2008

Sonntag, 25.05.2008

Bildhauer

Man hat die Handkamera bei Cassavetes für ein Mittel der Verlebendigung, für eine kunstlose Verneigung vor der Kunst der Schauspieler gehalten, aber in „The Killing of a Chinese Bookie“ (1976) ist deutlich zu sehen, dass sie modelliert und verewigt, sie schält Ben Gazzaras Haupt aus dem Dunkel, als ob es das eines Cäsars wäre.

Samstag, 24.05.2008

Living-room

Die Wahrheit über das Kino, das konservieren soll, was verloren geht, in einer Szene von „Fra Diavolo“ (1933): Stanlio fragt Ollio, ob er ihn nach seinem Tod begraben oder ausstopfen soll. Was er denn mit „ausstopfen“ meine, fragt Ollio empört. – „I thought it would be nice to keep you in the living-room.“ Die Szene handelt auf ihre Weise auch von Liebe.

Freitag, 16.05.2008

Remake

Die uninteressanten Künstler sprühen von Ideen, die interessanten kauen auf einem und demselben Gedanken herum. So sind im Grunde alle Fords und alle Ozus Remakes von früheren Fords und Ozus, aber in manchen Fällen ganz explizit; Ford drehte mit „The Sun Shines Bright“ (1953) „Judge Priest“ (1934) noch einmal, Ozu mit „Ukigusa“ (1959) noch einmal „Ukigusa Monogatari“ (1934). Beidemale ist der zweite unendlich viel reicher und differenzierter als der erste, der wie die Skizze zum Gemälde erscheint. Und doch fehlt der Verbesserung etwas, was der Entwurf hat, eine gewisse Lässigkeit, Unbekümmertheit, vor allem Unvollkommenheit.

Montag, 12.05.2008

Anti-Treadwell (Heinz Sielmann revisited)

„Später war er von Assistenten, von Kameraleuten und Beleuchtern umgeben, die ihm ohne weiteres zu kleinen Auftritten hätten verhelfen können: Knut Sieverding liegt im Morgengrauen auf der Lauer, Knut Sieverding zeigt mit dem Finger, Knut Sieverding begutachtet die Balzarena, und hier, Knut Sieverding, wie er die Kampfläufer bei ihren rituellen Vorführungen betrachtet. ‚Was für eine Vergeudung wertvoller Filmsekunden‘ – mehr wäre ihm dazu nicht eingefallen. Selbst wenn er ein handzahmes Tier zum Protagonisten gewählt hatte, wagte er bei der Arbeit nur zu flüstern, hielt sich bewegungslos neben der Kamera, und manchmal glaubte man für Momente, das Hermelin suche außerhalb der Leinwand Blickkontakt, die jungen Spechte würden ungeduldig, da Knut Sieverding nicht auf ihr Betteln reagiert. Für ihn galt: Der Autor selbst darf nur als Stimme aus dem Off erscheinen. Als seien ihm die Arbeitsbedingungen der Frühzeit nach wie vor präsent gewesen, ja als habe er aus ihnen so etwas wie die Verpflichtung abgeleitet, sich nicht im Bild zu zeigen.“

(aus Marcel Beyer, Kaltenburg, Frankfurt/M.: Suhrkamp 2008, S. 245f.)

Donnerstag, 08.05.2008

16/100

Die Geschichte vom Filmwissenschaftler, dem im Titel THE MOST DANGEROUS GAME die mit Blick auf den Plot sehr viel naheliegendere Bedeutung von „Game“ als „Wild“ über Jahre hinweg verborgen geblieben war und der die Schuld daran auf den deutschen Verleih schob, weil dessen freie Übersetzung GRAF ZAROFF – GENIE DES BÖSEN sich feige unter der Mehrdeutigkeit des Originaltitels hinweg geduckt hatte.

