von Guernica“, wie er in der Rubrik „Lebensläufe“ in der 100. Ausgabe der Filmkritik schrieb, wurde Helmut Färber in München geboren.

Der Text geht so weiter: „Meine Eltern sind Kaufleute. In Regensburg bin ich aufgewachsen, und dort habe ich auch eine polytechnische Erziehung erlebt. Realgymnasium bis 1955, danach, sehr instruktiv für den Höheren Schüler, vier Jahre als Arbeiter. 1958 Buchdrucker-Gehilfenprüfung, 1960 nachgeholtes Abitur. Seit dem Winter 1960/61 in München Studium vor allem der deutschen Literatur und der Kunstgeschichte, letzteres bei Hans Sedlmayr, der aufgrund von Vorurteilen oft mißverstanden wird, und bei Ernst Strauß. Bildungsreisen in die DDR. Filmische Anregungen danke ich den emser Filmtreffen und den Jugendfilmclubs. Vereinzeltes in verschiedenen Zeitungen, u.a. in der Kultur und der Anderen Zeitung. Seit Sommer 1962 Filmkritiken in der Süddeutschen Zeitung, seit November 1962 in der Filmkritik.“

Die Publikation dieser autobiographischen Zeilen liegt mehr als 40 Jahre zurück. Seitdem hat Helmut Färber an der HFF in München und der Berliner DFFB gelehrt, mehrere Fernsehsendungen für den WDR hergestellt und zahlreiche weitere Texte verfasst, die in vier selbstverlegten Büchern, in der Filmkritik, in den letzten Jahren auch in der französischen Zeitschrift Trafic erschienen sind.

Über Färbers Arbeit kann man hier etwas lesen; hinzugekommen ist inzwischen das schöne Buch zu Ozus „Soshun“ (new filmkritik, Eintrag vom 2. Februar 2006).

In einer Broschüre des gerade stattfindenden portugiesischen Filmfestivals „indie lisboa“ ist – auf englisch und portugiesisch – ein Text Färbers mit dem Titel „Ideas for a manifesto“ zu lesen, und in der Einleitung wird er als „the most influential critic in Germany“ bezeichnet; das ist eine überraschende Fremdwahrnehmung, die mir sehr gefällt.

Zum Geburtstag eine Probeaufnahme von den Dreharbeiten zu PARTIE DE CAMPAGNE: der grüßende Jean Renoir knapp ein Jahr vor Färbers Geburt.

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Mittwoch, 11.04.2007

Etliches am Wochenende: Helmut Färber und das Kino

Der Filmsamstag zeigt am 14. April 2007 um 18 Uhr (Babylon-Mitte Studiokino Rosa Luxemburgstr.30 10178 Berlin) unter dem Titel „Helmut Färber und das Kino“ Fernsehsendungen von Helmut Färber für den WDR, Redaktion Werner Dütsch.

Etwas über A Corner in Wheat (Filme von D. W. Griffith aus dem MoMA, NY) 1983 26’30
Stroheim zum Gedenken 1985 11’55
Drei Minuten in einem Film von Ozu 1988 15’15
Dr. Cordelier und Professor Alexis. 2 x Jean Renoir 1989 19’21

Alle Beiträge werden in Betacam auf die Kinoleinwand projiziert

Außerdem auf Wunsch von Helmut Färber:
Färblein von Bärbel Freund, Rainer Bellenbaum BRD 1990/92 21′ 16mm

*

„Der Filmsamstag im April ist Helmut Färber gewidmet, der dieses Jahr seinen 70. Geburtstag hat. Ich kenne ihn, seitdem er mein Filmlehrer an der Hochschule in München war. Jeden Freitag, von morgens bis nachmittags, galt es, wie Jean-Marie Straub es ausdrückt, ‚Augen und Ohren zu waschen‘. Oberflächlicher Geschmack hatte keine Chance. Am Schneidetisch spulte er den Film in normaler Geschwindigkeit zurück und nicht im Schnelldurchlauf.

Heute höre ich immer dann von ihm, wenn er ein Buch im Eigenverlag herausbringt, eine Fernsehsendung, die er unter dem Schirmschutz von Werner Dütsch gemacht hatte, wieder zu sehen ist oder er einen Vortrag hält. All diesen Arbeiten liegt eine Geisteshaltung zugrunde, die der Ungeduld eine klare Absage erteilt. In der zweibändigen Buchausgabe Das Leben der Frau Oharu (Saikaku ichidai onna) gibt er textlich (zusammen mit anderen Preziosen) die Bildeinteilung und Dialoge, fotografisch die Bild für Bild Reproduktion des Films von Kenji Mizoguchi wieder. Um zu dem vorliegenden herausragenden Ergebnis zu gelangen, wurde Helmut Färber zum Papierforscher. Er experimentierte mit den verschiedenen Materialien, bis er das Bestmögliche gefunden hatte. Es ist eine Symbiose von Buchdruckkunst und Kinematografie. Das Können der einen wird der anderen im gegenseitigen Wechsel zum Vorbild gesetzt, zur Verfügung gestellt. Um einer klaren Aussage willen. Der Leser stößt auf Wesentliches, Sinnliches, hervorgerufen durch die Behutsamkeit und Gewissenhaftigkeit des Autors.

