Einträge von Volker Pantenburg

Sonntag, 11.02.2007

Berlinale 07 (IV)

Nachmittags wurden wir auf dem PRATER (Ottinger, 2007) durchgeschüttelt, in der Geisterbahn erschreckt, mit der Schleudersitz-Kapsel in den Himmel geschossen und ins Wiener Wildwasser getaucht, abends dann, in IT (Badger, 1927), gehen Clara Bow und der von ihr geköderte Warenhausbesitzer, in dessen Kurzwarenabteilung sie hinter dem Tresen steht, an den Strand, was hier soviel heißt wie: nach Coney Island auf den Rummel, in dessen Maschinenpark es mir besonders ein zentrifugal organisiertes Gerät angetan hat, aus einer großen Holzplatte bestehend, auf der die Abenteuerlustigen Platz nehmen und durch die akzelerierende Rotation langsam aber sicher an den Rand geschoben werden, um schließlich unter großen Johlen von der Scheibe herunterzufallen; wie oft in dem Film überträgt sich der Spaß ganz unmittelbar auf das Publikum, wozu sicher auch beiträgt, dass das Gerät den wunderbaren Namen „Social Mixer“ hat.

Dienstag, 30.01.2007

Wo Geschehen-Sein war, muss Ungeschehen-Machen werden.

: schreibt Ekkehard Knörer nebenan über „Déjà vu“ von Tony Scott und setzt dieses „Gesetz des Zeitmaschinen-Films als Hollywood-Actionfilm“ gegen das Gesetz des Detektivromans („Wo Geschehen-Sein ist, muss Geworden-Sein werden“). Solche Sätze, die den Film zum Anlaß grundsätzlicher erzähltheoretischer Fragestellungen machen, lassen mich schon ungeduldig auf EKs Berlinale-Berichterstattung warten.

Auch sonst viel Bewegung bei jump-cut. Es gibt die schöne Idee, einen Tag vollständig aus 1440 Filmstills mit deutlich abgebildeten Uhrzeiten zusammenzusetzen (ich nehme mir die Freiheit, das Entstehende als „Minutenfilm“ zu bezeichnen und vorzuschlagen, dass man die Stills anschließend im 60-Sekundentakt hintereinandermontiert und als 24 Stunden-Loop zeigt, allerdings nicht in einer Galerie oder einem Museum, sondern zuhause in der Küche, wo sonst die Uhr hängt). Außerdem die Serie „Stills“, von der bislang zwei Teile („Genèse d’un repas“ und„All that Heaven Allows“) existieren.

Samstag, 06.01.2007

8.10.1948 – 1.12.2006

Chris-tine Dar-bon, Chris-tine Dar-bon, Chris-tine Dar-bon, Chris-tine Dar-bon, Chris-tine Dar-bon, Chris-tine Dar-bon.

Fa-bienne Ta-bard, Fa-bienne Ta-bard, Fa-bienne Ta-bard, Fa-bienne Ta-bard, Fa-bienne Ta-bard, Fa-bienne Ta-bard.

An-toine Doi-nel, An-toine Doi-nel, An-toine Doi-nel, An-toine Doi-nel, An-toine Doi-nel, An-toine Doi-nel.

Léaud/Doinel mit erhobenem Zeigefinger vor dem Badezimmerspiegel. Durch die fortwährende Wiederholung der drei Namen versucht er herauszufinden, welche der beiden Frauen die richtige für ihn ist: „Baisers volés“, François Truffaut, 1968.
Christine Darbon wird dann Christine Doinel, in „Domicile conjugale“ (1970) wohnen die beiden zusammen, in „L’amour en fuite“ (1979) lassen sie sich scheiden.

Claude Jade, die in den drei Doinel-Filmen Antoines Freundin, Frau und Ex-Frau spielte, ist am 1. Dezember 2006 gestorben.

