Der Filmclub 813 zeigt im Juni Filme von Robert Bresson, auch aus finanziellen Motiven. Würde man Filme von Jacques Becker zeigen, käme keine Sau. Zeigt man Bresson, ist das Haus voll. Seine „Kinematographen“-Filme sind solides Storyboard-Kino, geadelt durch ehrenwerte Sujets: diffus Religiöses, hohe Literatur, wahre Begebenheit.
In „Ein zum Tode verurteilter ist entflohen“ waschen sich die Gefangenen immer und immer wieder nur die Hände und den Mund. Mozart untermalt jeden Hofgang, wie aus Lautsprechern in diktatorischen Ländern. Von Ängstlichkeit diktiert: Der alles erklärende Kommentar. „Was für eine Tristesse…“ meinte Jacques Rivette damals. Die „verwüstete Fresse“ (Rivette) des Hauptdarstellers Letterier. Was soll man denken? Handarbeit macht froh, Folter existiert nicht. Nie wird eine Zelle durchsucht, nie wurde Faschismus harmloser dargestellt. Die Gefangenen tuscheln in theologischen Schlagworten, der Klassikerkonsum wird Kirchentagsbesuch. Kino für Abiturienten in Begleitung ihrer Großmütter.
Fliehend, völlig unbehelligt, den Zurückbleibenden ein heiliges Beispiel gebend, so möchte mancher junge Filmemacher, mit Bresson als Vorbild, auch heute erfolgreich tätig sein. „Ein Bild muss… Ein Ton soll niemals… Unterdrücke radikal… Desto größer ist der Erfolg… Einen Film vorbereiten wie eine Schlacht… Du diktierst… Diese schrecklichen Tage, an denen ich das Drehen verabscheue, an denen ich erschöpft bin, ohnmächtig vor so vielen Hindernissen, sind Teil meiner Arbeitsmethode.“ Das ist der Klang seiner „Noten zum Kinematographen“. „Kann sein, daß nach der Lektüre man sich ganz neu um seine bewunderten Filme bemühen muß,“ meinte Frieda Grafe 1980. Kurz sprach sie da mal von der „Plattheit“ seiner Filme.
Ein wirklich geheimnisvoller Satz in Bressons „Noten“ steht in Klammern: „(Man müßte in Paris einen ganz kleinen Saal haben, sehr gut ausgestattet, wo nur ein oder zwei Filme im Jahr gegeben würden.)“ Seinem Publikum würde das gefallen, nur ein oder zwei Filme im Jahr. Wo war Verblödung durch Askese je so auffällig? Truffaut: „Die Möglichkeit einer zukünftigen Bresson-Schule versetzt selbst wohlwollende Beobachter in Schrecken.“ Aber Truffaut widerrief schon 1956 diesen Satz, beinahe ängstlich, „denn die Zeit, das sollten wir nicht vergessen, arbeitet immer für Bresson.“ Also, sagen wir es, gegen Pagnol, Guitry, Franju, Mocky… gegen das Lebendige ganz allgemein. Und andererseits mag ich doch die Schüler des strengen Lehrbuchmeisters: Aki Kaurismäki, Paul Schrader. Dessen Bresson-Interview von 1977 hat eine wirklich irre Passage.
Paul Schrader: In “Notes” you say “the nude, if it’s not beautiful, is obscene.” Do you feel that the explicit is by its very nature wrong?
Robert Bresson: When it is explicit, it is not sexual. The same as mystery. If you don’t make people guess, there is nothing there.
Paul Schrader: I believe that sex is mysterious whether you see it or not.
Robert Bresson: Yes, but when you see too much, it is not mysterious anymore.
Paul Schrader: Even if you see it all it is still mysterious.
Robert Bresson: Only what is lovely – sexual life is beautiful – but how they do it in pornographic films is ugly and dirty.
Paul Schrader: But could you not show pornography – show people fucking – and also be mysterious?
Ken Wlaschin schrieb 1969 in seinem klugen Büchlein „BLUFF YOUR WAY IN The Cinema“ über Bresson: „…very close to canonisation as the best of all time. You can call him the Jansenist of the French cinema, talk about the religious basis of all his films (even „Pickpocket“) (…) but be wary of calling him slow or dull.“
Und über Fellini: „Fellini has become so popular that you can dislike him if you wish.“
Und: „If you like Antonioni, you’re not supposed to like Fellini.“