Februar 2008

Montag, 25.02.2008

Train Notes – Langtexthinweis

When I meet the engine with its train of cars moving off with planetary motion—or, rather, like a comet, for the beholder knows not if with that velocity and with that direction it will ever revisit this system, since its orbit does not look like a returning curve—with its steam cloud like a banner streaming behind in golden and silver wreaths, like many a downy cloud which I have seen, high in the heavens, unfolding its masses to the light—as if this traveling demigod, this cloud-compeller, would ere long take the sunset sky for the livery of his train; when I hear the iron horse make the hills echo with his snort like thunder, shaking the earth with his feet, and breathing fire and smoke from his nostrils (what kind of winged horse or fiery dragon they will put into the new Mythology I don’t know), it seems as if the earth had got a race now worthy to inhabit it. If all were as it seems, and men made the elements their servants for noble ends! If the cloud that hangs over the engine were the perspiration of heroic deeds, or as beneficent as that which floats over the farmer’s fields, then the elements and Nature herself would cheerfully accompany men on their errands and be their escort.

[Henry David Thoreau: WALDEN, or Life in the Woods (1854). Chapter 4: “Sounds”.]


© James Benning

Höchst ungewöhnlich sind die Titelsequenz und der Abspann Ihres Films. Sie lauten einfach „RR“ und „JB“.
Ja, das dürfte ein Rekord sein. (lacht) Ursprünglich wollte ich schon, wie sonst auch, einen Abspann mit den Ortsangaben anfügen. Es ist zum Beispiel nicht unwichtig zu wissen, daß die Einstellungen des Films keiner geografischen Logik folgen. Das springt wild in den ganzen Vereinigten Staaten hin und her. Letztendlich bin ich der Faszination der Symmetrie erlegen. Ich habe beschlossen, daß ich diese Angaben dann eben auf Kopien im Kinosaal verteile. Blöderweise habe ich jetzt aber vergessen, diese Kopien zu machen …

[James Benning im Interview mit Ekkehard Knörer, taz, 16. Februar 2008]

Hier die Ortsangaben, ergänzt mit Bildern – eine Passage durch den Film, zur Orientierung, zum Nach-Lesen.

RR wird noch einmal im Kino Arsenal gezeigt, in der Reihe mit Forum-Wiederholungen, am Dienstag, dem 26. Februar, um 21.15 Uhr. Der Film ist im Verleih der Freunde der deutschen Kinemathek.

Train Notes of a different kind – ein Text von James Benning aus dem Jahr 1987.

– Klaus Volkmer –

Freitag, 22.02.2008

Und wenn es sich im Sturme bewegte, so hatte er wirklich etwas Ossianisches

Eine weitere Flaschenpost aus dem heroischen Zeitalter des Öffentlich-Rechtlichen Fernsehens: 1969/70 konnten Filme vom WESTDEUTSCHEN RUNDFUNK in Auftrag gegeben, mitfinanziert, zwischen dem 23. September und 9. Oktober 1969 gedreht und am 1. Juni 1970 ausgestrahlt werden, deren Auszüge aus dem Drehbuch so klingen:

„1. Dem Kameramann stehen für die gesamte Drehzeit zur Verfügung: schwarze Schnallenschuhe, dunkelgraue Samthosen, hellgraue Handschuhe, zwei schwarze, mit Spitzen verzierte Samtärmelschoner, ein Hut, verschiedene Hörrohre, manuskriptähnliche Notenseiten, ein Konversationsheft zum gelegentlichen Kritzeln, Schreibzeug. […]

5. Seine Musik wird so klingen, wie Er sie 1826 noch hören konnte. Durchwegs schlecht.

6. Beethovenhaus, Wohnzimmer: Das Ensemble der Einrichtung soll wie mittelmäßiges Blendwerk für Besucher wirken; die Metallverkleidung des Wohnzimmers ist hier ein Akt vielfacher Musealisierung. […]