Dienstag, 19.12.2006

1968

„Ernst Schmidt plant eine DRACULA-Verfilmung. Der Film soll 60 Minuten Länge haben. Ist die Geschichte in dieser Zeit noch nicht zu Ende erzählt, wird sie abgebrochen.
Ernst Schmidt sucht DRACULA-Darsteller. Die Rolle soll nicht von einer, sondern von möglichst vielen Personen verkörpert werden.
Darsteller, die sich für geeignet halten und eine 16-mm-Kamera zur Verfügung haben, mögen sich bei Ernst Schmidt melden. Er stellt 1 Rolle 16-mm-Negativ zur Verfügung. Die Darsteller filmen sich selbst in der Dracula-Kostümierung, schicken dem Regisseur das belichtete Material rekommandiert zurück und finden sich dann in dem sehr freien, aber filmischen Remake dieses Stoffes verewigt.
Zuschriften an: Ernst Schmidt, A/1180 Wien, Gentzgasse 130/3, Österreich.
PS. Weibliche Cinéasten können auf Wunsch auch die Rollen der Mina oder Lucy verkörpern. Auch Kritiker sind herzlichst eingeladen sich zu beteiligen. Sie können so günstig die Praxis des Filmens kennenlernen.
Wien, im Mai 1968“

[film, Juli 1968, S. 6, Rubrik „Nachrichten“]

„It was finally released on DVD this year to little fanfare – so little that Norton didn’t know of the release until I contacted him. In a final indignity, the packaging was adorned with this supremely backhanded compliment from critic Leonard Maltin: ‚Suprisingly good‘.“

Über Bill Nortons „Cisko Pike“ (USA 1972). Sean Howe: The Celluloid Time Capsule, in: Los Angeles Times, 28. Mai 2006.

Kinohinweis, Konzerthinweis

Passt zum vorherigen Posting: Im Arsenal in Berlin werden in den nächsten Tagen drei Programme mit Filmen von Ken Jacobs gezeigt, darunter sein in der Endfassung 440 Minuten langes Epos „Star Spangled to Death“ (USA 1956-60/2003-04; Samstag, 23.12., 16.00 Uhr). Ausserdem der Klassiker des filmanalytischen Forschungsfilms, „Tom, Tom, the Piper’s Son“ (USA, 1969; Donnerstag, 21.12., 19.00 Uhr im Kino 1) und morgen (Mittwoch, 20.12., 19.30 Uhr) ein Programm, aus dem ich lediglich „The Doctor’s Dream“ von 1978 kenne. Darin wird ein US-Fernsehfilm um einen Landarzt von der Mitte ausgehend nach mathematischen Gesichtpunkten hin Richtung Anfang und Ende neu montiert (wenn ich mich richtig erinnere). Was dabei entsteht (mit dem Film, gegen den Film) ist ziemlich erstaunlich und spricht nicht für den Arzt. „So sind die Leute in meiner Gegend. Immer das Unmögliche vom Arzt verlangen. Den alten Glauben haben sie verloren; der Pfarrer sitzt zu Hause und zerzupft die Meßgewänder, eines nach dem andern; aber der Arzt soll alles leisten mit seiner zarten chirurgischen Hand.“ (Kafka)

Nochwas: Heute abend spielen „The Red Krayola“ in Berlin. Widersprüchliche Angaben, wann und wo, die verläßlichste scheint mir die folgende zu sein: 21.00 Uhr, Roter Salon.

Sonntag, 17.12.2006

Veranstaltungs- und Texthinweis

Pirate Cinema
Second Season
First Episode

Sunday, December 17, 8 pm
Tucholskystr 6, 2nd Floor
Main feature begins at 9 pm

Zidane, a 21st Century Portrait
Douglas Gordon, Philippe Parreno
2006, 91 min, 700 MB

One Minute Psycho
Douglas Gordon
2006, 1 min, 10 MB

24 Hour Psycho
Douglas Gordon
1993, 1440 min, 2 GB

Free entry
Cheap drinks
Copies to go

Und wo wir schonmal bei Kunst und Kino sind: Hier steht etwas zu Matthew Barney, großen Säugetieren und anderen Schwellkörpern.