Sonntag, 04.05.2008

Super

Zum Beweis, dass es sich bei IRON MAN um einen jener „unsäglichen und Europäern sowieso unverständlichen“ Superheldenfilme handelt, lieferte der Rezensent der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (am letzten Wochenende) eine komplett falsche Inhaltsangabe und fand die Taliban im Film verzerrt dargestellt: „Menschen, die in Wirklichkeit nur für ihren Glauben kämpfen“.
Robert Downey jr. als der Eiserne (und die von Jon Favreau inszenierte Komik der Unbescheidenheit) hat mir Lust gemacht auf mehr Superhelden. Passend zeigt Gregor Overzier im Filmclub 813 in Köln unter der Überschrift „Supereroi dimenticati – Die Rückkehr der guten Laune“ am 17. Mai Die drei Supermänner räumen auf – FANTASTICI TRE SUPERMEN von Frank Cramer (= Gianfranco Parolini), am 24. Mai Argoman, der phantastische Superman – COME RUBARE LA CORONA D’INGHILTERRA von Terence Hathaway (= Sergio Grieco) und am 31. Mai Draculas Tochter und Professor Satanas – LA MUJER MURCIÉLAGO von René Cardona. Alle Filme (35mm Kopien) aus den Jahren 1966/1967 und in Farbe.
Gestern lief bereits Das rote Phantom schlägt zu – SUPERARGO CONTRO DIABOLIKUS von Nick Nostro. Minutenlang wurde da durch Grotten getaucht; Bergwerke, Fabriken und Raketenschächte waren auf wenigen Quadratmetern untergebracht; das Auto, das später mal Netzer, Beckenbauer und Overath gehörte, wurde auf nachtblauen Landstraßen geduldig eingefahren; die rothaarige Assistentin von Diabolikus wusste mit einer Reitpeitsche umzugehen und trug in jeder Szene ein neues Kostüm.
Auf die Frage, wie es denn möglich sei bei einer so teuren Produktion wie IRON MAN, so viel zu improvisieren und Dialoge „für den nächsten Tag“ zu schreiben, sagt Jon Favreau: „Well, these movies don’t really have scripts which are locked in a traditional sense. I mean it’s sort of the dirty secret about these superhero films…“

Samstag, 03.05.2008

Schöne, mir bislang unbekannte Formulierung: „Don’t get semantic!“, Ethan Hawke von seiner Ex- oder Noch-Ehefrau als Vorwurf an den Kopf geschleudert und in den Untertiteln als „Werd nicht spitzfindig!“ übersetzt. Möglicherweise hab ich mich aber auch verhört.

Donnerstag, 01.05.2008

1. Mai

Das Interessanteste an mir ist mein Geburtsdatum: 1. Mai 1936.
Nach dem 2. Abitur bin ich einmal zur Sorbonne gegangen und nach einer halben Stunde wieder rausgelaufen, aus Haß und Erschrecken. Dann habe ich mich auf die I.D.H.E.C. vorbereitet – und bin dabei dem Straub begegnet. Ich wollte Dokumentarfilme machen – ethnologische.
Noch: ich mochte überhaupt nicht blonde Leute mit heller Haut; als ich klein war, fand ich nichts schöner als die Mädchen auf der Schule in Paris (wo ich erst, als ich 13 war, hinkam – vorher war ich auf dem Lande), die schwarz waren … Nur war eben Straub blond mit sehr heller Haut. Leider! Ich hatte Englisch und Spanisch gelernt und mußte dann zuerst Deutsch und schließlich Italienisch lernen … Schön dialektisch!
Danièle Huillet


Dreharbeiten zu CHRONIK DER ANNA MAGDALENA BACH (1967)
© Sammlung Heiner Roß / Nachlaß Joachim Wolf (Kinemathek Hamburg)
im Filmmuseum München

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Das Dossier „Erinnerungen, Begegnungen“ wurde um einen Text von Michael Freerix ergänzt.

Zwei neue Filme von Jean-Marie Straub (und Danièle Huillet) werden beim Festival in Cannes in der Quinzaine des Réalisateurs gezeigt. Dazu hier bald mehr.