11. Fernsehsendung: Alle Ansager und Ansagerinnen sollen mindestens 65 Jahre alt sein und faltenreiche Gesichter haben. Im Gegensatz zur Fernsehenideologie des glatten Aussehens wären Greise hier die ideale Besetzung. Die nachfolgenden Sätze sind authentisch und belegbar: ‚Ich bitte um Geduld‘, ‚Die Welt hat ihre Unschuld verloren und ohne Unschuld schafft und genießt man kein…‘, ‚Was ich geworden bin, bin ich nur durch mich selbst geworden‘. […]

21. Der provinzielle Eindruck seiner Darbietung ist durch eine unglückliche Kameraeinstellung zu verstärken.

22. Fernsehschnellstkursus III: Klavierpädagogik. […]“

*

[Mauricio Kagel: LUDWIG VAN. EIN BERICHT (1969). Auszüge aus dem Drehbuch, Dezember 1968. Der Film, damals für das Beethovenjahr produziert, ist vor kurzem bei Winter & Winter auf DVD erschienen. Kagel war an Tranfer und Remastering beteiligt. Im Beiheft auch die vollständige Fassung der Auszüge aus dem Drehbuch. Mitwirkende an LUDWIG VAN: Joseph Beuys, Günther Böhnert, Carlos Feller, Werner Höfer, Mauricio Kagel, Rudolf Körösi, Linda Klaudius-Mann, Klaus Lindemann, Heinz-Klaus Metzger, José Montes-Bacquer, Diter Rot, Schuldt, Victor Staub, Otto Tomek, Ferry Waldoff, Stefan Wewerka.]

Donnerstag, 14.02.2008

Zeitschriftenhinweis

Die 13. Ausgabe von SigiGötz-Entertainment ist erschienen. Darin unter anderem ein Text von Rainer Knepperges zu Vergangenheitsablagerungen auf mehrfach überspielten Videokassetten. „Wenn der Tod der VHS-Kassette nicht gebührend betrauert wird, dann aus Geringschätzung des Unbeabsichtigten ganz allgemein. Es gibt auf manchen alten Bändern dieses krude ‚Hintendran‘ und ‚Zwischendrin‘, das beim Überspielen ungewollt entsteht. Durch brodelnde Spratzer hindurch, aus elektrischen Wogen tauchen die Enden von Filmen auf, die man nie mehr sehen wollte.“

Ergänzend dazu der folgende Ausschnitt. Prolegomena zu einer Mentalitätsgeschichte des Öffentlich-Rechtlichen Fernsehens anhand seiner paratextuellen Programmverknüpfungen. Material zur Entwicklung einer Theorie des elektronisch-Unbewußten.

Eines Nachts, spät, im Dritten

Filmausschnitt [WDR, 1983; Quicktime, 47 Sekunden, 7,8 MB]

Montag, 11.02.2008

Texthinweis

Catherine David: There is something going wrong. […]
Pedro Costa: I cannot follow the argument anymore. […]

[* Jan van Eyck Video Weekend. From black box to white cube – round table with Pedro Costa, Catherine David, Chris Dercon (moderator), Saturday, 26 May 2007; von hier]

