La question humaine
Die unverwüstliche Jungenhaftigkeit des Mathieu Amalric. Hier als Erschöpfungszustand gespielt, als Durchlässigkeit gegenüber einer Gegenwart, an der nur noch zu leiden ist. Amalric ist Simon Kessler, leitender Psychologe der Abteilung Human Resources eines französisch-deutschen Chemie-Konzerns, der, damit fängt es an, „SCFarb“ heißt und vor kurzem aus den üblichen Gründen die halbe Belegschaft wegrationalisiert hat. Personalpolitik als effizienter Kurzschluss zwischen individuellen und kollektiven psychischen Systemen, ein Wettlauf zwischen Produktionserwartung und vorab diagnostiziertem Bewerberdefekt. Das dazugehörige Individuum gilt es hinsichtlich seiner Leistungsdaten auch als Privatperson transparent zu machen. Der Netzwerk-Geist des neuen Kapitalismus geistert durch diesen Film bis in die Szenen seiner unmöglichen Verdrängung hinein: der nächtliche Exklusiv-Rave, die grobe Intimität, die keine nicht-öffentlichen Räume mehr findet. Das vermeintlich „Faschistoide“ neoliberaler Verhältnisse verleitet Emmanuel/Klotz/Perceval zu verwirrten Analogiebildungen. Lou Castel gibt dem anhängigen Geschichtsverständnis den (Fremd-)Körper eines Exkludierten, der Sprachkritik übt. Wie der Film sich diese Position Schubert-umwölkt auch figurativ zu Eigen macht – die Fabrikschlote, die Gleise – ist das eine. Wie er ein Dokument aus Lanzmanns Shoah (den von Lanzmann selbst vorgelesenen „Vermerk: Betrifft: Technische Abänderungen an den im Betrieb eingesetzten und an den sich in Herstellung befindlichen Spezialwagen“) inkorporiert und ästhetisch reformatiert, ist unannehmbar. Nicht nur Amalric verliert in diesem fantasierten Kontinuum, das sich, gespeist aus den „Nachwehen der Geschichte“ (Elisabeth Perceval), angeblich immer weiter in die sprachlichen Erfassungstechniken des Globalkapitalismus fortschreibt, bedenklich die Orientierung.
La question humaine F 2007. Regie: Nicolas Klotz, Drehbuch: Elisabeth Perceval, Romanvorlage: Emmanuel Francois, mit Mathieu Amalric, Michael Lonsdale, Lou Castel