Seine Fernsehbeiträge sind ebenfalls konkrete Vorschläge, wie Kinobildung aussehen könnte. In Dr. Cordelier und Professor Alexis. 2 x Jean Renoir kombiniert er zwei Filme von Jean Renoir, beide 1959 gedreht und mit ähnlicher Thematik: natürliche Liebe versus Labordroge bzw. künstliche Befruchtung. Drei Minuten in einem Film von Ozu untersucht die Architektur der Fahrradsequenz von Noriko und dem Assistenten des Vaters aus Spätfrühling (Banshun).

Filmwissenschaftler seines Formats gibt es in Deutschland nur ganz wenige. Seine Art und Weise der Filmrezeption orientiert sich mehr an der cinephilen Leidenschaft und Tradition französischer Couleur. Das macht Sinn, wenn man den rabiaten Einbruch des Kinos bei uns durch den Nationalsozialismus zu bedenken gibt.

So ist Helmut Färber für manche unentbehrlich, andere nehmen keine Notiz von ihm. Er besitzt die Fähigkeit, Film spürbar zu machen. Dadurch macht er ihn bewußt. Bei ihm in die Schule zu gehen, bedeutet für zukünftige Regisseure, sich nicht von gängigen Moden manipulieren zu lassen, sondern Altes im Neuen zu erkennen, das Große des Kleinen schätzen zu lernen. Auf seinen Wunsch hin zeigen wir auch Färblein von Bärbel Freund und Rainer Bellenbaum in diesem Programm.“ (Karl Heil)

Etliches am Wochenende: kolik.film

Die österreichische Filmzeitschrift „kolik.film“ hat mit einem Teil ihrer Redaktion ein Gastspiel im Berliner Arsenal. Zu den bisher erschienenen 7 Ausgaben werden, jeweils eingeführt von Leuten, die in der Zeitschrift mehr oder regelmäßig schreiben, 8 Filmprogramme, darunter SANG SATTAWAT – SYNDROMES AND A CENTURY (Österreich/ Thailand/F 2006) von Apichatpong Weerasethakul, David Lynchs INLAND EMPIRE (USA/Polen/ Frankreich 2006) und MUTUAL APPRECIATION (USA 2005; Andrew Bujalski). Die Filme laufen von Donnerstag abend bis Sonntag abend, Wiederholungen Ende April. Auch eine Diskussion zum „Schreiben über Film“ wird stattfinden. Nähere Informationen zu alldem hier.

Montag, 09.04.2007

Demnächst (cont.)

Ein Nachtrag zu Rainer Knepperges‘ in der letzten SigiGötz Entertainment-Ausgabe erschienenem Text „Demnächst“, der nicht realisierte Projekte und deren Ankündigungen zum Inhalt hat:

„Es ist bekannt, daß Bresson seit über zwanzig Jahren daran arbeitet, ein Vorhaben zu verwirklichen:
LA GENÈSE, Film nach den ersten Kapiteln des Buches Genesis, vom Anfang der Welt bis zum Bund Gottes mit Noah nach der Sintflut und wohl bis zum Turmbau von Babel.
Durch alle Jahre vergeblich.
Auch Jack Lang hat als Kultusminister vergeblich versucht, eine Finanzierung zu finden.
Jetzt aber ist zu erfahren, daß es für das Projekt einen  Produzenten gibt und alle Mittel, die Bresson dafür braucht.
Der Film, sagt Bresson, sei schwierig zu drehen, wegen der vielen Tiere.“

[mit Schreibmaschine geschriebener Text am Ende von Helmut Färbers Sendung „Robert Bresson zum 80. Geburtstag“, Redaktion Werner Dütsch, WDR 1987]

Dienstag, 03.04.2007

* mittellangtexthinweis

Ein Mittellangtext zum ersten Film der Naruse-Reihe im Arsenal.

Samstag, 03.03.2007

Im Film im Fernsehen

Viermal ist in Raymond Depardons Film SAN CLEMENTE (F 1982) der Fernsehapparat im kargen Aufenthalts- und Essraum der psychiatrischen Anstalt zu sehen.