Sonntag, 10.02.2008

Der Ätna, vom Kinematographen her betrachtet

Ein Mann sitzt in einem hell getäfelten Büro, tippt Verschiedenes in seinen Rechner, überlegt ein paar Mal kurz, macht dann einen Strich unter einige Zahlen und schreibt „2 Milliarden“ darunter. Die Zahl wandert durch ein paar Gremien, wird in einem Meeting abgesegnet und landet schließlich auf den spülungslosen Pissoirs zwischen CinemaxX 5 und CinemaxX 7. Sie drückt nun aus, dass auf diese Weise jährlich 2 Milliarden Liter Wasser gespart werden. Möglicherweise soll diese Zahl aber auch einfach nur „sehr viel“ heißen und es hat nie einen Mann in einem hell getäfelten Büro gegeben. ### Die Woche des deutschen Films ging zu Ende. Sie hatte begonnen mit der fast ganzseitigen Anzeige, die Constantin-Film auf der ersten Seite des SZ-Feuilletons geschaltet hatte. „Die Gesichter des Baader-Meinhof Komplexes“, darunter etliche Vergleichsfotos: links das historische Vorbild, rechts das ausstaffierte, nach der Vorlage zurechtgemachte Schauspielgesicht. Tobias Kniebe und Andrian Kreye hatten in einer gemeinsamen Recherche herausgefunden, dass es Eichinger und Edel bei der Auswahl der Schauspieler um Detailgenauigkeit gegangen sei. Die Geschichte der RAF ist, konnte man lesen, das einzige noch nicht gelöste „Kapitel“ der deutschen Geschichte. Austs Buch wiederum dürfe als der einzige „unumstrittene“ Beitrag zum Thema gelten. ### Am gleichen Tag kam die Einladung zur Akademie-Veranstaltung, auf der Senta Berger und andere über die fehlende Leidenschaft im Deutschen Kino reden würden. In der Einladung war von einer „rücksichtslosen Revolte gegen die Mittelmäßigkeit“ die Rede. ### Bei der Berlinale-Eröffnung sagte Dieter Kosslick immer wieder, die Witze wären selbst geschrieben. Man wusste aber nicht, von welchen Witzen er sprach. ### Idee für einen Text nach dem Muster von Serge Daneys Aufsatz über das Travelling in Gillo Pontecorvos KAPO. Es würde in diesem Text nur um eine einzige Kranfahrt gehen, nämlich jene, die auf die Fassade des Delphi-Kinos hinführt, an der AUGE IN AUGE. EINE GESCHICHTE DES DEUTSCHEN FILMS angeschlagen ist. ### Bei Doillons LE PREMIER VENU musste ich nicht an LE PETIT CRIMINEL denken. Dabei ist es derselbe Schauspieler, der die Hauptrolle spielt, aber 17 Jahre später erkennt man ihn kaum wieder. Mir kam stattdessen TEOREMA in den Sinn: Jemand kommt von irgendwoher und wirbelt die Beziehungen auf eine sehr unklare Weise durcheinander. Über diesen Jemand erfahren wir nichts, und trotz der Signale sozialer Erdung, die der Film aussendet, hängt die Konstellation unbestimmt in der Luft wie die Fäden, die spielende Kinder zwischen ihren Fingern aufspannen und durch geschickte Drehungen der Hände in neue Muster verwandeln. Mal ist das angenehm, dann wieder wünscht man sich etwas, von dem man nicht weiß, was es ist. ### In MY BROTHER’S WEDDING kann ein Mann seine Kleidung nicht aus der Reinigung abholen, weil er vergessen hat, unter welchem Namen er sie abgegeben hat. Er nennt verschiedene Namen, aber keiner davon ist in der Auftragskladde zu finden. Die resolute Besitzerin der Reinigung sagt ihm ins Gesicht, man müsse doch wohl Dreck am Stecken haben, wenn man sich unterschiedliche Namen zulege. Aber kurz darauf, als er fahrig und verloren zwischen den zellophanverpackten Hosen und Jacken nach seiner Kleidung sucht, denkt man, dass er vielleicht auch einfach nur zerstreut ist. ### Ebenfalls in MY BROTHER’S WEDDING: Die Szene, in der sich Pierce nach dem Eklat, den er beim Abendessen der zukünftigen Schwiegerfamilie seines Bruders herbeigeführt hat, beim mexikanischen Dienstmädchen bedankt und dann schweigend am Hausherren vorbei zur Haustür geht. ### Was sind das für Bahnstrecken, an denen die Flüchtlinge zwischen El Salvador, Honduras, Guatemala, Mexiko auf vorbeifahrende Güterzüge warten, auf die sie aufspringen können? Wenn die Waggons mit viel Ächzen und Ruckeln hinten langsam aus dem Bild verschwinden, sind hinter ihnen keine Schienen zu erkennen; das Gras und Gestrüpp schließt sich zu einer grünen Fläche, und es sieht aus, als schwebe der Zug durch die Landschaft. Der Regisseur sagt nach dem Film (LA FRONTERA INFINITA), das seien normale, wenn auch wenig und sehr unregelmäßig befahrene Strecken. Scheinbar ohne Schienen durch die Landschaft gleitend wirken die Eisenbahnen jedoch wie Geisterzüge; als wären die Menschen nicht nur aus ihren Ländern geflohen, sondern auch aus der Zeit gefallen. ### Die Italiener in Rosis I MAGLIARI verdienen ihr Geld damit, den Leuten Teppiche und Stoffe zu verkaufen, die sie nicht benötigen. Der Film spielt in Hannover, wo 1959 erstaunlich viele Kutschen auf den Straßen unterwegs sind, und in Hamburg. Bei Ihren Verkaufsgesprächen benutzen die Verkäufer ein radebrechendes, weitgehend unverständliches Gemenge aus harten teutonischen Brocken. Ab und an ragt daraus ein „Bitteschön“ oder ein „Fräulein“ heraus. Vielleicht könnte man alle Beiträge über die Zukunft, Vergangenheit und Gegenwart des „deutschen Kinos“ von nun an in dieser Sprache verfassen.