Freitag, 25.04.2008

Paranoid Park

Was ist von dem Film zu halten, in dem – anders als beim unangestrengt gestrengen „Elephant“ – der Regisseur sich nicht vor allerhand Spielereien scheut?
Kaum erinnerlich, Blendenfahrten gesehen zu haben, wie es großspurig heißt, wenn während laufender Kamera die Linsenöffnung verändert, es bald hell, bald dunkel wird.
Die Veränderung der Geschwindigkeit und Bildfrequenz, sog. Staffeln, kommen schon bei „Elephant“ vor, in dem die leitmotivische Verschiebung bis hin zum Eingriff in die Realzeit von Plansequenzen reicht. Seit der Effekt tausendfach zum Einsatz gebracht wird, z.B. in beinahe jedem indischen Musikclip, weil digital knöpfchendrückend simpel zu machen, ist er nicht mehr viel wert. (Diese erst ca. 8 Jahre alte Erfindung von Arri für Filmkameras – mit solcher immerhin machte es der handwerkelnde Gus van Sant also bei der Aufnahme selbst – war eine Ingenieursleistung, weil im identischen Maße der Laufgeschwindigkeitsvariation die Umlaufblende synchron geöffnet bzw. geschlossen werden mußte.)
Es ist Gus van Sant keinesfalls zu verdenken, daß er neuerlich in Schulfluren filmt, deren Schachtform per se Perspektive ist und deren Seitenfenster, Klassenzimmertüren, Neonröhrenreihen, spiegelnde PVC-Böden fabulöse Lichtwechsel wie von selbst mit sich bringen.
Es gibt ein Gespräch, beinahe schon ein Verhör zwischen dem Polizisten, welcher den wahrscheinlich fremdverschuldeten Tod eines Wachtmeisters aufzuklären hat und dem jugendlichen Protagonisten, Alex. Sie sitzen einander gegenüber. Die Kamera, über der langen Tischreihe zwischen ihnen, ist weit entfernt, nähert sich allmählich und vollführt einen Schwenk, bis sie frontal ins Gesicht von Alex gewendet ist. Der Vollzug dieser Einmischung legt das sonst so gewaltsame Schuß/Gegenschuß-Prinzip nahe, und daß dem Umschnitt auf den Kriminaler stattgegeben wird, ist eine feine Sache. Ähnlich stringent ist eine andere Gegenüberszene, in der vom Einen zum Anderen nicht geschnitten, sondern über beinahe 180 Grad geschwenkt wird. Während der beträchtlichen Dauer des Schwenks verbleibt die Schärfenebene in der Nähe, der Hintergrund matt.
Der Vorführer meinte, es mit einem Fehler zu tun zu haben und mußte sich durch einen Vorab-Lauf des ersten Aktes vergewissern, daß es sich tatsächlich um das altmodische Bildseitenverhältnis von 4:3 handelt, das eben auch mal die Brücke über dem Skater-Areal mit ins Bild zu holen erlaubt und ohnehin die Betrachtbarkeit des Bildganzen erleichtert. Eine anderes Revival kommt dem Super8-Format zu. Gus van Sant führt das Alibi an, es sei das „medium of skate film“ – ist das nicht Händi-Video?
Tja, und dann hat es in „Paranoid Park“ ein ausgewachsenes Sounddesign, Gus van Sant spricht von „soundscapes“. Das beständige Spektakel ist aufdringlich, weil die Tonspur nicht selektiv rezipiert werden kann. Auf die hohe Ereignisdichte für die Wahrnehmung ist wohl zurückzuführen, daß der scheinbar bloß 30minütige Film, den andere ausgerechnet als eintönig bezeichnen, faktisch eine Länge von 85 Minuten hat.
Der Elegiker Gus van Sant hatte Musikclips gefertigt, z.B. für David Bowie und „Red Hot Chili Peppers“. Er schneidet seine Filme selbst.
Ziemlich sicher hat einer der Velasquez-Brüder aus Larry Clarks „Wassup Rockers“ – der auch mehr ist, als ein Skater-Film – einen kurzen Auftritt auf dem Board. Sicher ist, daß die unsägliche Punk-Band der Velasquez-Brüder, „The Revolts“, ein lärmendes Stück Filmmusik beigesteuert hat.
Filmstart ist der 15. Mai. Über die Altersfreigabe ist – wahrscheinlich wegen des vom Zug durchtrennten Körpers, der Rumpf kriecht auf Alex zu – noch nicht entschieden.
Nein, kein Grund enttäuscht zu sein, vielmehr angenehm uneuphorisch, ein dem Manierismus zu verdankendes gezügeltes Entzücken.
Im Werkstattkino München gibt’s Gelegenheit, zusätzlich zum aktuellen „Paranoid Park“ (Preview 8./9. Mai, 20.30 Uhr) weitere Gus van Sant-Filme zu sehen: das Hitchcock-Remake „Psycho“ (13.-15. Mai, 22.30 Uhr), die Kurt Cobain-Hommage „Last Days“ (16.-18. Mai, 20.30 Uhr) und die Junkie-Geschichte „Drugstore Cowboy“ (16.-18. Mai, 22.30 Uhr).

Dienstag, 22.04.2008

The effort behind George Clooney’s effortless charm

On the kitchen counter, there was a single Post-It note with two words written on it: “Sydney Pollack.” His refrigerator contained many individual servings of watermelon, in plastic tubs. Sarah Larson joined us. She is twenty-nine (or, as he later put it, “Her grandmother has posters of me”), and she first met Clooney three years ago, in Las Vegas, where she was working as a hostess at Gerber’s Whiskey Bar, but she has been a public part of his life only since last September, when she broke some toes, and Clooney a rib, in a motorcycle accident in New Jersey. “You can’t outrun paparazzi on crutches,” she later said. She still has a home in Vegas, but now spends a large part of her time with Clooney.

He kissed her and asked, “You O.K.? Are you bored out of your mind?”

“No, just doing e-mail.”

(Ian Parker: Somebody Has to Be in Control)


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