Freitag, 15.12.2006

fernsehhinweis

Heute Nacht läuft im WDR um 0:40
der Kölner-Gruppe-Klassiker
TOUR EIFEL
von Christian Mrasek und Rainer Knepperges
aus dem Jahr 2000.

Doch, wirklich.

Sonntag, 29.10.2006

Viennale 2006 (2) / La leçon de guitare

Ein Schnitt und ein Lied: Auf einem Fernsehschirm läuft ein Motocross-Rennen. Etwa zwei Sekunden lang dauert die Einstellung, sie fällt aus dem übrigen Film ganz heraus, und in dem Moment, wo eines der Motorräder über eine Bodenwelle rast und in die Luft abhebt, kommt der Schnitt auf eine offene weiße Wohnungstür.In dieser Wohnung spielt der größte Teil des 18 Minütigen Films, hier wird dem Hauptdarsteller ein Stück von Serge Gainsbourg beigebracht. Der Mann kann am Anfang nichts, hat sich in einem Café die Kleinanzeige eingekreist, dann ein günstiges Instrument gekauft – „dans le premier prix“ sagt er auf die Frage des Verkäufers (Luc Moullet), was für eine Art von Gitarre er denn suche -, dann klingelt er an der Wohnungstür und nimmt die erste Unterrichtsstunde.

An dem Film kann man studieren, wie schwierig es ist, etwas ganz Einfaches und Leichtes herzustellen; wie viele kleine Entscheidungen über die Dauer, Größe, überhaupt über die Proportionalität des Ganzen zusammenkommen müssen. Beim ersten Besuch antwortet der Mann, der ein bisschen wie eine Kaurismäki-Gestalt aussieht, auf die Frage des jungen Gitarristen, ob er einen Kaffee wolle, mit „volontiers“. Zu Beginn der zweiten Stunde sagt er auf die gleiche Frage wieder „volontiers“. Jetzt ist dieses Wort schon wie eine persönliche Begrüßung oder eine Signatur.

Eine merkwürdige Situation, als Fremder mit einer Gitarre in eine bewohnte Welt hineinzugeraten. Die Maßverhältnisse des Geschäftlichen und Intimen sind ungeklärt und jede Geste bestimmt den Abstand zwischen den Figuren neu. Das gemeinsame Rauchen auf dem Balkon. Ein Blick in eines der Zimmer auf dem Weg zur Toilette. Wie sie neben der Stereoanlage stehen und zusammen ein klassisches Stück von Fernando Sor anhören. Etwas stellt sich her, und mit jedem Besuch verändert sich unser Blick und der, den der Protagonist auf die Situation hat. Man sieht auch, wie sich ein Lied und ein Name aufladen lassen und dass diese Sache für den Mann genauso zentral sein könnte wie er für den Film zentral ist.

In der dritten Stunde spielt der Mann das Lied einmal komplett durch, der Gegenschuss zeigt den zurückhaltend verblüfften Gitarrenlehrer. Die letzten Silben des Refrains, in dem der Name „Laetitia“ buchstabiert wird, sind jeweils „t-i-t-i-a“. Mit dem letzten „a“ endet der Film, und während des Abspanns bin ich über meine eigene Verblüffung verblüfft und genieße den Zustand, bis das Licht angeht.

Montag, 18.09.2006

Venezianische Briefe und ein Brüllender Löwe

In Venedig gab es zu QUEI LORO INCONTRI von Danièle Huillet & Jean-Marie Straub heftige Reaktionen – sowohl beim Publikum während und nach den Vorführungen im Wettbewerb, wie auch bei der internationalen Presse, nach der Verlesung zweier Briefe von Straub. Und schließlich die große Überraschung: ein „Besonderer Löwe“ für die Straubs – verliehen entweder als Würdigung der „Innovation der kinematographischen Sprache“ oder wahlweise auch des Lebenswerkes. Eine kleine Chronik der laufenden Ereignisse und der ersten Kritiker-Irritationen und -Einsichten im zweiten Teil des Dossiers auf der Langtextseite. (Klaus Volkmer)


atasehir escort atasehir escort kadikoy escort kartal escort bostanci escort