Dienstag, 05.02.2008

Notiz zu LADY IN THE LAKE

Man liest immer mal wieder, das Problematische an LADY IN THE LAKE sei die Subjektivität der Kamera. Dabei ist es doch eher so, dass die Kamera viel zu wenig subjektiv ist. Im Roman kann die Ich-Perspektive ein Schlüsselloch zum widersprüchlichen Echoraum im Innern des Protagonisten sein: Überlegungen, Erinnerungen, das ganze Gemurmel unterhalb und jenseits des Denkens. In LADY IN THE LAKE dagegen ist alles, was im Bewusstseinsnormalfall schwindlig auf dem Zeitstrahl herum schlittert, reduziert auf die nüchterne Faktizität des Sehens und Sprechens in der Jetztzeit.

Das Ergebnis ist ein Film, der mit einem zu großen und schmerzgeplagten Kopf auf die Welt gekommen ist und orientierungslos durch die Filmgeschichte wankt. Diese lähmende Schwerfälligkeit ist offenbar schon beim Drehen aufgefallen, und gemerkt hat man auch, wie undurchsichtig der Plot wird, wenn er durchs Nadelöhr des monokularen Blicks gepresst wird.

Aber andersherum wird deutlich, wie klar und leichtfüßig die etablierten filmischen Konventionen mit Plot, Raum und Zeit umspringen. Robert Montgomery, der in seinem letzten Film vor und hinter der Kamera agiert, tut einem ein bisschen leid, wie er zu Beginn und ein, zwei Mal während des Films in seinem Sessel sitzt und die Konstruktion des Films erklären muss. Er sieht aus wie ein Arzt, der ein kleines, aber doch gravierendes Problem diagnostiziert hat und jetzt bemüht ist, die richtigen Worte zu finden.

Freitag, 01.02.2008

Some Background Information to Shot Number 15 in JB’s RR

Who: BNSF and Union Pacific.

What you’ll find: While famous to railfans, the Loop isn’t your typical tourist spot, so there is not much here. The closest gas and snacks are 3 miles away in Keene. (and that’s only one very small market) The closest real lodging, gas and food will be found in Tehachapi around 14 miles away.

What to expect: A whole lot of trains, of many different flags, with awesome scenery, rolling hills and long sweeping valleys. Paved, and good dirt roads, provide access to all highlighted areas. A little hiking will get you even further.

When to go: Anytime of year will provide a different look. Spring is green, and Autumn rather brown. Winter will sometimes provide very cold weather and possibly snow, so beware. Weekends tend not to have the long work windows that the weekdays have, so train frequency will be maximized. Bring something to read, when it’s quiet on the hill… it is quiet!

How to get there: California Highway 58 is the main way in. Head east from Bakersfield and west from Mojave. Exit at Keene, CA., and turn North (1/4 mile) to Woodford Tehachapi Rd. Turn Right. Follow road about a mile and it will join the tracks under the overpass. Use caution, this road is very narrow and winding. Also, there are access points to tracks along the entire route. Definitely do some exploring on these side roads. The possibilities are endless and far too many to highlight here. [*]

[James Benning-Reihe im Februar und März im Arsenal, Beginn heute um 21.00 Uhr. Bennings neuer Film RR läuft im Forum der Berlinale: Montag, 11.02., 16:30 Delphi Filmpalast und Donnerstag, 14.02., 17:30 Arsenal 1. Ab dem 12.2. ist die Benning-Reihe in vergleichbarer Form im Filmmuseum München zu sehen.]


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