Beim ersten Mal läuft ein amerikanischer Western, ein Pferd bäumt sich auf, vielleicht ist es verletzt, ein zweites Pferd steht daneben, ein Cowboy den beiden Tieren gegenüber. Er zögert kurz, dann ist ein Schuss zu hören. Man sieht aber nicht mehr, wohin der Schuss abgefeuert wurde.

Beim zweiten Mal ist das Fernsehen zunächst im Off, wir hören nur den Ton, der ebenso gut aus einem anderen Raum der weitläufigen, auf einer Insel vor Venedig gelegenen Anstalt kommen könnte. Jemand spricht ein Gebet, in dem er dazu auffordert, sich zu bedanken. Beim Staatspräsidenten, bei den Sicherheitskräften, bei allen Gendarmen und Carabinieri, aber auch bei denen, die seinen Vater ermordet haben. Als die Kamera hochschwenkt auf den Fernseher und damit das Gesprochene als etwas anderswohin als in diesen Aufenthalts- und Essraum Gerichtetes erkennbar macht, erinnern die Bilder an die vom Staatsakt für Hanns Martin Schleyer. Ich musste an Aldo Moro denken, aber der wurde bereits 1978 ermordet.

Als das Fernsehen zum dritten Mal zu sehen ist, läuft wieder ein amerikanischer Film. Es ist nicht gut zu erkennen, worum es geht, aber es sieht aus, als seien da Gefängniszellen und Leute, deren Schlagstöcke außen an den Gitterstäben entlang rasseln. Wenig später wird Depardons Filmteam von einem Patienten gefragt, für welches Studio sie drehen würden: Paramount? 20th Century Fox? Warner? Ob der Fragende derselbe ist, der sein Radio wie ein Maschinengewehr umgehängt hat und immer Surfmusik hört, habe ich vergessen.

Die vierte Ferseh-Szene, die mit dem betenden Priester, ist kurz, aber das, was er über das Blut des Herrn sagt, greift hinaus auf die Bilder vom kühlen langen Gang, in dem die Leute auf- und abgehen, von rätselhaft-unsichtbarem Beschäftigungseifer gelenkt.

***
In Thomas Heises VOLKSPOLIZEI (DDR 1985/BRD 2001) läuft auf dem Revier zweimal der Fernseher. Einmal wird ein Eishockeyspiel zwischen der DDR und den USA übertragen. Es steht 5:3 für die USA, und ich finde es unglaublich, wie man jetzt mit einem Suchbefehl herausfinden kann, dass die Aufnahme demnach am 24. April 1985 gemacht worden sein muss, dass das Spiel in Prag stattfand und 5:5 ausging, dass die USA schließlich, nach Abschluss der WM am 3. Mai, auf dem 4. Platz landeten und die DDR gleich hinter der BRD auf dem 8.

Später sieht man eine leicht bekleidete Frau, die ihrem ebenso leicht bekleideten Partner ins Ohr haucht, wie schön es war und dass sie vorher noch nie einen Höhepunkt gehabt habe. Der Gesichtsausdruck des Volkspolizisten, der im Gegenschuss gezeigt wird, ist schwer zu beschreiben, hat aber wohl etwas mit Sehnsucht zu tun. Im erstaunlich vollen Kinosaal lachen an dieser Stelle viele, aber das Lachen wird von der Schönheit des Moments zurückgewiesen und fällt vor der Leinwand schlaff in den Zuschauerraum.

Es gibt in diesem Film außerdem eine irritierende Sequenz, die mir wie eine real existierende Traumsequenz vorkam. Diesmal ist kein Fernsehapparat zu sehen, sondern der Frühstücksraum des Volkspolizeireviers in der Brunnenstraße. Es sitzen mehrere Polizisten in Uniform um den Tisch herum. Einer von ihnen hat seinen Kopf auf den Tisch gelegt. Er schläft, und gleich neben seiner Mütze liegen mindestens 20 Bananen.

Noch etwas zu VOLKSPOLIZEI: Die Merkwürdigkeit der Anreden. Da sind die „Genossen“, aber dieser Begriff ist für diejenigen reserviert, die in der Partei sind. Die anderen werden, für mich überraschend, fast immer als „Bürger“ angesprochen. Zwar ist in diesem Begriff des Bürgers das Bürgerliche, gegen das sich die DDR als ganze entwarf, fast vollständig getilgt, aber erstaunlich bleibt es doch, dass man sich keinen anderen Begriff ausdachte. Andererseits hätte man die Deutsche Reichsbahn nach 1949 ja vielleicht auch nicht unbedingt weiterhin Deutsche Reichsbahn nennen müssen.


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